MARSILIUS FICINUS: DE VITA TRIPLICI

 

ii, 17

 

Cap. XVII: De medicinis senum et de habitatione iterum atque diaeta. Kapitel 17: Arznei für Alte; Diät und Wohnen (2. Teil)
1 Chaldaeorum regula est forte probanda ad iuventutem recuperandam: 2 peregrinos humores imbibitos corpori expurgare gradatim, tum interiores competentibus medicinis, tum exteriores frictionibus et lavacris provocationibusque sudoris, intereaque salubribus duraturisque alimentis paulatim corpus implere.  1 Die Regel der Chaldäer muss vielleicht anerkannt werden, um die Jugend wiederzugewinnen: 2 widrige Flüssigkeiten, die vom Körper aufgesogen wurden, allmählich auszuputzen, bald die inneren mit wirksamen Arzneien, bald die äußeren mit Frottieren, Bädern und durch Heraustreiben von Schweiß, und gleichzeitig den Körper allmählich mit gesunder und anhaltender Nahrung zu füllen.
3 Sunt autem, qui trochiscis quibusdam ex vipera factis vel helleboro praeparato promittunt humores omnes veteres putridosque prorsus educere; 4 quibus expurgatis et humore rursum saluberrimo alimentis salutaribus recreato, restituere iuventutem. 5 Et qui cautiores sunt, helleboro gallinas pascunt, hominem vero gallinis. 
6 Eiusmodi vero curationem tanquam periculosam in iuventute arbitror potius quam in senectute tentandam, ne forte iuventutem illam a Medea Peliae seni promissam experiamur. 7 Nam et iuvenes medicinis exquisite purgantibus cito senescere Hippocrates asserit. 
3 Es gibt aber welche, die versprechen, mit bestimmten Pillen aus Vipern oder mit vorbereitetem Nieswurz alle alten und fauligen Flüssigkeiten geradewegs herauszuführen 4 und die Jugend wiederherzustellen, weil die alten Flüssigkeiten ausgeputzt wurden und wiederum sehr gesunde Flüssigkeit durch heilsame Nahrung wieder aufgebaut wurde. 5 Und die Vorsichtigeren füttern die Hühner mit Nieswurz, den Menschen aber mit Hühnern. 
6 Eine derartige, gleichsam gefährliche Behandlung, glaube ich aber, darf man eher bei der Jugend als beim Alter versuchen, um nicht jene Jugend, die Medea dem alten Pelias versprach, zu erhalten. 7 Denn Hippokrates versichert, dass auch junge Leute aufgrund von hervorragend purgierenden Arzneien schnell altern. 
8 Sed ubi diaeta non sufficit, clystere vel manna vel aloe praesertim lota securus uteris; 9 si tibi sit alvus astrictior, manna cum iure caponis myrobalanique virtute. 
10 Sin minus, hac te iuvenem etiam in senectute purgatione servabis: 11 sume unciam lotae aloes unam, myrobalanorum emblicarum drachmas duas, chebularum quoque tantundem, duas item rosarum purpurearum, masticis quoque tantundem; 12 malvatico vino confice pilulas, quando Luna feliciter collocata propitio fruitur Iovis aspectu, praesertim si domicilia fixa possederit vel ipsa vel Iuppiter. 13 Haec enim ad diuturnitatem vitae magnopere conferunt. 
14 Potes etiam utiliter reubarbarum hic cum aloe componere, scilicet dimidiam aloes partem, dimidiam reubarbari; 15 et quotiens opus fuerit, unam mane sumere pilulam ad tres usque vel quinque, modicumque insuper vinum bibere. 
16 Ubi vero pituitam magis times, potes commode in his pilulis trochiscorum agarici tertiam partem accipere una cum tertiis aloes duabus, dimisso reubarbaro. 17 Sed primam illam ego iam multis annis pilularum compositionem omni aetati experior esse tutissimam. 
18 Eadem hora confectionem eiusmodi facito: 19 sume myrobalanorum emblicarum, belliricarum, Indarum, chebularum, unciam uniuscuiusque unam, cinnamomi vero duas, unam quoque doronici, rosarum purpurearum unam, sandalarum rubeorum duas, unam croci drachmam, tertiam drachmae partem musci, ambrae tantundem. 20 Candidum post haec cum aqua rosacea succoque citri fundito saccharum; 21 coque, fac bolos, auroque involve. 
22 Hoc ante prandium quattuor horis sumentes atque dantes, utiliter experti sumus ad virtutem corroborandam, ad illustrandum spiritum atque firmandum. 
23 Maxime vero proderit, si paulum quid insuper vini aurei biberis. 
24 Proderit et saepe calefactum panem aureo mero et rosacea aqua perfundere, ac modico insuper cinnamomo saccharoque uberiore condire; 25 frequenter etiam duo haec cum lacte amygdalino et modico pane miscere, nam eiusmodi mixtiones naturam referunt Iovialem.
8 Aber wenn die Diät nicht ausreicht, dann wirst du unbesorgt ein Klistier oder Manna oder Aloe, vorzüglich gewaschene, verwenden; 9 wenn du einen allzu festen Darm hast, Manna mit Kapaunenbrühe und die Kraft von Myrobalanen. 
10 Wenn nicht, wirst du dich auch im Alter jung halten mit folgendem Purgiermittel: 11 Nimm eine Unze gewaschene Aloe, zwei Drachmen Emblika-Myrobalanen, von Chebula-Myrobalanen ebenso viel, ebenso zwei Drachmen Purpurrosen, ebenso viel Mastix; 12 stelle mit Malvasier-Wein Pillen her, wenn der glücklich stehende Mond einen günstigen Anblick des Jupiter genießt, vor allem wenn entweder der Mond oder Jupiter ein festes Haus besitzt. 13 Das nämlich trägt viel zur Länge des Lebens bei.
14 Du kannst hierbei auch mit Nutzen Rhabarber mit Aloe mischen, natürlich eine Hälfte Aloe, eine Hälfte Rhabarber; 15 und sooft nötig, nimm morgens eine bis drei oder fünf Pillen, trink dazu ein wenig Wein. 
16 Fürchtest du aber den Schleim zu sehr, kannst du bequem in diesen Pillen ein Drittel Lärchenschwamm nehmen zusammen mit zwei Dritteln Aloe und den Rhabarber weglassen. 17 Aber schon viele Jahre lang mache ich die Erfahrung, dass jene erste Pillenzusammensetzung für jedes Alter die sicherste ist. 
18 Zur selben Stunde sollst du folgendes Mittel herstellen: 19 Nimm je eine Unze Emblika-Myrobalanen, Bastard-Myrobalanen, indische, Chebula-Myrobalanen, aber zwei Unzen Zimt, dazu eine Unze Gemswurz, eine Purpurrosen, zwei von rotem Sandelholz, eine Drachme Safran, ein Drittel Drachme Bisam, ebenso viel Amber. 20 Schütte danach weißen Zucker mit Rosenwasser und Zitronensaft darüber; 21 koche es, mache Bissen, wickle sie in Gold ein. 
22 Wenn wir das vier Stunden vor dem Frühstück nehmen und geben, haben wir den Nutzen gespürt beim Stärken der Kraft und beim Erhellen und Festigen des Seelenatems. 
23 Am meisten aber wird es nützen, wenn du dazu ein kleines Bisschen Goldwein trinkst. 
24 Oft nützt auch, gewärmtes Brot mit Goldwein und Rosenwasser zu übergießen und das obendrein mit ein wenig Zimt und ziemlich reichlich Zucker zu würzen; 25 diese zwei mit  Mandelmilch und ein wenig Brot zu mischen ist auch oft hilfreich, denn derartige Mischungen verleihen eine jupitermäßige Natur. 
26 Praeter omnia, quae in superioribus explicavimus vel saltem significavimus, ab his omnes urbani diligenter cavere debent: 27 aestu, gelu, quolibet vel post calorem frigore vel nocturno, nebulis, ventis vel ex palude flantibus vel irrumpentibus ex angusto, locis item, ubi aer vel movetur violentius vel nullo modo movetur, habitatione quavis humidiore, fetore, torpore, maerore – diligentius autem Mercurii sectatores, diligentissime senes.  26 Außer dem, was wir im vorausgegangenen Text erklärt oder wenigstens angedeutet haben, müssen sich alle Städter vor allem vor folgendem sorgfältig hüten: 27 Hitze, Kälte, vor jeder Kälte nach einer warmen Zeit oder der Nachtkälte, vor Nebel, vor Winden, die entweder aus Sümpfen wehen oder aus Engstellen hereinbrechen, ebenso vor Orten, wo sich die Luft entweder allzu heftig oder gar nicht bewegt, vor jeder beliebigen allzu feuchten Wohnung, vor Gestank, Apathie und Trauer - noch sorgfältiger aber die Anhänger Merkurs, ganz sorgfältig aber die Alten. 
28 Qui praeterea postquam mane corpus totum leviter perfricuerint, delinient ipsum adversum aeris et laboris incommoda calente oleo vel vino quopiam subamaro, cui prius infuderint myrrham et rosam atque myrtum. 
29 Salviam frequenter ore ferant, nervis ac dentibus amicissimam; 30 et quando dentium vitio liquida velut infantes alimenta repetere compelluntur, mollissima caveant. 
31 Lac quidem vino referant moderato. 
32 Utantur igne duntaxat ut medicina, quantum videlicet expellendi frigoris et suscitandi caloris innati necessitas postulat, alioquin tanquam edace humorem naturalem exsiccaturo. 
33 Solem vero, quoad delectat, sequantur ut alimentum, destillatione vitata et aestu similiter declinato. 
34 Faciles quidem motus diligant, excitando calori admodum necessarios. 
35 Labores autem corporis oderint, et multo magis animi; 36 nec minus longam sitim et inediam atque vigiliam.
28 Diese werden außerdem, nachdem sie frühmorgens den ganzen Körper leicht frottiert haben, ihn gegen die Unbilden der Luft und der Arbeit mit warmem Öl oder einem leicht bitteren Wein einsalben, in den sie vorher Myrrhe, Rosen und Myrte hineingegeben haben. 
29 Salbei sollen sie häufig im Mund haben, der für Nerven und Zähne hochwillkommen ist; 30 und wenn sie aufgrund schadhafter Zähne wie kleine Kinder gezwungen sind, flüssige Nahrung zu verlangen, sollen sie das ganz Weiche meiden. 
31 Milch sollen sie mit ein wenig Wein wieder ausspeien. 
32 Feuer sollen sie als Medizin nur insoweit gebrauchen, als es die Lage zwingend erfordert, um die Kälte zu vertreiben und die angeborene Wärme zu entfachen, da es sonst gleichsam gefräßig den natürlichen Saft austrocknet. 
33 Der Sonne aber sollen sie, soweit es angenehm ist, folgen wie einer Nahrung, und dabei Katarrh vermeiden und genauso der Hitze ausweichen. 
34 Leichte Bewegung sollen sie lieben, sie ist ja ganz notwendig, um Wärme zu erzeugen. 
35 Körperliche Strapazen aber sollen sie hassen, und noch viel mehr solche des Geistes; 36 und ebenso langen Durst, Hunger und Schlaflosigkeit.

 

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