Inhalt:
Vorbemerkung
Meine Quellen
Vorstellung von Marsilius Ficinus: Leben und Werk.
Vorstellung des Werkes "De vita (triplici)"
in Form ausführlicher Kapitelbeschreibungen
Astrologische Grundlagen, dabei auch mythologischer
Hintergrund der Planeten
Bemerkungen zu meiner Übersetzung
"De Vita" im Werk "Saturn und Melancholie" von
Klibansky-Panofsky-Saxl
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Vorbemerkung
Wer hat den Namen "Marsilius Ficinus" oder "Marsilio Ficino"
jemals gehört? Den "normalen" Zeitgenossen ist dieser Mann
unbekannt. So ging es auch mir bis ins Jahr 2006.
Ausgangspunkt für diese Beschäftigung mit Marsilius Ficinus war die
Begegnung mit dem Bild von Matthias Gerung:
"Melancolia 1558" in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe.
Um dessen Rätsel zu verstehen, suchte ich erst einmal bei Dürers
Melencolia I und fand in der bei mir zufällig vorhandenen Literatur
(Wilhelm Waetzoldt, DÜRER und seine Zeit, Phaidon-Verlag, Wien 1935, S.
122ff.) den Hinweis auf den noch nie gehörten Namen "Marsilius
Ficinus". Bei Waetzoldt wurde auf Giehlow und dann vor allem
auf Panofsky und Saxl als Urheber und Vertiefer dieses Forschungsansatzes
verwiesen.
Das Werk von Klibansky, Panofsky und Saxl: "Saturn und
Melancholie" (eine ganz kurze
allgemeine Einführung dazu auf meiner Gerung-Seite) spielt bei
Christian Müller und dann bei Anja Eichler (s. ebenfalls die Gerung-Seite)
eine ganz wichtige Rolle fürs Verständnis des Gerung-Bildes. Von Anja
Eichler und Christian Müller wurde auch auf die Planetenkinder verwiesen
- auch davon hatte ich bisher noch nichts gehört, die Beschäftigung mit
ihnen eröffnete aber einen faszinierenden Einblick in einen kleinen
Bereich der Bildenden Kunst, von dem
meine Seite über die
Planetenkinder einen kleinen Eindruck verschaffen soll. Das
Interessante daran ist, dass im Grunde alle genannten Themen
zusammenhängen und sich Ficinus' Werk "De Vita" als Kern des
ganzen Themenfelds herausstellt.
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Meine Quellen
Es sind zwei Bücher, auf die ich mich vor allem stütze und die
ihrerseits eine Fülle von weiterführender Literatur enthalten.
Für Leben und Werk von Ficinus war hilfreich: Dieter Benesch:
Marsilio Ficino's 'De triplici vita' (Florenz 1489) in deutschen
Bearbeitungen und Übersetzungen. Edition des Codex palatinus germanicus
730 und 452. Frankfurt am Main/Bern/Las Vegas (Peter Lang), o. J.,
handschriftlich: 1977; zitiert: Benesch.
Wie der Titel zeigt, hat sich Benesch vor allem mit der Textgeschichte,
und dabei vor allem mit der Problematik der frühneuhochdeutschen
Übersetzungen beschäftigt. In seiner Einführung (S. 17 bis 40) gibt er
einen Überblick über Leben und Werk Ficinos, was ich hier
kurz zusammenfassen möchte.
Das zweite Buch war deshalb wichtig, weil es sich mit dem "richtigen" Text
und der Übersetzungsproblematik beschäftigt: Carol V. Kaske und
John R. Clarke, MARSILIO FICINO, Three Books on Life. A Critical
Edition and Translation with Introduction and Notes. Binghamton/New York,
1989 (Medieval and Renaissance Texts and Studies); zitiert: Kaske.
Im Vorwort erfährt man, dass Kaske und Clark als Team mit
unterschiedlichem Verantwortungsbereich gearbeitet haben und etwa zwei
Jahrzehnte mit dem Text gerungen haben. Als Folge davon bietet dieses Buch
neben den Literaturhinweisen eine Fülle von Anmerkungen zum Text, vor
allem wird den Hinweisen Ficinos auf Quellen nachgegangen und werden seine
Quellen nachgewiesen. Dieses Buch wird im Abschnitt "Meine
Übersetzung" ausführlicher vorgestellt.
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Hier
geht's nach oben:
Biographie des
Marsilius Ficinus (Referat nach
Benesch)
"In der ersten Hälfte des 16.
Jahrhunderts war der Philosoph und Priester Marsilius Ficinus einer der
berühmtesten Ärzte Europas." (Benesch S. 8)
Marsilius Ficinus (italienisch:
Marsilio Ficino) wurde am 19. Oktober 1433 in Figline, einem Dorf in der
Nähe von Florenz, geboren. Er war der Sohn des Leibarztes von Cosimo de
Medici, Diotifeci detto d'Agnolo di Giusto. "Ficinus" deutet
Benesch in Nachfolge des Ficinus-Biographen R. Marcel als Deminutivum des
väterlichen Namens Diotifeci, detto "Ficino".
Nach Benesch ist Ficinus' Studienort (Bologna?) umstritten. Nach seinem
Medizinstudium soll die Begegnung mit Cosimo wichtig gewesen sein.
Cosimo gewährte Ficinus eine Art Stipendium, damit dieser seine
Plato-Studien betreiben konnte.
Cosimo war bei den Konzilien von Ferrara
und Florenz schon den gebildeten Begleitern des byzantinischen Kaisers
begegnet. Die kirchlichen Bemühungen führten damals, am 6. Juli
1439, zu einem Unionsdekret, aber 1453 fiel Konstantinopel,
und man hatte dann andere Sorgen.
In dieser bedrohlichen Zeit kam Georgios Gemisthos Plethon (1355 -
1450) nach Florenz, wo er Vorträge über die griechische Philosophie
hielt. Plethons Hauptwerk ist "Über die Unterschiede in der Lehre
des Aristoteles und Platos". Plethon war Anhänger Platons, er stand
negativ zum von Averroes (1126 - 1198) vermittelten Aristoteles wegen
dessen Lehre von der Sterblichkeit der menschlichen Seele. In Nachfolge
von Plethon tritt auch Ficinus in seiner "Theologia Platonica de
immortalitate animorum" für die Unsterblichkeit der menschlichen
Seele ein.
Platons Werk war im Mittelalter
kaum bekannt. Bis zum 12. Jahrhundert gab es den "Timaios" auf
Latein, im 12. Jahrhundert folgten "Menon" und "Phaidon"
und im 13. Jahrhundert wurde der "Parmenides" übersetzt, d. h.
man kannte zu Ficinus' Anfangszeiten nur 4 von 22 Dialogen im Wortlaut.
Cosimo hatte griechische Plato-Handschriften aufgekauft und suchte nun nach
einem Übersetzer. Ficinus war ja schon mit seinen "Institutiones
Platonicae" 1456 an die Öffentlichkeit getreten, Cosimo riet ihm
aber, sein Griechisch zu verbessern, um den gesamten Platon übersetzen zu
können; das tat Ficinus, vor allem auf seinem Landgut in Careggi, das ihm
Cosimo geschenkt hatte und das sein bevorzugter Arbeitsort, auch der Ort
der (umstrittenen/bestrittenen) Neuauflage der "Platonischen
Akademie" war; nach Benesch (s. S. 22) wurde sie 1521 aufgelöst.
1468 war die Übersetzung abgeschlossen, gedruckt wurde der lateinische
Plato 1484.
Neben Plato übersetzte Ficinus
auch andere griechische Werke: 1463 den "Pimander" des Hermes
Trismegistos, bis 1492 das Werk des Dionysius Areopagita "De
mystica theologia et de divinis nominibus". Im gleichen Jahr gab er
auch Plotins "Enneaden"
heraus.
Kommentare zu Platon erschienen 1496, im Jahr davor Ficinus' gesammelte
Briefe.
1473 wurde Ficinus Priester. 1477
erhielt er die Aufsicht über zwei florentinische Kirchen, 1484 wird er
Kanonikus an der Kathedralkirche zu Florenz.
Als sein medizinisches Hauptwerk
gilt "De vita triplici". Es besteht aus drei Büchern,
deren Titel mehrfach variiert werden, die ich hier einheitlich anspreche.
Ficinus widmete es seinem Gönner ab 1469, Lorenzo de' Medici
(s. Prooemium
des Gesamtwerks). Der erste Teil, "De vita sana", erschien
1484, die beiden anderen Bücher ("De vita longa" und "De
vita coelitus comparanda") wurden 1489 verfasst und veröffentlicht.
Mit diesem Werk wollte Ficinus als Arzt den geistig Tätigen helfen, alt
zu werden und im Alter gesund zu bleiben, um noch lange geistig produktiv
sein zu können. Der Inhalt des Werks wird unten unter "Grundzüge"
erklärt. Die ersten beiden Bücher sind auch eher medizinischen Inhalts,
das dritte Buch stellt das medizinische Anliegen in einen astrologischen
(zeittypischen) Zusammenhang und bietet damit auch eine Einführung in die
damalige Astrologie.
Dass die Bücher unterschiedlich schwierig sind, zeigt sich auch daran,
dass der frühneuhochdeutsche Übersetzer von "De vita", der
Straßburger Humanist Johannes Adelphus Muling, zwar die ersten
beiden Bücher (gekürzt) übersetzt, sich zum dritten Buch aber
folgendermaßen äußert: "Das drit buch Das gar hoch zu verston ist
/ deßhalb hie uß gelon und sunst besunder gedrucket." (zitiert nach
Benesch S. 10)
Durch das dritte Buch "De vita
coelitus comparanda" gerät Ficinus in Häresieverdacht. Es
wird auch offiziell nach Januar 1490 gegen ihn die Anschuldigung wegen
Häresie und Magie erhoben. Der Erzbischof von Florenz kann in Rom aber
den Prozess abwehren. - In dieser Zeit ist Ficinus mit Pico
della Mirandola (1463 - 1494) befreundet, den er nach dessen
Verbannung in seinem (Picos) Häresieprozess in seinem Haus in Careggi aufnimmt.
Ficinus stirbt am 1. Oktober 1499
in Careggi.
Ficinus wirkt in Deutschland in den
dortigen Humanistenkreisen nach, so in Nürnberg (Peutinger und
Pirckheimer), in Heidelberg (Celtis und Reuchlin) und in Straßburg (Adelphus)
- (Benesch, S. 34). Über Reuchlin führt die Linie zu Melanchthon und dann
vor allem zu Agrippa von Nettesheim mit seiner "Occulta philosophia".
Information
über Ficinus bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Ficinus
Sehr gute Einführung in Leben und Bedeutung von
Ficinus: http://www.kzu.ch/fach/as/material/Texte_philo/Plato/ficino.htm
Hier handelt es sich um einen Artikel aus der Neuen Zürcher Zeitung, der
1999 anlässlich Ficinus' 500. Todestag erschienen war.
Hier
geht's nach oben:
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Grundzüge von
"De Vita triplici"
Hierzu möchte ich die Inhaltsangaben verwenden, die Ficinus den einzelnen
Kapiteln vorausschickt, die aber nicht immer das Kapitel erschöpfend
zusammenfassen. Deshalb findet sich hier neben der Kapitelangabe die
Übersetzung von Ficinus' Überschrift und darunter eine ausführlichere
Zusammenfassung. Die Kapitelnummer dient jeweils als Link zum Originaltext
(mit Übersetzung).
Rosa unterlegt:
Kapitel, die die Melancholie und/oder ihren Zusammenhang mit Saturn
behandeln. |
Grün: Kapitel, die
in den astrologischen Hintergrund einführen. |
Buch/Kap. |
oben: Kapitelüberschrift
des Ficinus, darunter: wenn nötig ausführlichere Angaben |
Proöm |
Vorwort
des Marsilius Ficinus aus Florenz zum Buch "Über das Leben": An
den hochherzigen Lorenzo de' Medici, Retter des Vaterlands |
|
Im Proömium widmet Ficinus das gesamte Werk
"De vita triplici" seinem Gönner, Lorenzo de' Medici.
Das erste Wort, "Bacchus" (1) verrät schon die
Hochschätzung des Weines durch Ficinus; nochmals ganz deutlich in
7. Mit der mythischen Erzählung der doppelten Geburt des Bacchus
kommt Ficinus zu dessen zwei Müttern (1 - 7), woran er dann seinen "Privatmythos"
der zwei Väter anschließen kann, d. h. er huldigt hier erst
seinem geistigen Vater, Cosimo de' Medici (8 - 13).
Seinem leiblichen Vater habe er das erste Buch von "De vita
triplici", "De vita sana" gewidmet. Leute der
Zielgruppe "geistig Tätige" ("homines litterati", 15) seien an ihn
herangetreten, und für sie habe er die beiden anderen Bücher
geschrieben (14 - 18).
Ab 19 widmet er sein Werk seinem Gönner, Lorenzo de' Medici - in
Form einer Bitte um Nachsicht, wenn er eher Dichter als Arzt sei; schließlich
sei Phoibos Apollo ja Gott der Heilkunst und der Dichtung (19 - 21).
Über den Gedanken der Fürsorge für seine Bücher, sozusagen seine
Seele, kommt Ficinus zu einem großen Preis des Lorenzo, der
ja schon länger Hüter seiner Seele sei - in Form der
Plato-Übersetzung - und überreicht ("accipe" -
"nimm an!" - 29)
Lorenzo dieses Werk über die Gesundheit des Körpers (22 - 30).
|
Buch
I |
i,
Proöm |
Über
die Gesundheitsfürsorge
der geistig Tätigen |
|
Nach der Begrüßung (1) seiner beiden Freunde
Vespucci und Boninsegni übergibt Ficinus sein Werk ihrem Urteil zur
Prüfung, vor allem aber dem Urteil seines Gönners Lorenzo (2 - 4).
Diese Widmung schließt mit einem Lob der körperlichen, vor allem
der geistigen Gesundheit als Vorbedingung zum Erwerb der "sapientia",
der Weisheit;
d. h. Lebensziel ist das Ziel der Philosophie (5 - 12). |
i,
1 |
Neun Führer der um Wissen
Bemühten |
|
Ficinus stellt neun Faktoren, die für seine
Zielgruppe, die geistig Tätigen, wichtig sind, zusammen; sein Ziel
ist der bisher fehlende Arzt. Diese Rolle möchte er einnehmen, wie
er sagt, als erster. Das Kapitel endet mit einem Appell, sein
Angebot wahrzunehmen.
Die Zielgruppe wird zweimal eher allegorisch angesprochen: Menschen
auf dem Weg zum Musentempel (iter ad Musarum templum) und
die, die das "studium Minervae" (eigentlich
"Eifer für Minerva", also "Studium der
Wissenschaften") betreiben. (In i,
5, 1 nennt er sie "sacerdotes Musarum" - Priester der
Musen.) |
i,
2 |
Sorgfältige Sorge für
Hirn, Herz, Magen und Seelenatem |
|
Nach einem kurzen Hinweis auf die Wichtigkeit des
Werkzeuges im normalen Leben nennt Ficinus das für den geistig
Tätigen wichtige Werkzeug, den "spiritus", was ich
mit "Seelenatem" übersetze, um einerseits vom
normalen Atemhauch zu unterscheiden, andererseits auf seine innere
Funktion hinzuweisen.
In diesem Kapitel erklärt Ficinus, wie und in welchen Organen der Seelenatem entsteht.
Auffällig, dass er vom spiritus im Singular und im Plural sprechen
kann, dieser also verschieden Aspekte hat, die durch den Plural
anklingen. |
i,
3 |
Abhängigkeit der geistig
Tätigen von feuchtem Schleim (Phlegma) und schwarzer Galle (Melancholie) |
|
Neben der üblichen Fürsorge für Körperglieder, -kräfte
und Seelenatem müssen geistig Tätige, Ficinus' Zielgruppe, vor
allem zwei Gefahren, die er als Körpersäfte anspricht,
vermeiden: Schleim (Phlegma) und schwarze Galle (Melancholie)
- 1ff.
Danach spricht Ficinus die Folgen von Phlegma, vor allem
von Melancholie an: "assidua cura" (beständige
Sorge), "crebra deliramenta" (häufige Wahnvorstellungen)
und "perturbatio iudicii" (gestörtes Urteilsvermögen),
um abschließend noch einmal festzustellen, wie gut es seiner
Zielgruppe gehen könnte, wenn die beiden Fehlentwicklungen nicht
vorhanden sind (4). |
i,
4 |
Anzahl der Gründe, weswegen geistig Tätige melancholisch sind
oder es werden. |
|
Hier beschreibt Ficinus erst die drei
Voraussetzungen von Melancholie, dann die schwerwiegendste
Form ihrer Entstehung.
Er beginnt mit der Ankündigung von drei Gründen für das Bestehen
von Melancholie (1) und führt diese aus:
Der himmlische Grund besteht in der Trockenheit (und Kälte)
von Merkur und Saturn, die ihren Anhängern, und das sind die geistig
Tätigen, diese Qualität vermitteln, sie bewahren, sogar mehren
(2f.).
Den natürlichen Grund sieht Ficinus in der Ähnlichkeit von
schwarzer Galle mit der Erde: beide ziehen sich zusammen. In 7 wird
dann noch die Entsprechung (wohl beider: Erde und schwarzer Galle)
mit Saturn behauptet. Und die geistige Tätigkeit der Betrachtung
("contemplatio") bewirke - in Ähnlichkeit zur schwarzen
Galle - die Kontraktion (4 - 8).
Als menschlichen Grund führt Ficinus physiologische
Vorgänge an: Denken trocknet das Hirn aus - Saft (Quelle der Wärme)
und die Wärme selbst gehen zur Neige - das Hirn wird trocken und
kalt (9 f.). Am Ende von 10 wird dann begrifflich festgelegt: kalt
und trocken sind Qualitäten von Erde und schwarzer Galle: siccus +
frigidus = qualitas terrestris et melancholica! Beim Denkprozess
wird nun auch Seelenatem verbraucht, für den vom feineren Blut her
Nachschub besorgt werden muss; dadurch wird das Blut dicht, trocken
und schwarz. Verschärft wird dieser Vorgang durch eine
gleichzeitige Mangelversorgung von Magen und Leber infolge der
Unterstützung des Denkvorgangs. Vor allem bei ungeeigneter Nahrung
wird dadurch das Blut ebenfalls dicht, kalt und schwarz (9 -
16).
Die genannten drei Gründe bewirken also einen melancholischen
Seelenatem und einen traurigen und ängstlichen Geist (17).
Zu diesen "naturgesetzlichen" Abläufen kommt nun noch ein
bestimmtes menschliches Verhalten: Durch intensives Studium der
Philosophie trenne man Körper und Geist und werde deshalb besonders
von schwarzer Galle ("atra bilis" = "melancholia")
bedrückt. Dafür führt Ficinus dann ein Platon-Zitat aus
Timaios an (18 - 20). |
i,
5 |
Grund der Genialität
der
Melancholiker; welche Melancholiker genial sind, welche nicht. |
|
Zunächst fasst Ficinus noch einmal die drei Gründe
des vorausgehenden Kapitels zusammen (1).
Den Zusammenhang von Genialität und Melancholie stützt er nun mit drei
Autoritäten: Aristoteles (mit seinem Problem 30, 1),
Plato (Theaitet) und Demokrit; letzteren stützt er
mit einem weiteren Platon-Zitat (Phaidros) ab (2 -7).
Ficinus stimmt den Autoritäten zu, bemängelt aber die nicht ausreichende
Begründung durch die großen Meister (8ff.).
Deshalb liefert er einen gründlichen Einblick in die Materie
"Melancholie": Zunächst unterscheidet er grundsätzlich
zwischen "melancholia naturalis" (natürliche) und "adusta"
(verbrannte); die "adusta" zerfällt ihrerseits in
vier Spielarten, je nach Verbrennungsvorgang (11 - 16).
Das Brennen der schwarzen Galle bewirke das Rasen, das Erlöschen
die bekannte üble Melancholie; grundsätzlich kann nur die
natürliche Melancholie hilfreich sein (17 - 20)
Danach behandelt Ficinus bestimmte Mischungsformen mit Phlegma; von diesen
kann nur die ungemischte und maßvolle (26!) schwarze Galle
"iudicium" (Urteilsvermögen) und "sapientia"
(Weisheit) fördern (20 - 26), der Gedanke des richtigen
Maßes wird in 27 - 30 vertieft.
Im Gegensatz zum Phlegma soll sich schwarze Galle aber mit Galle
und Blut durchaus vermischen, Ficinus gibt sogar das
richtige Mischungsverhältnis (2/3 Blut, 1/6 Galle, 1/6
schwarze Galle) an (31 - 35). Wünschenswert ist, dass die beiden
anderen Säfte die schwarze Galle entzünden; durch Vergleich mit
Eisen und Kalk wird das Verhalten der schwarzen Galle verständlich
gemacht (36 - 40).
Im Vergleich mit den anderen Säften zeigt schwarze Galle ein Extremverhalten,
das sich auf den Menschen auswirkt ("audacia"/Kühnheit :
"timor" + "ignavia"/ängstliche Feigheit) - (41
- 45).
In der Zusammenfassung plädiert Ficinus noch einmal für die
günstige Mischung: "opportune temperata" soll die
schwarze Galle sein. (46 - 51). |
i,
6 |
Nutzen der schwarzen Galle für
das Genie |
|
Zwei Fragen beantwortet Ficinus in diesem Kapitel:
Die erste Frage gilt der Beschaffenheit dieser optimal
gemischten Saftform: Farbe und Temperatur entsprechen dem Gold
(1f.).
Die zweite Frage gilt dem Zusammenhang dieser Saftkombination
(!) mit
der Genialität eines Menschen; dazu holt Ficinus weiter aus und
liefert zunächst vier Gründe (4 - 11):
Zum ersten sind die Formen von Seelenatem ("spiritus"
wieder Plural!) fein; Vergleich von Wein mit Weinbrand (5). Durch den
Druck in einer Art innerem Röhrensystem werden sie ganz fein (6).
Zweitens sind sie wärmer und heller (7).
Drittens sind sie beweglich und dadurch sehr heftig (8).
Viertens stehen sie beständig zur Verfügung (9). Durch diesen
Dienst ist der Geist ("animus") sehr leistungsfähig
(10f.).
Danach greift Ficinus auf früher eingeführte Gedanken
zurück (12 - 16).
Erstens ("adde") hat der Geist dadurch ein Instrument (i,
2, 5), das aufgrund seines Wesens zum Kern strebt (i, 4, 4) - (12);
zweitens ("insuper") steht der Geist im Einklang mit
Merkur und vor allem mit Saturn, dem höchsten der Planeten:
Unterschied zu den "himmlischen Gründen" von i, 4, wo
Ficinus mehr den Merkur bedacht hat. Die Wirkung dieses Umstands
ist: "philosophi singulares" ("einzigartige
Philosophen"). Diesen Befund stützt
Ficinus vierfach (!) mit Autoritäten ab: Demokrit, Plato,
Aristoteles (Problemata) und Avicenna (13 - 16).
Abschließend fasst Ficinus den Wert der "atra, immo candida
bilis" ("schwarzen, nein besser: weißen Galle")
noch einmal zusammen und stellt den Unwert der
"normalen" schwarzen Galle dagegen (17f.). |
i,
7 |
Fünf Haupthindernisse für
geistig Tätige: Phlegma, Melancholie, Geschlechtsverkehr, Sattheit,
Schlaf am Morgen |
|
Metaphorisch führt Ficinus zum Thema zurück: Die
geistig Tätigen sind zu Land und zu Wasser in Gefahr; Wasser sind
die Säfte, Land die anderen drei Gefahren, die er im folgenden
ausführt (1ff.).
Wieder bildhaft spricht er die drei Gefahren ("monstra")
mit drei Göttergruppen an: Venus und Priap (1. Gefahr), Bacchus und Ceres
(2. Gefahr) und Hekate (3. Gefahr); gegen die drei Gefahren stellt
er sich unter den Schutz von drei Göttern: Apoll, Neptun und
Hercules (4ff.).
Im folgenden werden die Bilder prosaisch "enträtselt": Venus
steht für geschlechtliche Liebe, von der Ficinus - vor allem im
Übermaß - abrät, weil sie die Kräfte vermindere. Auch hier
werden wieder Autoritäten angeführt (Hippokrates und Avicenna) und
die Alten gelobt, dass sie die Musen und Minerva Jungfrauen sein
ließen; auch dieser Gedanke wird mit einer kleinen Platon-Episode
gestützt (7 - 16).
Die zweite Gefahr ist zu viel Essen und zu viel Wein; dafür standen
Ceres und Bacchus; ausführlicher stellt er den
Zusammenhang der Verdauung mit geistiger Tätigkeit dar; seine
Autorität dabei ist Galen (17 - 24).
Das dritte "Monster" ("Hekate") sind
durchgearbeitete Nächte; da viele geistig Tätige hier einer
falschen Meinung anhängen, setzt sich Ficinus mit dieser Gefahr
länger, d. h. mit sieben Gründen auseinander, die er zunächst
alle aufzählt (25 - 27):
Erster Grund gegen die Nachtarbeit sind die "Schutzplaneten"
der geistig Tätigen: Sol und die beiden inneren Planeten Venus und
Merkur, deren Leuchten also mit Sol, und damit mit dem Tag,
zusammenhängt.
Einen zweiten Grund sieht Ficinus in den Elementen: Die Luft
wirkt unterschiedlich abends und morgens auf Blut und Seelenatem (32
- 34).
Dritter Grund ist das Verhalten der Säfte: morgens herrscht
das Blut, abends das Phlegma und die schlechte schwarze Galle (35 -
38).
Als vierten Grund nennt Ficinus die richtige Ordnung der
Dinge, d. h. Nachtarbeit ist Verstoß gegen die kosmische Ordnung,
aber auch gegen das eigene Wesen (39 - 46).
Die Magenfunktion bildet den fünften Grund: Abends braucht
der Magen Seelenatem; ist man da geistig tätig, muss sich der
Seelenatem aufteilen und reicht nicht für beides - Aussage wird
gedoppelt (46 - 53). Das Essverhalten löse auch einen schädlichen
Fäulnisprozess im Magen aus (54). Es entstehe auch Stuhlverhaltung,
was alle Ärzte für schädlich halten (55 - 56).
In diesen Grund schiebt Ficinus noch einen Vergleich mit den Nachteulen
ein: deren Augen werden bei Tag schwarz, im Licht der Wahrheit
verfinstere sich bei Nachtarbeitern der Scharfsinn.
Sechster Grund ist Seelenatem (im Plural!). Abends hat man
nur den dickeren, fürs geistige Arbeiten ungeeigneten, dagegen
steht morgens genug zur Verfügung (58 - 61).
Siebter und letzter Grund ist die Vorstellungskraft; modern
formuliert fehlt nachts die Konzentration; bei nächtlicher Ruhe
beruhigt sich der Geist. Mit unruhigem Geist könne man nicht
richtig urteilen; zur Illustration dieses Gedankens führt Ficinus
Platons Vergleich mit dem Schwindel an. Dieser Zusammenhang wird
wieder mit einem Aristoteles-Zitat abgeschlossen (62 - 68).
In seiner Zusammenfassung betont Ficinus noch einmal, dass das
Fehlverhalten in einem morgens überladenen Magen liegt. Dafür
weist Ficinus auf eine Aussage Davids hin, er lobe Gott morgens.
Aber das Aufstehen sei vor allem ein mentales Problem (69 - 71). |
i,
8 |
Richtige
Zeit, mit den
Studien zu beginnen, und rechtes Maß der Fortführung |
|
Hier gibt Ficinus Hinweise, wie man seinen Tag am
besten einteilen soll.
Zunächst weist er auf den Zusammenhang seiner Vorschriften mit dem
letzten Kapitel hin und gibt dann Anweisungen für die Zeit
vor und nach dem Aufstehen, bis etwa zum Mittag (1 - 11).
Er begründet diese Zeiteinteilung mit den "Vorlieben"
Sols (12 - 15); der Rest der Zeit sei für Lektüre geeignet (16).
Abschließend weist Ficinus noch auf den Wert von Pausen zur
Vermeidung körperlicher oder geistiger Erschöpfung hin (17 - 21). |
i,
9 |
Vermeidung von Phlegma |
|
Ficinus greift auf die erste der in i, 7
genannten Gefahren, das Phlegma, zurück und gibt
einzelne Vorschriften für Sauberkeit des Körpers und richtige
Nahrungsaufnahme, auch richtiges Wohnen; am Ende folgen noch
Maßnahmen, um Feuchtigkeit und Kälte (= Qualität von feuchtem
Schleim!) zu vermeiden (1 - 11). |
i,
10 |
Vermeidung von schwarzer Galle |
|
Ausführlicher beschäftigt sich Ficinus mit dem Problem
der schwarzen Galle, d. h. der Melancholie (= 2. Gefahr
von i, 7).
Zunächst führt er Dinge an, die die schwarze Galle (immer
zweideutig: Saft oder Krankheit!) vermehren: Speisen, auch
Verhaltensweisen; auch hier (7) geht es darum, der Qualität der schwarzen
Galle (kalt und sehr trocken) gegenzusteuern (1 - 7).
Im weiteren führt Ficinus eine Art
Magen-Phlegma-Schwarzgallen-Schonkost unter Hervorhebung des Weines
an (8 - 18); eigens erklärt werden die Düfte, auch hier wird
wieder Wein hervorgehoben (19 - 24). Es folgen weitere
Diätvorschriften und andere Maßnahmen (25 - 29).
Mit dem Hinweis auf drei Autoritäten (Hermes Trismegistos,
Pythagoras und Plato), abgestützt von einem Hinweis auf David wird
das Lob der Musik eingeleitet; auch Ficinus selbst setzt
dieses Mittel gegen Melancholie (Krankheit!) ein (30 - 32). <Das
Lob der Musik ist dann Thema von iii,
21.>
Am Schluss folgt noch eine Reihe von anderen günstigen Maßnahmen,
endend mit "assidua hominum gratiosorum consuetudo", dem
"beständigen Umgang mit sympathischen Menschen" (33f.). |
i,
11 |
Die Sorge für den Magen |
|
Schön gegliedert gibt Ficinus die Tipps zur
Magenpflege:
Erst nennt er Grundsätzliches zur Nahrungsaufnahme (1 - 5).
Im 2. Abschnitt führt er die Speisen an, die man vermeiden soll (6
- 9).
Darauf folgen die Dinge, die dem Magen gut tun (10 - 17).
Am Ende kommen noch die Hinweise, wovor man sich in Acht nehmen soll
(18 - 26). |
i,
12 |
Mittel für besondere Glieder, die Körperkräfte und den
Seelenatem |
|
In diesem Kapitel stellt Ficinus drei Mittel
zur Kräftigung bestimmter Körperteile, gegen überhandnehmenden
Schleim, Galle und schwarze Galle vor (1), im Hauptteil jeweils mit
Rezeptur.
Bestes Mittel ist Theriak (oder ersatzweise Mithridat)
- (2 - 6).
An zweiter Stelle folgt Aloe (8 - 11).
Für die Tage, an denen man weder Theriak noch Aloe nimmt, empfiehlt
Ficinus ein eigenes Rezept (12 - 16).
Abschließend verweist er auf seine persönliche Erprobung und
betont die Wirksamkeit dieser Mittel (17 - 19). |
i,
13 |
Heilmittel gegen Phlegma |
|
Gegen Phlegma empfiehlt Ficinus ein Mittel
(Pillen) des Galen/Mesue und einen Sirup. Bei Störung mehrerer
Säfte rät er Rhabarber-Pillen des Mesue oder Pillen namens
"Sine quibus", was beides zum Purgieren dient. Aus diesem
Anlass äußert sich Ficinus grundsätzlich und ablehnend zum
(heftigen und jähen) Purgieren (1 - 5). |
i,
14 |
Katarrh
|
|
Mittel gegen Katarrh, den Ficinus als Folge des
Phlegmas ansieht. |
i,
15 |
Kopfschmerz |
|
Auf die Angabe der Mittel (1f.) folgt die der Behandlungsmethoden
(3). |
i,
16 |
Augenpflege |
|
Nach den Mitteln gegen Sehstörung ohne Rötung
der Augen (1 - 3) folgen die Mittel bei Rötung (4f.).
Darauf lobt Ficinus die guten Augenmittel: Fenchel, Triphera,
Myrobalanum und Augentrost (6 - 10); am Ende nennt er noch
Maßnahmen bei Dampf und Hitze (11f.). |
i,
17 |
Wiederherstellung des
Geschmacks |
|
Geschmacksverlust sei ein häufiges
Leiden der geistig Tätigen (1).
Zuerst erklärt Ficinus die Diagnose und Behandlung, wenn er Folge
des Phlegmas ist (2f.).
Ausführlicher geht Ficinus wieder auf die Ursache "bilis"
("Galle") ein; hier empfiehlt er verschiedene Mittel, auch
ein eigenes, dessen Zubereitung er erklärt (6), und bespricht deren
Anwendung (4 - 9).
Abschließend nennt er noch Mittel gegen Übelkeit, die von den
beiden Säften (Phlegma/Galle) herrührt (10 - 13). |
i,
18 |
Genaue
Sorge für die schwarze Galle |
|
Das Bisherige sei leicht gewesen;
jetzt gelte es, wieder zum Problem, der schwarzen Galle,
zurückzukehren (1).
Drei Vorschriften gibt Ficinus für deren Behandlung: erstens
- Autorität ist Galen - soll sie nicht übereilt beseitigt, sondern
allmählich ("paulatim") aufgelöst werden (2).
Zweitens gilt eine umfassende "Feucht-Haltung" (3).
Und die dritte und wichtigste Vorschrift gilt der Pflege des
Herzens, das gestärkt werden soll; offensichtlich zählen dazu auch
eher psychologische Stützungsmaßnahmen: Sehen, hören, riechen und
denken, was Spaß macht! (4f.) |
i,
19 |
Sirup |
|
Zuerst stellt Ficinus fest, dass gegen
diesen Saft (atra bilis) schon vielerlei zusammengestellt wurde; aus der
Vielzahl will er drei Mittel in drei Verabreichungsformen behandeln,
die er besonders herausstellt: Sirup, Pillen, Latwerge; danach preist
er nochmals deren Wirkung - vor allem auf den "humor
melancholicus" (1 - 4).
Danach führt er die Zutaten des Sirups an und erklärt seine
Zubereitung (5 - 9).
|
i,
20 |
Pillen |
|
Von Pillen gibt es zwei Arten,
die für Verwöhnte und die für Robustere (1f.).
Zuerst erklärt Ficinus die erste Pillenart, die auch "aureae"
(goldene) oder "magicae" (magische) heißen (3 - 5);
danach liefert er das Rezept dafür (6f.).
Es folgen die stärkeren Pillen: "validiores". Auch
hier liefert Ficinus das Rezept (9f.) und gibt eine
Variationsmöglichkeit an (8 - 11).
Danach begründet Ficinus, warum er keine Rosskur - im Unterschied
zu Karneades - anstrebt (12 - 15).
Für den Hausgebrauch folgt noch eine weitere Rezeptur (16f.).
Wichtig für die Einnahme: Diese Pillen sollen nicht unbegleitet
eingenommen werden (18f.).
Am Schluss folgt ein Hinweis für die beiden Zielgruppen: die, die
stärker unter Melancholie leiden, sollen die vorgeschlagene
Purgation durchführen, bei den anderen genügt die Einnahme der
Pillen (20f.). |
i,
21 |
Flüssige Arznei |
|
Zunächst gibt Ficinus die
Bedingungen an, unter denen eine flüssige Arznei geboten ist:
drohende Austrocknung bei gleichzeitigem Zwang zum Purgieren, nennt
dann die Bestandteile dieser Arznei und ihre Anwendung (1f.).
Zwei weitere Arzneien helfen vor allem der "melancholia adusta";
bei "melancholia naturalis" ist eine Arznei auf
Sirup-Basis angebracht (3 - 7) - <zur Unterscheidung s. i,
5.>
Im zweiten Teil gibt Ficinus Anweisungen, was im Falle der "complexio
melancholica", d. h. bei keiner "atra bilis" und im Gegensatz
dazu bei zu viel "atra bilis" zu tun ist. Im ersten Fall
ist Purgieren und Aderlass nicht angebracht, im anderen Fall wird
purgiert, aber nicht heftig; fürs schonende Verfahren bietet
Ficinus wieder ein Platon-Zitat auf (8 - 10).
<Es ist erstaunlich, dass man auch für die "atra bilis
naturalis" eine Arznei braucht.>
|
i,
22 |
Aderlass |
|
Blut, als kostbarer Saft, soll nur
in dringenden Fällen aus den Adern gelassen werden (1). Deren
Bedingungen spricht Ficinus an, nennt auch das Verfahren des
Aderlasses (2); die Folgebehandlung gestaltet sich unterschiedlich
(3 - 5). Abschließend betont Ficinus die Bedeutung von Klistieren,
gerade bei Melancholikern (6f.). |
i,
23 |
Latwerge |
|
Hier stellt Ficinus fremde und
eigene Latwerge vor.
Zuerst nennt er eine von Rasis, mehrere von Avicenna und begeistert
sich vor allem für eine von Mesue, die er mit Rezeptur und
Verabreichung ausführlich vorstellt (1 - 12).
Kurz erwähnt er eine zweite Latwerge von Mesue und bewertet eine
von Peter von Abano (13f.).
Da Peters Latwerge Nebenwirkungen hat, hat Ficinus zwei eigene
entwickelt, die er ausführlich vorstellt (15 - 25). Die beiden und
die eine, ausführlich besprochene von Mesue empfiehlt Ficinus
besonders (26).
Am Schluss stellt er noch eine einfachere Ersatzlösung vor,
spricht auch kurz eine Verabreichungsvariante an (28 - 33). |
i,
24 |
Schlaflosigkeit |
|
Der Schlaflosigkeit muss man als
einem bei geistig Tätigen verbreiteten Übel kraftvoll begegnen :
"nihil atrae
bilis mala magis auget" (Nichts
vermehrt die Übel der schwarzen Galle mehr.)
- (1f.)
Zunächst gibt Ficinus Speisevorschriften; bei den Speisen
spielt Kopfsalat eine große Rolle (2 - 6).
Es folgen weitere Verhaltensmaßregeln, bei denen auffällt,
dass sie mit der Behandlung von Milch (13f.) und Mandelmilch
(15), also wieder Speisen, aufhören (8 - 15). |
i,
25 |
Schwäche und Vergesslichkeit |
|
Aufgrund ihrer Arbeitsweise können
die geistig Tätigen auch von Phlegma und Melancholie befallen
werden und an Schwäche und Vergesslichkeit leiden (1). Erste
Maßnahme ist es, den Kopf mit den Mitteln gegen Phlegma zu
erleichtern (2).
Falls diese nicht ausreichen, empfiehlt Ficinus eine Reihe von
Mitteln anderer Ärzte (fünf Namen genannt: Archigenes,
Andromachus, Theodotion; Isaak Judaeus und Mesue) - (3f.).
Ausweichmöglichkeit sind zwei Anakardienmittel - von Mesue
und Rasis (5f.); es folgt noch die empfohlene Anwendung und ein
Pauschallob dieser Mittel (7f.)
Für Skeptiker bietet Ficinus auch vertrautere Mittel, deren
Rezepte er anspricht, und lobt auch hier wieder Theriak (9 -
13).
Es folgen noch weitere Maßnahmen bei Schwachen und
Vergesslichen. |
i,
26 |
Sorge für deinen körperverbundenen
Seelenatem, den körperlosen aber
achte; verehre schließlich die Wahrheit. -
Das Erste leistet die Medizin, das Zweite die Ethik, das Dritte aber
die Religion. |
|
Das Abschlusskapitel beinhaltet einen mit
Plato-Zitaten abgestützten Hymnus auf das Licht der ewigen
Wahrheit.
Wenn geistig Tätige schon mit ärztlichem Beistand gut für ihren
Seelenatem sorgen müssen, um wie viel mehr für ihren Intellekt,
hängt doch die körperliche Gesundheit auch von der geistigen ab
(1f.). Diese Rangfolge wird durch die Aussage Apolls gestützt,
Sokrates sei der weiseste der Menschen, nicht Hippokrates; aber
Höhepunkt aller Heilkunst ist Christus (3).
Mit folgender rhetorischen Frage leitet Ficinus zu seinem
Schlusshymnus über: Wenn uns Sokrates mit Ethik dazu anhält,
das Licht der natürlichen Wahrheit zu erreichen, um wie viel mehr
müssen wir dann die göttliche Wahrheit mit der heiligen Religion
verehren (4)?
Diese Wahrheit zu suchen und zu erfassen sei Bestimmung des
Menschen. Wenn der Geist von den Verwirrungen seines Körpers
durch die Ethik gereinigt und auf Gott ausgerichtet sei, werde die
göttliche Wahrheit in ihn einfließen und den Geist mit Licht, die
Willenskraft mit großer Freude erfüllen (5 - 10). |
Buch
II |
ii,
Proöm |
Vorwort
zum Buch "Über langes Leben" |
|
Ficinus wünscht seinem Freund Filippo Valori, dem
Financier von "De vita", mit Hilfe dieses Werks lange
leben zu können, um der "neu erstandenen" Lehre Platos
zusammen mit ihrem großen Gönner, dem geschätzten Lorenzo de'
Medici, dienen zu können. |
ii,
1 |
Zur Vollendung des Wissens braucht man ein langes Leben, das
auch die Sorgfalt garantiert. |
|
Nachdem im Proöm nur die Widmung ausgesprochen worden
ist,
kommt Ficinus in diesem ersten Kapitel zum eigentlichen Vorwort des
Buches.
Angesichts der Schwierigkeit, durch Erfahrung ein gutes
Urteilsvermögen zu erreichen, ist sich Ficinus des Sinnes eines
langen Lebens bewusst (1 - 4).
Ein langes Leben ist nicht einfach vom Schicksal gegeben,
sondern hängt auch von unserer Sorgfalt und Klugheit ab;
dafür führt Ficinus als Autoritäten Platon, Aristoteles und
Plutarch an; auf seine eigenen Erfahrungen verweist er nur in Form
einer Transitio (5 - 9).
Deshalb hält Ficinus seine Werk "De vita longa" für
sinnvoll (10).
Abschließend nennt er die Adressaten seines Werks: Nach
dreimaliger Negation erfolgt die positive Übereignung: "humano generi vel privatim vel
publice profuturis", den Helfern der Menschheit (11 - 15). |
ii,
2 |
Die Lebenswärme wird von einem Saft genährt, bei dessen Mangel es zu
Auflösung, bei dessen Übermaß es zu Erstickung kommt. |
|
Eingangs liefert Ficinus den nötigen Hintergrund: Leben
bestehe in Wärme, Wärme komme von einem bestimmten Saft,
bei dessen Mangel die "resolutio" (Auflösung), bei
dessen Übermaß die "suffocatio" (Erstickung)
drohe. Suffocatio komme vor allem von zu viel oder faulendem
feuchtem Schleim (1 - 5).
Die wichtigsten Rezepte zur Lebensverlängerung zielen also
auf Vermeidung von resolutio und suffocatio; geistig Tätige sind
nun von beidem betroffen, bedürfen also besonderer ärztlicher
Fürsorge, und deshalb will Ficinus in diesem Buch einen besonderen
Beitrag leisten (6 - 13). |
ii,
3 |
Wie man wechselseitig die Wärme und den Saft ins richtige
Verhältnis bringen muss nach einem Rat der Minerva. |
|
<Ein sehr metaphorisch verklausuliertes Kapitel!>
Minerva, als Göttin der Weisheit fürs Denken zuständig und als
Herrin über den Ölbaum auch für Oliven und Öl, macht sich einen
Spaß daraus, die Menschen mit der Zweideutigkeit des
"Öls" in die Irre zu führen; Ficinus wertet dann
die reale Lampe aus, um von ihr fürs diätetische Verhalten zu lernen
(1 - 6).
Zwei Gesichtspunkte sind ihm bei dem Lampenvergleich wichtig:
Erstens: Auch ein kleines Flämmchen soll das Öl nicht
austrinken, nur vorsichtig kosten - so soll man die Flamme der Jugend hüten.
Zweitens: Der Öllampe soll man reines Öl zuführen - so
müssen wir darauf achten , dass wir nicht durch unsere Nahrung,
unsere Untätigkeit, durch unsere Übersättigung oder sonstigen
Schmutz unser inneres "Öl" verunreinigen (7 - 17).
Mit einem Wortspiel (Minerva - quae minuit nervos) beendet Ficinus
die Metaphorik dieses Kapitels (18). |
ii,
4 |
Warum der natürliche Saft austrocknet oder der
widrige überhand
nimmt, und wie lebensnotwendig vollkommene Verdauung ist. |
|
Zuerst zählt Ficinus auf, was den natürliche Saft austrocknet
(1f.) und nennt summarisch das Gegenteil (3).
Häufige Trunkenheit und Übersättigung seien in beide
Richtungen schädlich (4f.); dies stützt er mit Avicenna und Galen
(6).
Hier schließt er die "regula Galieni" (Regel
Galens) an: vor allem für geregelte Verdauung zu sorgen und
Übersättigung zu vermeiden (7 - 11).
Es folgen zwei Hinweisreihen ("caveamus diligenter +
diligentissime"- "lasst uns sorgfältig/sehr sorgfältig
darauf achten"), die erste betrifft die Nahrungsaufnahme, die
zweite das sonstige Verhalten (12 - 14). Danach nennt Ficinus vier
verschiedene Arten der Verdauung ("digestio") und weist
auf deren Zeitbedarf hin (15f.).
Nach der Frage der Verdauung kommen Hinweise zur Reinlichkeit nach
der Verdauung, auch zur sonstigen Lebensweise (z. B. Leben unter freiem
Himmel - wozu Papa Ficinus häufig geraten habe) - (17 - 20).
In seltsamer Vergangenheitsform empfiehlt Ficinus (wieder in
Nachfolge seines Vaters) ein vielfältiges Leben auf dem Lande
- und eine gesunde Abhärtung (22 - 25). |
ii,
5 |
Blut
und die zum Leben passende Flüssigkeit müssen luftig sein, gemäßigt in der
Qualität, hinsichtlich der Substanz in der Mitte und fest. |
|
Ausführliches Kapitel über das Blut.
Ficinus beginnt mit der Empfehlung "aller Griechen" von
"euchima", d. h. von gesunden Lebensmitteln, die vor
allem gutes Blut bewirken (1f.).
Danach folgt die Definition von "gutem Blut": gemäßigt
warm, gemäßigt feucht und gemäßigt klar (3).
Daran anschließend führt Ficinus aus, was im Falle von zu heißem
oder zu feuchtem Blut geschieht (4 - 8).
Ganz wichtig ist Ficinus, dass das Blut "aerius"
(luftig") ist, und zwar auch hier wieder "medius"
(in der Mitte zwischen Extremen). Das Extrem "crassissimus"
(ganz dick) wird ausführlich bedacht; seine Folge ist dicker,
ungeeigneter Seelenatem, der trauriges Leben, schlechter
als Tod (!) bewirkt (9 - 16).
Zentraler Gedanke fürs lange Leben: im Blut soll eine zähe
und dichte Flüssigkeit ("humor glutinosus et tenax")
enthalten sein (17).
Als Folge ergibt sich die Forderung nach Nahrung, die solches Blut
und solche Flüssigkeit hervorbringt (18f.). Dazu führt er ein
Rezept von Rasis, von Avicenna nachgeprüft, an (20f.)
In der Frage des Blutes muss man aber auf die unterschiedliche körperliche
Verfassung achten; die "naturalis habitudo corporis"
(natürliche Körperkonstitution) ist oberster Maßstab (22 - 25).
Danach bedenkt Ficinus das Problem des zu feinen Bluts
("subtilitas sanguinis"), gibt erst Verhaltensmaßregeln,
dann Diätvorschriften, um die "firmitas sanguinis humorisque"
(Festigkeit von Blut und Flüssigkeit) zu erreichen; dabei erscheint
Fleisch als Konzession (26 - 31).
Am Ende nennt Ficinus noch Hautpflege und Massagen, um die Verdauung
zugunsten des richtigen Blutes zu unterstützen (32 - 34). |
ii,
6 |
Allgemein
gültige Richtschnur für Essen und Trinken und richtige Beschaffenheit der Speisen |
|
Nach der Beschäftigung mit Extremen fasst Ficinus
jetzt den "Normalfall" ins Auge (1); in (16)
formuliert er wohl den Kern seiner gesamten Ausführungen: Media tutus
eligito.
Die erste Maßnahme gilt den "meatus corporis"
(Körpergängen); das Verhalten des Menschen sei hier nicht
beliebig, auch wenn Ficinus keine Zwangsvorschriften erlassen
möchte (2 - 4).
Zunächst bespricht Ficinus die feuchten Lebensmittel ("humidiora"),
streift dabei auch schon das Fleisch, über dessen Anteil an der
Ernährung lässt er sich dann unten (ab 25) ausführlich aus (5 -
13).
Es folgen kurze Angaben zu "sicissima" (ganz
Trockenem), "nimium frigida" (allzu Kaltem) und
"nimium calida" (allzu Heißem); auch hier ist das
"glutinosum" (Zähes) wichtig (14 - 21).
Ein eigener Abschnitt dient der Besprechung von Schweinefleisch
und Schweineblut (22 - 24).
Danach kehrt Ficinus zu einem wichtigen Punkt zurück: dem Fleischverzehr.
In einer Liste zählt er erst die abzulehnenden, dann die
akzeptablen Fleischformen auf; dabei erwähnt er auch den Nutzen von
langlebigen Tieren (36), wenn sie in deren Jugend verspeist werden
(25 - 37).
Allgemeine Angaben, etwa über das Verhältnis der
verschiedenen Nahrungsformen zu einander oder sportliche
Aktivitäten, beenden das Kapitel (38 - 48). |
ii,
7 |
Verwende keine schnell faulenden Nahrungsmittel, und wohne nicht in
derartigen Gegenden. Sei vor allem bei Wein und Weizen wählerisch; meide Fäulnis und
Auflösung. |
|
Ficinus beginnt dieses Kapitel mit der Frage nach der
richtigen Ernährung der Nutztiere und streift dort schon den
Gedanken des richtigen Ortes (1f.). Hier führt er eine "regula
Arnaldi" an, die den gesunden Orten gilt (3f.). Wo die
Pflanzen verderben, kann man keinen gesunden Wohnort erwarten (5 -
7). Es gibt aber örtliche Unterschiede: manches Gift ist
andernorts heilsam (8 - 10). Auch bei Aristoteles und Platon findet
Ficinus Aussagen zum richtigen Wohnort (11f.).
Hier schiebt Ficinus eine kurze Betrachtung übers richtige
Düngen ein; aber über unsaubere Orte habe er in seinem Buch
"Contra pestilentiam" schon genug gesagt (13 - 20).
Es folgt eine ganze Reihe Maßnahmen gegen Fäulnis (21 -
37).
Sehr großen Wert legt Ficinus auf den Wein (und Weizen). Dem
richtigen Wein und der richtigen Mischung widmet er eine längere
Passage; an deren Ende er auf Süßwurzel und Rosenöl als
Alternativen hinweist (38 - 49).
Mit einer Art Würdigung Jupiters weist Ficinus auf die Wirkung von
gut Gemischtem hin (50 - 53). |
ii,
8 |
Diät, Nahrung und Medizin
für Alte |
|
Alt ist man, so erfährt man hier am Anfang, ab 50,
aber dann ein "Saturnier", d. h. jemand im Blick des
Saturn (1). Deshalb soll man als solcher auch das "venerische Geschäft",
d. h. die Sexualität, fliehen (2f.).
Es folgen wieder viele Einzelvorschriften, in deren Verlauf Ficinus
zur Bewahrung der Kindheit kommt; er äußert sich dazu
folgendermaßen: "difficillimum
reiuvenescere corpore, nisi ingenio prius repuerescas."
(12) Jung bleiben ist also vor allem eine Sache der Mentalität. Da
dieses Kindbleiben und die Aufforderung, das Angenehme im Leben zu
suchen, in jedem Alter gilt, hat Ficinus sein Thema "senex"
verlassen (4 - 13).
Er muss also wieder ausdrücklich zum Thema zurückkehren, gibt dann
sofort Tipps zu Wärmemitteln (14 - 20).
Bei den Nahrungsmitteln nehmen Pinienkerne eine wichtige Stelle ein;
Ficinus nennt hier fremde und seine eigene Einnahmevorschrift (21 -
25). Es folgt die Vorstellung einer Latwerge und weiterer
nützlicher Arzneien (26 - 40). Das Kapitel schließt mit der
Vorstellung der Arzneien von Rasis und Avicenna, wobei die Triphera
bei beiden wichtig ist (41 - 43). |
ii,
9 |
Notwendiges Wesen von Gewürzen und Magenmitteln; noch einmal:
Nahrung der Alten |
|
~ Wert von Gewürzen bei der Nahrung der Alten
Das Kapitel beginnt mit einem Loblied auf Myrobalanen, legt
nahe, dass es sich dabei um den Paradiesbaum gehandelt habe, und
nennt andere Stoffe mit vergleichbarer Wirkung (1 - 6).
Es folgt eine allgemeine Beschreibung der idealen Gewürze;
diesem Ideal entsprächen am meisten Beenwurzeln. Danach nennt
Ficinus gute kalte und warme Mittel (7 - 11).
Danach listet er traditionelle Gewürze auf und nennt ihre richtige
Verwendung (12 - 17).
Ausführlich beschäftigt er sich mit der Frage der richtigen
Mischung von Gewürzen, um den Feuchtigkeitshaushalt zu
regulieren (18 - 26).
Das Kapitel schließt mit Hinweisen zu Fenchel, Salbei und Ingwer
(27 - 30). |
ii,
10 |
Gold, goldene Nahrung und
Erquickung der Alten |
|
Auf eine grundsätzliche Würdigung des Goldes
(1 - 3) folgen Hinweise zur richtigen Verabreichungsform (4 -
8).
Danach liefert Ficinus ein Rezept (das erste in "De vita"
mit deutlich astrologischem Hintergrund), wie man trinkbares
Gold erhalten kann; als letztes Rezept des Kapitels erhält man
eines für Goldkuchen ("placenta aurata") - (9 -
21). |
ii,
11 |
Über den Gebrauch von Menschenmilch und Menschenblut fürs
Leben der Alten |
|
Für den ganz alten Menschen (über 63!) bietet
Ficinus zwei wichtige Tipps:
Erster Tipp: Milch eines gesunden, schönen (!), heiteren
und ausgeglichen Mädchens - unter Zusatz von Fenchel und Zucker
(1 - 5).
Zweiter Tipp (gegen "hectica senilis" -
Altersschwindsucht, nicht Hektik!): Blut eines freiwilligen
jungen Spenders, nach Art von Blutegeln ausgesaugt: <eine Art
Blutspende der Zeit vor 1500!> (6 - 14).
In diesem Zusammenhang kommt Ficinus auf die Behandlung von
Tollwut zu sprechen, einerseits um auch dieses interessante
Phänomen zu behandeln (22), andererseits um die Macht von Fremdblut
im Körper zu erweisen (15 - 24). |
ii,
12 |
Diät, Aufenthaltsorte und Umgang der Alten |
|
Zunächst weist Ficinus auf das Gebot des
Maßhaltens beim Essen, vor allem wegen der Verdauung, hin (1 -
5).
Es folgen Hinweise auf rechte Orte zum Leben; durch die
Assoziation "Bienen" kommt Ficinus auch auf den Wert von
Honig ("mel enim cibus est senibus imprimis amicus"!) zu
sprechen (6 - 8).
Von den folgenden Diäthinweisen kommt Ficinus wieder auf die pflanzliche
Umgebung; wie bei den Tieren sind auch hier langlebige
Organismen hilfreich fürs lange menschliche Leben (9 - 15).
Den Schluss bildet die Aufforderung, sich als Alter mit Jungen zu
umgeben, nach dem Vorbild des "keuschen Sokrates" -
eine Ironie? (16f.) |
ii,
13 |
Beistand, den die Alten von den Planeten erhalten, um alle
Organe zu pflegen |
|
In diesem Kapitel listet Ficinus auf, welche Hilfen
von welchem oder welchen Planeten zu erhalten sind, ohne genauer
zu bestimmen, wie man sich die Hilfen auch tatsächlich erwirbt.
Es geht vor allem um die Hilfe von Apoll, Jupiter und Venus,
weniger die von Saturn (1f.).
Danach werden die Hilfen nach Körperteilen, Magen, Kopf und Herz,
aufgelistet (3 - 5).
Es folgen die Darreichungsformen (6 - 9).
Danach werden Leber, Milz und Blase bedacht (10 - 13).
Vor Saturn brauchen die Alten keine Angst zu haben; Ficinus
liefert gleich - nach der Erwähnung von "mumia"! - eine
Rezept für Gänsefleisch (14 - 20).
Das Kapitel schließt mit der Erklärung des psychischen
Mechanismus, dass das Vertrauen in die Mittel deren
Wirksamkeit ausmacht (21f.). |
ii,
14 |
Grünwiesengespräch an die Alten unter der Venus |
|
<Ein vom Rahmen her schwieriges Kapitel, über
dessen Schwierigkeit sich Kaske aber ausschweigt: sie führt ganze zwei -
unerhebliche - Anmerkungen an. - Es besteht aus dem allegorischen Rahmen,
das ein "Orakel" der Venus zu bieten vorgibt: Nach der
genannten Denksportaufgabe bewegt sich Ficinus eher wieder in
vertrauten Bahnen: Wert der Farbe Grün, seine Theorie des Sehens
und Ernährungshinweise.> Zunächst leitet Ficinus vom Kapitel der großen Planeten (Sol
und Jupiter) über zur Venus, liefert aber schon das Stichwort:
"prata virentia". Venus wird als "alma" (Lukrezanklang?)
bezeichnet, dann das folgende Orakel als ihr "iocus"
(Scherz, Witz) vorbereitet (1 - 3).
Alles, was Venus direkt spricht, ist das folgende Orakel; die
weitere Entwicklung (Farbe Grün) soll man, so Ficinus in 51, als
ihre Aussage nehmen, auch wenn sie all das nicht wörtlich sagen
wird. Das angekündigte Orakel bietet verschiedene Themen:
Thema 1: "voluptas et motus": Die Voluptas als Lebensgrund
ist verständlich; das ist das, was die Eltern bei der Zeugung
hatten. - Mit einer anderen Form von Voluptas verspricht Venus die
Bewahrung des Lebens (4f.).
Thema 2: "Liber", d. h. Bacchus und damit: Wein. Über die
Etymologie ("vitis sator, propagator vitae")
erfolgt die Verknüpfung von Wein und Leben. Auch die Formulierung
"Liber vitam,
quam vino promittit, solis liberis
implet longam." ist wieder interpretationswürdig. Zum einen Leben, im
Wein versprochen; vor allem aber schillert das "liberis":
Es sind die Freien, denen er in Freiheit das Leben bewahrt; es
können auch seine Kinder sein, denen allein ("solis") er
die Erfüllung eines langen Lebens (vita longa: Titel!) gewährt.
Und letztlich können sich hinter "solis liberi"
auch "Solis liberi", die Sonnenkinder verbergen. Denn nach
iii,
24, 19 sind Sol und Bacchus ja Brüder (6f.).
Thema 3: Pflanzenorakel, <der undurchsichtigste Teil des
Orakels>:
8 Meae quidem vitae simul atque menti quondam profuit
regnante Saturno diminuta menta, placetque
quotidie.
9 Vobis autem maior
menta menti vitaeque
prodest, diminuta nocet.
Der Schlüssel scheint in der "menta diminuta"
zu liegen: "Menta" ist eigentlich Minze; ob ein Zusammenhang mit
"mentula" (männliches Glied ) vorliegt? Bei 9 ergäbe sich ein
schöner Sinn, verständlich in Zeiten von Viagra: "Euch Alten nützt
eine größere menta für eure
Mentalität und euer Leben, eine verminderte menta
schadet." Aber warum - so 8 - findet Venus an einer verminderten menta
Gefallen?
10 "Risum ex
meis hortis legite, neglegite ficum." Die Feige fällt aus den
Pflanzen heraus; der Rest sind Blumen. Wieder eine Zweideutigkeit?
11 Has vero violas quando carpitis,
carpere vos existimate lilia;
12 prehendentes lilium, comprehendere
crocum.
13 Crocum a Phoebo Iuppiter ipse nactus propagavit in
lilium.
14 Lilium ego a
Iove suscipiens, in has, quas hic videtis violas,
transformavi.
Offensichtlich eine Aufwärts-Abwärts-Bewegung: viola
- lilium - crocus
: crocus - lilium
- viola. Sinn?
Und am Schluss werden noch zwei - vorher nicht genannte - Blumen
angesprochen:
15 Denique rosa
quidem vobis esto Lucifer, Hesperus vero myrtus.
Lucifer ist Venus als Morgenstern, Hesperus als Abendstern; auch hier
bleibt - mir - der Sinn unklar.
Nach der Denksportaufgabe geht es jetzt fast
leicht weiter: Venus liefert die These vom Wert des Grünen,
und im weiteren wird der Begründungszusammenhang geliefert (16 -
18).
Zunächst wird der Zusammenhang von "visus" (Sehen,
Gesichtssinn) und "lux" (Licht) angesprochen, dann
die Folge bestimmter Farben für das Sehen. Grün als ideale
Mitte zwischen Schwarz und Weiß wirkt wohltuend (19 - 30). Der
zweite Gedanke geht vom Sehen als "Strahl" aus (31 - 34).
Mit "Quorsum haec?" (35) wird die Deutung
eingeleitet. Zuerst wird der Wert von Grün benannt. Danach
kommt Ficinus über die Brücke des "temperatum", des
Ausgeglichenen, Gemäßigten von der Farbe zum Seelenatem (36 - 40).
Es folgt eine Übertragung der bisherigen Erkenntnis auf
die Mischung der Gewürze (41) und dann eine Erweiterung auf andere,
ähnlich wirkende Stoffe (42 - 44) und deren zusammenfassende
Würdigung (45f.).
Abschließend spricht Ficinus die "forma quinta"
erst des Körpers, dann des Seelenatems an, die auf die eben
genannte Weise erreicht wird, die auch bewahrt werden soll (47 -
50).
Und das soll, wie gesagt, als Aussage der Venus geglaubt werden
(51).
|
ii,
15 |
Merkur spricht die Alten an und berät sie bezüglich
Vergnügen, Düften, Gesängen und Arzneien |
|
<Merkurs Gegenrede; allerdings
nimmt er nicht auf alle Themen der Venus präzise Bezug.>
Nach Ficinus' Fiktion unterbricht Merkur die
weitschweifige Rede der Venus und weist darauf hin, dass die Alten
eigentlich mit Venus nichts zu tun hätten (1 - 6).
Am Beginn seiner Rede bittet er um gleiche Aufmerksamkeit und
entwickelt dann seinen Gedanken von den "quinque sensus"
(fünf Sinne), aus denen sich "quinque rationes"
(fünf Arten von Vernunft) ergäben (7 - 11).
Der genannten Fünfzahl entsprechen dann "quinque aetates"
(fünf Altersstufen), deren Wesen er kurz beschreibt, von denen er
die ersten zwei der Venus überlässt, deren drei andere er aber
für sich beansprucht, für sich und eine links neben ihm stehende
zungenlose Diana ("elinguis Diana"); im Unterschied zu ihr
bezeichnet er sich als "bilinguis" (doppelzüngig) - (12 -
17).
Nun kommt Merkur auf die von Venus geschenkte Voluptas (14,
4f.) zu sprechen und bewertet sie als schädlich, da sie den
Menschen der Gegenwart die Kraft nehme und sie der künftigen
Generation schenke; danach bietet er ein Rezept, um die Verluste
durch die Venus-Freuden zu ersetzen (18 - 24).
Von den Rezepten kehrt Merkur wieder zur Venus selbst
zurück: Sie, diese Dirne ("meretrix"), stürze die
Menschen durch Tastsinn und Geschmack ins Unglück; die
förderlichen Düfte kämen von "dieser Diana" (Diana haec),
die von Apoll und Jupiter unterstützt werde (25 - 31).
Gemessen an Mars und Saturn sei Venus die eigentlich gefährliche,
weil hinterhältig gefährlich (32 - 40).
Nun vergleicht er seine tatsächlichen Leistungen (seine
fünf Freuden) mit den beiden, meist nur versprochenen der Venus (41
- 44).
Von den Freuden der Venus geht Merkur weiter zu den Freuden des
Saturn, als des anderen Extrems (45 - 47). Er vergleicht die
beiden und führt Unterschiede und Ähnlichkeiten auf: Durch
Beherzigung des Sprichworts "ne quid nimis" - "Nichts
im Übermaß!" (53) könne
man beiden begegnen; er beendet diesen Teil der Betrachtung mit der
Angabe von Saturns Ambivalenz, d. h. die
positive und negative Form der Melancholie (48 - 54).
An seine Aufforderung, das Übermaß zu meiden, schließt Merkur nun
die von Jupiter gelehrten Mittel des Ausgleichs an (55 - 59).
Nun ändert Merkur seine Tonlage und kündigt an, er sei auch als
Arzt gekommen. Als solcher entwickelt er seine Lehre von den
wirkenden Düften und vor allem den ausgleichenden der Töne und
Gesänge (60 - 65).
Hatte Venus in 14, 6f. von den Leistungen des Bacchus/Liber
gesprochen, so übergibt Merkur hier selbst "nectar"
und "ambrosia" von "Liber pater": als
Nektar bietet er zwei Weinsorten, als Ambrosia von Jupiter erhaltene
Arznei, deren Rezept und Verabreichungsform er auch nennt (66 - 74).
Auch diese Rede sollen wir Leser des Ficinus als Worte des Merkur
auffassen (wie oben die der Venus): 75.
|
ii,
16 |
Bekräftigung des
Vorhergehenden; Grund dafür, beständiges Grübeln und Geschlechtsverkehr
zu vermeiden |
|
Der Vergleich Venus : Saturn wird
nun mit astrologischen Argumenten fortgesetzt.
Die Astrologen sprechen zwar von Feindschaft der beiden Planeten,
da im Himmel aber keine Feindschaft möglich ist, interpretiert
Ficinus "inimicus" (Feind) um zu "effectu diversus"
(verschieden in der Wirkung), geht aber nicht ausführlicher darauf
ein (1 - 3).
Die beiden Planeten sind auf unsere "voluptas" aus, die
aber bei beiden verschiedenen Formen annimmt, die, wenn gleichzeitig
im Menschen vorkommend, den Seelenatem des Menschen zerreißen. Es
geht dabei um den Gegensatz von Geschlechtsverkehr ("actus
Venereus") und Betrachtung ("contemplatio"); aus
systematischen Gründen bewertet Ficinus jetzt den Wissenschaftler,
den religiösen Denker, den in seinen Geschäften Denkenden und (!)
den Sorgenbeladenen gleich. Da die beiden
Verhaltensweisen (sexuell tätig : kontemplativ) als Extreme gesehen
werden, können sie - wegen ihrer großen Entfernung voneinander:
"longe distantia" - nicht als gegenseitige Heilmittel dienen
(4 - 12).
Mit Mitteln von Sol und Jupiter könne man die beiden Extreme
mildern (13).
Nun will Ficinus wieder als Arzt sprechen. Wie man ein Feuer
auf verschiedene Weise löschen kann, so können auch die Wirkungen
von Venus und Saturn und deren Beseitigung dieselben Folgen, Schaden
für den Seelenatem, haben (14). Venus fördert das Alter außen,
Saturn innen - <und jetzt kommt ein überraschender Sprung in
Ficinus' Argumentation:> da die Menschen in ihrer Anlage am
stärksten sind, man sich bei Freude am leichtesten tut, gilt es,
sich selbst zu erkennen! Ficinus erklärt sich für die sexuell
Tätigen für nicht zuständig, will sich nur um die, die ihr Genie
trainieren ("exercitaturi ingenium"), kümmern (15 -23).
Mit der Aussage, man solle die wirksame Diät und die wirksamen
Heilmittel verwenden, beendet Ficinus das Kapitel, wobei er an diese
Aussage eine kleine Betrachtung über Weißhaarigkeit
anhängt (24 - 26). |
ii,
17 |
Arznei für
Alte; Diät und
Wohnen (2. Teil) |
|
Zunächst beschäftigt sich Ficinus in Nachfolge einer
"Regel der Chaldäer" mit dem Purgieren (1 - 25).
Die Regel wird kurz angesprochen und inhaltlich erklärt (1f.).
Danach beschäftigt sich Ficinus mit aus seiner Sicht abwegigen,
weil möglicherweise tödlichen (Hinweis auf Medea in 6!) Methoden
des Purgierens; <nett ist der Hinweis darauf, dass
vorsichtige Ärzte gefährliche Mittel übers Tierfleisch anbieten:
"Et qui
cautiores sunt, helleboro gallinas pascunt, hominem vero gallinis.">
(3 - 7).
Ausführlich bringt er dann die akzeptierten Methoden beim Purgieren
(9 - 25).
Im zweiten Teil bietet er besondere Tipps für Städter (26 -
36).
Zuerst zählt er alles zu Meidende auf (26f.). Danach gibt er dieser
Zielgruppe, zu der dann auch die Merkurjünger und besonders die
Alten gehören (27), Verhaltens- und Ernährungstipps (28 - 36). |
ii,
18 |
Ernährung des
Seelenatems und
Lebensbewahrung durch Düfte |
|
Ficinus setzt ein mit dem Bericht über Gegenden,
wo sich Menschen von Düften ernähren, und erklärt den
Zusammenhang der Düfte mit dem Seelenatem (1 - 3).
Zweifeln mancher Ärzte an der Wirksamkeit von Duft setzt er sein
Bekenntnis zur Wirksamkeit des Weins entgegen, entwickelt
auch des Avicennas Lehre von der Aromatizität (4 - 11).
Im Anschluss daran bedenkt Ficinus die Wirksamkeit von Würzigem
und Süßem für Leber und Herz ((12 - 14).
In Nachfolge von Hippokrates und Galen setzt sich Ficinus dann mit
der Bedeutung der Luft auseinander (15 - 20).
Eher nebenbei lässt Ficinus neben der Bedeutung von Luft und Duft
auch die der Musik einfließen, vertieft den Gedanken hier aber
nicht, sondern kommt wieder auf "aer electus" (erlesene
Luft) zurück (21 - 27).
Mit den Lehren von Alexander, Nikolaus und Galen nennt Ficinus
wichtige Gesichtspunkte des Seelenatems (28 - 33); führt
danach eigene Gedanken dazu aus (34 - 40).
Es folgen Tipps zur Förderung des Seelenatems (41 - 52), am
Ende gewürzt mit einer netten Anekdote über Demokrit.
Auf das Stichwort "mel" (Honig) bei Demokrit ergibt
sich Ficinus' Loblied auf eben diesen (53 - 56).
Noch einmal kehrt Ficinus zum Thema "Düfte" zurück. Im
Zusammenhang mit der Förderung des Seelenatems preist Ficinus auch
hier den Duft des Weines (64), bespricht aber auch noch andere
Stoffe (57 - 71).
Hier fügt Ficinus die Besprechung der Gegengifte an, nennt
auch hier wieder den Wein als Gegengift gegen Schierling (72 - 75).
Es folgen zwei eigene Rezepte für Latwerge (76 - 80) und -
nach einer kurzen Bemerkung zur Behandlung von Myrobalanen - drei
fremde Rezepte (Avicenna, Petrus von Abona und Haly), denen eine grundsätzliche
Betrachtung von "triphera" und eine nachträgliche
Bewertung des Peter-Rezeptes folgen (81 - 90). |
ii,
19 |
Arznei der Magier
für Alte |
|
Fast hymnisch preist Ficinus die Wirkung der
Kombination von Gold, Weihrauch und Myrrhe, einerseits als
Geschenke der Weisen aus dem Morgenland, andererseits als Vertreter
der drei wichtigen Planeten Jupiter, Sol und Saturn. Vom Gehalt her
führt Ficinus mit diesem Kapitel in die Welt des dritten Buchs:
Glaube an den Zusammenhang von Christus und den Planeten, Hinweis
auf astrologisch richtigen Zeitpunkt ("opportune") der
Zubereitung. |
ii,
20 |
Vermeidung von
Gefahren,
die von jedem siebten Jahr im Leben herrühren |
|
<Diese Überschrift erfasst nur einen kleinen Teil
dieses rhetorisch aufwendig gestalteten Kapitels.>
Ausgangspunkt ist die Zuordnung bestimmter Stunden zu bestimmten
Planeten; über die Zuordnung der Wochentage zu ihnen und dann die der
Monate des Embryos im Mutterleib kommt Ficinus zur Zuordnung der
Lebensjahre zu den Planeten, beginnend bei Luna, dem ordo Chaldaeus
folgend bis Saturn; aufgrund dieser Konstruktion ergibt sich am
Ende jedes siebten Jahres, beim Übergang von Saturn zu Luna, eine
gefährliche Zeit, die abgesichert werden muss - durch den Rat
des Astrologen, aber auch des Arztes (1 - 8).
Von hier aus kommt Ficinus über die Vorstellung von "minae"
(Drohungen), aber auch "promissa" (Versprechungen) der
Sterne zu einer grundsätzlichen Betrachtung des Sinnes von
Astrologie. Nach Petrus von Abona könne durch die Tricks der
Astrologen und die Hilfe der Ärzte das Lebensende hinausgeschoben
werden. Diese Möglichkeiten solle man sich zunutze machen (9 - 15).
Man soll sich auch die Erfahrung anderer alt Gewordener zunutze
machen, etwa das Wissen über Amulette. Deshalb habe er, Ficinus,
ein Buch über die Amulette, vor allem aber über das umfassende
Thema "Gunst des Himmels" als Kommentar zu Plotin
geschrieben und hänge es als drittes Buch diesem Gesamtwerk
"De vita" an (16 - 18).
<Nun wird der Ton seines Schreibens hymnisch; es ist eigentlich
ein Hymnus der Lebensfreude und Dankbarkeit:>
Gunst des Himmels "erbitten wir" von Phoebus und
Bacchus (19f.).
Zuerst wird die vollkommene Harmonie, praktisch Identität von
Phoebus und Bacchus gepriesen (21 - 26).
Danach preist Ficinus die jeweils drei Geschenke von Phoebus und
Bacchus (27 - 32).
Die Dreizahl ist auch wichtig bei Ficinus' Deutung der Parzen
(33 - 38), darin auch das Wortspiel parca/parcitas : Parcae.
Sozusagen "irdisch" erfolgt dann der Preis der drei
Formen von Mäßigung, die Pythagoras bietet (39 - 41).
Den Schluss bildet der Hymnus auf den Urheber des Lebens
(42).
|
Buch
III |
iii,
Proöm |
Vorwort zum Buch
"Über Lebenserwerb mit Kräften des Himmels" |
|
Die Widmung des Buches erfolgt an den ungarischen
König Matthias Corvinus (1).
Da Philosophie dem Philosophen nützen soll, haben die alten
Philosophen ihre Philosophie vor allem auf den Lebenserwerb durch
Kräfte des Himmels (Titel dieses Buchs!) ausgerichtet und hätten
auch Nutzen davon gehabt: im diesseitigen Leben durch bessere Gesundheit,
im jenseitigen durch zwei Arten von "gloria" (Ruhm), bei
der Nachwelt und bei Gott (2 - 6).
Ruhm werde Matthias Corvinus auch erwerben, auch glückliches und
langes Leben - und bei letzterem können Astrologen und Ärzte ihren
Beitrag liefern (7 - 11).
Mit der Einwilligung von Lorenzo de' Medici übereignet Ficinus das
vorliegende Buch, einen Kommentar zu Plotins Buch "Gnadenerwerb
vom Himmel her", dem angesprochenen König (12).
Rhetorisch aufwendig empfiehlt er dem König den Überbringer dieses
Buchs, seinen Freund Filippo Valori (13 - 15). |
iii,
Worte |
Worte des Verfassers an den
Leser dieses Buches |
|
<Fiktiv wird der Leser als Gastfreund, dann als
Freund angesprochen, der Ficinus' Herberge, dann Offizin
besucht.>
Freundlich wird der "hospes", der Gast, begrüßt.
In des Ficinus "hospitium" (Herberge) soll nur Liebe
gelten; der Gast soll also, falls vorhanden, Reste des
lebensfeindlichen Hasses ablegen; durch diese Liebe wird der "hospes"
zum "amicus" (geliebten Freund) - (1 - 12).
Seine Apotheke seien seine drei Bücher "De vita" (13 -
16).
Danach berät er seinen "Freund" über die Verwendung
der Dinge aus seiner "Offizin"; der Freund soll
auswählen, was ihm nicht behagt, weglassen, möglicherweise die
Ausführungen über die Amulette, die Ficinus - sagt er - ja
nur referiert, nicht empfiehlt. Aber die himmlische Unterstützung
der Medikamente soll man annehmen, anderes wäre Lebensverachtung: "Medicinas saltem coelesti quodam
adminiculo confirmatas, nisi forte vitam neglexeris, ne negligito." Dass
zwischen dieser Medizin und der "normalen" ein Unterschied
wie zwischen Wein und Wasser bestehe, das habe er in langjähriger
Praxis selbst erfahren; dazu führt er ein drastisches Beispiel an
(17 - 23).
Das Weitere soll mit Plotin gesagt werden; am Schluss beteuert
Ficinus seine Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche (24 - 27). |
iii,
1 |
Worauf beruht nach Plotin die
Fähigkeit, vom Himmel her die Gunst auf sich zu ziehen? - Natürlich darauf, dass die Weltseele und die Seelen von Sternen und Dämonen leicht
angelockt werden, wenn die Formen der Körper entsprechen. |
|
<Die Zusammenfassung verrätselt den Inhalt des
Kapitels mehr, als sie ihn fassbar macht; das Kapitel ist vom Thema
und dem Gehalt, auch von seiner Schwierigkeit her gesehen recht
disparat.>
Ausgangspunkt ist der Gedanke, es gebe nur Geist und Materie, dann
könnte nichts entstehen, weil die beiden einander zu fern sind.
Deshalb ist "anima" (Seele) notwendig, die eine
Mittelstellung und damit eine Vermittlerrolle einnimmt (1 - 6).
Der zweite Gedanke ist die Weltseele als quasi gottgewollte
Keimzelle von allem (7 - 11).
Mit verneinten Imperativen wird der Gedanke weiter entwickelt: Für
die Verbindung seien Dämonen wichtig; es bestehe ein innerer
Zusammenhang zwischen der Weltseele und der materiellen Welt (12 -
15). Und sie arbeite weitgehend mit "semina" (Samen) und
stehe auch hinter den Strahlen von Sternen und Dämonen (16 - 19).
Es folgt - "secundum Platonicos antiquiores" (gemäß
älteren Platonikern) - die Darstellung der Systematik des
Sternenhimmels (20 - 32).
Rückkehr zum Thema "Weltseele": Die Gattungen werden mit
Hilfe der Sterne und himmlischer Formen hervorgebracht, die
individuellen Begabungen aber mit Hilfe der Konstellationen von
Planeten und Fixsternen <wohl die Grundlage für alles
Folgende!> (33 - 35).
Im Analogieschluss wird eine Ähnlichkeit von Herz und Sonne
festgestellt (36f.).
Die zweite Analogie liegt in der Verbindung der "quinta essentia" der
Welt mit dem menschlichen Seelenatem, wobei wir Menschen uns durch
bestimmte Nahrung der "quinta essentia" öffnen können
(39 - 42).
Nach der allgemeinen Vorbereitung des Gedankens, man könne durch
Ähnliches Ähnliches erreichen (43f.), stellt Ficinus dar, wie man
Soltypisches und Jupitertypisches aufnehmen kann; bei Venus hindert
Ficinus sein Schamgefühl, ausführlich zu werden (45 - 61). |
iii,
2 |
Von der
Harmonie der Welt. - Über das Wesen des Menschen im Verhältnis zu den Sternen. Entstehung der
Anziehung jedes einzelnen Sterns. |
|
Grundlage für die weitere
Gedankenentwicklung ist die Behauptung des Kosmos ("mundus")
als eines sehr vollkommenen Lebewesens, in dem die einzelnen
Teile mit einander in Beziehung stehen; deshalb können auch die
Menschen mit dem Himmel in Beziehung treten (1 - 6).
Danach bestimmt Ficinus - arabischen Astrologen folgend - das Wesen
der menschlichen Species: sie sei von Sol, Merkur und Jupiter
bestimmt; Saturn betreffe nur eine
Minderheit; Mars, Luna und Venus wirkten auf Menschen wie
auf andere Lebewesen, also nicht spezifisch menschlich (7 - 16).
Beim Thema "Sol, Jupiter und Merkur" werden nun die Merkurbesonderheiten
nachgetragen; die von Sol und Jupiter hat Ficinus schon im letzten
Kapitel angesprochen (17 - 21).
Danach listet Ficinus die irdischen Bereiche auf, die im
Zuständigkeitsbereich eines bestimmten Planeten stehen (22 -
28). Hier schließt Ficinus noch Betrachtungen über den richtigen
Umgang mit Mars und besonders Saturn an und referiert auch die
Maßnahmen von "Magiern, Brahmanen und Pythagoräern" (!)
gegen die "tyrannis Saturni"
(Tyrannei des Saturn), die infolge fleißigen Philosophiestudiums
zustande komme (29 - 35).
Im folgenden wird der wichtige Gesichtspunkt entwickelt, dass wir
Menschen durch unser Verhalten Beziehungen zu bestimmten Planeten
aufbauen können (36 - 46); in 37 nennt er die Tätigkeiten, die
uns Saturn nahe bringen.
Die individuelle Beziehung eines Menschen zu den Sternen wird danach
nur allgemein angesprochen (47).
Er schließt das Kapitel mit der Angabe der Beziehung zwischen
beseeltem Kosmos und unserem Seelenatem (48 - 50). |
iii,
3 |
Zwischen
der Weltseele und ihrem sichtbaren Körper befindet sich der Weltatem, in
dessen Verfügungsgewalt sich die vier Elemente befinden. Wir aber können
durch unseren Seelenatem diesen aufnehmen. |
|
Ficinus stützt die Behauptung, der Weltkörper sei
lebendig, mit der Argumentation indischer Philosophen. Zwischen
diesem Weltkörper und der Weltseele stecke - analog zur Vorstellung
vom Menschen - wieder ein "spiritus", also ein
"Welt-Seelenatem" (1 - 6). Dieser bringe alle
Lebewesen hervor (kleiner Exkurs zur "Generation" von
Steinen und Metallen, sowie zum Goldmachen mittels des "Elixirs"
) - (7 - 12).
Im Unterschied zu unserem Seelenatem werde der Weltseelenatem von
der Kraft der Weltseele als einer Art Schwangeren hervorgebracht,
und zugleich mit ihm auch die Sterne und die vier Elemente (13f.).
Danach beschreibt Ficinus das Wesen dieses Weltseelenatems
und schließt mit einem netten Spruch von Hiarchas über Apollonius
von Tyana (15 - 22). |
iii,
4 |
Unser
Seelenatem schöpft den Weltatem durch die Strahlen Sols und Jupiters,
soweit er selbst sonnen- und jupitermäßig wird. |
|
Nach der Wesensbestimmung des Welt(seelen)atems
spricht Ficinus jetzt das Verhältnis des Menschen zu diesem Atem
an: Als entscheidender Faktor für himmlische Wohltaten ist der
Mensch darauf aus, von jenem durchdrungen zu werden. Danach spricht
Ficinus zwei Alternativen für den Ursprung des Weltkörpers
(Weltseele oder Gott?) an, auf jeden Fall aber ist er ein Lebewesen
und können wir den Weltatem aufnehmen (1 - 3).
Ziel des Menschen muss also (nach der Vorstellung von der leichteren
Durchdringung bei Ähnlichkeit) sein, den Seelenatem dem himmlischen
Weltatem möglichst anzupassen. Dafür bietet Ficinus mehrere
Möglichkeiten (4 - 12). Die letztgenannte ist die Solähnlichkeit.
Als erste Bedingung dazu spricht Ficinus die richtige Stellung Sols
an (13f.), danach die konkreten Möglichkeiten (vor allem durch Nahrung),
solmäßig zu werden, aber auch die Gefahren (15 - 33).
In die Betrachtung der Wirksamkeit Sols wird auch Jupiter
eingeschlossen und wird die astrologisch richtige Methode bedacht,
sol- und jupitermäßig zu werden (34 - 41). |
iii,
5 |
Jupiter,
Sol und Venus sind drei Grazien. - Jupiter ist die Grazie in der Mitte der beiden und passt am besten zu uns. |
|
Zu den "compositiones et curae Ioviae atque
Solares", d. h. den Methoden, sich Jupiter oder Sol
anzunähern, verweist Ficinus auf seine ersten zwei Bücher von
"De vita". Für ihn gehört Venus noch dazu; er fasst die
drei als "Gratiae" oder "gratiae coelestes"
zusammen, er braucht aber Merkur und besonders Luna als
Übermittler, als Boten. Und damit beginnt eine Passage, in der die wechselseitigen
Beziehungen der Planeten wichtig sind (1 - 6).
Eine ausführliche Beschreibung der drei Sterne und der ähnlichen
lässt Ficinus wegen der astronomischen (?) Schwierigkeit aus,
spricht aber an, wie wir die Wirkungen der drei - wenn schon nicht
von ihnen zusammen - erhalten können; dabei spielt Luna eine ganz
große Rolle (7 - 13). |
iii,
6 |
Über
natürliche, vitale und seelische Kraft in uns; und von welchen Planeten
sie unterstützt werden und wie durch den Aspekt der Luna zu Sol und
Venus, am meisten aber zu Jupiter. |
|
Hier liefert Ficinus zunächst eine Übersicht über
die Leistungen der Planeten (1): Luna und Venus (2); Jupiter (3 -
9); Sol (10); Merkur (11).
Ausführlich wird Luna behandelt (12 - 29); zuerst ihre Beziehung zu
Sol (13f.) und ihre Leistungen (15 -19), dann ihr täglicher Lauf
(20 - 29); in 28 hebt Ficinus ihre Bedeutung für einen Arzt hervor.
Kurz streift er die Bedeutung Jupiters (30f.), um dann zu Sol
überzugehen (32 - 35). Noch einmal kommt Luna in den Blick (36 -
42).
Danach wägt er die verschiedenen Planeten gegeneinander ab, wobei
Jupiter hervorgehoben wird (43 - 59).
Ab 60 beginnt ein neues Thema: die "vires attrahendi, retinendi,
coquendi, expellendi"; auch hier spielt Jupiter eine große
Rolle, vor allem bei der "vis coquendi" (Verdauung), zu
der auch die "vis generandi et nutriendi" (Zeugen und
Nähren) gehört (60 - 68).
Neben Jupiter ist Luna wichtig, deren Konstellationen im folgenden -
vor allem negativ! - besprochen werden (69 - 79).
Diese Ausführungen erscheinen Ficinus selbst schwierig, denn er
bietet, falls man nicht alles behalten kann, Alternativen (80 - 88).
Nochmals kommt er auf die vier Kräfte (in der Formulierung leicht
variiert) zu sprechen; nun verbindet er die Kräfte mit
Luna-Stellungen in den entsprechenden Zodia-Reihen; aber auch hier
ist Jupiter wieder wichtig (89 - 94).
Es folgt eine Reihe von Einzelvorschriften (95 - 108), danach kommt
Ficinus auf Grundsätzliches bei Merkur (109 - 120) zu sprechen. Den
Schluss bilden wieder einzelne Hinweise zu verschiedenen Planeten
(121 - 128). |
iii,
7 |
Wie die
Glieder in uns gehegt werden durch die Beziehung Lunas zu den Zodia und
den Fixsternen. |
|
Sehr kurz und allgemein wird die Sorge für einzelne
Glieder durch Beobachtung der Planeten in bestimmten Zodia
angesprochen (1 - 4.).
Für verschiedene Altersstufen sei es gut, die Mondphasen zu
beachten, besonders in Verbindung mit bestimmten Aspekten (5 - 13).
Ersatzweise können auch Aspekte des Mondes mit bestimmten
gleichwertigen Fixsternen verwendet werden; aber hier zeigt sich
Ficinus skeptisch; die Fixsterne sind eher etwas für Staaten, nicht
für Individuen (14 - 17). |
iii,
8 |
Über
den Einfluss der Fixsterne und ihren Gebrauch |
|
Der astrologischen Überlieferung entsprechend haben
die Fixsterne bestimmte Planetenqualitäten und sind ihnen
auch Steine und Pflanzen zugeordnet; diese Fixsterne listet Ficinus
nun in einem Rundgang durch den Zodiak auf (1 - 42); in 20 schreibt
er dem Regulus die Fähigkeit zu, "melancholiam
reprimere" (die Melancholie zu unterdrücken).
Danach erklärt Ficinus die Anweisung Thebits, wie man nun
den Fixsterneinfluss bewerkstelligen soll (43 - 45).
Da bei Thebit Ringe verwendet werden, spricht Ficinus nun
ausführlicher über die Bedeutung von Ringen bei den Alten,
erzählt dazu auch eine Anekdote über Apollonius von Tyana,
entwickelt auch seinen eigenen Standpunkt zur Frage von Ringen (46 -
52).
An dieser Stelle bezieht Ficinus auch Thomas von Aquin ein, um die
Orthodoxie seiner Meinung, das Himmlische beeinflusse uns Menschen,
zu unterstreichen; keinesfalls will er etwas von der Kirche
Verbotenes machen (58). Das Kapitel endet fast mit einem Gebet (53 -
59) |
iii,
9 |
Wertvolle
Planetenstellungen in den Zodia, die man für den Gebrauch von
Medizin beachten sollte. |
|
<Für die astrologischen Zusammenhänge ganz
wichtiges Kapitel.>
Zuerst listet Ficinus sämtliche "dignitates", also
wertvollen Konstellationen, d. h. "domus" (Häuser) und
"exaltationes" (Erhöhungen) auf (1 - 14).
Dann nennt er die "triplicitates" (15 - 18).
In langer Liste werden die "fines" (Gebiete)
zugewiesen (19 - 35).
Am Schluss wird das System der "facies" erklärt
(36 - 41). |
iii,
10 |
Wie wir
die Planeten bei Arzneien einsetzen müssen. |
|
Nach der Beschreibung der "dignitates",
der wertvollen Konstellationen, kommt Ficinus nun auf die Anwendung
zu sprechen. Zuerst nennt er die Bedeutung der Geburtskonstellation
und weist dann vor allem auf die Wohltat ("beneficium")
von Luna, Venus, und Jupiter hin, die von Saturn oder Mars nicht
verdorben werden soll; nur in besonderen Fällen seien die beiden
hilfreich. Akzeptabel ist auch Merkur - vor allem wegen seiner
Sonnennähe (1 - 7).
Es folgt die Auflistung der "plagae", der
Himmelsörter (8 - 12).
Danach beschreibt er die Umstände genauer, unter denen Planeten
wirken können, definiert auch bestimmte Stellungen (Opposition,
Quadratur) - (13 - 22).
Neben den möglichen günstigen Stellungen wird auf die ungünstige Konjunktion
mit Sol verwiesen (23).
Dann verbalisiert Ficinus praktisch den "homo signorum",
den "Aderlassmann", und gibt auch hier die
Gebrauchsanweisung, d. h. den Zusammenhang mit Luna (24 - 27).
Nach einem kurzen Hinweis auf den Geburts-Aszendenten kommen die Angaben,
bei welchen Luna-Zodion-Verbindungen man bestimmte Tätigkeiten
verrichten soll (28 - 38).
Es folgen Anweisungen zum richtigen Zeitpunkt des Purgierens; das
Kapitel schließt mit der Zusicherung des Galen, dass ein Arzt die
Astrologie brauche; doch Ficinus merkt selbst, dass er vom Thema
abgeschweift ist (39 - 44). |
iii,
11 |
Auf
welche Weisen unser Seelenatem am meisten vom Weltatem und der Weltseele
schöpfen kann; und welche Planeten den Seelenatem hervorbringen und
erneuern; und was zu jedem einzelnen Planeten gehört. |
|
Das ganze Unternehmen, so der Beginn des Kapitels,
ziele auf möglichst großen Gewinn unseres Seelenatems seitens des
Weltatems ab. Thema ist also wieder der "spiritus",
der Seelenatem (1 - 9).
Strahlen und Bewegungsnachahmung sind Mittel dazu (10 - 12).
Danach kommt fast ein Preislied auf das Leben in der freien Natur
als Möglichkeit, die himmlischen Strahlen gut in sich wirken zu
lassen (13 - 19). Auch die bewegte Tagesluft kann so an den Menschen
gelangen (20 - 24). Auch Ortswechsel, überhaupt "varietas"
(Abwechslung) ist gefragt, um Überdruss,
ein Wesensmerkmal des Saturn, zu vermeiden (25 - 29).
Darauf folgt wieder eine Wesensbestimmung des Seelenatems,
diesmal entsprechend den Planeteneigenschaften: was ist an den
Menschen jupiter-, sol- und venusmäßig? Erstes Ergebnis: "Summatim vero
spiritus, quatenus corpori ad
vitam et motum propagationemque conducit, Iovius, Venereus, Solaris
existimatur." Noch einmal: Von Saturn, Mars und Luna kann
ein gesunder Seelenatem nicht viel haben, deshalb das zweite
Ergebnis: "Iovia
igitur et Solaris imprimis, deinde Mercurialis et quodammodo Venerea
spiritus natura censetur." (30 - 42)
Danach weist Ficinus die verschiedenen Formen des Seelenatems
(naturalis, vitalis, animalis) den Planeten zu; dabei sei Luna
wieder wichtig, Mars und Saturn aber meist schädlich (43 - 49).
Es folgt wieder der Gedanke des Maßes: zu viel
Planeteneinfluss - außer bei Jupiter - könne auch wieder schaden
(50 - 55).
Aus den Vorteilen der guten Planeten schält sich die Qualität
der "dulcedo" (Süße) heraus, die ausführlich
bedacht wird (56 - 67). Parallel zur Süße sei der Duft ("odor")
und die Farbe ("color") zu sehen (68 - 74).
Danach geht Ficinus der Frage nach, wodurch die genannten
Qualitäten erworben werden können (75 - 83). Am Ende streift
er auch noch den Gedanken der unterschiedlichen Töne und Gesänge
(84f.). Zum Schluss geht Ficinus noch einmal allgemein auf die
Beeinflussung des Seelenatems ein; dabei spielt der Gedanke des
Einflusses von Ähnlichem wieder eine große Rolle (86 - 92). |
iii,
12 |
Natürliche und auch künstlich hergestellte Dinge haben
verborgene Kräfte von den Sternen, durch die sie unseren Seelenatem denselben Sternen
aussetzen. |
|
Nachdem Ficinus vorher den Einfluss durch Sehen,
Hören, Riechen und Schmecken behandelt hat, geht er jetzt dem Einfluss
durch Berührung nach, d. h. er untersucht den Zusammenhang
der vier Grundqualitäten (kalt/warm, trocken/feucht) mit den
Planeten; das Ergebnis ist eine Harmonie mit einer inneren
Rangfolge zugunsten der Wärme (1 - 12).
Harmonie sei nicht nur Sache der Planeten, sondern auch der
Fixsterne (13 - 15).
Nun hat er die sinnlich wahrnehmbaren Einflüsse behandelt und geht
jetzt über zu den verborgenen Einflüssen ("proprietates
occultae"); diese seien nicht von der Menge bestimmt,
sondern rührten von Sternstrahlen her. Einzelne wirksame Dinge
werden genannt; sie wirken in geringen Mengen durch Erwärmung bei
Berührung (16 - 22).
Es folgt eine Liste "okkult" wirksamer Pflanzen und
Steine (23 - 43).
Die Wirkung der Dinge wird wunderbar, wenn die natürliche und
verborgene Wirkung harmonieren wie bei Myrobalanen und Safran
(44f.).
Das Gesagte gilt nicht nur bei einfachen Dingen, sondern auch bei Zusammensetzungen:
Es folgt eine ausführliche Betrachtung des Theriak (46 - 61).
Es folgt eine Betrachtung über die richtige Zeit (62 - 67).
Ziel der richtigen Zeit ist die Harmonie; diese spende nicht nur
bäuerlichen Arbeiten oder ärztlichem Handwerk, sondern auch Amuletten
oft wunderbare Kraft - und damit ist Ficinus beim Thema der
nächsten paar Kapitel (68).
Da das Thema heikel ist, nähert sich Ficinus ihm über den Begriff
der "electio", der Wahl, und schließt das Kapitel mit
einem Zitat von Albertus Magnus, nach dem die richtige Freiheit
gerade darin besteht, die lobenswerte Stunde zu wählen (69 - 74). |
iii,
13 |
Über die vom Himmel
erworbene Kraft der Amulette und der Arzneien, gemäß den Alten. |
|
Ausgangsthese des Kapitels ist das Ptolemäus-Zitat,
Phänomene der irdischen Welt unterlägen denen der höheren, und
deshalb, so andere alte Weise, könne man bestimmte Amulette zu den Zeiten
herstellen, in denen das himmlische Vorbild tangiert sei (1). Für
diese These liefert Ficinus nun viele Beispiele aus verschiedenen
Quellen (2 - 15).
Doch Ficinus hält Arzneien für "wahrscheinlich"
wirksamer, wofür er einige Gründe liefert (16 - 21).
Danach bedenkt Ficinus bestimmte Materialien hinsichtlich ihrer
Eignung als Amulette (22 - 29): Holz (22f.), Steine und Metalle (25
- 29).
Da die Ressourcen erschöpft sind, müsse man gründlich auswählen;
Beispiel: Zusammenhang mit Sol (30f.).
Das Kapitel schließt mit einer Art Nachtrag zum Kapitel 5 über den
Einfluss der drei Grazien (32). |
iii,
14 |
Hierarchie der Dinge, die von den Sternen abhängen, z. B. der
sonnenmäßigen oder ähnlicher, und wie der Seelenatem sonnenmäßig
wird. |
|
Wieder formuliert Ficinus im ersten Satz seine
Ausgangsthese, von ihm als Wiederholung bezeichnet: Von jedem Stern
besteht eine hierarchische Reihe bis zu den niedrigsten Wesen
(1).
Dreimal (Antares, Serpens, Sirius) führt er den Gedanken
ausführlich aus (2 - 4); dann wird der Gedanke noch einmal ganz
allgemein formuliert (5 - 7).
Da er Sol als Beispiel hatte, kann er jetzt mit dem Thema
"Was ist sonnenmäßig (solar)?" weitermachen und
einiges aufzählen (8 - 13).
Dabei streift er auch die Wirkung von Robbenfell und -knochen
(14 - 16).
Danach zählt er Pflanzen, später Metall und Steine auf, die er
als sonnenmäßig bezeichnet (17 - 25).
Jetzt werden auch Arzneien genannt, die mit Sol in Verbindung
stehen und den Seelenatem sonnenmäßig machen: "ut spiritus
Solaris evadat" (26 - 31).
Wieder aber ist Ficinus die Mischung wichtig: "tutius
... admiscere"; aber zu diesem Thema hat er ja schon genug
geschrieben, weswegen er wieder zu den Amuletten zurückkehren will
(32 - 38). |
iii,
15 |
Über
die Kraft von Amuletten und Arzneien gemäß den Alten; und wie die Arzneien
weit stärker sind als die Amulette. |
|
Unvermittelt beginnt Ficinus von der Wirkung von
"phöbeischen Steinen" zu sprechen; offensichtlich ist der
Zeitpunkt des Anlegens der Steine an den Körper wichtig (1f.).
Nach Meinung des Proklos sind aber Steine in der Mondreihe noch
wirksamer; gut ist auch hier die Verbindung in Form des "helio-selinon";
zu wünschen wäre aber ein Sonnen- oder Mondstein mit der Kraft des
Magnetsteins. Dieses Thema (Magnetismus) verfolgt Ficinus
ausführlich (3 - 10), Gründe des Magnetismus (11 - 17).
Am Ende der Behandlung des Magnetismus fielen schon die Stichwörter
fürs Folgende: "superius" : "inferius"
(oben und unten). Dieses Verhältnis wird dann benannt (19f.) und
auf die verschiedenen Planetenreihen übertragen (21).
Als Überleitung zum Thema "Dämonen" blickt Ficinus auf
seine in seinem Leben früher vertretene Meinung bezüglich des Magnetstein zurück; jetzt
- in seinem derzeitigen Alter - habe er dessen saturn- und marsmäßigen Einfluss erkannt (22 - 24).
Von den Platonikern wisse er, dass die bösen Dämonen die
nördlichen seien; böse Dämonen seien oft bei der Herstellung
von Amuletten tätig. In diesen Zusammenhang gehört für Ficinus
der Drachenstein und ein Schlangenbild auf einem Hämatit. Wieder
zeigt er seine Skepsis bezüglich der Wirkung: Es sei nicht das
eingeprägte Bild, sondern das Material (25 - 35).
Auch in Steinen, die in Tieren entstehen, wirke die Kraft der
dahinterstehenden Planeten; dazu führt er als Beispiele den
Hahnenstein und den Schwalbenstein an (36 - 40); zum Schwalbenstein
sagt er: Nach Meinung des Dioskurides "curare melancholicum et amabilem idoneumque
reddere" (heile er einen Melancholiker und mache ihn
liebenswert und lebenstauglich).
Der Zusammenhang des Weltmechanismus wird nun mit einem Platon-Wort
bekräftigt, das manche wieder zur Stütze eines magischen Satzes
verwenden, es lasse sich durch Irdisches Himmlisches zum
richtigen Zeitpunkt erreichen; doch die Weiterführung dieses
Gedankens zum Überhimmlischen ("supercoelestia") lässt
Ficinus hier auf sich beruhen (41 - 45).
Die Entstehung einer anderen Qualität hält Ficinus zwar für
möglich, dieser Prozess brauche aber Zeit, und deshalb seien die
Bedenken mancher an der Wirksamkeit von Amuletten berechtigt (46 -
49). Auch er selbst ist skeptisch, lässt sich aber von den
Autoritäten bestimmen. Aber es liege doch am Material; außerdem
betont er wieder den Vorrang von astrologisch richtig hergestellter
Arznei und Salben (50 - 53).
Was als Interpretation von Plotin zur Stützung des Glaubens an
Amulette beigebracht werden kann, das will er liefern, betont aber
noch einmal ausdrücklich, dass er das nur als Referat tut und
selbst auf andere Mittel schwört. Aber die Astrologie in seinem
Sinne steht im Dienste Gottes (54 - 57): "Praeterea si licere
iudicas homini ad prosperam valetudinem inferioribus uti, iudica
superioribus quoque licere, atque inferiora ad superiorum normam sic
medicorum artificio temperare, sicut etiam a Deo sunt ab initio
temperata.": Ein Plädoyer dafür, sich nicht auf die
einfachen, irdischen Mittel zu beschränken. |
iii,
16 |
Vom
Einfluss des Himmels. Über die Kräfte der Strahlen, wodurch die Amulette,
wie man glaubt, Kraft erhalten. |
|
Die Dimension der himmlischen Größe, Macht und
Bewegung bewirkt, dass die Gestirnsstrahlen ("radii siderum")
die Erde durchdringen und im Zentrum ein Feuer auslösen (1 -
6). Deshalb können sie alles, auch Steine und Metalle (Grundstoffe
der Amulette), durchdringen; Härte ist kein Hindernis für sie (7 -
11).
Als himmlische Kraft übersteigen die Sternstrahlen irdische
Eigenschaften (12 - 16).
In Amuletten wirken die speziellen, himmlischen Kräfte
- "virtutes rerum occultas, quae speciales a medicis
nominantur" - durch die
beseelten Sternstrahlen (17 - 21). Diese Strahlen haben
unterschiedliche Wirkung (22 - 25).
Um die schnelle Wirkung durch Berührung zu zeigen, führt Ficinus
eine Reihe von Beispielen aus unserer Erfahrung an (26 - 43).
Als Schlusspunkt der Argumentation dient der Hinweis auf die Macht
des Feuers (44f.).
Nun setzt sich Ficinus mit einem Einwand, den er früher auch
zu erheben pflegte, auseinander, den fehlenden Entwicklungsstufen.
Dazu stellt er - mit anschließenden Beispielen - dar, dass in den
Amuletten ja nicht beliebige Wirkung erzielt, sondern die angelegte
Kraft praktisch nur entfaltet werde (46 - 56).
Mit praktischen Hinweisen beschließt Ficinus das Kapitel (58
- 66): Zusammenhang von Steinen und Metallen mit Planeten (58 - 62),
nochmals der Hinweis auf den Zusammenhang der elementaren mit der
speziellen Kraft (63f.) und Bemerkungen zu Perseus und Luna (65f.). |
iii,
17 |
Welche
Kraft die Figuren am und unter dem Himmel haben. |
|
<Ein schwieriges Kapitel, vor allem, weil die Bedeutung
von "figura" so schillert; es zeigt sich jetzt, dass das
unscheinbare Ende des letzten Kapitels doch wichtiger ist; dort
hieß es: "63 Praeterea imaginem efficaciorem fore, si virtus in
materia eius elementalis conveniat cum speciali eiusdem virtute
naturaliter insita, atque haec insuper cum virtute altera speciali per
figuram coelitus capienda; 64 denique figuras inferiores et formas
coelestibus conformari." (...64 dass die irdischen
Figuren und Formen mit den himmlischen harmonieren.) Hinter der
"figura coelestis" verbirgt sich ein Sternbild, hinter der
"figura inferior" ein Amulett. - Der ausführliche
Kommentar von Kaske verrät, dass dieses Kapitel sehr stark von
Plotin und Thomas von Aquin beeinflusst ist.>
Wie das "meminisse iubebunt" erkennen lässt, referiert
Ficinus im Prinzip immer noch die Meinung von Astrologen, die er
offiziell ablehnt. Zusammenhang ist die Wirksamkeit der Amulette
("ne figuris diffidas"); und nun wird im folgenden
mit einer Dreiergruppe (lumina/radii, figurae und numeri)
gearbeitet, in der "figura" einen anderen Sinn hat: ~
"immaterielle Form eines Sternbilds".
Im Elementarbereich vermögen die Elementarqualitäten (kalt/heiß.
feucht/trocken) viel, im Immateriellen haben die drei Qualitäten
Licht/Farbe, Figur und Zahl eine größere Bedeutung (1 - 6).
Aus der Verbindung der Figuren mit den Ideen wird besondere
Bedeutung der Figur erschlossen (7 - 12).
Nun wird das Licht ("lumina" und "colores") in
den Gedankengang einbezogen (13 - 16).
Über den Gedanken der Harmonie gelangt Ficinus zur Musik (17 - 20).
Über Analogie von Gesichtswirkungen gelangt Ficinus wieder zur
Wirkung von Sternbildern; <hier wird mit den Begriffen
figura:vultus getrickst.> (21 - 26).
In einem eigenen Abschnitt (27 - 30) werden dann die Begriffe
ausgetauscht: vultus - figura - facies - aspectus.
Auch dem fiktiven Leser wird das wohl zu viel:
"Esto,
dicet quispiam." Der will dann wieder deutlich von den Amuletten
sprechen (31 - 33). Wieder referiert Ficinus und verweist auf die
Absicht seiner Quellen: Es gehe nur um die Wirkung der Amulette
entsprechend den Sternbildern; die Wechselwirkung illustriert
Ficinus mit dem Bild der Lauten (34 - 38).
Mit dem Vergleich mit einem Spiegel versucht Ficinus noch einmal die
Wirksamkeit zu zeigen (39 - 43).
"Quid inde
sequatur pro imaginibus, ipse reputa." Ja, Leser, sieh selbst zu,
<dieses trickreiche Kapitel zu verstehen!> (44)
|
iii,
18 |
Welche
Figuren der Himmlischen die Alten den Amuletten einprägten; und vom
Gebrauch der Amulette. |
|
<Nach dem hochphilosophischen, jetzt wieder ein
handfestes Kapitel, richtig brauchbar für damalige Ärzte.>
"Jemand" fragt vielleicht nach den eingeprägten
Bildern; Ficinus liefert ein Schema der Möglichkeiten,
an erster Stelle die deutlichen Bilder des Zodiak oder auch von
Sternbildern außerhalb davon (1 - 6).
Als Beispiel folgt ein Merkuramulett (8 - 19).
Neuerdings verwende man runde Amulettformen, früher seien
kreuzförmige im Gebrauch gewesen, was Ficinus über den
Hintergrund des Kreuzbildes bei Amuletten nachdenken lässt (11 -
25).
Doch er wollte ja fremde Meinungen über Amulette referieren (26).
Es folgen zwei Listen von Amuletten, erst eine nach den
Planeten (27 - 42), dann eine nach den Zwecken (43 - 49).
Danach referiert Ficinus die Meinung des Petrus von Abano über die
Nützlichkeit von Amuletten für Ärzte und beschreibt auch sein
Amulett für gesundes, langes Leben (50 - 54).
Eigentlich wäre es zu weitläufig, alle Dekane und Mondpositionen
anzusprechen; Ficinus beschränkt sich auf einige, die er für
medizinisch, nicht magisch hält (55 - 62).
Er nennt noch weitere Positionen, schließt diesen Teil mit einer
allgemeinen Anweisung des Haly (63 - 73).
Für bloße Sache der Neugier hält er die Beschreibung von
Amuletten, mit denen man das Verhalten der Menschen beeinflussen
will (74 - 78).
Danach referiert Ficinus erst die Haltung des Albertus Magnus
(79 - 85), dann die des Thomas von Aquin zur Frage der
Amulette (86 - 94); dessen Meinung schließt sich auch Ficinus an.
Den Platonikern liegt aber die Lehre, dass Dämonen <das
neue Thema von Kapitel 20 ff.. klingt an!> hinter bestimmten kuriosen
Amulettwirkungen stünden, nahe (95 - 97).
Schließlich ("Denique", 98) spricht der Arzt Ficinus:
Arzneien seien besser als Amulette, man solle sich dort aber der
Unterstützung des Himmels bedienen (98 - 106).
Ficinus schließt mit der Warnung, im astrologischen Bereich zu
dilettieren; man könne auch Schaden anrichten (107 - 110). |
iii,
19 |
Über
die Herstellung eines Bildes der Welt. |
|
Mit einer Frage führt Ficinus zum Amulett in Form
der gesamten Welt, des Universums, hin; damit erhoffen sich
manche die Wohltat ("beneficium") des Universums zu
verschaffen (1f.).
Sogleich beschreibt Ficinus die Gestalt dieses Modells: ein
Bronzebild, eingeprägt in vergoldetes Silberblech. Doch wichtiger
ist die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt der Herstellung,
die er so beantwortet: bei Sonnenstellung in der ersten Minute des
Aries, also dem Frühlingspunkt als dem Geburtszeitpunkt der Welt (3
- 8).
Der Geburtstag eines Menschen sei gleichsam seine Wiedergeburt,
bedingt durch die identische Stellung der Sonne im Tierkreis; ebenso
sei es bei der Sonne (9 - 13).
Das Bild soll nicht am Saturntag, dem Sabbath, sondern am Soltag geschaffen
werden; dabei streift Ficinus noch kurz die Bedeutung des Umstands,
dass die Weltschöpfung am Venustag beendet wurde (14 - 17). Darauf
will er aber nicht weiter eingehen, weil sein Freund Pico della
Mirandola darüber "in diesen Tagen" geschrieben habe
(18).
Thema ist aber die Herstellung des Weltmodells, die - Ficinus
sagt es noch einmal - am Sonntag geschehen soll. Auch drei Farben
sollen - mit Angabe der Gründe - verwendet werden: grün, golden,
purpurfarben (21 - 26).
Von der Farbe Purpur geht Ficinus zur Besprechung wirksamer Stoffe
über: auf den Lapis Lazuli, der "ob virtutem Ioviam
contra bilem atram" (wegen
seiner Jupiter-Kraft gegen die Melancholie) den Ärzten sehr wichtig
sei, und den Armenierstein. Danach macht er noch zwei Bemerkungen
zur Gestalt des Weltmodells: Sterne golden, Erde grün (27 - 30).
Anschließend stellt er die Nutzung des Modells vor; er
scheint es sich als Zierde einer Privatbibliothek vorzustellen (31 -
35).
Aber wichtiger als dieses äußere Modell wäre ein inneres
Himmelsbild, d. h. Jupiter als moralisches Vorbild (36f.).
Vom Thema "Mäßigung" gelangt Ficinus zu einer kurzen Spekulation
über die Weltdauer und schließt hier eine Betrachtung über
die Rangordnung des Lebendigen (Pflanzen - Tiere - Mensch) an, wobei
den Menschen vor allem sein "spiritus" kennzeichnet (38 -
46).
Danach spricht er das Problem an, inwieweit man im himmlischen
Bereich etwa von "kalt" sprechen kann, da die Frage der Elementarqualitäten
nicht entschieden ist, und zieht aus diesem Gedanken zwei
Schlüsse: Erstens besitze der Himmel das perfekteste Leben,
zweitens ziele Leben auf Vervollkommnung, deshalb sei derjenige
geistig beschränkt, der dem Himmel das Leben streitig mache (47 -
54).
Mit dem Vorwurf, er verbreite mit der Lehre vom
Leben des Himmels eine Irrlehre, setzt sich Ficinus in seiner Apologie
(59 - 78) noch einmal ausführlich auseinander.
|
iii,
20 |
Welch
große Kraft die Amulette auf den Seelenatem ausüben und umgekehrt. Und
von der Gemütslage des Nutzers und des Herstellers. |
|
Ficinus geht von der Wirkung des Nieswurz zur Verjüngung
aus und erwähnt, dass die Astrologen den günstigen Amuletten gleiche
Wirkung zubilligen, dass aber schädliche Amulette vergiften
und krank machen könnten. Er kann keine Fernwirkung von Amuletten
erkennen, gibt aber Wirkkraft von Amuletten zu, auch wenn er - quasi
als "ceterum-censeo-Ficinus - die bedeutend bessere Wirkung von
Arzneien betont (1 - 9).
Danach referiert er die Meinung von "Arabern und
Ägyptern", in Amuletten könne Sternatem eingeschlossen
sein. "Sternatem" wird alternativ definiert:
"wunderbare Kräfte der Himmlischen" oder "dienstbare
Dämonen". Egal, wie man sie definiert, er könnte
jedenfalls wie Dämonen in Statuen und Amulette eindringen
und Wunderbares beim Träger oder dessen Umgebung erreichen (10 -
17).
Noch einmal referiert Ficinus, diesmal aber nur Araber, die eine
Verbindung zwischen unserem Seelenatem und den Amuletten sehen, die
durch eine bestimmte Konzentration des Verfertigers entstehe;
hilfreich seien dabei auch bestimmte Räucherungen, <bei denen ja
Düfte entstehen> (18 - 20).
Mit den Düften der Räucherungen setzt sich Ficinus danach
auseinander: Falls diese Düfte sonnen- oder jupitermäßig sind,
leisten sie gute Beiträge, um Sol- oder Jupitergeschenke zu
erhalten; ein so ausgestatteter Seelenatem könne dann auf den
eigenen, aber auch auf Körper von Nachbarn einwirken. Die Materie des
Amuletts könne aber von den Düften nichts aufnehmen, lediglich
Seelenatem verschmelze mit dem Duft; das beweist Ficinus mit einer
Theorie des Geruchsempfindens (21 - 27).
Überhaupt sieht Ficinus beim Amulett weniger die Wirkungsmöglichkeit
des Herstellers als die des Nutzers des Amuletts; damit streift
Ficinus sozusagen die Medizin-Psychologie: "fiduciam hanc Avicenna plus inquit efficere quam
medicinam": Vertrauen des Patienten zum
Arzt erreicht mehr als die Medizin! (28 - 33). |
iii,
21 |
Über
die Kraft von Wörtern und Gesängen, um himmlische Wohltat zu erreichen,
und von den sieben Stufen zum Himmlischen. |
|
<Dieses Kapitel beschäftigt sich wieder mit ganz
verschiedenen Themen; nur die ersten beiden werden von der gegebenen
Überschrift erfasst.>
Ausgangspunkt ist die Kraft besonderer Wörter, um die
Wirkung von Amuletten zu verstärken. Dazu bringt Ficinus das
Beispiel eines Amuletts als Liebeszaubers, bricht das Thema aber
bald ab, da er ja Medizin, nicht Liebestränke lehren wolle (1 - 3).
Die Wirkung bei solchen Amuletten schreibt er aber mehr den Dämonen
zu; in diesem Zusammenhang erzählt er eine nette Geschichte von
Apollonius von Tyana über "gewisse geile Venus-Dämonen"
(daemones quidam salaces et Venerei), bricht aber auch diese Geschichte
unvermittelt ab (4 - 6).
Bei der Bestätigung des Gesagten gerät Ficinus in die Gefahr, sich
bei den Zaubergesängen zu verlieren: wieder bricht er jäh ab (7 -
15).
Es folgt eine Einordnung der Musik in die chaldäisch geordnete
Beziehung zwischen Planeten und irdischen, menschlichen Phänomenen;
die Mittelstellung, d. h. den vierten Platz, nehmen "
verba, cantus, soni, quae
omnia rite dedicantur Apollini, musicae prae ceteris auctori"
(21) ein; bei der Erklärung des siebten Platzes liefert Ficinus einen
Grund für den Zusammenhang zwischen "Saturn" und "Sabbath"
(16 - 24).
Der Gedankengang muss wohl verdeutlicht werden:
"Quorsum haec?" (~ Was soll das ganze?) Es
folgt eine Behandlung des Wertes von Musik, aus der eine bestimmte
himmlische Kraft erwachse, auch wenn es im Einzelnen sehr schwer sein mag,
die genauen Beziehungen zwischen Tönen und Sternen herzustellen; aber wie
Andromachus beim Entwickeln des Theriaks durch seine Sorgfalt zum Erfolg
kam, können wir auch hier durch Sorgfalt und göttliche Nachhilfe ("divina
quadam sorte") etwas erreichen; mit dem Lob der Sangeskunst als
Ausgangspunkt der Heilkunst scheint Ficinus diesen Teil zu beenden (25 -
31).
Wieder hat sich unbemerkt das neue Thema eingeschlichen: Der letzte
Satz hieß: "Ideoque Phoebum vatem medicinae
praeponunt." (Und deshalb stellen sie Phöbus, den Seher, an
die Spitze der Medizin.) Etwas astrologischer formuliert:
"Deshalb steht Sol und das, was zu ihm gehört, auch sein
Einfluss, höher als die Medizin." Und zu diesem Gedanken
liefert Ficinus drei Regeln, klärt aber vorher noch das mögliche
Missverständnis, es gehe ihm um Anbetung der Sterne. Es geht ihm um
den natürlichen, vielfältigen und verborgenen Einfluss Sols,
den er so akzeptiert wie dessen Licht und Wärme; der Weise bemühe
sich um seine verborgenen Gaben (32 - 35).
Seine drei Regeln gelten, wie er sagt, der Anpassung des Gesanges
an die Sterne:
Erste Regel: Wirkungen von Sternen, Sternbildern und Aspekten
herausfinden und die Wortbedeutungen anpassen.
Zweite Regel: Klarheit über die Herrschaft eines Sternes
über bestimmte Örtlichkeiten und Menschen gewinnen und sich dann
deren Gesänge nutzbar machen.
Dritte Regel: Die täglichen Positionen und Aspekte der
Sterne und das Verhalten der Menschen unter diesen erforschen, um
damit für sich ähnlichen Einfluss der Sterne zu erreichen (37 -
41).
Es folgt die erste Anmerkung ("Memento vero"):
Gesang ist die beste Nachahmumg (42 - 45).
Danach wird das Wesen von harmonischem Gesang benannt ("materia
concentus"); er sei eine Art "luftiges, vernunftbegabtes
Lebewesen" (47). Unter bestimmten Bedingungen wirke er wie
"quaelibet alia compositio" (jede beliebige andere
zusammengesetzte Arznei), vor allem wenn der Sänger "phöbeisches
Wesen", d. h. Sol-Wesen, hat (46 - 50).
Und wegen ihres phöbeischen Wesens haben Südländer, vor allem
Inder eine hervorragende rhetorische Begabung (51f.)
Noch einmal erfolgt eine Definition des Gesanges: "Cantus
... ferme nihil aliud est quam spiritus alter" (Gesang ist
praktisch zweiter Seelenatem, äußerst wirksam bei seelischen und
körperlichen Krankheiten.) Für diese Hochschätzung der Musik verweist
Ficinus auf die pythagoräische Auffassung, der Himmel sei ein
"Geistwesen, das alles mit seinen Bewegungen und Tönen
ordnet" (53 - 56).
Nun folgt die zweite Anmerkung, wieder: "Memento vero":
Die gesamte Musik geht von Apoll - und das heißt in Ficinus'
Kontext immer auch: von Sol - aus. Danach wird der Bereich der Musik
wieder den Planeten zugeordnet: Harmonische Gesänge gehören zu
Sol, Jupiter, Venus und Merkur; die anderen drei verfügen nur über
Töne, Saturn über schwere, raue, Mars über die schrillen und Luna
über die dazwischen. Auch die Klangformen der ersten vier werden
noch klassifiziert (57 - 65).
Die vier (guten) Planeten soll man sich durch passenden Gesang
gewogen machen; eine besondere Rolle spielt der Sonnengesang
<!> (66 - 71).
Die dritte Anmerkung "Memento vero" bezieht
die Redekunst ein (72 - 74).
Ficinus schließt das Kapitel mit einem letzten Beweis für die
"phöbeische und medizinische" Wirkung des Gesangs:
Apulier, die von einer Giftspinne gestochen worden seien, lägen
alle bewusstlos umher, bis sie ihren bestimmten Ton hören; dann
tanzen sie, schwitzen dabei und werden gesund - und die Erinnerung
daran halte Jahre an (75 - 77). |
iii,
22 |
Wie wir
uns auf sieben Weisen dem Himmlischen anpassen können; für wen Saturn böse,
für wen er gnädig ist; wen Jupiter gegen Saturn verteidigt. Wie der
Himmel auf den Seelenatem, den Körper und die Seele einwirkt. |
|
Um die himmlische Harmonie aufnehmen zu
können, haben wir sieben Stufen: Amulette, Arzneien, Dämpfe
und Düfte, Musik, Vorstellungskraft, Vernunft, Betrachtung, und
zwar wird der ganze Mensch - Körper, Seelenatem und Seele - der
Sonne zum Erwerb der verborgenen Sternenkräfte ausgesetzt (1 - 10).
Damit ist Ficinus bei den Seelenkräften angelangt, die er
verschiedenen Planeten zuweist: die Vorstellungskraft Mars und
Sol, die Vernunft Jupiter, den Geist aber dem Saturn (11 - 14).
Und damit beginnt die ausführliche Beschäftigung
mit Saturn, die manchmal fast preisende Züge annimmt:
Saturn ist der Freund der großen Geister, die die erhabene
Luft bewohnen (19), am wenigsten aber mag er die, die ein Leben in Betrachtung
nur vortäuschen (15 - 22).
Eine Gruppe von Menschen lebe im Glück Saturns, die
"Mond-Völker"; diesen Umstand bringt Ficinus mit
bestimmten Aussagen seiner Autoritäten in Verbindung (23 - 27).
Ausdrücklich warnt Ficinus den Leser davor, Saturn zu verachten,
und preist dessen Ausnahmestellung (28 - 35).
Saturn lasse sich besänftigen, sein Einfluss kann aber auch
schädliches Gift sein (36 - 40).
Helfer gegen Saturn sei Jupiter; und an diesen Gedanken schließt
sich ein höchst überraschender Satz an: "Noxium vero
influxum Saturni effugiunt subeuntque propitium, non solum, qui ad Iovem
confugiunt, sed etiam, qui ad divinam contemplationem ab ipso Saturno
significatam tota mente se conferunt." (In Saturns günstigen
Einfluss geraten die, die sich der von Saturn bezeichneten
göttlichen Betrachtung mit ganzem Herzen hingeben.). Und die
geballte Autorität (Chaldaei, Aegypti, Platonici) stützt diese
Auffassung, da sie an das Gute der Himmelskörper glauben (41 - 44).
Beiläufig ("Inter haec") begründet Ficinus auch das mosaische
Sabbatgebot, wobei auch dessen Umstände weitgehend astrologisch
betrachtet werden. Es schließen sich noch zwei Gedanken (Jamblichus,
"Hebraei") an, die um die Macht der Himmlischen kreisen
(45 - 52).
Noch einmal bedenkt Ficinus den Weg, auf dem die Geschenke der
Himmlischen zu uns kommen, dann schließt er das Kapitel mit einer
Zusammenfassung ab, die erkennen lässt, dass für ihn die himmlische
Ordnung moralischen Wert hat (54f.). |
iii,
23 |
Um
glücklich zu leben und zu handeln, lerne vor allem deine Begabung, dein
Gestirn und deinen Schutzgeist kennen und den Ort, der zu diesen passt.
Wohne hier. Folge deinem natürlichen Beruf. |
|
Ausgangsthese des Kapitels: geistig
gesunde und autonome Personen haben vom Himmels her einen Lebensauftrag
(1).
Für ein glückliches Leben soll man diesem Auftrag folgen. Der gegebene
Auftrag lässt sich an Merkmalen der Kindheit erkennen.
Um den Auftrag auszuführen, erhält ein Mensch bei Geburt seinen
Schutzgeist ("daemon"). Wegen ihres Zusammenhangs lassen
sich Gestirn, Dämon und Aufgabe wechselseitig erkennen. Im Einklang
damit zu leben bringt Glück, dagegen zu handeln einen feindlichen
Himmel ("coelum inimicum") - (2 - 6).
Aus dem Zusammenhang mit ihrer Bestimmung ergeben sich zwei Arten
von unglücklichen Menschen, die einen verfolgen ihren Beruf zu
wenig, die anderen haben den falschen. Beides untermauert Ficinus
mit jeweils einem antiken Sprichwort (7 - 15).
Es lohne sich auch, die gestirns- und dämonengerechte Gegend
zu finden und beizubehalten (16 - 22).
Dabei sei auch die höhere Qualität des Landlebens zu
bedenken; außerdem gibt es die Feststellung der östlichen
Astrologen, dass Variation angebracht sein kann (23 - 26).
Astrologen und Platoniker sprechen lieber von zwei Dämonen:
<eine Art statischen> seit unserer Geburt, einen zweiten
<eher dynamischen> aufgrund des <wohl zugeeigneten>
Berufs. Auch hier besteht das Ideal in der Harmonie der beiden (27 -
30).
Um den Geburtsdämon zu bestimmen, führt Ficinus zwei
Autoritäten (Porphyrius, vor allem Julius Firmicus) an. In
astrologischen Verfahren lasse sich dieser Dämon berechnen; Ficinus
führt zwei verschiedene Methoden an, ausführlicher die der
"Alten", die auf die Himmelsörter
abhebt(31 - 43).
Ficinus hält zwar die Betrachtung der Himmelsörter, um der
Vergangenheit nachzuspüren, für überflüssig, hält sie aber für
bevorstehende Taten für sinnvoll (44 - 46).
Es folgen noch Anmerkungen zum Thema:
Offensichtlich gibt es eine Rangordnung der Dämonen; die
höchsten sind die der Staatslenker; ohne richtigen Dämon könne
man nichts Hohes erreichen (51f.).
Man soll nach der Freundschaft derer streben, die von den drei
Grazien gefördert werden (53- 56).
Dementsprechend soll man bestimmte Kontakte vermeiden, vor allem die
von Kriminellen und Grausamen. An zwei Beispielen zeigt Ficinus, wie
sehr die bloße Anwesenheit positiver oder negativer Mitmenschen
sich auswirken kann (57 - 64). |
iii,
24 |
Wie
geistig Tätige ihre Begabung erkennen und einer Lebensweise folgen
können, die dem Seelenatem entspricht. |
|
Ficinus will ja für geistig Tätige ("litterarum
studiosi") schreiben und kommt nun noch einmal zu Grundsätzlichem.
Diese Leute sollen noch einmal ihr Wesen erkennen, und das
bedeutet, dass sie vor allem Merkur- und Sonnenkinder <!>
sind; je nach Spielart kann dann noch etwas von Venus oder Jupiter
oder Saturn in ihnen stecken; aber auch von der Theorie der Embryonalentwicklung
her sind diese Menschen vor allem Solkinder <!!>.
Danach soll sich auch ihr Aufenthaltsort und die Arzneiherstellung
für sie richten (1 - 8).
Ficinus ruft die "litterati", die "Musarum cultores"
(die Schriftgebildeten als Verehrer der Musen) vor allem zum
Dienst für Apoll, also Sol, auf; schließlich habe ihnen die
Phöbusschwester Phöbe vor allem Sol-Atem eingeflößt (10f.).
Aufgrund dieser Herkunft seien derartige Menschen sehr stark vom
Seelenatem bestimmt; deshalb kämen bei diesen Menschen noch
vier feine Elemente vor, von denen sie sich ernährten: Wein,
Weinduft, Gesang und Licht (12 - 16).
Da Ficinus - wie er sagt: "nescio, quomodo" (ich weiß
nicht, wie) - unversehens beim Thema "Wein" gelandet ist,
schließt dieses Kapitel mit der Betrachtung des Zusammenhangs
von Apoll/Sol und Bacchus, dem Gott des Weines (17 - 26).
Am Ende verabschiedet sich Ficinus von seinen Brüdern, das
heißt den Lesern als Brüdern in Apoll und Bacchus (27f.)
<Dem hymnischen Gehalt nach, dazu aufgrund der Abschiedsformel
"Ergo valete!" (Lebt also wohl!) war dieses Kapitel
wohl das ursprüngliche Buchende; es liegt jetzt ja auch ein
sehr schöner Rahmen zum Anfang, der doppelten Geburt des Bacchus,
ja zum ersten Wort des Prooemiums: "Bacchum poetae ..."
vor.> |
iii,
25 |
Astronomische
Sorgfalt beim Kinderzeugen, bei der Vorbereitung von Festmählern, beim
Bauen, Wohnen und der Kleidung; und wieweit man dafür sorgen darf. |
|
<Wieder einmal eine etwas unklare
Zusammenfassung.>
Nachdem Ficinus sein Buch mit dem letzten Kapitel eigentlich schon
beendet hat, folgt mit diesem Kapitel im Grunde schon die erste
Apologie, vor der, die er nachher unter dem eigentlichen Namen
anhängt.. Er spricht dazu den potenziellen Vertreter der
Inquisition, also einer Instanz, die die Rechtgläubigkeit seines
Buches bewerten wird, mit "antistes" (Oberpriester) an und
sichert diesem zunächst ihre Übereinstimmung in zentralen
Fragen, d. h. vor allem der Verehrung des einen Gottes, zu (1 - 6).
Sein Gegenüber scheint Probleme zu sehen, Ficinus' Auffassung der
"Wahl der günstigen Stunden" ("horas opportunas
eligere") zu akzeptieren, weil sie der Auffassung des
freien Willens zuwiderlaufe. Hier verweist Ficinus kurz auf
Albertus Magnus, will aber weiter nicht auf seinem Standpunkt
beharren (7 - 10).
Da sein Gegenüber offensichtlich die Beobachtungen von Mondphasen
in der Landwirtschaft akzeptiert, tue man doch auch beim
Kinderzeugen gut daran, auf die Mondphasen zu achten; sich
selbst nimmt Ficinus - weil zölibatärer Priester - dabei aus (11 -
14).
Beobachtung der Sterne bei der Weinlese und beim Brotbacken kann -
so Ficinus - nur der ablehnen, der im Leben nur noch völlige
Knechtschaft erkennen kann (15 - 19).
Lebensziel neben der Gottesverehrung soll es sein, ein
gesundes Leben lange zu erhalten - darin sieht Ficinus sich mit
seinem Gegenüber einig (20 - 22).
Auch bei der Kleidung erweise sich astrologische Achtsamkeit
als sinnvoll (23 - 30).
Wenn einem am "Leben des Volkes" ("populi vita")
liegt, muss man die Astrologie akzeptieren; wenn man das Leben im
Diesseits aber vernachlässigen soll, dann könne sich Ficinus auch
dieser Meinung im Vertrauen auf ein besseres Leben ("melioris
vitae fiducia fretus") anschließen (31 - 34). |
iii,
26 |
Wie
durch Tieferes, Höherem ausgesetzt, Höheres und
durch kosmische Materien vor allem kosmische Geschenke herabgeführt
werden. |
|
Am Schluss geht Ficinus noch einmal zurück und
versucht noch einmal mit Argumenten seiner philosophischen
Autoritäten zu begründen, weswegen materielle Amulette wirken
können.
Ausgangsthese ist - nach Platon - unsere Welt als die
beste Möglichkeit; deshalb habe sie auch Teil an der
Intelligenz (1 - 3).
Deshalb gibt es parallel zur materiellen Welt den Körper des
Seelenatems ("corpus spiritus"), der unsere Sinneswelt
übersteige; infolge dieses Zusammenhangs könne der Mensch auch
Güter von oben ("bona ... desuper") erhalten (4 - 11).
Wieder zeigt Ficinus, dass wir in unserer materiellen Gegebenheit
von oben kommende natürliche Einflüsse aufnehmen können (12 -
17).
Die innere Anziehungskraft des Kosmos bringt Ficinus dazu,
"indischen Weisen" und "Orpheus" folgend, die
Welt als männlich-weibliche Einheit zu sehen (18 - 26). Diese
Erkenntnis werde von der "Agricultura", von Ärzten und
Philosophen ausgenutzt, um das Höhere ("superiora") zu
gewinnen (27 - 31); dabei finden sich schöne Beispiele: etwa
Normalposition beim Geschlechtsverkehr, Ausbrüten der Eier.
Das Thema "Eier" leitet zur Zeugung ohne Tiere, nur mit
Einfluss von oben, über (32 - 34).
Mit diesem Gedankengang habe Plotin die Herstellung wirksamer
Amulette erklärt (35f.). Und damit ist Ficinus beim Thema
"Dämonen".
Dämonen seien die Ursache für Amulettwirkungen; ägyptische
Priester hätten sogar, um ihr Volk zum Götterglauben zu bringen,
dämonenbesessene Statuen verwendet (37 - 39). Es folgt eine
Besprechung der Meinung des Jamblichus (40f.).
Über den Hebräer Samuel kommt Ficinus zu David Bil, der
Urheber einer abenteuerlichen Amulett-Rezeptur sei (42 - 49).
Zu dieser Rezeptur entwickelt Ficinus dann seine eigene Meinung,
die er zum Teil auf Thomas von Aquin stützt (50 - 54).
Ficinus referiert weiter, warum nach Plotin und Hermes
Trismegistos der Einfluss der "superiora", des Höheren,
möglich sein soll (55 - 61).
Zum Schluss kündigt Ficinus ein weiteres Buch an, das sich
mit dem am Ende besprochenen Thema beschäftigen wird (62). |
Apologia |
Eine Art Verteidigungsschrift,
in der von Medizin, Astrologie, Leben der Welt und ebenso von den
Magiern gesprochen wird, die den neugeborenen Christus begrüßten. |
|
Nach einer launigen Begrüßung seiner drei Freunde
namens "Peter" (1 - 10) führt Ficinus die drei Einwände
(10 - 17) gegen sein Werk an, deren Widerlegung er jeweils einem
Freund - fiktiv - anvertraut.
Der erste Einwand (21 - 34) betrifft die Verträglichkeit von
Priester und Arzt. - Altes Amt von Priestern sei es gewesen zu
heilen; und Christus selbst sei zum Heilen gekommen und habe zum
Heilen aufgefordert. Und Gott selbst teile den Tieren richtige
Heilmethoden mit.
Der zweite (35 - 58) betrifft die Vereinbarkeit von Christ und
Magier. - Der Begriff "Magus" sei seit der
Geburtsgeschichte Jesu geheiligt und klinge auch eher nach
"Weisem" und "Priester". Danach wird zwischen
Magie als Dämonenbeschwörung und sogenannter "natürlicher
Magie" unterschieden, die ihrerseits wieder in zwei Arten
zerfällt, die "curiosa" und "necessaria" (53).
Ficinus selbst lässt nur letztere als ernstzunehmende Möglichkeit zu
(56).
Der dritte Einwand (59 - 78) stellt das Leben des Himmels in
Frage. - Hier versucht Ficinus, die Absurdität des Gedankens zu
vermitteln, dass man zwar an Leben im kleinsten Lebewesen glaubt,
aber das Leben dessen, der Leben spendet (Argument vor allem die
Sonne: 74ff.), bestreitet.
Am Ende lässt er seine drei Peter-Freunde jeweils noch eine mit
Ficinus befreundete Berühmtheit zu Hilfe rufen: Christophoro
Landino, Poliziano und Pico della Mirandola (79 - 93).
Mit dem Appell, für seine Bücher-Kinder zu sorgen, schließt die
Apologie (95f.). |
Epilog |
Warum fürs Leben
Sicherheit und Seelenruhe notwendig sind. |
|
Auch diesen Epilog beginnt Ficinus mit Wortspielen,
die er an die Namen seiner Freunde anhängt: Sie seien "canes"
(Hunde) und "cursores" (Läufer) in der Jagd der
Philosophie (1 - 7). Deshalb kann Ficinus sie in seiner Akademie
brauchen zur Verteidigung seiner Kinder gegen die Wölfe (8 - 16).
Ab 17 beginnt dann das eigentliche Thema: das Freisein von Sorge
als Quell der Freude.
Ficinus geht aus von einem Spruch seines Freundes Carnacci, etwa
"tempora deglutire est saluberrimum" (~ bestes Mittel zur Gesundheit
ist es, die Flasche der Zeit "ex" zu saufen) - (17 - 22).
Über den Gedanken der Zeit als einer Art Flüssigkeit kommt Ficinus
zum Gegensatz eng : weit ("latus") - (23 - 37), was die
Brücke zum wichtigen Thema zu sein scheint (lati/laeti): 36f. Ab 38
(bis zum Ende) verfolgt Ficinus den Zusammenhang von Sorglosigkeit
(erst "securitas", am Ende "negligentia") mit
Lebensfreude ("laetitia"); die "negligentia"
erscheint am Ende als "Gelassenheit" und bildet damit den
Kern der Heilkunst.
Im Anhang (49) folgen noch drei Distichen seines Freundes Corsini,
die die Leistungen des Ficinus-Freundeskreises gegenüber "De
vita" zusammenfassen.
|
|
Hier
geht's nach oben:
Astrologische
Grundlagen
Die Astrologie kann man - so hier - als
ein interessantes Spiel mit komplizierten Regeln betrachten; sie war aber für manchen bitterer Ernst und
konnte zur seelischen Erschütterung führen (s. Ficinus mit seinem Horoskop), für den Gläubigen (vielleicht auch
den, der Glauben nur heuchelt) ist sie sicherlich eine - auch materiell - wichtige Angelegenheit.
Siehe auch Ausführungen von Krünitz im
Artikel "Sterndeuterey".
Hier die für den Ficinus-Text (De Vita Triplici,
besonders das dritte Buch "De Vita Coelitus Comparanda") wichtigen Begriffe
und ihr Zusammenhang (Vorlage: Kaske, Abschnitt "Traditional Material
and Innovations", bes. S. 32 - 36):
1. Der astronomische Hintergrund
Das ganze astrologische Denksystem beruht auf dem
geozentrischen, man sollte lieber sagen, einem topozentrischen Weltbild;
topozentrisch meint, alles ist bezogen auf einen ganz bestimmten
geographischen Ort.
Die Fixsterne dienen als feststehender Rahmen; ihre Sphäre ist praktisch
die Bühne, auf der sich das ganze Geschehen, vor allem die
Planetenbewegungen, abspielt. Zur Illustration des Zusammenhangs diene die
"Ander scheyb" des Apian, auf der er den Zodiakus und 16
Fixsterne eingetragen hat; zum Großteil sind sie identisch mit den
Radikalsternen, die Ficinus im Kapitel
iii, 8 ausführlich vorstellt. Zur räumlichen Vorstellung dieser hier
plan wiedergegebenen Konstellation s. auch
das Apian-Bild dort.

Für Planeten und Zodia (die Tierkreisbilder im Tierkreis, dem Zodiakus),
entscheidend ist die Ekliptik, d. h. die scheinbare Sonnenbahn durch die
Fixsterne im Laufe eines Jahres. Der Zodiakus ist der Gürtel beidseits
der Ekliptik mit einem Maximalabstand von 8° zur Ekliptik. Der Zodiakus ist in zwölf
gleiche Teile eingeteilt, die Zodia (Tierkreisbilder: "signa", auch "figurae"), in der
Reihenfolge der Tabelle:

Prag, Altstädter Turmuhr: Innenkreis mit Zodiak,
Außenkreis mit Monatsarbeiten
ZODIA |
MENSES |
ARBEIT |
TEMPORA |
HAUS |
PLANET |
TAG |
SPHÄRE |
ARIES |
MARTIUS |
Rebenschnitt |
|
Nacht |
Mars |
|
|
TAURUS |
APRILIS |
Mann mit Blumen |
VER |
Nacht |
Venus |
|
|
GEMINI |
MAIUS |
Reiten |
|
Nacht |
Mercurius |
|
|
CANCER |
IUNIUS |
Mähen |
|
Nacht |
LUNA |
Montag |
1
|
LEO |
IULIUS |
Getreideschnitt |
AESTAS |
Tag |
SOL |
Sonntag |
4 |
VIRGO |
AUGUSTUS |
Dreschen |
|
Tag |
MERCURIUS |
Mittwoch |
2 |
LIBRA |
SEPTEMBER |
Keltern |
|
Tag |
VENUS |
Freitag |
3 |
SCORPIO |
OCTOBER |
|
AUTUMNUS |
Tag |
MARS |
Dienstag |
5 |
SAGITTARIUS |
NOVEMBER |
Holz
hacken |
|
Tag |
JUPITER |
Donnerstag |
6 |
CAPRICORNUS |
DECEMBER |
Schweineschlachten |
|
Tag |
SATURNUS |
Samstag |
7 |
AQUARIUS |
IANUARIUS |
Mann am Tisch |
HIEMS |
Nacht |
Saturnus |
|
|
PISCES |
FEBRUARIUS |
Mann wärmt sich |
|
Nacht |
Jupiter |
|
|
Bei den Zodia sind die Hauptzeichen jeweils fett
gedruckt. Saftkombinationen der Zodia entsprechend den Jahreszeiten! Die
Arbeiten folgen dem Schema des Straßburger Münsters (Gewände des südlichen
Westportals).
Wie an der Reihenfolge erkennbar, scheint dem System
der Wochentage eine andere Überlegung zugrunde zu liegen als der Kombination mit den Monaten.
Jedes Zodion (Tierkreiszeichen)
umfasst also 30°; es kann jeweils gedrittelt werden; ein Drittel (10°)
ist ein Dekan ("facies": iii, 9, 36 - 41); auch die Dekane sind
den Planeten zugewiesen.
Zur Vorstellung des Zodiakus und
seines Mythos siehe meine Seite: 
Zwischen Erde und Fixsternhimmel befinden sich die Planetensphären, und
zwar in folgender Reihenfolge ("ordo Chaldaeus": iii, 9,
38); wenn es um astrologische
Beziehungen geht, verwende ich bei Zodia und Planeten bevorzugt die
lateinischen Namen:
Mond (LUNA), Merkur (MERCURIUS), Venus (VENUS), Sonne
(SOL), Mars (MARS),
Jupiter (JUPITER, genau genommen: IUPPITER), Saturn (SATURNUS).
2. Der astrologische
Vordergrund
Durch eine Reihe von
Überlegungen, z. B. mythologischen Vorstellungen und daraus - spekulativ
- entwickelten Analogien, ergaben sich viele Kombinationen, die zum Teil
aus folgender Tabelle erkennbar werden:
Tabelle
(2) der Planetenbeziehungen
Planet |
Kombination |
KÖRPERSAFT |
Temperament |
ELEMENT |
LEBENSALTER |
TAGESZEIT |
JAHRESZEIT |
Wert |
LUNA |
kalt/feucht |
Schleim |
Phlegmatiker |
Wasser |
Greisenalter |
Nacht |
Winter |
|
MERCURIUS |
|
|
|
|
|
|
|
|
VENUS |
(schwankt) |
|
|
|
|
|
|
kleines Glück |
SOL |
|
|
|
|
|
|
|
|
MARS |
warm/trocken |
Gelbe Galle |
Choleriker |
Feuer |
Jugend |
Mittag |
Sommer |
kleines Unglück |
JUPITER |
warm/feucht |
Blut |
Sanguiniker |
Luft |
Kindheit |
Morgen |
Frühling |
großes Glück |
SATURNUS |
kalt/trocken |
Schwarze Galle |
Melancholiker |
Erde |
Mannesalter |
Abend |
Herbst |
großes Unglück |
Die Beziehungen zwischen Planeten und den vier
Qualitäten (heiß : kalt, trocken : feucht) stellt Ficinus in iii,12,
2 - 9, allerdings wesentlich komplizierter dar.
Fürs astrologische Denken sind nun die
wechselseitigen Beziehungen ganz wichtig; dabei handelt es sich einmal um
die KONJUNKTION (nominal: "coitus", "coniunctio";
verbal: "coire", synonym: "congredi" oder Formen von
"coniungere"; in iii, 6,
72f.: "in unitate esse", in
iii, 6, 92: "aliquem subire", in iii, 6,
107: "aliquem complecti").
Die Himmelskörper decken sich (Eclipsis, bei Ficinus: "eclyptica"),
haben dieselbe Länge oder ziehen in bestimmtem Abständen aneinander
vorbei.
Planeten in Sonnennähe, in Konjunktion (weniger als 12° Sonnenentfernung;
Ficinus iii, 6, 71) mit der Sonne, sind "unter den Sonnenstrahlen"
("sub radiis solis"),
bzw. sie "verbrennen" (verbal: "comburere", nominal:
"combustio").
Die Winkelbeziehungen, in denen die Himmelskörper stehen, sind wichtig;
dabei ist nicht alles sichtbar, sondern an entsprechenden Tabellen
ablesbar. Diese Beziehungen sind die ASPEKTE ("A aspicit/suspicit
B"); dabei
sind Trigonalaspekt (aspectus "trinus") und Hexagonalaspekt (aspectus
"sextilis") günstig, Tetragonalaspekt (aspectus "quadratus":
iii, 10, 21) und
Opposition ("oppositus aspectus": iii,
10, 20) sind ungünstig:

Trigonalaspekt
|

Hexagonalaspekt
|

Tetragonalaspekt/Quadratur
|
Die beiden günstigen Aspekte definiert Ficinus in
iii, 4, 39f. wie folgt: "39 Sextilem vero
aspectum intellige, quando planetae duo inter se signorum duorum spatio <=
60 °> distant; 40 trinum autem, quando quattuor signorum discrepant
intervallo <= 120°>.",
d. h. er nennt die Zodia-Abstände, um die Aspekte zu bestimmen.
Krünitz gibt einen noch ausführlicheren Überblick
über die möglichen Aspekte.
Über den Trigonalaspekt ergeben sich bei den Zodia
auch bestimmte Kombinationen, die ihrerseits wieder mit den Elementen
verbunden sind; so ergeben sich:

wässrige Zeichen (signa aquea): CANCER - SCORPIO -
PISCES;

feurige Zeichen (signa ignea): ARIES - LEO -
SAGITTARIUS;

luftige Zeichen (signa aerea): GEMINI - LIBRA -
AQUARIUS;

erdige Zeichen (signa terrea): TAURUS - VIRGO -
CAPRICORNUS.
Steht ein Planet in einem Zodion der dem Planeten zugeordneten Gruppe (s.
iii, 9, 15 - 18), so hat er seine "triplicitas":
Sol nur in Feuerzeichen;
Merkur nur in Luftzeichen;
Saturn und Jupiter in Feuer- und Luftzeichen;
Mars, Venus und Luna in Wasser- und Erdzeichen.
Aus der Kombination der 12 Zodia mit den sieben
Planeten entsteht die Lehre von den HÄUSERN ("domicilia",
auch: "domus", "habitaculum", "aedes",
"sedes": iii, 9, 1 -
14); s.
Tabelle (1).
Dabei ist zu beachten, dass Sol nur ein Taghaus und Luna nur
ein Nachthaus hat; alle anderen Planeten haben zwei Häuser.
Dabei kann
ein Planet auch Gast eines anderen sein; er kann in dessen Haus
aufgenommen ("recipere"/"suscipere") sein - auch ohne dass der
"Hausherr" anwesend ist. Die mildernde Wirkung dieses Gast-Seins
spricht Ficinus in iii,
10, 22 an.
Durch andere Kombinationen kommt man zu der ERHÖHUNG ("exaltatio":
iii, 9, 1 - 14; auch: regnum)
oder Erniedrigung eines Planeten; so hat Sol seine Erhöhung bei Aries
19°, seine Erniedrigung in Libra 19°, Venus ihre Erhöhung in Pisces
27° und ihre Erniedrigung in Virgo 27°. Seltsamerweise spricht Ficinus
nie von der Erniedrigung.
Zwei andere Kombinationen sind die der "fines"
und die der "facies".
Die Planeten haben in den Zodia bestimmte Gebiete ("fines"), die
Ficinus in iii, 9, 19 - 35 zuweist; dabei entsteht ein etwas irrationaler
Flickenteppich, bis auf Sol und Luna, die den Zodiakus schlicht unter sich
aufteilen.
Rationaler ist die Aufteilung des Zodiakus bei den
"facies", d. h. den Dekanen (jeweils ein Drittel - 10° - eines
Zodions); hier beginnt die Zuweisung bei Aries, 1. Dekan an Mars, dann
geht es schön der Reihe (ordo Chaldaeus) nach weiter, wobei man immer vom
Mond zum Saturn springen muss (iii, 9, 36 -
41).
Zu diesen kreisförmig sich ständig ändernden
Beziehungen kommt nun noch die ortsbezogene Einteilung des Himmels und die
dadurch entstehenden Himmelsregionen, die PLAGAE (Örter).
Der Beginn ist
der Osthorizont; ein Himmelskörper oder Bild, das den Osthorizont
passiert, geht auf: hat seinen ASZENDENTEN ("ascendere"). Weiter nach
Norden kommt der Nadir ("imum coeli"), es folgt der Westhorizont
(Deszendent: "descendere") und der Zenit ("medium coeli"):
das sind die vier "anguli", (auch "cardines")
sozusagen
"Eckpunkte" des Himmelsraums.
Der gesamte Kreis
lässt sich in zwölf Abschnitte, die "plagae", einteilen; diese Einteilung
beschreibt Ficinus in iii, 10, 8 -
12; mit diesen "plagae" kann man
festhalten, wo sich ein bestimmter Himmelskörper zu einem bestimmten
Zeitpunkt befunden hat, und kann daraus seine (weissagenden) Schlüsse
ziehen.
Diese Himmelsörter ("plagae"/"domus") sind nun inhaltlich festgelegt und
bezeichnen:
I: Leben ("domus vitae") und Charakter, II: Wohlstand, III: Freunde und Geschwister, IV:
Eltern, V: Kinder, VI: Diener, Gesundheit und Krankheit,
VII: Ehe, VIII: Angst und Tod, IX: Reisen, Träume, Ausbildung, Religion
(s. iii, 26,
44: "vaticinium designans" (Seherkunst bezeichnend)), bei Ficinus
vorher als "Haus der Weisheit" ("domus
sapientiae") bezeichnet: i,
8, 13; X: Könige, Ehre und Karriere, XI: Freunde und Wohltaten, XII: Feinde und
Unglück, bei Ficinus auch: Gefängnis (s. i,
7, 30).
Plaga II, VI, VIII und XII gelten
wieder als üble Örter (dazu Ficinus: iii, 6,
78), plaga V und XI als günstige wegen der Aspekte zum Aszendenten
(dazu Ficinus: iii,
23, 39f.).
Fallende Örter ("plagae cadentes") sind jeweils
die vor einem cardo: III, VI, IX und XII (dazu Ficinus: iii,
10, 8ff. und iii,
23, 41ff.)

 |
Anordnung
und Bedeutung der 12 Plagae
(astrologische Häuser, domus coelestes)
4 Eckpunkte (Cardines):
HOR - linke Spitze von Haus I = Ascendens
IC - untere Spitze von Haus IV = Imum Coeli
OCC - rechte Spitze von Haus VI = Descendens
MC - obere Spitze von Haus X = Medium Coeli
Hierarchie der Häuser:
domus primariae/angulares = I,
IV, VII, X;
domus succedentes = II, V, VII,
XI;
domus cadentes = III, VI, IX,
XII.
Quelle: Reisinger,
S. 60ff.
Anwendung solch eines Schemas s.
Bericht über Reisingers Auswertung des Horoskops für Albrecht VI.
Scheurl auf meiner Carion-Seite. |
Hier
geht's nach oben:
3. Der mythologische
Hintergrund der Planeten
Name |
Sprachliches |
Mythos |
Astrologie/Astronomie |
SOL
Bild:

|
Sol, Solis m.
Adjektiv: Solaris, e
Ü: "solar",
sonnenmäßig,
sol-typisch
Da "Phoibos Apollon" mit
Sol gleichgesetzt wurde, verwendet auch Ficinus "Phoebus" als Synonym
zu "Sol" und dementsprechend auch das Adjektiv "Phoebeus"
als Synonym von "Solaris", s. z. B. iii, 14, 4. Eine ganz
große Rolle spielt diese Überschneidung in iii,
21, 51ff.
|
Helios [griech., »Sonne«], der
jugendliche, strahlende, gewaltige Sonnengott der Griechen (lat. Sol), Sohn
der Titanen Hyperion und Theia, daher auch selbst als Titan oder auch als Hyperion (»der in der Höhe
Wohnende«) bezeichnet. Seine Schwestern waren Eos und Selene, seine Kinder Aietes, Kirke und Pasiphaë. Mit
seinen feurigen Sonnenrossen (gewöhnlich 4) führte er den Sonnenwagen aus dem Okeanos über den
Himmel. Nachts kehrte er im Sonnenbecher zum Ausgangspunkt zurück. Sein Sohn Phaëthon kam bei der
Lenkung des Wagens um. Die auf Trinakria weidenden Sonnenrinder des
Helios wurden von den Gefährten des Odysseus geschlachtet. Helios wurde zum
Schwurzeugen angerufen, da er alles sah und hörte. Er wurde häufig mit der Strahlenkrone dargestellt.
Die Griechen der klassischen Zeit empfanden den Sonnenkult als fremd. Die Stoa sah in der Sonne den höchsten Lenker des
Weltalls. Im Hellenismus öffneten sich die Griechen unter dem Einfluß östlicher Astrologie dem
Sonnenkult, nachdem Helios schon vorher auf Rhodos kultisch verehrt
wurde (Koloß von Rhodos). Sonnentheologie und Sonnenkult spielten in den antiken und späteren
Gesellschaftsutopien eine bedeutende Rolle.
[Lexikon der Antike: Helios, S. 1. Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike, S. 2296 (vgl. LDA, S. 236)]
Sol [lat., »Sonne«], römischer Sonnengott, schon früh
kultisch verehrt, dem griechischen Helios entsprechend. Er schützte beim Wettrennen im Zirkus die
Viergespanne (Quadrigae), in der Kaiserzeit wurde er mit orientalischen Gottheiten
(besonders mit dem pers. Lichtgott
Mithras) gleichgesetzt. Kaiser Elagabalus überführte einen Steinfetisch als
Sol invictus (unbesiegbaren Sonnengott) 218
aus seiner Heimat Emesa nach Rom; Kaiser Aurelianus führte 274 den Kult des Deus Sol
Invictus (des
unbesiegten Sonnengottes) in Rom ein; dessen Stiftungstag war der 25. Dezember.
[Lexikon der Antike: Sol, S. 1. Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike, S. 5342 (vgl. LDA, S. 548)]
Apollon, lat. Apollo, auch Phoibos (lat.
Phoebus), der schöne, junge griechische Gott des Lichtes, auch
mit dem Sonnengott Helios gleichgesetzt; Sohn des Zeus und der Leto, Zwillingsbruder der Artemis, auf Delos
geboren. Die Bedeutung seines Namens ist ungeklärt; in seiner Gestalt sind
griechische Züge mit einer anatolisch-mediterranen (lykischen?) Komponente verschmolzen.
Als Gott der Weissagung verlieh er den Menschen, z. B. Kassandra, die gleiche Gabe.
Er tötete den
Drachen Python bei Delphi <Anspielung in
Apologia 90> und richtete dort sein Heiligtum ein (daher
Pythischer Apollon). Seine dort von ihm inspirierte Priesterin, die Pythia, gab Weissagungen
(Orakel). Als der bedeutendste Orakelgott besaß Apollon viele Orakelstätten in Griechenland und Kleinasien.
Apollon war der Gott der Ordnung und Klarheit, des geistigen Lebens und der Künste, bes. der Musik und des
Gesangs; daher oft mit der Leier dargestellt, die er von Hermes erhielt.
Apollon war Herr der Musen (Musaget = Musenführer), er bestrafte den
Marsyas, der sich mit ihm messen wollte. Ackerbau (als Apollon
Smintheus, »Mäuseabwehrer«) und Viehzucht standen unter seinem Schutz; er galt als Übelabwehrer und
Gott der Heilkunst. Sein Sohn von Koronis ist der Heilgott
Asklepios.
Als strafender Bogenschütze nahm er Rache an Niobe und Tityos und sandte die Pest in das
Lager der Griechen vor Troja. Der Lorbeer (griechisch Daphne) war ihm heilig. Der
Apollonkult kam im 5. Jh. v. u. Z. nach Rom. Besonders der Kaiser Augustus pflegte den
Kult des Apollon als den seines Schutzgottes. Be
[Lexikon der Antike: Apollon, S. 1 ff. Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike, S. 448 (vgl. LDA, S. 47 ff.)] |
Nach dem geozentrischen Weltbild
der Planet der 4. Sphäre.
Über Sol-Kinder bzw. Sol-Menschen lässt
sich Ficinus in iii,
14, 8 aus.
Welch große Rolle bei der Zuordnung der irdischen Dinge zu Sol die
Etymologie spielt, wird etwa in iii,
14, 17 - 24 schön deutlich.
Zur Vorstellung Sols und seiner Kinder:
Deutsche Prosa:
HS-Tübingen/Hauber.
Lat. Prosa: Muller

Lat. Hexameter: Saenredam

Lat. sapphische Strophen: de
Passe

Texte
im Vergleich
|

Apollon vom Trierer Schloss: Sonnenbild auf der
Brust (= Sol), Instrument in der Hand (= Apoll)
|
LUNA
Bild:

|
Luna, Lunae f.
Adjektiv: Lunaris, e
Ü: "lunar",
mondmäßig,
luna-typisch |
Selene, griechische Mondgöttin
(lat. Luna), meist Tochter des Hyperion und der Theia, Schwester (Gemahlin
oder Tochter) des Helios und der Eos. Ihr Geliebter war Endymion. Mit dem Ab- und Zunehmen des
Mondes brachte man irdische Ereignisse in Zusammenhang, in der Zauberei spielte sie eine große
Rolle. Sie wurde später mit Artemis und Hekate
<vgl.
iii, 13, 10> gleichgesetzt.
[Lexikon der Antike: Selene, S. 1. Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike, S. 5188 (vgl. LDA, S. 534)]
Artemis, griechische Göttin, Tochter des Zeus und der
Leto, Zwillingsschwester des Apollon, auf Delos geboren. In Artemis sind die Vorstellungen von
verschiedenen Gottheiten, darunter auch vorgriechischer, zusammengeflossen. Sie war die jungfräuliche Göttin der Jagd und
des Naturlebens. Ihr Kult war dem Baumkult verwandt. Als Herrin der Tiere war sie
besonders mit Hirsch und Bär verbunden, Nymphen erschienen in ihrem
Gefolge. Wurde ihr Bruder dem Sonnengott gleichgesetzt, so war Artemis die entsprechende Mondgöttin, die oft
mit Selene identifiziert wurde. Einerseits Göttin der Keuschheit, wurde sie andrerseits als
Vegetations- oder Fruchtbarkeitsgöttin verehrt. ... Als Göttin der Eheschließung und Geburt wurde
Artemis von den Frauen bei der Entbindung angerufen und oft mit
Eileithyia gleichgesetzt. <Lucina, altrömische Göttin der Geburt, der
griechischen Eileithyia gleichgesetzt. Juno wurde als Iuno Lucina, Diana als
Diana Lucina verehrt. Bei
Ficinus - in iii,
12, 31 - ist Lucina Verbindung von Luna und Venus.>
[Lexikon der Antike: Artemis, S. 1. Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike, S. 606 (vgl. LDA, S. 62)]
Diana, römische Göttin, der griechischen Artemis
gleichgesetzt. Als Frauen- und Fruchtbarkeitsgöttin schützte sie die Geburt. Bei Aricia besaß sie eine berühmte
Kultstätte; ihr Heiligtum in Rom befand sich auf dem Aventin. Der Stiftungstag ihres Tempels (13. 8.) war
ein Feiertag der Sklaven. Die Göttin wurde unter dem Namen Diana oder Artemis von vielen bedeutenden
Malern dargestellt.
[Lexikon der Antike: Diana, S. 1. Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike, S. 1351 (vgl. LDA, S. 137)]
Hekate, lat. Hecate, Tochter des Titanen
Perses, aus Karien stammende Gottheit, deren Kult in Griechenland,
besonders im Volk, verbreitet war; in Hesiods Theogonie eine hilfreiche Göttin von allumfassender
Macht. Sie galt vorwiegend als Göttin des Zaubers und der Gespenster, die nachts in Begleitung von
Hunden die Geister anführte. Sie war Mondgöttin, hielt sich an Begräbnisstätten und Kreuzwegen auf
(daher griechisch Trioditis, lat. Trivia »Göttin der Dreiwege«).
Hekate wurde besonders mit Artemis und als chthonische Göttin mit Persephone gleichgesetzt. Man opferte ihr
Speisen und Hunde; ihre Attribute waren Fackel, Geißel und Schlangen.
[Lexikon der Antike: Hekate, S. 1. Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike, S. 2281 (vgl. LDA, S. 235)] |
Nach dem geozentrischen Weltbild
der Planet der 1. Sphäre.
Zur Vorstellung Lunas und ihrer Kinder:
Deutsche Prosa:
HS-Tübingen/Hauber.

Lat. Prosa: Muller

Lat. Hexameter: Saenredam

Lat. sapphische Strophen: de
Passe

Texte
im Vergleich
|
MARS
Bild:

|
Mars, Martis m.
Adjektiv: Martialis, e
Ü: "martial",
marsmäßig,
mars-typisch |
Ares, griechischer Kriegsgott, Sohn des Zeus und der
Hera; als wilder Gott des zerstörenden, leidvollen Krieges wenig beliebt, war er sogar den Göttern
verhaßt (im Unterschied zu dem römischen Mars, dem Vater des Romulus und Remus, dem er später gleichgesetzt
wurde). Er war der Geliebte der Aphrodite; beider Sohn ist Eros. Ares stammt aus Thrakien, ist schon in
mykenischer Zeit nachweisbar, wohl aus dem bronzezeitlichen Kriegsgott erwachsen, der unter
thrakischem Einfluß mykenisiert wurde.
[Lexikon der Antike: Ares, S. 1. Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike, S. 535 (vgl. LDA, S. 56)]
Mars, auch Mavors, Marmar, Marspiter, alter
römischer
Kriegsgott, später dem griechischen Ares gleichgesetzt, doch wesentlich bedeutender. In
altitalischer Zeit war er auch ein Vegetationsgott, der in Beziehung zum
Gedeihen des Viehs, zu Erntesegen, zu Verwüstung und Mißwuchs stand und der Unheil erzeugen und
fernhalten konnte. Nach ihm wurde der 1. Monat des Jahres März genannt (Mensis Martius). Seine Priester,
die Salier, zogen im März mit dem Ancile durch die Stadt. Das Marsfeld, Campus Martius, mit einem
Altar des Mars war der Versammlungsplatz der Römer. Dort erfolgte das Lustrum. Augustus weihte dem
Mars Ultor, dem »Rächer« des Mordes an Cäsar, 2 v. u. Z. einen Tempel.
Wolf und Specht waren dem Mars heilig. Mit Rhea Silvia zeugte Mars die Zwillinge
Romulus und Remus. Von seinem Namen ist »martialisch« = kriegerisch, wild, abgeleitet.
[Lexikon der Antike: Mars, S. 1. Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike, S. 3507 (vgl. LDA, S. 356)] |
Nach dem geozentrischen Weltbild
der Planet der 5. Sphäre.
Zur Vorstellung des Mars und seiner Kinder:
Deutsche Prosa:
HS-Tübingen/Hauber.

Lat. Prosa: Muller

Lat. Hexameter: Saenredam

Lat. sapphische Strophen: de
Passe

Texte
im Vergleich
|
MERCURIUS
Bild:

|
Mercurius, i m.
Adjektiv: Mercurialis, e
Ü: "merkurial",
merkurmäßig,
merkur-typisch |
Hermes, lat. Hermes, Sohn des Zeus und der
Maia, auf der Kyllene in Arkadien geboren (daher sein Beiname Kyllenios), der Gott im Steinhaufen, in dem
sich ein aufgerichteter Stein oder eine Herme befand; einer der ältesten und vielseitigsten Götter.
Als Gott der Herden förderte er das Wachstum der Tiere, er wurde deshalb oft mit einem Widder auf den
Schultern dargestellt (Kriophoros, zum Symbol des Guten Hirten geworden). Da die Steinhaufen zur
Wegmarkierung verwendet wurden, war Hermes auch Gott der Wege, Schutzherr der Wanderer, und wurde selbst mit
Reisehut und Flügelschuhen dargestellt. Als Gott des Handels und Marktes schützte er die Kaufleute, ihm
als dem Gott des Glückes schrieb man den nach ihm genannten Glücksfund (Hermaion) zu. Er war der
schnelle, junge Götterbote, geleitete die Götter und erledigte deren Botendienste; als Herold trug er einen
Heroldstab. Dieser Stab (Caduceus), eigentlich ein Zauberstab, diente ihm auch zum Einschläfern
(z. B. bei Argos), daher galt Hermes als Gott des Schlafes und der Träume.
Er war auch der schlaue Gott der Diebe und Betrüger, der seinen Sohn Autolykos das Stehlen
lehrte. Er selbst hatte als Säugling mit List Apollons Rinder entführt und Apollon dafür die von ihm aus
einem Schildkrötenpanzer gefertigte Lyra überlassen (dargestellt im
homerischen Hermeshymnus und in dem Satyrspiel »Die Spürhunde« des Sophokles).
Als immer einen Ausweg Findender war er der Gott der Redekunst und des Denkens und als solcher
Schutzgott der Schulen und der Palaistra. Als Hermes Psychopompos (Seelengeleiter) führte er die Verstorbenen in
die Unterwelt. Hermes war Vater des Pan und des Hermaphroditos. Ihm entsprach der
römische
Mercurius. - Unterschiedslos in der Namensform Hermes oder
Mercurius wurde der Gott von der Antike an häufig in der Plastik (Praxiteles,
Thorvaldsen, R. Begas) und in der Malerei dargestellt (Wanddekoration im
Haus der Livia. Be
[Lexikon der Antike: Hermes, S. 1 ff. Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike, S. 2345 (vgl. LDA, S. 242 ff.)]
Mercurius, dt. Merkur, römischer Gott des Handels, des
Warenverkehrs und des Gewinns, dem schon früh (495 v. u. Z.) bei beginnendem Handel ein Tempel
geweiht wurde. Er entsprach dem griechischen Hermes. Als Götterbote wurde er
mit Heroldsstab (Caduceus) und Flügelhut dargestellt. Im
germanisch-keltischem Gebiet wurde eine weit verbreitete Gottheit dem
Merkur gleichgesetzt.
[Lexikon der Antike: Mercurius, S. 1. Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike, S. 3621 (vgl. LDA, S. 369)] |
Nach dem geozentrischen Weltbild
der Planet der 2. Sphäre.
Zur Vorstellung Merkurs und seiner Kinder:
Deutsche Prosa:
HS-Tübingen/Hauber.

Lat. Prosa: Muller

Lat. Hexameter: Saenredam

Lat. sapphische Strophen: de
Passe

Texte
im Vergleich
|
JUPITER
Bild:

|
Iuppiter, Iovis m.
Adjektiv: Iovialis, e
Ü: "jovial",
jupitermäßig,
jupiter-typisch |
Zeus, höchster griechischer Gott
(römisch
Jupiter), der indo-europäische Himmelsgott, Vater der Götter und Menschen,
Götterkönig nach dem Vorbild der menschlichen Gesellschaft, jüngster Sohn des Kronos
(daher Kronide oder Kronion genannt) und der Rhea. Als sein Geburtsort
galt teils Kreta, auch soll er vor seinem Vater Kronos versteckt in einer Höhle auf Kreta aufgezogen und
von Amaltheia genährt worden sein. Herangewachsen, beraubte er seinen Vater der Herrschaft. Mit seinen
Brüdern Poseidon und Hades sich in die Welt teilend, erhielt er den Himmel als Herrschaftsbereich. Als sein
Sitz galt der Olymp, daher hieß er der Olympier.
Durch seine erste Gemahlin Metis wurde er Vater der Athena; auch Dione nannte man Gemahlin des Zeus.
Allgemein galt jedoch Hera, die Schwester des Zeus, als seine Gemahlin. Beider Kinder waren
Ares, Hebe, Hephaistos und Eileithyia. Zeus bezwang alle seine
Feinde (Giganten, Typhon).
Mit vielen Göttinnen und Sterblichen zeugte er Kinder: mit Dione Aphrodite,
mit Themis die Horen, mit Mnemosyne die Musen, mit Leto Apollon und
Artemis, mit Demeter Persephone, mit Eurynome die Chariten, mit Maia
Hermes, mit Semele Dionysos, mit Danae Perseus, mit Leda Helene und die Dioskuren, mit Alkmene Herakles,
mit Aigina Aiakos, mit Europe Minos, Rhadamanthys und Sarpedon, mit Antiope Amphion und
Zethos, mit Io Epaphos mit Kallisto Arkas.
Zeus war der im Himmelsraum oder auf einem Berg thronende Wettergott,
der Wolkensammler, der Regen schickte, der Herr von Blitz und Donner. Als Zeus Herkeios
(herkos, »Umzäunung«) behütete er das Hauswesen, als Ktesios (»Erwerber«) schützte er den Vorrat und galt als
Reichtumspender; dem Zeus Meilichios, dem »Sanften«, dem durch Sühnung gütig gestimmten Gott, feierte
man in Athen die Diasia (abgeleitet vom Genetiv Dios). Zeus Xenios schützte den Fremden
(xenos, »Fremder«), Zeus Hikesios die an seinem Altar Schutz Suchenden
(hiketes, »Schutzflehender«). Eid (horkos) und Schwur waren dem Zeus Horkios heilig, da er als Hüter der Rechtsordnung über die Gesetze wachte, als
Zeus Eleutherios (eleutheria, »Freiheit«) die Freiheit schützte. Als
Zeus Soter war er der »Retter« für Einzelwesen und Staat. In Dodona besaß
Zeus als Gott der Mantik ein hochgeehrtes Orakel; er schickte auch Blitz, Donner, Meteore, Träume u. a. als Vorzeichen.
Dem Zeus Lykaios waren auf dem Lykaion (Arkadien) Menschenopfer dargebracht worden. Eiche und Adler
waren Zeus heilig. Zeus wurde mit Adler, Zepter und Blitzbündel, z. T. thronend, dargestellt. Berühmt war
die Goldelfenbeinstatue des Pheidias in Olympia, von der nur Münzbilder einen Eindruck vermitteln.
[Lexikon der Antike: Zeus, S. 1 ff. Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike, S. 6236 (vgl.
LDA, S. 642 ff.)]
Iup(p)iter, Genitiv Iovis, dt. Jupiter, alter
italischer Gott, oberste Gottheit der Römer (griechisch Zeus), Gemahl der Juno;
ursprünglich Herr des Himmels und des Lichtes (daher waren ihm die Iden = Vollmondtage heilig).
Als Wettergott wurde er besonders auf Bergen verehrt. Er schickte Regen, Donner
(Iuppiter Tonans) und Blitz (Iuppiter Fulgur). Im römischen Staatskult wurde er
als der Hauptgott Iuppiter Optimus Maximus (»der Beste und Größte«) genannt.
Sein Tempel stand auf dem Kapitol (Iuppiter Capitolinus), dort bildete er mit Juno und Minerva die
kapitolinische Trias (die 3 bedeutendsten Götter auf dem Kapitol). Als
Iuppiter Victor brachte er Sieg. Auf dem Albaner Berg stand das Heiligtum des
Iuppiter Latiaris, des Gottes des Latinerbundes. Dem Iuppiter Dapalis opferte man vor der
Aussaat, dem Iuppiter Feretrius weihte man die Spolia opima (die Waffen, die der siegreiche Feldherr dem
besiegten Feldherrn im Kampf abgenommen hatte). Wichtige Akte des
staatlichen Lebens fanden im Tempel
des kapitolinischen Iuppiter statt (Opfer, Auszug der Feldherren zum Kampf im Anschluß an ein dort abgelegtes
Gelübde, Gelübde der neuen Konsuln, erste Senatsberatungen im neuen Amtsjahr). Der Triumphzug eines
siegreichen Feldherren endete auf dem Kapitol, wo der Sieger in der Tracht des
Iuppiter den Siegeslorbeer im Tempel des Iuppiter niederlegte. In der Kunst wurde
Iuppiter wie Zeus würdig und bärtig dargestellt, z. T. thronend und
mit Adler. Seine Attribute sind Blitz und Zepter. Iuppiter wurde in der späteren Zeit mit vielen anderen Göttern
identifiziert (Iuppiter Ammon, Iuppiter Sarapis); als Iuppiter Dolichenus
war er ursprünglich Ortsgott (Baal) von Doliche in Kommagene und wurde als Himmels- und Kriegsgott durch
syrische Soldaten über das Römische Reich verbreitet und auf zahlreichen Denkmälern dargestellt. - In der
nachantiken Kunst wurde unterschiedslos die Namensform Iuppiter oder Zeus verwendet. Be
[Lexikon der Antike: Iup(p)iter, S. 1 ff. Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike, S. 2688 (vgl.
LDA, S. 274 ff.)] |
Nach dem geozentrischen Weltbild
der Planet der 6. Sphäre.
Zur Vorstellung Jupiters und seiner Kinder:
Deutsche Prosa:
HS-Tübingen/Hauber.

Lat. Prosa: Muller

Lat. Hexameter: Saenredam

Lat. sapphische Strophen: de
Passe

Texte
im Vergleich
|
VENUS
Bild:

|
Venus, Veneris f.
Adjektiv: Venereus, a, um
Ü: "venerisch",
venusmäßig,
venus-typisch |
Aphrodite, griechische Göttin der Liebe und Schönheit
(römisch Venus); bei Homer Tochter des Zeus und der Dione, nach Hesiod aus dem Schaum des Meeres
entstanden (daher die Schaumgeborene), Gemahlin des Hephaistos, den sie mit Ares betrog. Ihr Sohn von
Ares war der Liebesgott Eros (römisch Amor). Der Tod ihres Geliebten Adonis verursachte ihr großes Leid.
Durch Anchises wurde sie Mutter des Aeneas. In dem durch Eris verursachten Streit um den Preis der
Schönheit erhielt sie von Paris den Apfel und verhalf ihm dafür zum Besitz der Helene. Sie beteiligte sich
in dem deswegen entbrannten Krieg auf trojanischer Seite. -
Aphrodite ist eine nichtgriechische Göttin, die aus dem Orient übers Meer nach Griechenland kam. In ihrer Gestalt
vereinigen sich Züge der semitischen Fruchtbarkeits-, Liebes- und Himmelsgöttin Astarte mit der Gestalt der
kleinasiatischen Muttergottheit; die Tempelprostitution der Hierodulen im Kult der
Aphrodite in Korinth und auf dem Eryx ist orientalischen Ursprungs. Unter den zahlreichen
Kultstätten der Aphrodite hatten besondere Bedeutung: Zypern - Kypros (daher ihr Beiname
Kypris), Kythera
(daher der Beiname Kythereia) und der Berg Eryx auf Sizilien (daher der Beiname
Erykine, lat. Erycina). Myrte, Taube, Sperling und Hase waren ihr heilig. -
Be
[Lexikon der Antike: Aphrodite, S. 1 ff. Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike, S. 436 (vgl.
LDA, S. 45 ff.)]
Venus, römische Göttin der Liebe, mit der
griechischen Aphrodite gleichgesetzt. Sie erhielt 295 v. u. Z. einen
Staatskult in Rom. Der Venus Erycina (Venus vom Berg Eryx in Sizilien) weihten die Römer 215 v. u. Z. einen
Tempel. Im 1. Jh. v. u. Z. wurde der Kult der Venus in den Dienst der Politik gestellt. Sulla verehrte
Venus als glückbringend und siegverheißend, Cäsar weihte der Venus Genetrix als der »Ahnherrin« des Geschlechts der
Iulier einen Tempel, den Kult der Venus Genetrix ließ auch Augustus, der Adoptivsohn
Cäsars, sich
angelegen sein. Im Zusammenhang mit Aeneas, der als der Sohn der Venus = Aphrodite galt, wurde
Venus zur Stammherrin der Römer überhaupt. - In der nachantiken Kunst und Literatur wurden die
griechische Liebesgöttin Aphrodite und ihre Sagen meist mit dem Namen ihrer
lateinischen Entsprechung Venus bezeichnet
[Lexikon der Antike: Venus, S. 1. Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike, S. 5996 (vgl.
LDA, S. 615-616)] |
Nach dem geozentrischen Weltbild
der Planet der 3. Sphäre.
Zur Vorstellung der Venus und ihrer Kinder:
Deutsche Prosa:
HS-Tübingen/Hauber.; leider ist
der Text zu Venus in der Tübinger Handschrift nicht erhalten.

Lat. Prosa: Muller

Lat. Hexameter: Saenredam

Lat. sapphische Strophen: de
Passe

Texte
im Vergleich
|
SATURNUS
Bild:

|
Saturnus, i m.
Adjektiv: Saturnius, a, um
Ü: "saturnisch",
saturnmäßig,
saturn-typisch |
Kronos, jüngster, gewaltigster Sohn des Uranos und
der Gaia, Titan; stürzte Uranos. Seine Kinder waren Hestia, Demeter, Hera, Hades, Poseidon und
Zeus. Er verschlang sie sogleich, als Rhea sie ihm geboren hatte, um sich die Herrschaft über die Götter zu
erhalten. Anstelle des zuletzt geborenen Zeus gab ihm Rhea einen in Windeln gewickelten Stein. Zeus
besiegte Kronos später, <kastrierte seinen Vater: s. Bild!> übernahm die Herrschaft und verbannte ihn in den
Tartaros. Die Herrschaftszeit des
Kronos galt als glückselige Zeit, als Goldenes Zeitalter. <Hintergrund
von iii,
22, 24> Später machte man
Kronos zum Herrn der Gefilde der Seligen. Die Römer setzen ihn früh mit Saturnus gleich.
- Kronos spielte im griechischen Kult kaum eine Rolle; er galt als gütiger Erntegott, sein Attribut war die
Sichel,
ihm feierte man die Kronien, ein heiteres Erntefest.
[Lexikon der Antike: Kronos, S. 1. Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike, S. 3094 (vgl.
LDA, S. 317)]
Saturnus, alter römischer Bauern- und Erntegott, Vater
des Jupiter, früh mit dem griechischen Gott Kronos
gleichgesetzt. Wie dieser galt auch Saturn als der gerechte,
freundliche Herrscher im Goldenen Zeitalter (Saturnia regna), das in Italien herrschte, als
Saturn = Kronos sich vor Jupiter = Zeus dorthin gerettet hatte. Im Keller
des Saturntempels wurde der röm. Staatsschatz aufbewahrt. Dem Saturn feierte man die
Saturnalia.
[Lexikon der Antike: Saturnus, S. 1. Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike, S. 5053 (vgl.
LDA, S. 517)] |
Nach dem geozentrischen Weltbild
der Planet der 7. Sphäre.
Zur Vorstellung Saturns und seiner Kinder:
Deutsche Prosa:
HS-Tübingen/Hauber.

Lat. Prosa: Muller

Lat. Hexameter: Saenredam

Lat. sapphische Strophen: de
Passe

Texte
im Vergleich
|
Weitere Informationen und
Illustrationen zum Mythos siehe meine Seite: 
Hier
geht's nach oben:
|
Meine Übersetzung
1. Herkunft des Textes
Den lateinischen Text habe ich von Bivio,
der "Bibliotheca Virtuale On-Line" der Scuola Normale Superiore
di Pisa, bezogen; Adresse:
http://bivio.signum.sns.it/bvWorkTOC.php?authorSign=FicinoMarsilio&titleSign=DeVita
Der Text ist vermutlich eingescannt; er
weist typische Scan-Lesefehler auf, z. B. in apologia 54 "canique"
statt "eamque".
Ich habe den Text anhand von Kaske überprüft und korrigiert. Diese
Korrekturen sind im Text nicht nachgewiesen. Außerdem habe ich - wieder
ohne Nachweis - die Interpunktion tendenziell, nicht prinzipiell der
deutschen Rechtschreibung angepasst, d. h. ich habe die Nebensätze
konsequent abgetrennt und störende Kommas bei manchen Aufzählungen
entfernt.
In folgenden Fällen habe ich den Text von
Kaske geändert; diese Änderungen sind rot gekennzeichnet:
i, 7, 1 "unde" statt "inde";
i, 17, 4 "compositum" statt "compositam";
i, 23, 13 "dulce" statt "dulcem";
ii, 3, 2 "infudi" statt "infundi";
ii, 10, 6 "subtilissimis" statt "subtillissimis";
iii, 13, 20 "unam" statt "unum";
iii, 14, 34 "daemonon" statt "daemon";
iii, 15, 48 "progreditur" statt
"progeditur";
iii, 18, 74 "ad" eingefügt;
iii, 19, 52 scheint verderbt: "ut ... sortiri"; keine Lösung.
iii, 23, 23 "ceperit" statt "coeperit";
apologia 60: "Tolerabisne": ein Wort;
epilogus 17: "illa" statt "ille".
Zur besseren Vergleichbarkeit der beiden
Sprachfassungen habe ich beide gleich durchnummeriert nach dem Muster des
Cäsartextes; dabei habe ich mich in aller Regel an die Interpunktion der
Vorlage (Bivio) gehalten, d. h. bei Semikolon weitergezählt.
2. Übersetzung
Den lateinischen Text habe ich zunächst
eigenständig übersetzt, in einem zweiten Schritt mit Clark/Kaske
verglichen und dann bei Bedarf korrigiert. Hier möchte ich den beiden Vorgängern,
Herrn John R. Clark und Frau Carol V. Kaske, ausdrücklich danken, dass
sie in jahrelanger Bemühung den englischen Text erstellt und mir
über manche Verstehenshürde hinweggeholfen haben.
Bei meiner Übersetzung habe ich gemerkt, dass die Übersetzung ins
Englische etwas einfacher sein muss als die ins Deutsche, da eine
englischsprachige Übersetzung viele lateinische Wörter einfach
endungslos oder in leichter Abwandlung stehen lassen kann; ich möchte
hier nur auf den schwierigen Fall des "spiritus" verweisen; im
Englischen blieb da einfach "spirit" stehen, bei der deutschen
Übersetzung ist es wesentlich schwieriger: "Atem" trifft den
Sinn meist nicht, "Sprit" schon gar nicht, "spiritus"
stehen zu lassen ist keine Lösung. Ich habe mich deshalb für den
"Seelenatem" entschieden, um dieses Bindeglied zwischen
materiellem Körper und geistiger Seele zu bezeichnen. Jetzt hat bei
Ficinus der "spiritus" drei Aspekte: naturalis, vitalis und
animalis; außerdem verwendet er häufig den Plural, wohl um deren
Gesamtheit anzusprechen ...
An einem weiteren Beispiel ("prolixus") möchte ich das
englischsprachige Verfahren illustrieren. Das Wort kommt in "De
vita" dreimal vor, zweimal wurde es übersetzt (ii, 15, 1: "she
might have still gone on chatting at greater length" und iii,
10, 38: "too lengthy"), einmal blieb es einfach stehen: iii, 18,
55: "It would be prolix ...". Indeed!
Die Übersetzung liegt einmal als
htm-Datei vor; dort sind die Links einfacher. Zum zweiten habe ich die ersten beiden Bücher
und Teile des dritten auch als Word-Datei ins Netz
gestellt, damit man sich bei Bedarf ein Kapitel ausdrucken und dann
handschriftlich bearbeiten kann.
3. Meine Kommentierung
Auf der Textseite (= http://www.pascua.de/ficinus/inhalt-devita.htm)
befinden sich zwei Hilfsseiten, mein "Lexikon" und mein
"Kommentar". Der Hintergrund des Lexikons war
ursprünglich, die im Georges nicht vorhandenen Wörter zu klären; daraus
hat sich dann eine Sammlung der Wörter, aber auch der Personen und der
astronomisch-astrologischen Angaben entwickelt. Im "Lexikon"
sollen Erklärungen gegeben sein, die nicht nur eine Stelle betreffen.
Hier wird mit mindestens einer Stelle das Vorkommen bei Ficinus
nachgewiesen; kam der Begriff öfters (mehr als dreimal) vor, habe ich mit
einem "passim" darauf verwiesen und keine weiteren Stellen mehr
angegeben. Bei Bedarf hilft hier Benesch mit seinem Glossar.
Als Erklärungen der Personen finden sich meist die Angaben aus dem
"Lexikon der Antike"; der Nachweis ist jeweils beim Stichwort
geliefert. Gab es deutliche Verwendungen einer bestimmten Information bei
Ficinus, so habe ich den <Hinweis>
in dieser Weise eingefügt. "Aristoteles" und "Platon"
habe ich nicht aufgenommen. - Bei den vielen - mir - unbekannten Pflanzen
habe ich meist auf Krünitz zurückgegriffen, manchmal auch auf Zedler;
auch hier finden sich die Nachweise jeweils am Ort. Krünitz mag zwar in
manchen Fällen etwas weitschweifig, also: "prolix" sein, er
gibt aber einen guten Einblick in die Medizin-Diskussion früherer Zeiten
und vermittelt so modernen Menschen, die in aller Regel in der Apotheke
ein Päckchen einer Pharma-Firma kaufen, einen Eindruck von der früheren Herstellung
von Arzneimitteln.
Der "Kommentar" ist als
Lesehilfe gedacht. Kaske kommentiert sehr ausführlich, vor allem liefert
sie die Stellennachweise von Ficinus' Quellen, Zitaten oder Anspielungen.
Diese Angaben habe ich nicht übernommen, da es nur ein Abschreiben
bedeutet hätte. Die Lesehilfen betreffen Stellen, die mir etwas
schwieriger vorkamen, zu denen mir auch eine Deutungsmöglichkeit
eingefallen ist. Es war mir ein Trost, dass auch bei Clark/Kaske manchmal
erkennbar war, dass sie immer noch vor einem Rätsel standen. Die
ungelösten (für mich unlösbaren) Rätsel habe ich ohne Kommentar stehen
gelassen. Öfters habe ich aber versucht, Ficinus' sprachliche Kunst
erkennbar werden zu lassen; wenn bei Kaske schlicht auf ein "pun"
(Wortspiel) verwiesen wird, habe ich versucht, rhetorische Besonderheiten
etwa auch durch Farben sichtbar werden zu lassen - und da bietet Ficinus
einiges!
Hier auf dieser Seite (= http://www.pascua.de/de-ficino/ficinus-start.htm)
wollte ich Grundsätzliches ansprechen.
Hier
geht's nach oben:
|
"De Vita" im Werk "Saturn und Melancholie" von
Klibansky-Panofsky-Saxl
Das Denken von Ficinus spielt zur Deutung
von Dürers "Melencolia I" im angesprochenen Werk (Saturn und
Melancholie. Studien zur Geschichte der Naturphilosophie und Medizin, der
Religion und der Kunst. Von Raymond Klibansky, Erwin Panofsky und Fritz
Saxl. suhrkamp taschenbuch wissenschaft. 1. Auflage, 1992, zitiert
als: "KPS") eine ganz
wichtige - über lange Strecken anscheinend die wichtigste - Rolle. Dafür
sollen fünf Stellen als Beleg dienen, an denen einerseits die
Hochschätzung des Ficinus durch KPS, aber auch die Interessenverschiebung
hin zu einem anderen Autor deutlich wird.
1. Als Ertrag der Behandlung der Geschichte des Melancholiebegriffs
und des Saturnbildes kommen KPS vor der ausführlichen Würdigung des
Ficinus zu folgendem Ergebnis:
"Gerade deshalb aber hat sich die Elite der italienischen Humanisten zu
Saturn und nicht zu Jupiter bekannt. Nach Pico della Mirandola
machte gerade die Möglichkeit, sowohl Gott als auch Tier zu werden, den
Menschen aus; und gerade die Stellung auf dem Grat zwischen den zwei
'Abgründen', die immer deutlicher als der bestimmende Wesenszug des
saturnisch-melancholischen Menschen erkannt wird, schien diese
Auserwählten, durch die ihnen drohende Gefahr, über die sichere, aber
ereignislose Ebene des Gewöhnlichen zu heben. So erwächst aus der
geistigen Situation des Humanismus - d. h. aus dem Bewußtsein einer
tragisch erlebten Freiheit - die Vorstellung eines Genies, das
immer unverhohlener den Anspruch erhebt, in Leben und Leistung nicht mit
dem Maßstab der normalen Moralgesetze und Kunstregeln gemessen zu
werden." (KPS S. 367, Fettdruck von mir)
2. Kurz nach Beginn des ausführlichen
Ficinus-Kapitels schreiben KPS:
"Doch systematisch entwickelt und psychologisch konkretisiert wurde
diese Vorstellung <'des Saturn als eines Gestirns erhabener
Kontemplation'>, die hier <bei Dante im XXI. Gesang des Paradiso>
erst angedeutet und noch hinter allgemeinen Symbolen versteckt ist, dann
aber, wie wir sahen, die Selbsterfahrung ganzer Humanistengenerationen
auffangen sollte, durch einen Autor, aus dessen Schriften wir schon
häufig zitiert haben, wenn es darum ging, die neue Lehre von Saturn
und der Melancholie 'klassisch' formuliert zu finden. Es handelt sich
um Marsilio Ficino ... Marsilio ging weit über die verstreuten
Bemerkungen anderer Autoren hinaus und widmete der neuen Lehre eine
vollständige Monographie." (KPS S.
368, Fettdruck von mir)
3. Am Ende der ausdrücklichen Behandlung des
Ficinus fassen KPS so zusammen:
"So gipfelt denn Ficinos Werk trotz seiner anhaltenden Angst vor dem
unheimlichen alten Dämon letztlich doch in einer Glorifizierung
Saturns. Der greise Gott, der die Herrschaft zugunsten der Weisheit,
das Leben auf dem Olymp zugunsten eines zwischen der höchsten
Himmelssphäre und dem tiefsten Erdinnern geteilten Daseins aufgegeben
hat, ist schließlich der oberste Schutzpatron der Platonischen
Akademie in Florenz geworden." (KPS S.
393, Fettdruck von mir)
4. Bei der Deutung von Dürers "Melencolia
I" führen KPS auf ein und derselben Seite aus:
"Das Fundament, auf dem der Dürersche Bildgedanke aufbauen
konnte, wurde selbstverständlich durch die Lehre Ficinos gelegt.
Die Revolution, die aus der 'pessima complexio' und der 'corruptio
animi' wieder die Quelle jeder schöpferischen Leistung und aus dem
'bösesten Planeten' wieder den 'iuvans pater' des geistigen Menschen
gemacht hatte, war im Florenz der Medici ausgelöst worden."
Und kurz danach:
"Doch über diesen allgemeinen, man könnte fast sagen
'atmosphärischen' Zusammenhang hinaus dürfte De vita triplici kaum
Einfluss auf die Gestaltung des Stichs gehabt haben. Denn gerade der
Gedanke, der für die Dürersche Konzeption der entscheidende ist,
nämlich die integrale Durchdringung der Vorstellungen Melancholie und
Geometrie (im weitesten Sinne), war Ficinos System nicht nur fremd,
sondern steht zu ihm geradezu in Widerspruch." (KPS
S. 486, Fettdruck von mir)
5. Im weiteren Verlauf der Deutung des
Dürer-Stichs kommen KPS zu folgender überraschenden Lösung:
"Es gibt kein Kunstwerk, das der Melancholievorstellung Agrippas
<von Nettesheim> vollkommener entspräche als Dürers Kupferstich,
und es gibt keinen Text, mit dem sich Dürers Kupferstich vollkommener
in Einklang bringen ließe als die Melancholiekapitel Agrippas." (KPS
S. 504f., Fettdruck von mir)
Ficinus ist also für KPS die Quelle, um den Geniebegriff
historisch herleiten zu können; er wird aber im Verlauf des Buches
von den Autoren selbst vom Sockel gestoßen, auf den sie ihn vorher
gestellt haben. Da stellt sich die Frage, wie KPS mit dem Text von De
vita triplici eigentlich umgegangen sind. Zum Zeitpunkt der
Veröffentlichung von "Saturn und Melancholie" gab es ja keine
deutsche, zumindest neue deutsche Gesamtübersetzung; deshalb habe ich des
Ficinus drei Bücher übersetzt und kann die Textstellen, auf die sich KPS
stützen, in ihrem Kontext anbieten. Im folgenden weise ich die zitierten
Stellen in der Reihenfolge des Ficinuswerks nach.
Umgang von KPS mit Ficinus'
"De vita triplici"
Im Lateintext verfahre ich wie folgt:
ohne Fettdruck: Kontext; Fettdruck: zitiert und übersetzt, kursiv: zitiert,
aber nicht übersetzt. Die Stellenangabe dient immer als Link zur
Originalstelle.
Lateinisches
Original
|
Übersetzung
Hirth |
Kontext und
Funktion bei KPS |
prooemium:
S. 373 (Anm. 51):
14 Medico vero patri satis deinceps
faciendum putans, librum De litteratorum valetudine
curanda composui.
15 Desiderabant praeterea post haec homines
litterati non tantum bene quandoque valere, sed etiam bene valentes diu
vivere. 16 His ergo deinde librum De vita longa dedi. 17 Diffidebant autem medicinis atque remediis in re tanta
terrenis.
18 Adiunxi librum De vita tum valida tum longa coelitus
comparanda, ut ex ipso mundi corpore vivo vita quaedam vegetior in
corpus nostrum, quasi quoddam mundi membrum, velut ex vite propagaretur.
|
14 Auch dem Willen meines ärztlichen
Vaters glaubte ich entsprechen zu müssen und verfasste das Buch
"Über die Gesundheitspflege der geistig Tätigen".
15 Danach
wünschten Gebildete außerdem, nicht nur irgendwann gesund zu
sein,
sondern auch bei guter Gesundheit lange zu leben. 16 Diesen gab ich also
darauf mein Buch "Über das lange Leben". 17 Sie misstrauten aber
in einer so wichtigen Angelegenheit den irdischen Heilmitteln. 18 Ich schloss
mein Buch "Über den Erwerb eines gesunden, langen Lebens mit
Kräften des Himmels" an, damit aus dem lebendigen Körper der Welt
gleichsam kräftigeres Leben in unseren Körper als ein gewisses Glied der
Welt - wie aus einer Rebe - hineinwachse. |
Das Zitat ist weder nachgewiesen
noch übersetzt; statt "desiderabant" schreiben KPS "desiderant"
und passen damit das Zitat ihrem gewünschten Sinn an:
"Desiderant post haec
literati non tantum bene quandoque vivere, sed etiam bene valentes diu
vivere."
Das Zitat soll folgenden Satz illustrieren:
"Denn nach Ficino sind die Greise aufgrund ihres Alters ebenso
dem Saturn unterworfen, wie es die 'studiosi' aufgrund ihrer
Veranlagung und Tätigkeit sind, wobei Ficino auch bei seinen
makrobiotischen Ausführungen in erster Linie an Gelehrte
denkt:" <Es folgt das Zitat in der oben genannten, leicht
entstellten Form.> |
i,
2: S. 487 (Anm. 211):
3
Praeterea
solers quilibet artifex instrumenta sua diligentissime curat: penicillos
pictor, malleos incudesque faber aerarius, miles equos et arma, venator
canes et aves, citharam citharoedus, et sua quisque similiter. 4 Soli vero
Musarum sacerdotes, soli summi boni veritatisque venatores tam negligentes,
pro nefas, tamque infortunati sunt, ut instrumentum illud, quo mundum
universum metiri quodammodo et capere possunt, negligere penitus videantur.
5 Instrumentum
eiusmodi spiritus ipse est, qui apud medicos vapor quidam sanguinis purus,
subtilis, calidus et lucidus definitur.
|
3 Außerdem pflegt jeder beliebige geschickte Handwerker seine
Werkzeuge ganz sorgfältig: ein Maler seine Pinsel, ein Goldschmied seine
Hämmer und Ambosse, ein Soldat seine Pferde und seine Waffen, ein Jäger
seine Hunde und Jagdvögel, seine Leier ein Sänger und in ähnlicher
Weise ein jeder das seinige. 4 Allein die Priester der Musen, allein die
Jäger nach dem höchsten Gut und nach der Wahrheit sind - welch ein
Unrecht! - so nachlässig, so unglücklich, dass sie jenes Werkzeug, mit
dem sie die ganze Welt bemessen und erfassen können, anscheinend völlig
vernachlässigen.
5
Ein
derartiges Werkzeug ist der Seelenatem selbst, der bei den Ärzten als reiner,
feiner, warmer und heller Blutdampf definiert wird. |
Bei KPS keine Übersetzung, die
Stelle soll zeigen, dass "die geistig schöpferischen Menschen
... weder Mathematiker noch gar ausübende Künstler" sind.
<Intention bei Ficinus: die geistig
Tätigen vernachlässigen, was sonst jeder beliebige Handwerker
berücksichtigt, nämlich die Pflege seines Werkzeugs. - Intention
bei KPS: Mathematiker und Künstler sind keine "Musarum
sacerdotes", Priester der Musen, "geistig schöpferische
Menschen".> |
i,
2: S. 381 (Anm. 77):
5 Instrumentum
eiusmodi spiritus ipse est, qui apud medicos vapor quidam sanguinis purus,
subtilis, calidus et lucidus definitur. 6 Atque ab ipso cordis calore ex
subtiliori sanguine procreatus volat ad cerebrum; 7 ibique animus ipso ad
sensus tam interiores quam exteriores exercendos assidue utitur. 8 Quamobrem
sanguis spiritui servit, spiritus sensibus, sensus denique rationi.
|
5
Ein
derartiges Werkzeug ist der Seelenatem selbst, der bei den Ärzten als reiner,
feiner, warmer und heller Blutdampf definiert wird. 6 Und in der Wärme des
Herzens aus dem feineren Blut entstanden, fliegt er zum Hirn; 7 und dort
benutzt ihn der Geist beständig, um innere und äußere
Sinneswahrnehmungen durchzuführen. 8 Deshalb dient das Blut dem Seelenatem, der
Seelenatem den Sinnen, die Sinne schließlich der Vernunft.
|
Bei KPS keine Übersetzung, nur
Vorstellung des Kontextes: "Spiritus" |
i,
4: S. 383 (Anm. 80)
1
Ut
autem litterati sint melancholici, tres potissimum causarum species
faciunt: prima coelestis, secunda naturalis, tertia est humana.
4
Naturalis
autem causa esse videtur, quod ad scientias praesertim difficiles
consequendas necesse est animum ab externis ad interna tanquam a
circumferentia quadam ad centrum sese recipere atque, dum speculatur, in
ipso (ut ita dixerim) hominis centro stabilissime permanere.
5 Ad centrum
vero a circumferentia se colligere figique in centro maxime terrae ipsius
est proprium, cui quidem atra bilis persimilis est.
7 Atque ipsa mundi centro similis ad centrum rerum
singularum cogit investigandum, evehitque ad altissima quaeque
comprehendenda, quandoquidem cum Saturno maxime congruit altissimo
planetarum. 8 Contemplatio quoque ipsa vicissim assidua quadam collectione
et quasi compressione naturam atrae bili persimilem contrahit.
|
1
Dreierlei
Gründe bewirken aber, dass Gelehrte melancholisch sind: Der erste ist ein
himmlischer Grund, der zweite ein natürlicher, der dritte ein
menschlicher.
4 Ein natürlicher Grund scheint darin zu liegen, dass
sich der Geist, vor allem um schwieriges Wissen zu erreichen, von außen
nach innen, gleichsam vom Umkreis zum Zentrum zurückziehen und während
der Betrachtung sozusagen genau im Zentrum des Menschen ganz fest
verharren muss.
5 Zum Zentrum hin sich von der Oberfläche her zu
verdichten und im Zentrum fest zu werden ist vor allem das Wesen gerade
der Erde, der nun die schwarze Galle sehr ähnlich ist.
7 Und sie selbst, dem Zentrum der Welt ähnlich, zwingt dazu,
das Zentrum der einzelnen Dinge aufzuspüren, und sie hebt empor, gerade
das Höchste zu erfassen, da sie vor allem mit Saturn, dem höchsten
Planeten, übereinstimmt. 8 Auch die Betrachtung selbst zieht wiederum
durch beständige Verdichtung und sozusagen durch Zusammenpressen die
Natur, die der schwarzen Galle sehr ähnlich ist, zusammen.
|
Das Zitat wird im Text verwendet,
um folgende Aussage zu erklären: "Entsprechend der dreifachen
Ursache, die die Hochbegabten für die Melancholie anfällig
macht, sind die Mittel, die Ficino gegen die Krankheit vorbringt,
von dreierlei Art."
Nach dem Eingangszitat (1) erklären KPS:
"Die himmlische Ursache besteht in dem Einfluß der
trocken-kalten Planeten Merkur und, namentlich, Saturn. Die
natürliche Ursache besteht darin, daß der forschende Geist sich gleichsam
nach innen konzentriert <in Klammern Zitat von 4> und dadurch analog
zur Erde wird <in Klammern Zitat von 5>, die ihrerseits der
schwarzen Galle verwandt ist; und die schwarze Galle wiederum ... <jetzt folgt im Text das Zitat von 7f.>. Die menschliche
Ursache schließlich besteht in den rein physiologischen Folgen ...
"<hier also nur deutsche Zusammenfassung>.
<Es fällt auf, dass Ficinus von seinen
Adressaten, den "litterati", den Gebildeten, spricht, die
bei KPS aber als die "Hochbegabten", d. h. natürlich die
"Genies" auftauchen. - Sinn des Fettdrucks
hier!>
|
i,
4: S. 374
7 Atque ipsa mundi centro similis ad centrum rerum
singularum cogit investigandum, evehitque ad altissima quaeque
comprehendenda, quandoquidem cum Saturno maxime congruit altissimo
planetarum.
|
7 Und sie selbst, dem Zentrum der Welt ähnlich, zwingt dazu,
das Zentrum der einzelnen Dinge aufzuspüren, und sie hebt empor, gerade
das Höchste zu erfassen, da sie vor allem mit Saturn, dem höchsten
Planeten, übereinstimmt.
|
i, 4, 7 wird auf S. 374 nur in
Übersetzung und ohne Nachweis geboten:
"Gerade die schwarze Galle nötigt das Denken, forschend ins
Zentrum seiner Gegenstände einzudringen, weil die schwarze Galle
selbst dem Zentrum der Erde verwandt ist. Ebenso erhebt sie das
Denken zum Verständnis des Höchsten, weil sie dem Höchsten
<sic!> unter den Planeten entspricht."
|
i,
4: S. 374 (Anm. 54):
17 Haec omnia melancholicum
spiritum maestumque et pavidum animum efficere solent, siquidem interiores
tenebrae multo magis quam exteriores maerore occupant animum atque terrent.
18 Maxime vero litteratorum omnium hi atra bile premuntur, qui sedulo
philosophiae studio dediti mentem a corpore rebusque corporeis sevocant
incorporeisque coniungunt, tum quia difficilius admodum opus maiori quoque
indiget mentis intentione, tum quia quatenus mentem incorporeae veritati
coniungunt, eatenus a corpore disiungere compelluntur. 19 Hinc corpus eorum
nonnunquam quasi semianimum redditur atque melancholicum. 20 Quod quidem
Plato noster in Timaeo significat, dicens animum
divina saepissime et intentissime contemplantem alimentis eiusmodi adeo
adolescere potentemque evadere, ut corpus suum supra, quam natura corporis
patiatur, exsuperet ipsumque vehementioribus agitationibus suis aliquando
vel effugiat quodammodo vel nonnunquam quasi dissolvere videatur.
|
17 All diese Umstände bewirken einen melancholischen
Seelenatem und einen traurigen und ängstlichen Geist, weil ja Finsternis im Inneren viel mehr
als äußere Finsternis die Seele mit Trauer besetzt und sie erschreckt.
18 Am meisten aber setzt schwarze Galle denen aus der ganzen Schar der um
Wissenschaft Bemühten zu, die in fleißigem Streben nach Weisheit ihren
Geist vom Körper und den körperlichen Dingen trennen und ihn mit dem
Unkörperlichen verbinden, bald, weil ein schwierigeres Unterfangen auch
eine größere geistige Anspannung erfordert, bald, weil sie ihren Geist so weit
vom Körper trennen müssen, wie sie ihn mit der körperlosen Wahrheit
verbinden. 19 Davon wird ihr Körper manchmal gleichsam halb
entseelt und melancholisch. 20 Das nun meint unser Plato in seinem "Timaios",
wenn er sagt, ein Geist, der das Göttliche sehr oft und sehr eifrig
betrachtet, reife durch derartige Nahrung so sehr und werde so mächtig,
dass er seinen Körper mehr, als die Natur des Körpers zulässt, übersteigt und
ihm selbst durch seine heftigeren Bewegungen manchmal entweder irgendwie
entflieht oder sich manchmal gleichsam aufzulösen scheint.
|
Bei KPS keine Übersetzung, Beleg
für folgende Aussage:
"Daher haben denn auch diejenigen
Denker, die sich der Kontemplation und den tiefsinnigen
Spekulationen ergeben, am meisten unter der Melancholie zu
leiden." Diese Aussage schließt sich sofort an die
Übersetzung von i, 4, 7 an; mit dem "Daher" ziehen KPS
also den Schluss aus der voraus zitierten Stelle, zu Recht? |
i,
4: S. 487 (Anm. 210):
18 Maxime vero litteratorum omnium hi atra bile premuntur, qui sedulo
philosophiae studio dediti mentem a corpore rebusque corporeis sevocant
incorporeisque coniungunt, tum quia difficilius admodum opus maiori quoque
indiget mentis intentione, tum quia quatenus mentem incorporeae veritati
coniungunt, eatenus a corpore disiungere compelluntur.
|
18 Am meisten aber setzt schwarze Galle denen aus der ganzen Schar der um
Wissenschaft Bemühten zu, die in fleißigem Streben nach Weisheit ihren
Geist vom Körper und den körperlichen Dingen trennen und ihn mit dem
Unkörperlichen verbinden, bald, weil ein schwierigeres Unterfangen auch
eine größere geistige Anspannung erfordert, bald, weil sie ihren Geist so weit
vom Körper trennen müssen, wie sie ihn mit der körperlosen Wahrheit
verbinden.
|
Der Anfang von i, 4, 18 wird noch
einmal zitiert und steht im Zusammenhang mit dem Zitat aus i, 2,
3ff. (s. o.), um zu zeigen, dass es Ficinus nicht um die Künstler,
sondern um die "Humanisten, die Seher und Dichter" und die
Philosophen geht. |
i,
5: S. 374 (Anm. 53)
1
Hactenus quam ob causam Musarum
sacerdotes melancholici vel sint ab initio vel studio fiant, rationibus
primo coelestibus, secundo naturalibus, tertio humanis ostendisse
sufficiat.
2
Quod quidem confirmat in libro Problematum Aristoteles; 3 omnes enim,
inquit,
viros in quavis facultate praestantes melancholicos extitisse.
4 Qua in re Platonicum illud, quod in libro
De
scientia scribitur, confirmavit, ingeniosos videlicet plurimum
concitatos furiososque esse solere. 5 Democritus quoque nullos inquit viros
ingenio magnos, praeter illos, qui furore quodam perciti sunt, esse unquam
posse. 6 Quod quidem Plato noster in Phaedro
probare videtur, dicens poeticas fores frustra absque furore pulsari. 7 Etsi
divinum furorem hic forte intelligi vult, tamen neque furor eiusmodi apud
physicos aliis unquam ullis praeterquam melancholicis incitatur.
|
1 Damit soll ausreichend gezeigt sein, aus welchem Grund
die Musenjünger von Anfang an melancholisch sind oder es durch ihr
Studium werden, nämlich erstens durch himmlische, zweitens durch
natürliche und drittens durch menschliche Gründe.
2
Das bestätigt nun Aristoteles in seinem Buch der
Probleme; 3 denn alle Männer, sagt er, die sich durch irgendeine Fähigkeit
auszeichnen, sind Melancholiker.
4 Damit bestätigte er jene Aussage Platos,
die im Buch "Über das Wissen" steht, dass die Genialen gewöhnlich in
höchstem Maße erregt sind und rasen. 5 Auch Demokrit meint, dass
Geistesgrößen nur die sein könnten, die von einem Wahnsinn getrieben seien.
6 Das
nun scheint unser Platon in seinem "Phaidros" zu billigen, indem
er sagt, an die Tore der Poesie poche man ohne Wahnsinn vergebens. 7 Auch
wenn dieser vielleicht göttlichen Wahnsinn wahrnehmen will, so wird ein
derartiger Wahnsinn nach Meinung der Medizin nur bei Melancholikern
entfacht.
|
i, 5, 1ff. soll bei KPS folgende
Feststellung abstützen:
"Soweit wir sehen, war Ficino der erste Autor, der das, was
'Aristoteles' die Melancholie der geistig überragenden Menschen
genannt hat, als identisch mit Platons 'göttlichem Wahn'
erkannte."
Daran schließt sich sofort die Übersetzung
von i, 4, 7 (s. oben) an. |
i,
5: S. 153 (Anm. 67):
11 Melancholia,
id est atra bilis, est duplex: 12 altera quidem naturalis a medicis
appellatur, altera vero adustione contingit.
13 Naturalis illa nihil est
aliud quam densior quaedam sicciorque pars sanguinis.
14 Adusta vero in
species quattuor distribuitur: 15 aut enim naturalis melancholiae aut
sanguinis purioris aut bilis aut salsae pituitae combustione concipitur.
16 Quaecunque adustione nascitur, iudicio et sapientiae nocet.
|
11 Melancholie, d. h. schwarze Galle, hat zwei
Erscheinungsformen:
12 Die eine Form nennen die Ärzte naturgegeben, die andere aber fällt einem
durch Verbrennung zu.
13 Jene natürliche Melancholie ist nichts anderes als
der dichtere und trockenere Teil des Blutes.
14 Die durch Verbrennung entstandene zerfällt in vier Arten: 15 Sie entsteht entweder durch
Verbrennen der natürlichen schwarzen Galle oder des reineren Blutes oder
der Galle oder des salzigen Schleimes. 16 Jede Form, die durch Verbrennung entsteht, schadet einem weisen Urteil.
|
Im ersten Teil von "Saturn
und Melancholie" ("Der Melancholiebegriff und seine
historische Entwicklung") verwenden KPS vor allem das Kapitel
i, 5.
i, 5, 11-15 soll zeigen, dass auch bei
Ficinus der Zusammenhang der Varianten der 'adustiven' Melancholie
mit den vier Grundsäften gesehen wird.
|
i,
5: S. 132 (Anm. 14):
20 Sola igitur atra bilis illa, quam diximus naturalem, ad iudicium nobis sapientiamque conducit, neque tamen
semper.
|
20 Also
verhilft uns jene Melancholie, die wir als natürliche bezeichnet haben,
unvermischt zu weisem Urteil, aber nicht immer.
|
i, 5, 20 steht im Kontext der
Frage, ob die Melancholie der außergewöhnlichen Männer die "melancholia
naturalis" ist. |
i,
5: S. 78 (Anm. 62):
38 Bilis enim
atra ferri instar, quando multum ad frigus intenditur, friget ad summum;
39 quando contra ad calidum valde declinat, calet ad summum.
|
38 Denn die
schwarze Galle ist dem Eisen vergleichbar, wenn es kalt wird, hat es
Minimaltemperatur, 39 strebt es sehr zum Heißen, Maximaltemperatur.
|
"Bei Marsilio Ficino, dessen
Gedanken für die Auffassung des Melancholiebegriffs in der Renaissance
entscheidend werden sollen, heißt es später:
<Nun folgt die Übersetzung von i, 5, 38f.:>
Die schwarze Galle verhält sich nämlich wie Eisen: ist sie lange
der Kälte ausgesetzt, erstarrt sie völlig, wohingegen sie, wenn
sie sehr der Wärme zuneigt, zu äußerster Hitze gelangt." |
i,
5: S. 80 (Anm. 64):
41 Tantam ad utrunque extremum melancholia vim habet unitate
quadam stabilis fixaeque naturae. 42 Quae quidem extremitas ceteris humoribus
non contingit.
|
41 Bei beiden Extremwerten hat die Melancholie solche
Kraft, da sie eine Einheit darstellt von beständigem und festem Wesen. 42
Solch
ein extremes Verhalten zeigen die anderen Säfte nicht.
|
"An jedem ihrer beiden
Extreme ist die Melancholie wirksam, aufgrund einer gewissen
Einheitlichkeit ihrer beständigen und unveränderlichen Natur.
Diese Polarität eignet den anderen Säften nicht." |
i,
6: S. 375 (Anm. 56):
13 Congruit insuper cum Mercurio atque Saturno, quorum alter,
altissimus omnium planetarum, investigantem evehit ad altissima. 14 Hinc
philosophi singulares evadunt, praesertim cum animus sic ab externis
motibus atque corpore proprio sevocatus, et quam proximus divinis et
divinorum instrumentum efficiatur. 15 Unde divinis
influxibus oraculisque ex alto repletus, nova quaedam inusitataque semper
excogitat et futura praedicit.
|
13 Obendrein steht er <der Geist; KPS geben hier an "sc. atra
bilis"> im Einklang mit Merkur und Saturn, deren einer als
höchster aller Planeten ihn beim Forschen zu den höchsten Dingen trägt.
14 Dieser Umstand bringt einzigartige Philosophen hervor, zumal da der Geist,
so von äußeren Bewegungen und vom eigenen Körper geschieden, dem
Göttlichen möglichst nahe kommt und Werkzeug des Göttlichen wird. 15 Deshalb erdenkt er immer, von oben erfüllt von göttlichen Einflüssen
und Orakelsprüchen, Neues und Ungewohntes und sagt die Zukunft vorher.
|
Kontext bei KPS:
"Saturn ist es, der den Geist zu der Betrachtung höherer und
geheimerer Dinge anleitet <hier wird auf die Anmerkung 56
verwiesen, in der iii, 11 - angegeben: 9 - , iii, 24 und i, 6 angesprochen werden>
und der selbst, wie Ficino an mehr als einer Stelle sagt, 'die
göttliche Kontemplation' bedeutet."
Das Zitat von i, 6, 13ff. soll belegen, wie
"die Merkurvorstellung von der Saturnvorstellung sozusagen
aufgesogen" wird.
|
i,
6: S. 361 (Anm. 22):
17
Quorsum
haec de atrae bilis humore tam multa?
18 Ut meminerimus, quantum atra bilis,
immo candida bilis eiusmodi, quaerenda et nutrienda est tanquam
optima,
tantum illam, quae contra se habet (ut diximus), tanquam pessimam esse
vitandam.
|
17 Wozu dienen nun diese vielen Worte über den Saft der schwarzen
Galle?
18 Dass wir uns erinnern, dass im gleichen Maß, in dem die schwarze
Galle, nein vielmehr die derartige "weiße", gesucht und genährt werden muss als
die beste, dass in diesem Maß jene andere, ihr Gegenteil, wie wir gesagt
haben, als die übelste vermieden werden muss.
|
KPS: "Erst jetzt wird die
'Aristotelische' Lehre von der Ambivalenz der melancholischen Natur
auf die Formel gebracht:
In dem Maße wie die schwarze oder vielmehr weiße Galle dieser Art
erstrebt und gepflegt werden sollte, weil sie äußerst gut ist,
sollte man jene, die sie gegen sich hat, meiden, weil sie, wie
gesagt, äußerst schädlich ist." |
i,
7: S. 456 (Anm. 133):
58
Sexto
loco a spiritibus idem ita probatur: 59 spiritus fatigatione diurna
praesertim subtilissimi quique denique resolvuntur. 60 Nocte igitur pauci
crassique supersunt litterarum studiis ineptissimi, ut non aliter mancis
horum fretum alis ingenium volare possit quam vespertiliones atque
bubones.
|
58
An sechster Stelle wird derselbe Gedanke im
Hinblick auf den Seelenatem so bestätigt: 59 Vor allem die ganz feinen
Formen von Seelenatem lösen
sich durch die Ermüdung am Tag schließlich auf. 60 Bei Nacht also ist nur
wenig und dicker Seelenatem übrig, der für wissenschaftliches Denken ganz
ungeeignet ist, so dass das Genie im Vertrauen auf dessen schadhafte
Flügel genau so fliegen kann wie Fledermäuse und Uhus.
|
Bei der Erklärung von Dürers
"Melencolia I" führen KPS aus:
"... bei Ficino ist sie <die Fledermaus> ein warnendes
Beispiel für die aufreibende und schädliche Wirkung des
nächtlichen Studiums; ..."
<Im Text wird ein Vergleich der
Flugfähigkeit geboten; die Deutung im Sinne von KPS ergibt sich
nicht zwingend.>
|
i,
8: S. 385 (Anm. 87):
1
Ex iis, quae in superioribus disputata sunt, ferme iam satis constat
opportune nostra nos studia exordiri vel statim oriente sole vel hora una
saltem vel duabus ad summum ante solis exortum.
2 Sed antequam e lecto surgas, perfrica parumper suaviterque palmis corpus totum
primo, deinde
caput unguibus, sed id paulo levius. 3 Hac in re te Hippocrates
admoneat.
4 Nam frictione, inquit, si vehemens sit, durari corpus; si levis, molliri;
si multa, minui; si modica, impleri.
5 Cum e lecto surrexeris, noli subitae
lectioni meditationique prorsus incumbere, sed saltem horae dimidium
cuilibet expurgationi concedito; 6 mox meditationi accingere diligenter,
quam ad horam circiter unam pro viribus prorogabis. 7 Deinde remittes
parumper mentis intentionem, atque interim eburneo pectine diligenter et
moderate pectes caput a fronte cervicem versus quadragies pectine ducto; 8
tum cervicem panno asperiori perfrica. 9
Demum reversus ad meditandum, duas insuper horas aut
saltem horam unam studio dedicato.
|
1 Aus dem oben Erörterten wurde fast schon hinlänglich klar, dass
der rechte Zeitpunkt zum Beginn unserer Studien der Sonnenaufgang oder
wenigstens eine oder höchstens zwei Stunden vor Sonnenaufgang ist.
2 Aber bevor du aus dem Bett aufstehst, massiere erst ein wenig und sanft
deinen ganzen Körper mit den Händen, dann den Kopf mit den
Fingernägeln, letzteres aber ein wenig leichter. 3 Dabei soll dich Hippokrates
mahnen: 4 Wenn die Massage - sagt er - heftig sei, werde der Körper hart; wenn
leicht, verweichliche er; wenn häufig angewandt, schwinde er, wenn im rechten Maß,
werde er voll.
5 Stürze dich nach dem Aufstehen nicht gleich in die Lektüre oder
geradewegs ins Nachdenken, sondern genehmige dir mindestens eine halbe
Stunde zu beliebiger Reinigung. 6 Mache dich bald sorgfältig ans Denken;
das kannst du je nach Kräften bis zu einer Stunde verlängern. 7 Entspanne
dich danach ein wenig, und kämme dabei mit einem Elfenbeinkamm
sorgfältig und maßvoll den Kopf von der Stirn Richtung Nacken
vierzig Mal; 8 dann massiere den Nacken mit einem recht rauen Tuch. 9 Kehre dann zurück zur geistigen Arbeit und widme wieder zwei oder
mindestens eine Stunde dem Studium.
|
Kontext des Zitats ist die
Vorstellung von Ficinus' Diätetik, hier speziell "Kopf- und
Körpermassagen".
<Warum gerade die Massagen und warum sie
gerade in dieser Textauswahl geboten werden, erschließt sich dem
Leser nicht, wird auch von KPS nicht erklärt.>
|
i,
9: S. 384 (Anm. 83):
8 Habitatio alta a gravi nubiloque aere remotissima.
9 Tum ignis, tum calidi odoris usu
humiditas expellenda. 10 Prohibendum
frigus a capite, maxime vero cervice atque pedibus, multum enim obest
ingenio.
|
8 Wohne oben, weit weg von schwerer und trüber Luft.
9 Bald muss man mit
Hilfe von Feuer, bald von heißem Duft die Feuchtigkeit vertreiben. 10 Schütze den Kopf vor Kälte, vor allem den Nacken und die Füße; sie schadet
nämlich dem Genie sehr.
|
Kontext des Zitats ist die
Vorstellung von Ficinus' Diätetik, hier speziell die
"geeignete Wohnung".
<Interessant, dass Ficinus in diesem
Kapitel eigentlich von der Schädlichkeit des Phlegmas
spricht.>
|
ii,
15: S. 392 (Anm. 103):
45
Verum
sicut in blandimentis tangendi atque gustandi cavendam vobis subdolam
admonui Venerem, sic in ipsa secretiore nimisque assidua contemplativae
mentis delectatione cavete Saturnum; 46 illic enim frequenter filios ipse
suos devorat. 47 Nam quos sublimiorum contemplationum suarum rapit illecebris
et illic agnoscit ut suos, hos interim, si modo diutius gradum ibi sistant,
falce quadam e terris amputat terrenamque incautis vitam saepe surripit.
48 Hoc
saltem Venere interim indulgentior, quod Venus quidem vitam, quam tibi
detrahit, donat alteri, nihil tibi pro detrimento restituens; 49 Saturnus
autem pro vita terrena, a qua separatus ipse te denique separat,
coelestem
vitam reddit atque sempiternam. |
45
Aber
ebenso wie ich euch ermahnt habe, euch bei den Verlockungen des Tastens
und Schmeckens vor der hinterlistigen Venus zu hüten, hütet
euch so bei der verborgeneren und allzu beständigen Freude eines
kontemplativen Geistes vor Saturn; 46 dort nämlich verschlingt er häufig
seine eigenen Kinder. 47 Denn die Leute, die er mit den Verlockungen seiner
höheren Betrachtungen dahinreißt und dort als seine Kinder gleichsam
anerkennt, diese schneidet er, wenn sie nur allzu lange dort verharren,
mit einer gewissen Sichel von der Erde weg und nimmt ihnen oft, wenn sie
nicht aufpassen, das irdische Leben weg.
48 In diesem Punkt ist er aber manchmal gnädiger als Venus, weil Venus das
Leben, das sie dir nimmt, einem anderen schenkt und dir für den Schaden
keinen Ersatz leistet; 49 Saturn aber gibt für das irdische Leben, von dem
er getrennt ist und von dem er dich schließlich trennt, ewiges, himmlisches Leben
zurück. |
"An Stelle des irdischen
Lebens, von dem er selbst geschieden ist, verleiht dir Saturn das
himmlische und ewige Leben."
<Dieses Zitat haben KPS an das Zitat von
iii, 22 so angehängt, dass sich ein völlig anderer Sinn, quasi Saturn
als Heiland, ergibt. Im Original stellt Ficinus lediglich fest, dass
Saturn in einer Hinsicht etwas gnädiger als Venus ist!>
Dem Zitat schließen KPS folgenden Schluss
an:
"So gipfelt denn Ficinos Werk trotz seiner anhaltenden Angst
vor dem unheimlichen alten Dämon letztlich doch in einer
Glorifizierung Saturns."
|
ii,
16: S. 391 (Anm. 101):
4 Ecce nunc Saturnus quidem
nobis in centro, Venus autem in circumferentia posuit voluptatem. 5 Voluptas
vero spirituum esca quaedam est. 6
Igitur ex
opposito Venus atque Saturnus spiritus nostri volatum aucupantur.
7 Illa per
voluptatem suam allicit ad externa, hic interim per suam ad intima revocat.
8 Distrahunt itaque spiritum, si ferme eodem tempore moveant, atque
dissipant.
9 Quamobrem nihil contemplatori vel curioso pestilentius quam Venereus
actus,
nihil vicissim hunc sectanti alienius quam cura et contemplatio esse
potest. 10 Contemplatorem vero physicum religiosumque eodem in gradu
connumeramus, et gradu simili quemlibet in negotiis suis valde
cogitabundum gravibusque curis obnoxium.
11 Hinc rursus efficitur, ut, si quem
Saturnia vel contemplatione nimium occupatum vel cura pressum levare
interim et aliter consolari velimus, per Venereos actus, ludos, iocos id
tentantes, tanquam per remedia longe distantia, frustra atque etiam cum
iactura conemur; 12 atque vicissim, si quem Venereo vel opere perditum vel
ludo iocoque solutum moderari velimus, per Saturniam severitatem emendare
non facile valeamus.
13
Optima
vero disciplina est per quaedam Phoebi Iovisque, qui inter Saturnum
Veneremque sunt medii, studia similiaque remedia homines ad alterutrum
declinantes ad medium revocare.
|
4 Schau, nun setzt uns Saturn die Freude
ins Zentrum, Venus aber an den Rand. 5 Freude ist aber eine Art Futter
für die verschiedenen Arten von Atem.
6
Also lauern Venus und Saturn von gegensätzlichen Positionen auf den Flug unseres
Seelenatems.
7 Jene lockt durch die Freude nach außen, dieser aber durch
seine Form von Freude nach innen. 8 Sie zerren also den Seelenatem, wenn
sie fast zur selben Zeit angreifen, nach verschiedenen Seiten und
zerstören ihn.
9 Deshalb ist für einen Anhänger der Betrachtung oder einen Interessierten nichts
verderblicher als der Venerische Akt, nichts wiederum kann für einen, der
auf diesen Akt aus ist, fremder sein als sorgfältige Betrachtung. 10 Den
aber, der im Bereich von Wissenschaft und Religion betrachtet, sehen wir
als auf derselben Stufe stehend an, und auf ähnlicher Stufe sehen wir
jeden, der in seiner Beschäftigung viel nachdenkt und in schwere Sorgen
verwickelt ist.
11 Dadurch kommt es wieder so weit, dass wir, falls wir
einen, der zu sehr in Saturnischer Betrachtung steckt oder von Sorge
bedrückt ist, erleichtern oder anderswie trösten wollen, dass wir das durch
Venerische Akte, durch dorthin gehörende Spiele oder Scherze wie durch
ganz abwegige Heilmittel vergebens und auch mit Verlust versuchen; 12 und
umgekehrt, wenn wir einen, der im Venuswerk zugrunde ging oder sich in
Spiel und Scherz aufgelöst hat, zur Mäßigung bringen wollen, können
wir ihn wohl mit Saturnischer Strenge nur schwer verbessern.
13
Die beste Lehre aber ist es, durch gewisse Bemühungen des Phöbus und des
Jupiter, die die Mitte zwischen Saturn und Venus einnehmen, und durch
ähnliche Heilmittel die Menschen, die zu einem der beiden Extreme neigen,
in die Mitte zurückzurufen.
|
Im Text (S. 390f.) führen KPS
aus:
"Freilich soll der saturnische Melancholiker jede erdenkliche
Vorsichtsmaßregel ergreifen, um der astralen Gefährdung seiner
Gesundheit entgegenzuwirken, und insbesondere den Einfluss Jupiters
herbeibeschwören, der stets als gütiger Planet und namentlich als
Helfer gegen Saturn galt ... Aber letzten Endes hat das alles
für Ficino nur die Bedeutung bloßer Palliativmittel."
Hier schließt die Anmerkung 101 (S. 391) an, wo es heißt:
"Ficino ... ist sehr instruktiv, denn es <sic>
mahnt zur Vorsicht beim Gebrauch antisaturninischer Einflüsse.
Der größte Gegensatz besteht zwischen Saturn und Venus, aber
<?> es wäre falsch, einen an Saturn laborierenden Menschen
mit venerischen (oder umgekehrt einen zu sehr der Venus ergebenen
Menschen mit saturninischen) Mitteln heilen zu wollen.
<Es folgt das Zitat: ii, 16, 11-13.>
<Bei Licht betrachtet ergibt sich aus den
Aussagen bei KPS eigentlich kein logischer Zusammenhang.>
|
iii,
verba: S. 388 (Anm. 97):
17 Varia sane pro
diversis hominum ingeniis atque naturis nostra haec officina antidota,
pharmaca, fomenta, unguenta, remedia profert. 18 Si qua tibi fortasse minus
placeant, mittito quidem ista; 19 cetera propterea ne respuito.
20 Denique si
non probas imagines astronomicas, alioquin pro valetudine mortalium
adinventas, quas et ego non tam probo quam narro, has utique me concedente
ac etiam (si vis) consulente dimittito.
|
17
Unterschiedliche Gegengifte, Arzneien, Wärmemittel, Salben und Heilmittel
bringt freilich diese unsere Apotheke hervor, entsprechend den
verschiedenen Begabungen und natürlichen Anlagen der Menschen. 18 Wenn
dir welche vielleicht zu wenig gefallen, lass diese da dann weg! 19
Verachte deshalb nicht die übrigen!
20 Wenn du schließlich mit den
astronomischen Bildern nicht einverstanden bist, die sonst zur Gesundheit
der Menschen erfunden wurden, die auch ich weniger billige als nur nenne,
so lass diese jedenfalls mit meiner Erlaubnis und - wenn du willst - mit
meinem Rat weg!
|
Die Stelle wird als Parallele zur
Apologie zitiert, um folgende Aussage zu belegen:
" 'Natürliche Magie' ist ein 'Bindeglied zwischen Astrologie
und Medizin' ".
<Das Zitat befindet sich am Ende der
Anmerkung 97 und als Quelle wird die "Einleitung zu Buch
III" angegeben.
KPS kommentieren dieses Zitat folgendermaßen:>
"Trotz dieser offensichtlich nicht ganz
von Herzen kommenden Vorbehalte (die überdies laut freundlicher
Mitteilung von Herrn Dr. Weil in der Handschrift, Florenz,
Biblioteca Laurenziana, Cod. plut. LXXIII, 139 fehlen und aus
verständlichen Gründen erst bei der Drucklegung hinzugesetzt
wurden) machte Ficino selbst freilich ausgiebig Gebrauch von
figürlichen Talismanen."
|
iii,
2: S. 245 (Anm. 105):
13 Itaque humana species ab his tribus potissimum dotes
insuper ampliores ita demum sibi poterit vendicare, si per Solaria
Mercurialiaque et Iovia se ipsam eis magis in dies atque magis
accommodabit.
14 De reliquis autem quid?
15 Saturnus non facile
communem significat humani generis qualitatem atque sortem, sed hominem ab
aliis segregatum, divinum aut brutum, beatum aut extrema miseria pressum.
16 Mars, Luna, Venus affectus et actus homini cum ceteris animantibus aeque
communes.
|
13 Deshalb kann die Menschheit vor allem von diesen dreien dann erst noch
reichere Gaben für sich beanspruchen, wenn sie durch Sonnenmäßiges,
Merkurmäßiges und Jupitermäßiges sich selbst diesen von Tag zu Tag
mehr und mehr anpasst.
14 Was soll ich von den anderen sagen?
15 Saturn bezeichnet nur schwer
allgemeine Beschaffenheit oder allgemeines Los der Menschheit, sondern
einen Menschen, der von anderen getrennt ist, göttlich oder stockdumm,
glücklich oder bedrängt von größtem Unglück. 16 Mars, Luna und Venus
zeigen dem Menschen gegenüber gleiche Gefühle und Verhaltensweisen, die
denen den übrigen Lebewesen gegenüber entsprechen.
|
Die Stelle steht bei KPS im
Kontext der "tiefste(n) Entsprechung zwischen Saturn und
Melancholie"; sie folgt auf folgende Feststellung: "Wie
die Melancholie bedroht auch er <Saturn> die ihm
Unterworfenen, mögen sie noch so erlauchte Geister sein, mit
Schwermut oder gar Irrsinn. Saturn, um Ficino zu zitieren,
'bezeichnet selten gewöhnliche Charaktere und Schicksale, sondern
Menschen, die von anderen abgesondert sind, göttliche oder
tierische, glückselige oder vom tiefsten Elend darniedergebeugte'.
"
<Kontext bei Ficinus war die
Wesensbestimmung des Menschen, gemäß den arabischen Astrologen:
Danach könne man Saturn nicht zur allgemeinen Bestimmung
heranziehen, da er nur für Randexistenzen hilfreich sei. Typisch
für diese Randexistenzen ist die Ambivalenz; bezeichnend für KPS,
dass aus dieser Stelle wieder ein einziges Merkmal herausgegriffen
wird, wenn sie an das Zitat folgende Aussage anschließen:>
"Der Zusammenhang zwischen der neuplatonischen Saturnauffassung
und der Entstehung des modernen Geniebegriffs (...) wird hier schon
in der sprachlichen Formulierung deutlich, denn 'divinus' wurde die
typische Bezeichnung des modernen Philosophen-, Dichter- und (seit
Michelangelo) auch Künstler-Genies."
<Man sieht vor allem das, was ins
Geniekonzept hineinpasst.>
|
iii,
2: S. 366 (Anm. 34):
15 Saturnus non facile
communem significat humani generis qualitatem atque sortem, sed hominem ab
aliis segregatum, divinum aut brutum, beatum aut extrema miseria pressum.
16 Mars, Luna, Venus affectus et actus homini cum ceteris animantibus aeque
communes.
|
15 Saturn bezeichnet nur schwer
allgemeine Beschaffenheit oder allgemeines Los der Menschheit, sondern
einen Menschen, der von anderen getrennt ist, göttlich oder stockdumm,
glücklich oder bedrängt von größtem Unglück. 16 Mars, Luna und Venus
zeigen dem Menschen gegenüber gleiche Gefühle und Verhaltensweisen, die
denen den übrigen Lebewesen gegenüber entsprechen.
|
Mit fast identischem Zitat
stützen KPS später die Höherwertigkeit Saturns:
"Schließlich wird eine monumentale Formel gefunden, die
die Polarität des Saturn ausdrücklich zu den Wirkungen der anderen
Planeten in Gegensatz stellt und die bezeichnenderweise schon
wenige Jahrzehnte später zum Sprichwort geworden war. 'Saturn
bezeichnet nicht leicht gewöhnliche Charaktere und Schicksale,
sondern Menschen, die von den anderen abgesondert sind, göttliche
oder tierische, glückselige oder vom tiefsten Elend
darniedergebeugte'; ..."
<Fettdruck von mir: ein
"schönes" Beispiel für die Vergewaltigung des
ursprünglichen Textsinns.>
|
iii,
2: S. 377 (Anm. 62):
36 Ubique
vero memento per affectum studiumque animi et per ipsam spiritus
qualitatem nos facillime subitoque exponi planetis eundem affectum ac
eiusmodi studium et qualitatem significantibus.
37 Per separationem igitur a
rebus humanis, per otium, solitudinem, firmitatem, per theologiam
secretioremque philosophiam, superstitionem, magiam, agriculturam, per
maerorem Saturno subicimur.
|
36 Denke aber daran, dass wir uns überall durch unsere
Leidenschaft, unsere Bemühung unseres Geistes und gerade durch die Beschaffenheit
unseres Seelenatems sehr leicht und sofort den Planeten aussetzen, die
dieselbe Leidenschaft, gleichen Eifer und gleiche Beschaffenheit bezeichnen.
37
Durch Absonderung von menschlichen Belangen also, durch Untätigkeit,
Einsamkeit, Härte, Theologie und geheimere Philosophie, Aberglaube,
Magie, Ackerbau und Trauer unterwerfen wir uns dem Saturn.
|
Um den Gedanken, dass man
Saturnkind werden kann, zu belegen, führen KPS diese Ficinusstelle
- nur auf Deutsch - an:
"Bedenke immer, daß wir schon durch die Neigungen und
Bestrebungen unseres Geistes und durch die bloße Beschaffenheit
unseres 'spiritus' leicht und schnell unter den Einfluß der
Gestirne geraten können, die diese Neigungen, Bestrebungen und
Beschaffenheiten bezeichnen; daher geraten wir durch Absonderung von
menschlichen Dingen, durch Muße, Einsamkeit, Festigkeit,
esoterische Theologie und Philosophie, durch Aberglauben, Magie,
Landbau und Trauer unter den Einfluß des Saturn."
Das Zitat wird durch die Anmerkung 62
kommentiert:
"Dieser merkwürdige Satz, dem sich entsprechende Ausführungen
über die anderen Planeten anschließen und dessen disparate
Zuordnungen das ganze Durcheinander des spätantik-arabischen
Saturnkomplexes rekapitulieren, stammt aus Ficino, De vita tripl.
III, 2 ..."
|
iii,
11: S. 387 (Anm. 94):
18 Inter
haec diutissime diurno tempore sub divo versaberis, quatenus tuto vel
commode fieri potest, in regionibus altis et serenis atque temperatis. 19 Sic
enim Solis stellarumque radii expeditius puriusque undique te
contingunt,
spiritumque tuum complent mundi spiritu per radios uberius emicante.
|
18 Unter diesen Gegebenheiten wirst du sehr lange zur
Tageszeit unter freiem Himmel wandeln, solange das ungestört und bequem
geschehen kann, in hoch gelegenen, heiteren und gemäßigten Gegenden. 19
So treffen dich die Sonnen- und Sternenstrahlen nämlich überall leichter
und reiner und erfüllen deinen Seelenatem mit dem Atem der Welt, der
recht üppig durch die Strahlen funkelt.
|
Um den Zusammenhang von Medizin
und Magie zu erläutern, führen KPS aus:
"Der eigentliche Sinn eines Spaziergangs im Freien, den
Constantinus Africanus für eine rein diätetische Maßregel hält
und den wir heute meist als ein weitgehend ästhetisches Erlebnis
betrachten, besteht für Ficino darin, daß uns 'die Strahlen der
Sonne und der Sterne von überallher in freier und ungehinderter
Weise erreichen und unsere Seele mit dem 'spiritus mundanus'
erfüllen, der durch diese Strahlen reicher herabströmt.' "
|
iii,
11: S. 375 (Anm. 56):
46 Tu igitur, quotiens spiritum aliquem studes excolere, non modo patronum suum observabis fortunatum atque potentem, sed
etiam Lunam eliges ad hunc opportune directam.
47 Non creatur autem neque
recreatur aliquando proprie per influxum Saturni solum substantia spiritus,
sed semper ab externis ad intima et saepe ab imis revocatur ad summa. 48 Unde
ad secretiora et altiora contemplanda conducit.
49 Potest tamen, etsi raro,
vis Martis atque Saturni spiritui tanquam medicina prodesse vel
calefaciendo, cum opus fuerit, et excitando atque dilatando, vel vicissim
nimis volatilem coercendo.
|
46 Sooft du also eine der Atemformen veredeln willst,
beobachte nicht nur ihren beglückten und mächtigen Schutzherrn, sondern
wähle auch die zu diesem günstig stehende Luna.
47 Durch den besonderen Einfluss des Saturn wird also nicht nur die
Substanz des Seelenatems nicht geschaffen oder wiederhergestellt, sondern
wird er immer von ganz außen nach ganz innen und oft von ganz unten nach
ganz oben gerufen. 48 Deshalb ist er zur Betrachtung des Geheimeren und
Tieferen förderlich.
49 Dennoch kann, wenn auch selten, die Kraft des
Mars oder des Saturn dem Seelenatem gleichsam als Medizin nützen,
entweder, wenn nötig, durch Wärmen und Anfeuern und Erweitern des
Seelenatems oder umgekehrt durch Bändigen des allzu ungestümen.
|
Falsche Angabe: Ficino, De vita
tripl. III, 9 statt 11!
Das Zitat soll zusammen mit iii, 24 folgende
Aussage belegen:
"Saturn ist es, der den Geist zu der Betrachtung höherer und
geheimerer Dinge anleitet ..."
<Aus einem eher saturnkritischen Kontext
wird wieder nur ein positives Merkmal herausgezogen.>
|
iii,
18: S. 387 (Anm. 95):
27 Saturni veteres imaginem ad vitae longitudinem faciebant in
lapide de Feyrizech, id est sapphyro, hora Saturni, ipso ascendente atque
feliciter constituto. 28 Forma erat homo senex in altiore cathedra sedens vel
dracone, caput tectus panno quodam lineo fusco, manus supra caput
erigens,
falcem manu tenens aut pisces, fusca indutus veste.
|
27 Ein Saturn-Amulett schufen die Alten gewöhnlich
für ein langes Leben im Stein "Feyrizech", also einem Saphir,
in der Saturnstunde, wenn er selbst aufging und glücklich stand. 28 Es
hatte die Gestalt eines alten Mannes, der auf einem erhöhten Stuhl sitzt
oder einem Drachen, dessen Kopf mit einem dunklen Leinentuch bedeckt ist,
der die Hände über den Kopf streckt, wobei er in der einen Hand eine
Sichel oder Fische hält, und der ein dunkles Gewand trägt.
|
Um den Zusammenhang von Medizin
und Magie zu erläutern, führen KPS kurz nach der Auswertung von
iii, 11, 19 aus:
"Und wenn die Magier, um einen Talisman für langes Leben zu
gewinnen, in der Stunde des Saturn das Bild eines Greises mit
verhülltem Haupt auf einen Saphir gravieren <Anmerkung 95: Zitat
- mit Hinweis auf den Kreis des Picatrix>, so bedienen sie sich
letztlich nur 'natürlicher' Mittel ..."
|
iii,
22: S. 386 (Anm. 93):
1 Quoniam vero coelum est harmonica
ratione compositum moveturque harmonice et harmonicis motibus atque sonis
efficit omnia, merito per harmoniam solam non solum homines, sed inferiora
haec omnia pro viribus ad capienda coelestia praeparantur.
2 Harmoniam vero
capacem superiorum per septem rerum gradus in superioribus distribuimus:
3
per imagines videlicet (ut putant) harmonice constitutas;
4 per medicinas
sua quadam consonantia temperatas;
5 per vapores odoresque simili
concinnitate confectos;
6 per cantus musicos atque sonos, ad quorum ordinem
vimque referri gestus corporis saltusque et tripudia volumus;
|
1 Da aber der Himmel harmonisch geordnet ist, sich auf
harmonische Weise bewegt und durch harmonische Bewegungen und Töne alles
bewirkt, bereiten sich allein durch Harmonie nicht nur die Menschen, sondern all
die unteren Dinge zu Recht ihren Kräften entsprechend für den Empfang
des Himmlischen vor.
2 Die Harmonie aber, die die höheren Dinge aufnehmen
kann, teilen wir im Bereich über uns in sieben Inhaltsstufen ein:
3 in die Amulette, die natürlich - wie sie meinen - harmonisch gestaltet
sind;
4 in Arzneien, die durch ihr eigenes Zusammenklingen wohl gemischt sind;
5 in Dämpfe und Düfte, in ähnlichem Gleichklang verfertigt;
6 in musikalische Gesänge und Töne, deren Ordnung und Kraft
Körpergestik, Tänze und feierliche Dreischritt-Tänze nach unserem
Willen entsprechen sollen;
7 in Eindrücke der Vorstellungskraft und wohlgefügte Bewegungen;
8 in konsequente Denkprozesse;
9 in ruhige Betrachtungen unseres Geistes.
|
Den Kontext der Stelle umreißen
KPS folgendermaßen:
"Für ihn <Ficinus> gibt es keine eindeutige Abgrenzung
zwischen den 'natürlichen' und den 'magischen' Praktiken, die man
gemeinhin unterscheiden zu können glaubt. Die Wirkungen, die von
den irdischen Dingen ausgehen, die Heilkraft der Medikamente, der
mannigfache Einfluß des Dufts von Pflanzen, die psychologische
Wirkung der Farben und selbst die Macht der Musik - all das ist in
Wahrheit nicht diesen Dingen zuzuschreiben, sondern kommt nur
dadurch zustande, daß der Gebrauch bestimmter Stoffe oder die
Ausübung bestimmter Tätigkeiten uns, mit Ficino zu reden,
denjenigen Gestirnen 'exponiert', mit deren Qualitäten die
entsprechenden Stoffe gesättigt sind oder deren Natur der
betreffenden Tätigkeit angeglichen ist.
<Es folgt die Übersetzung des Zitats:>
Da aber der Himmel mit harmonischer Vernunft zusammengesetzt ist und
sich auch harmonisch bewegt, ... sind zu recht allein durch die
Harmonie nicht nur die Menschen, sondern all die niedrigen Dinge
ihren Kräften gemäß mit der Erfassung des Himmlischen
ausgestattet. Eine Harmonie aber, die auch die oberen Regionen
umfaßt, teilen wir in sieben diesen entsprechenden Abstufungen ein.
In Bilder nämlich, von denen man annimmt, daß sie harmonisch
komponiert sind. In Heilmittel, die gleichsam in ihrem Zusammenspiel
wohldosiert sind. In Dünste und Düfte, die in ähnlich
kunstgerechter Verbindung zusammengesetzt sind. In musische Gesänge
und Klänge, nach deren Ordnung und Stärke wir körperliche
Gebärden, sogar Sprünge und ausschweifende Tänze ausgerichtet
wissen wollen, in entsprechenden Empfang und Verarbeitung innerer
Vorstellungen, in stimmige Gedankengänge und in die ruhige
Kontemplation des Geistes."
|
iii,
22: S. 389 (Anm. 99):
7 per
imaginationis conceptus motusque concinnos;
8 per congruas rationis discursiones;
9 per tranquillas mentis contemplationes.
|
7 in Eindrücke der Vorstellungskraft und wohlgefügte Bewegungen;
8 in konsequente Denkprozesse;
9 in ruhige Betrachtungen unseres Geistes.
|
Das Ende der Stelle wird noch
einmal (abgewandelt) zitiert in folgendem Zusammenhang:
" Als denkendes und handelndes Wesen ist der Mensch
grundsätzlich frei, und er vermag sogar kraft dieser Freiheit den
Einfluß der Gestirne dadurch zu lenken, daß er sich wissentlich
und willentlich der Wirkung eines bestimmten Sterns aussetzt. Er
kann diese Wirkung auf sich herabbeschwören nicht nur durch
Anwendung jener vielfältigen äußeren Mittel, sondern auch (und wirksamer)
durch eine Art psychologischer Autotherapie, durch einen bewußte
Steuerung seiner Phantasie- und Denktätigkeit:
<Es folgt die Übersetzung des Zitats:>
entsprechenden Empfang und Verarbeitung innerer Vorstellungen,
stimmige Gedankengänge und die ruhige Kontemplation des
Geistes."
<Was bei Ficinus Gesichtspunkte der
Harmonie waren, wird jetzt einfach zur "psychologischen
Autotherapie"!>
|
iii,
22: S. 391f. (Anm. 102):
11 In anima vero nunc imaginationem, rationem, mentem ponimus.
12 Potest utique imaginatio nostra vel propter
qualitatem motumque spiritus vel per electionem nostram vel etiam
utrinque ita disponi, componi, conformari Marti Solive, ut sit e vestigio
proprium influxus Phoebei vel Martii susceptaculum.
13 Similiter ratio vel
per imaginationem spiritumque simul vel per deliberationem vel utrinque
sic ad Iovem imitatione quadam comparare se potest, ut multo magis ob
dignitatem propinquitatemque suam ipsa Iovem capiat et munera Iovis quam
imaginatio sive spiritus, quemadmodum imaginatio spiritusque eadem ratione
multo magis coelestia capiunt quam res et materiae quaevis inferiores.
14 Mens denique contemplatrix, quatenus se ipsam non solum ab his, quae
sentimus, verum etiam ab eis, quae imaginamur communiter moribusque
argumentamur humanis, sevocat et affectu, intentione, vita ad separata se
revocat, Saturno quodammodo se exponit.
15 Huic soli propitius est Saturnus.
16 Sicut enim Sol animalibus quidem nocturnis inimicus est, diurnis autem est
amicus, ita Saturnus hominibus vel vulgarem palam vitam agentibus, vel
fugientibus quidem vulgi consuetudinem, vulgares tamen affectus non
dimittentibus est adversus. 17 Vitam namque communem concessit Iovi, separatam vero sibi
vendicavit atque divinam. 18 Mentibus autem hominum re vera hinc pro viribus
segregatis tanquam sibi cognatis quodammodo est amicus. 19 Nam et spiritibus
sublimem habitantibus aerem ipse Saturnus (ut Platonice loquar) est pro
Iove, sicut Iuppiter hominibus communem agentibus vitam est iuvans
pater.
20 Nullis vero Saturnus est infensior quam
hominibus contemplativam vitam simulantibus quidem nec agentibus. 21 Hos enim
nec Saturnus agnoscit ut suos, nec Iuppiter ipse, Saturni temperies,
adiuvat eos, qui communes hominum leges moresque et commercia fugiunt.
...
41 Contra influxum eius hominibus
communiter peregrinum et quodammodo dissonum nos armat Iuppiter tum
naturali qualitate sua, tum alimentis medicinisque certe suis atque (ut
putant) etiam imaginibus, tum etiam moribus negotiisque et studiis atque
rebus ad ipsum proprie pertinentibus.
42 Noxium
vero influxum Saturni effugiunt subeuntque propitium, non solum, qui ad
Iovem confugiunt, sed etiam, qui ad divinam contemplationem ab ipso Saturno
significatam tota mente se conferunt.
|
11 In der Seele siedeln wir Vorstellungskraft, Vernunft und Geist an.
12
Unsere Vorstellungskraft kann jedenfalls entweder wegen der Beschaffenheit
und der Bewegung des Seelenatems oder durch unsere Wahl oder auch wegen
beidem sich so ordnen, aufstellen, Mars und Sol so gleichförmig werden,
dass sie auf der Stelle ein besonderes Behältnis für Phöbus- oder
Marseinfluss ist.
13 Gleichermaßen kann sich unsere Vernunft entweder durch die
Vorstellungskraft und zugleich den Seelenatem oder durch Überlegung oder
durch beides so mittels einer gewissen Nachahmung für Jupiter
vorbereiten, dass gerade sie den Jupiter und seine Geschenke viel mehr
aufnimmt wegen ihres eigenen Wertes und ihrer Nähe zu ihm als die
Vorstellungskraft oder der Seelenatem, wie ja aus demselben Grund
Vorstellungskraft und Seelenatem das Himmlische viel mehr erfassen als
beliebige Dinge und Stoffe unserer irdischen Welt.
14 Unser betrachtender Geist schließlich setzt sich irgendwie dem Saturn
aus, soweit er sich selbst nicht nur von unseren Wahrnehmungen, sondern
auch von dem, was wir uns normalerweise vorstellen oder mit Gründen nach
Menschenart darlegen, trennt und soweit er sich zum Geheimen hinruft durch
sein Verlangen, seinen Willen und seinen Lebenswandel.
15 Nur diesem Leben ist Saturn gewogen.
16 Wie nämlich
Sol den Nachtlebewesen ein Feind, den Tagwesen aber ein Freund ist, so ist
Saturn Gegner derer, die entweder offenkundig ein bloß normales Leben
führen oder zwar die Lebensgewohnheiten des Volkes fliehen, aber seinen
Leidenschaften trotzdem entsprechen. 17 Denn das normale Leben hat er
Jupiter überlassen, das geheime und göttliche hat er aber für sich
beansprucht. 18 Menschen aber, die sich nach Kräften wirklich vom
Normalleben getrennt haben, ist er gleichsam als seinen Verwandten ein
Freund. 19 Denn für elitäre Geister, die die hohe Luft bewohnen, steht
Saturn selbst - platonisch gesprochen - an Jupiters Stelle, so wie Jupiter
für Menschen, die ein normales Leben führen, der "helfende
Vater" ist.
20 Niemanden hasst Saturn mehr als Leute, die ein Leben
in Betrachtung zwar vortäuschen, es aber nicht führen. 21 Denn diese
erkennt weder Saturn als die Seinen an, noch hilft ihnen, die die normalen
Gesetze, Verhaltensweisen und Umgangsformen scheuen, Jupiter selbst, der
ja die den Saturn mäßigende Kraft ist. ...
41 Gegen seinen Einfluss, der den Menschen
normalerweise fremd ist und irgendwie nicht passt, bewaffnet uns Jupiter
einerseits mit seiner natürlichen Qualität, andererseits mit seinen
Lebensmitteln und sicherlich seinen Arzneien und auch - wie sie meinen -
mit seinen Amuletten, drittens auch mit Verhaltensweisen, Tätigkeiten,
Bemühungen und Dingen, die zu ihm in besonderer Weise gehören.
42
Dem schädlichen Einfluss des Saturn aber entrinnen und dem günstigen
unterziehen sich nicht nur die, die zu Jupiter Zuflucht nehmen, sondern
auch die, die sich der göttlichen Betrachtung, die von Saturn selbst
bezeichnet ist, völlig ergeben.
|
Das (nur in Übersetzung gebotene)
Zitat wird durch folgenden Satz vorbereitet:
"Im Grunde bleibt dem saturninischen Menschen nichts anderes -
und sicherlich nichts Besseres - übrig, als sein Schicksal
anzunehmen und sich mit Herz und Seele in den Willen seines Gestirns
zu ergeben:
<Es folgt die Übersetzung des Zitats:>
11 Innerhalb der Seele ('anima') nehmen wir 'imaginatio', 'ratio'
und 'mens' an. Es kann nun die 'imaginatio', sei es durch die Art
und Bewegung des 'spiritus', sei es durch unsere Wahl, oder durch
beides, so auf den Mars oder die Sonne abgestimmt werden, daß sie
recht eigentlich ein Gefäß für solare und martialische Einflüsse
wird. Ebenso kann sich die 'ratio', entweder durch 'imaginatio' und
'spiritus', oder durch 'deliberatio', oder durch beides, mittels
einer gewissen Nachahmung so dem Jupiter angleichen, daß sie
vermöge ihrer Würde und Verwandtschaft mehr von Jupiter und seinen
Gaben aufnimmt als die 'imaginatio' oder der 'spiritus' (wie aus
demselben Grunde 'imaginatio' und 'spiritus' einen größeren Anteil
an himmlischen Gaben erhalten als irgendwelche niedrige Dinge oder
Stoffe). Die kontemplative 'mens' endlich, die sich nicht nur von
dem entfernt, was wir gewöhnlich wahrnehmen, sondern auch von dem,
was was wir gewöhnlich imaginieren und in unseren menschlichen
Gebräuchen zum Ausdruck bringen, und die sich dagegen in Neigung,
Streben und Leben den Ideen zuneigt, setzt sich in gewisser Weise
Saturn aus.
15 Diesem Vermögen allein ist Saturn günstig. Denn wie die Sonne
den Nachttieren feind, den Tagtieren aber freund ist, so ist
Saturn ein Feind derjenigen Menschen, die offen ein gemeines
Leben führen, oder zwar die Gemeinschaft des vulgären Volkes
fliehen, nicht aber ihre vulgären Gedanken ablegen. Denn das
gewöhnliche Leben hat er Jupiter überlassen, das abgeschiedenen
und göttliche aber hat er sich vorbehalten. Menschen, die sich
wahrhaft vom Diesseits absondern, ist er gewissermaßen verwandt,
und sie finden in ihm einen Freund. Denn gerade Saturn ist,
Platonisch zu reden, ein Jupiter den Seelen, die die erhabenen Sphären
bewohnen, ebenso wie Jupiter denen, die ein gewöhnliches Leben
führen, ein 'iuvans pater' ist. Am feindlichsten ist er jedoch
denen, die ein der Kontemplation geweihtes Leben nur vortäuschen,
aber nicht führen. Diese erkennt weder Saturn als die Seinen an,
noch unterstützt sie Jupiter, der Zähmer des Saturn, weil sie die
gewöhnlichen Gebräuche und Sitten der Menschen verletzen.
...
41 Gegen den saturnischen Einfluß, der den Menschen gemeinhin fremd
und irgendwie inadäquat ist, bewaffnet uns Jupiter, einmal durch
seine natürliche Beschaffenheit, weiterhin sicherlich durch seine
Nahrungsmittel und Medikamente und, wie man glaubt, durch
Zahlen-Talismane, sodann aber durch Sitten, Beschäftigungen,
Studien und ganz allgemein alle Dinge, die ihrer Eigenart nach zu
ihm gehören. Doch diejenigen, die dem unheilvollen Einfluß Saturns
entgehen und seinen segensreichen genießen, sind nicht allein jene,
die ihre Zuflucht zu Jupiter nehmen, sondern auch jene, die sich mit
ganzer Seele der göttlichen Kontemplation überlassen, die gerade
durch das Beispiel des Saturn ausgezeichnet wird."
<Es schließt sich im Abschnitt das Zitat von ii, 15 an.>
|
iii,
22: S. 373 (Anm. 52):
28 Tu vero
potestatem Saturni ne negligas. 29 Hunc enim ferunt Arabes omnium
potentissimum. 30 Planetas sane vires eorum subire, ad quos
accedunt, omnes
vero ad eum accedere potius quam vicissim, planetasque coniunctos illi
natura illius agere. 31 Est enim ipse inter planetas orbis
amplissimi caput. 32 Quilibet sane planeta sui orbis caput est et cor et
oculus. 33 Saturnus item stellis proximus est innumeris primoque mobili quam
simillimus; 34 longum agit circuitum. 35 Est
altissimus planetarum, unde felicem eum vocant, cui ille feliciter
aspiraverit.
|
28 Du aber, verachte nicht die Macht des Saturn! 29
Die Araber sagen nämlich, er sei der Allermächtigste. 30 Die Planeten
übernähmen freilich die Macht derer, zu denen sie hingehen, alle gingen
aber eher zu ihm als umgekehrt, und Planeten in Konjunktion mit ihm
würden nach seinem Wesen handeln. 31 Er ist nämlich unter den Planeten
selbst der Kopf des weitesten Kreises. 32 Jeder Planet ist ja Kopf, Herz
und Auge seines eigenen Kreises. 33 Saturn ist ebenso nächster Nachbar
unzähliger Sterne und dem Ersten Beweglichen sehr ähnlich; 34 er
beschreitet eine lange Umlaufbahn. 35 Er ist der oberste der Planeten,
weswegen sie den glücklich nennen, dem jener auf glückliche Weise hilft.
|
Am Beginn ihrer Darstellung von
Ficinus' Bedeutung führen KPS aus:
"In diesem bemerkenswerten Werk <De vita triplici>, in
dem alle Ströme zusammenfließen, die wir bisher nur gesondert
verfolgen konnten, hat Ficino den zweiten der ihm offenstehenden
Auswege ergriffen. Die Melancholie kommt von Saturn, aber sie ist in
der Tat eine 'einzigartige und göttliche Gabe', wie Saturn nunmehr
nicht nur das mächtigste, sondern auch das edelste Gestirn
ist."
<Diese Aussage wird dann mit dem Zitat
belegt. Auch hier muss man die vorgelegte Deutung in dieser Weise
wollen.>
|
iii,
22: S. 375 (Anm. 57):
41 Contra influxum eius hominibus
communiter peregrinum et quodammodo dissonum nos armat Iuppiter tum
naturali qualitate sua, tum alimentis medicinisque certe suis atque (ut
putant) etiam imaginibus, tum etiam moribus negotiisque et studiis atque
rebus ad ipsum proprie pertinentibus.
42 Noxium
vero influxum Saturni effugiunt subeuntque propitium, non solum, qui ad
Iovem confugiunt, sed etiam, qui ad divinam contemplationem ab ipso Saturno
significatam tota mente se conferunt.
43 Hoc enim pacto malignitatem fati
devitari posse Chaldaei et Aegyptii atque Platonici putant. 44 Cum enim
coelestia nolint esse corpora vana, sed divinitus animata atque insuper
mentibus recta divinis, nimirum illinc ad homines non solum quam plurima
ad corpus et spiritum pertinentia, sed multa etiam bona quodammodo in
animam redundantia proficisci volunt, non a corporibus in animam, sed ab
animis, magis autem haec pluraque eiusmodi a mentibus superioribus coelo
profluere.
|
41 Gegen seinen Einfluss, der den Menschen
normalerweise fremd ist und irgendwie nicht passt, bewaffnet uns Jupiter
einerseits mit seiner natürlichen Qualität, andererseits mit seinen
Lebensmitteln und sicherlich seinen Arzneien und auch - wie sie meinen -
mit seinen Amuletten, drittens auch mit Verhaltensweisen, Tätigkeiten,
Bemühungen und Dingen, die zu ihm in besonderer Weise gehören.
42
Dem schädlichen Einfluss des Saturn aber entrinnen und dem günstigen
unterziehen sich nicht nur die, die zu Jupiter Zuflucht nehmen, sondern
auch die, die sich der göttlichen Betrachtung, die von Saturn selbst
bezeichnet ist, völlig ergeben.
43 Denn Chaldäer, Ägypter und Platoniker meinen, so lasse sich die
Boshaftigkeit des Schicksals umgehen. 44 Denn da sie nicht gelten lassen
wollen, dass Himmelskörper bedeutungslos seien, sondern meinen, dass sie
göttlich beseelt und obendrein von göttlichen Geistern gelenkt seien,
wollen sie haben, dass ohne Zweifel von dort sehr viel Gutes zu den
Menschen ausgehe, was nicht nur Körper und Seele betreffe, sondern auch
viel, das irgendwie die Seele überströme, nicht von Körpern, sondern
von Seelen auf die Seele, dass aber in noch größerem Ausmaß dieses und
mehr derartiges von den Geistern über dem Himmel den Seelen zufließe.
|
Das Zitat soll nach iii, 11 und iii, 24
den zweiten Teil der folgenden
Aussage belegen:
"Saturn ist es, der den Geist zu der Betrachtung höherer und
geheimerer Dinge anleitet <hier iii,11 und iii, 24> und der
selbst, wie Ficino an mehr als einer Stelle sagt, 'die göttliche
Kontemplation' bedeutet."
<Kontext bei Ficinus ist das richtige
Verhalten gegenüber den schädlichen Einflüssen des Saturn, bei
KPS der hohe Wert des Saturn - wieder ein Beispiel für die
Entstellung der Aussageabsicht.>
|
iii,
22: S. 377 (Anm. 61):
53 Denique
ubicunque dicimus coelestium ad nos dona descendere, intellige tum
corporum coelestium dotes in corpora nostra venire per spiritum nostrum
rite paratum, tum eadem prius etiam per radios suos influere in spiritum
naturaliter vel quomodocunque illis expositum, tum etiam animarum
coelestium bona partim in eundem spiritum per radios prosilire atque hinc
in nostros animos redundare, partim ab animis eorum vel ab angelis in
animos hominum illis expositos pervenire – expositos, inquam, non tam
naturali quodam pacto quam electione arbitrii liberi vel affectu.
|
53
Wann immer wir schließlich sagen, dass Geschenke der Himmlischen zu uns
herabsteigen, verstehe, dass dann erstens Gaben der himmlischen Körper in
unsere Körper gelangen durch unseren richtig vorbereiteten Seelenatem,
dass zweitens diese Gaben früher auch durch ihre eigenen Strahlen in
unseren Seelenatem einfließen, der auf natürliche oder sonst irgendeine
Weise sich jenen ausgesetzt hat, dass drittens auch das Gute der
himmlischen Seelen teils in denselben Seelenatem durch die Strahlen hineinspringt
und von dort aus in unsere Seele gelangt, teils von ihren Seelen oder von
Engeln in die jenen ausgesetzten Seelen der Menschen gelangt - in die
ausgesetzten Seelen, sage ich, weniger auf bestimmte natürliche Weise als
infolge der Wahl des freien Willens oder einer Leidenschaft.
|
Kontext ist die Saturn-Kindschaft,
zu der KPS ausführen (vgl. auch iii, 2):
"Ficino ist davon überzeugt, daß nicht nur die Saturnkinder
zu geistiger Arbeit qualifiziert sind, sondern daß auch umgekehrt
die geistige Arbeit auf den Menschen einwirkt und ihn der Herrschaft
Saturns unterwirft, wobei eine Art 'Wahlverwandtschaft' <hier
Anmerkung 61> zwischen ihnen entsteht:" <Es folgt das
deutsche Zitat von iii, 2, 36f.>
In der Anmerkung 61 heißt es:
"Diese Vorstellung der Wahlverwandtschaft mit den Planeten -
begründet in der Lehre von der 'Konzinnität' bestimmter
Tätigkeiten und bestimmter Gestirne - wird von Ficino an anderer
Stelle mit fast denselben Begriffen formuliert; cf. Ficino, De
vita tripl. III, 22 (Opera, p. 566): 'Expositos, inquam [sc.
die Seelen der Menschen den himmlischen Gestirneinflüssen], non tam
naturali quodam pacto, quam electione arbitrii liberi, vel affectu.'
"
<Es geht KPS wohl nur um "electio
arbitrii liberi", nicht um den Kontext bei Ficinus.>
|
iii,
23: S. 389 (Anm. 98):
44 Nos autem
optare praeterita supervacuum arbitrati monemus easdem plagas, quas illi
pro daemonibus fortunisque optabant, observari pro planetis et stellis ad
opus efficiendum accommodandis, ut vel sint in angulis, aut in duabus, quas
diximus, succedentibus, aut saltem in duabus duntaxat cadentibus, quas antea
nominavimus.
45 Neque enim ab re Solem nona gaudere dicunt, Lunam tertia,
Iovem undecima, Venerem vero quinta; 46 hae namque gradum conspiciunt
ascendentem.
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44 Wir halten es für überflüssig, in der
Vergangenheit herumzuwünschen, mahnen aber, dieselben Örter, die jene
für die Dämonen und das Schicksal wünschten, zu beachten, um Planeten
und Sterne einem entstehenden Werk anzupassen, damit sie entweder in den
Ecken oder in den zwei genannten nachrückenden Örtern oder wenigstens in
nur zwei der fallenden Örter sind, die wir vorhin angegeben haben.
45
Vollkommen berechtigt sagen sie nämlich, Sol freue sich über den
neunten, Luna den dritten, Jupiter den elften und Venus über den fünften
Ort; 46 denn diese haben einen Aspekt zum aufsteigenden Grad.
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Im Kontext des Zusammenhangs von
Medizin und Magie stellen KPS fest:
"Astrologische Prognosen werden nur insofern anerkannt, als die
Kenntnis der Geburtskonstellation bzw. des 'daemon geniturae' den
Weg für die iatromathematische Behandlung des Einzelfalls
weist."
<In der Anmerkung wird die Textstelle zitiert, aber nicht
übersetzt.>
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iii,
24: S. 375 (Anm. 56):
1
Quoniam vero litterarum studiosis loquor, recordari unumquemque volo
litterarum amore captum imprimis se esse Mercurialem, praeterea
Solarem,
quatenus ipse Mercurius est Solaris. 2 Atque haec
communis his omnibus est conditio.
3 Proprie
vero praeter naturam Mercurialem, quisquis eloquii gratia, lepore,
dignitate, venustate pollet, Apollinem in se agnoscat et Venerem.
4 Qui ad
leges vel naturalem communemque philosophiam est propensior, non ignoret Iovem se habere
patronum.
5 Sed qui ad secretissima
quaeque curiosius perscrutanda penitus instigatur, sciat se non
Mercurialem solum esse, sed Saturnium, sub cuius etiam principatu sunt
omnes in quovis
studio usque ad finem seduli, praesertim in rebus aliis negligentes.
6 Denique si verum est, quod nonnulli tam physici quam astronomi tradunt,
animam intellectu praeditam in conceptum humanum mense Solis, id est
quarto, descendere, qui plurimum intellectu vivunt, et ab initio sunt
praecipue et quotidie Solares evadunt.
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1 Da ich aber für geistig Tätige spreche, will ich,
dass jeder einzelne, der von Liebe zur Wissenschaft ergriffen ist, sich
daran erinnert, dass er in besonderem Maße merkurmäßig, außerdem
solmäßig ist, soweit Merkur selbst solmäßig ist. 2 Und dieses Los ist
allen diesen gemeinsam.
3 Jeder aber, der durch die Gabe der Beredsamkeit,
durch Liebenswürdigkeit, Würde und Anmut etwas vermag, soll auf
besondere Weise neben der Merkurnatur Apoll und Venus in sich erkennen.
4
Wer mehr zu Gesetzen oder zu Natur- und Allgemeinphilosophie sich
hingezogen fühlt, der soll wissen, dass er Jupiter zum Schutzherrn hat.
5
Aber wer den starken Trieb dazu hat, gerade die größten Geheimnisse
wissbegieriger zu erforschen, der soll wissen, dass er nicht nur
merkurtypisch ist, sondern auch dem Saturn
angehört, unter dessen Herrschaft auch alle die sind, die in beliebigem
Studium bis zum Ende strebsam sind, besonders die, die sich um andere
Bereiche nicht kümmern.
6 Wenn es schließlich wahr ist, was sowohl einige Wissenschaftler als
auch Astronomen überliefern, dass die mit Intellekt begabte Seele in die
menschliche Leibesfrucht im Sol-Monat, d. h. im vierten, gelangt, dann
sind die, die am meisten mit ihrem Intellekt leben, von Anfang an
besonders solmäßig und werden es täglich.
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Das Zitat soll zusammen mit iii,
11 folgende
Aussage belegen:
"Saturn ist es, der den Geist zu der Betrachtung höherer und
geheimerer Dinge anleitet ..."
Im Verlauf der Anmerkung 56 behaupten KPS:
"Noch auch will Ficino an dem Grundsatz rütteln, daß die
gemeinsame Natur aller den Wissenschaften ergebenen Männer die
Merkurialische <sic!> sei. Doch innerhalb dieser allgemeinen
Voraussetzung differenzieren sich die verschiedenen Typen der 'viri
literati'. So soll der anmutig-witzige, würdevoll-liebliche Redner
neben Merkur Apoll und Venus als Schutzherren anerkennen, der sich
mit der Juristerei oder mit der 'naturalis communisque philosophia'
Beschäftigende sollte neben Merkur Jupiter gelten lassen, während
- und das ist das Entscheidende - der in die tiefsten Tiefen hinab-
und zu den höchsten Höhen hinaufsteigende Denker 'sciat se non
Mercurialem solum esse, sed Saturnium'. Ficinos Interesse und
Sympathie gilt jedoch im Grunde nur diesem saturninischen
Gelehrtentypus ..."
<Wenn man hier noch den Satz 6 liest und
wahrnimmt, kann die letzte Aussage eigentlich nur heißen: KPS'
Interesse und Sympathie gilt jedoch im Grunde nur diesem
saturninischen Gelehrtentypus ... (Fettdruck von mir).>
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apologia:
S. 388 (Anm. 97):
35 Surge
post haec et tu, Guicciardine vehemens, atque curiosis ingeniis respondeto
magiam vel imagines non probari quidem a Marsilio, sed narrari, Plotinum
ipsum interpretante. 36 Quod et scripta plane declarant, si aequa mente
legantur.
37 Neque de magia hic prophana, quae cultu daemonum nititur, verbum
quidem ullum asseverari, sed de magia naturali, quae rebus naturalibus ad
prosperam corporum valetudinem coelestium beneficia captat, effici
mentionem.
38 Quae sane facultas tam concedenda videtur ingeniis legitime utentibus, quam medicina et agricultura iure
conceditur; 39 tantoque etiam magis, quanto perfectior est industria, terrenis coelestia
copulans.
48 Denique
duo sunt magiae genera.
49 Unum quidem eorum, qui certo quodam cultu daemonas
sibi conciliant, quorum opera freti fabricant saepe portenta. 50 Hoc autem
penitus explosum est, quando princeps huius mundi eiectus est foras.
51 Alterum vero eorum, qui naturales materias
opportune causis subiciunt naturalibus mira quadam ratione formandas.
52 Huius quoque artificii species duae sunt: 53 altera quidem curiosa, altera
necessaria.
54 Illa sane ad ostentationem supervacua fingit prodigia, ceu
quando Persarum Magi ex salvia sub fimo putrefacta, dum Sol et Luna
secundam Leonis faciem
occuparent eundemque gradum ibi tenerent,
generabant avem merulae similem serpentina cauda eamque redactam in
cinerem infundebant lampadi, unde domus statim plena serpentibus videbatur.
55 Hoc autem
tanquam vanum et saluti noxium procul effugiendum.
56 Tenenda tamen species necessaria cum astrologia copulans medicinam.
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35 Erhebe dich danach auch du, mein stürmischer
Guicciardinus, und antworte den naseweisen Genialen, dass Marsilius die
Magie oder die Amulette nicht billigt, sondern sie nur referiert, da er
eben Plotin übersetzt. 36 Das zeigen auch die Texte deutlich, wenn man
sie unvoreingenommen liest.
37 Und sage, dass hier nicht über die gottlose Magie, die sich auf
Dämonenkult stützt, ernsthaft gesprochen wird, sondern dass die
natürliche Magie, die mit natürlichen Dingen Wohltaten des Himmels zur
guten Gesundheit der Körper erhaschen will, zur Debatte steht.
38 Diese
Fähigkeit muss man offensichtlich den begabten Leuten, die sie
rechtmäßig verwenden, ebenso zugestehen, wie man Medizin und
Landwirtschaft zu Recht erlaubt; 39 und sogar desto mehr, je vollkommener
der Fleiß ist, der Irdisches mit Himmlischem vereinigt.
48 Schließlich gibt es zwei Arten von Magie.
49 Die eine Art verfolgen die, die mit einem bestimmten Kult sich die
Dämonen gewinnen wollen und die im Vertrauen auf deren Hilfe oft
Wunderliches herstellen. 50 Das ist aber völlig ausgepfiffen worden, da
der Fürst dieser Welt nach draußen gejagt worden ist.
51 Die andere aber verfolgen die, die natürliche Stoffe zeitrichtig
natürlichen Gründen unterwerfen, um die Stoffe auf wunderbare Weise zu
formen.
52 Auch von dieser Kunst gibt es zwei Erscheinungsformen: 53 die eine ist
Sache der Neugier, die andere der Notwendigkeit.
54 Jene bildet freilich nur zur Schau überflüssige Wunder, wie einst
Magier der Perser aus unter Mist verfaulendem Salbei einen amselähnlichen
Vogel mit Schlangenschwanz erzeugten, während Sol und Luna den zweiten
Dekan im Leo besetzten und dort auf demselben Grad standen, und
eingeäschert gossen sie ihn in eine Lampe, wodurch das Haus sofort voller
Schlangen zu sein schien. 55 Das aber muss man als unsinnig und dem
Seelenheil schädlich weit von sich weisen.
56 Jedoch muss man an der notwendigen Form von Magie, die die Medizin mit
der Astrologie verknüpft, festhalten.
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Ausgangspunkt für die in der
Anmerkung zitierten Stellen ist folgender Satz im Text:
" 'Natürliche Magie' ist ein 'Bindeglied zwischen Astrologie
und Medizin'."
Die Anmerkung zitiert erst 48-51, und fährt
dann fort: "Auch von der letzteren gibt es zwei Arten: die 'magia
curiosa' <53>, die diese natürlich-magischen Wirkungen nur zu
unnötigen oder gar schädlichen Zwecken benutzt <54>, und die
'magia necessaria' <53>, die mit ihrer Hilfe Heilerfolge
erzielt, 'cum Astrologia copulans Medicinam' <56>. Ferner:
<und jetzt springen KPS im Text zurück:> Quae sane facultas tam concedenda videtur ingeniis legitime
utentibus, quam medicina et agricultura iure conceditur; tantoque etiam
magis, quanto perfectior est industria, terrenis coelestia copulans
<38f.>.
Nur hinsichtlich der figürlichen Talismane ('imagines') ist
sich Ficino offenbar nicht sicher, ob sie nicht in das Gebiet der
Dämonologie gehören; er verfehlt nie, seinen Aussagen über sie
ein 'ut putant', 'ut opinantur' oder 'veteres faciebant'
hinzuzufügen (cf. z. B. die oben, Anm. 95, zitierte Stelle <hier
iii, 18>), und verwahrt sich mehrmals formell dagegen, das
Vorgetragene als seine eigene Entdeckung oder auch nur ernsthafte
Meinung aufgefasst zu sehen. So auch in der Apologia ..."
<Es folgt das Zitat aus 35:> "... curiosis ingeniis respondeto
magiam vel imagines non probari quidem a Marsilio, sed narrari; ..."
<Seltsame Art zu zitieren.>
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apologia:
S. 380 (Anm. 71)
71 Dic, amabo, nonne vides boves et asinos, o bos, o asine, qui tactu quodam ex se viventia
generant, esse vivos? 72 Si ergo haec praeterea ex se viva quaedam aspectu etiam
generarent,
an non multo magis haec vivere iudicares, si quod modo ipse iudicium, si
quam vitam habes?
73 Coelum, terrae maritus, non tangit (ut
communis est opinio) terram. 74 Cum uxore non coit, sed solis siderum suorum
quasi oculorum radiis undique lustrat uxorem; 75 lustrando fecundat
procreatque viventia. 76 Num ergo vitam vel intuendo largiens
ipsum in se propriam nullam habet vitam? 77 Et quod dedit avi strutho vitam
aspectumque vivificum, longe est hoc ipso deterius?
78 His tandem adductis in medium, nisi persuaseris superstitiosum istum, mittito
semivivum, immo
vero non vivum.
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71 Sag, bitte, du Rindvieh, du Esel, siehst du nicht, dass
Rindviecher und Esel, die durch eine gewisse Berührung aus sich heraus
Lebendiges zeugen, lebendig sind? 72 Wenn also dieses außerdem aus sich
gewisse lebendige Wesen auch durch den Anblick erzeugen würde, würdest
du nicht noch viel mehr urteilen, dass dies lebe, wenn du nur selbst irgendeine
Urteilsfähigkeit, wenn du nur irgendein Leben hast?
73 Der Himmel, der Gatte der
Erde, berührt - so lautet die normale Meinung - die Erde nicht. 74 Er hat
mit seiner Frau keinen Geschlechtsverkehr, sondern nur mit den Strahlen
seiner Sterne als gleichsam denen seiner Augen bescheint er überall seine
Frau; 75 durch Bescheinen befruchtet er und bringt Lebendiges hervor. 76
Hat also genau das, was das Leben wohl durch Anschauen reichlich spendet,
in sich kein eigenes Leben? 77 Und das, was dem Spatzenvogel Leben und
lebendiges Aussehen gab, ist weit schlechter als dieser selbst?
78 Wenn du das schließlich vorbringst und diesen Irrgläubigen da nicht
überzeugst, dann schicke ihn halblebig, nein eigentlich: nicht lebendig
fort.
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Bei der Vorstellung von Ficinus'
Weltbild übersetzen KPS 73-75:
73 "Der Himmel, der Bräutigam der Erde, berührt sie nicht,
wie man gemeinhin denkt, noch auch umarmt er sie; er betrachtet
[oder beleuchtet?] sie durch die bloßen Strahlen seiner Gestirne,
die gewissermaßen seine Augen sind; und indem er sie betrachtet,
befruchtet er sie und erzeugt so das Lebendige."
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Noch einmal:
"So gipfelt denn Ficinos Werk trotz seiner anhaltenden Angst vor dem
unheimlichen alten Dämon letztlich doch in einer Glorifizierung
Saturns. Der greise Gott, der die Herrschaft zugunsten der Weisheit,
das Leben auf dem Olymp zugunsten eines zwischen der höchsten
Himmelssphäre und dem tiefsten Erdinnern geteilten Daseins aufgegeben
hat, ist schließlich der oberste Schutzpatron der Platonischen
Akademie in Florenz geworden." (KPS S.
393, Fettdruck von mir)
Wenn man den Umgang von Klibansky-Panofsky-Saxl mit den Textstellen
betrachtet, fällt auf, dass sie weniger den Sinn bei Ficinus heraus- als
ihre Meinung von der Hochwertigkeit Saturns hineinarbeiten wollten - ganz
deutlich z. B. beim Umgang mit iii, 24 (s. o). Und kann man angesichts von
iii, 24, 10:
"Verum
ad Apollinem, Musarum ducem, imprimis vos, o litterati, Musarum
cultores, advoco. Quicunque igitur inter vos,
dilectissimi in Musarum amore fratres, ingenio multo magis longiusque quam
corpore valent, ii profecto sciant in genitura quondam sua Phoebem quidem
materiam suppeditasse perpaucam, Phoebeum vero spiritum infudisse quam
plurimum, immo et quotidie humores alimentaque in corpore in spiritum
maxima quadam ex parte resolvere. (Aber zu Apoll, dem Führer der Musen, rufe ich
besonders euch, ihr Männer der Schriften, ihr Verehrer der Musen. Jeder unter euch also,
geliebte Brüder in der Liebe zu den Musen, der
viel mehr durch seine Begabung und länger etwas vermag als durch
seinen Körper, soll in der Tat wissen, dass Phöbe einst bei seiner Zeugung
sehr wenig Materie zur Verfügung gestellt hat, dass sie aber sehr viel
Phöbus-Atem eingeflößt hat, dass sie sogar noch täglich Säfte und
Nahrung im Körper für den Seelenatem sozusagen größtenteils auflöst.)"
wirklich behaupten, Saturn sei der
Schutzpatron geworden?
Ficinus ist viel gespaltener, als KPS mit ihrem Plädoyer für Saturn
sehen wollen - aber wesentlich vielfältiger, als sie zulassen wollen.
Motto:
Wagner <KPS>:
"Verzeiht! es ist ein groß Ergetzen,
Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen,
Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht
Und wie wirs dann so herrlich weit gebracht."
Faust: "O ja, bis an die Sterne weit!
Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit
Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln.
Was ihr den Geist der Zeiten heißt,
Das ist im Grund der Herren <KPS> eigner Geist,
In dem die Zeiten sich bespiegeln."
Goethe, Faust I, 570-579
Abgeschlossen
am 10. Oktober 2007.
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