MARSILIUS FICINUS: DE VITA TRIPLICI

 

Ausführungen im KRÜNITZ-Lexikon über Astrologie, auch Marsilius Ficinus in einem Auszug aus seinem Artikel über "Sterndeuterey":

Diese natürliche Astrologie, die schon in den frühesten Zeiten bei den alten Völkern sich feststellte und feststellen mußte, da sie den Einfluß vorzüglich der Sonne auf die Erde und deren Bewohner gewahrten, veranlaßte nun auch, verbunden mit der Meinung des geistigen Wesens der Gestirne, weil sie eine ewige unveränderliche Ordnung beobachteten, die prophetische Sterndeuterey; denn man schloß ohne Zweifel, wie sich ein Schriftsteller darüber ausläßt, daß, da die Gestirne die Veränderungen der Witterung, Fruchtbarkeit, Seuchen etc. verursachten, und ihre Ausdünstungen in die Atmosphäre hauchten, wodurch nicht nur die Gewächse geschwängert würden, sondern auch der Mensch sie einathme, so müßte dieser geistige Hauch auch auf die Seele desselben seinen Einfluß äußern, also auch auf seine Denkungsart, seine Leidenschaften, seine Schicksale, überhaupt auf sein ganzes Leben und seinen Tod. 

Ein solcher, die freien Handlungen des Menschen vernichtender Einfluß der Gestirne, gründet sich auf den Materialismus, indem die Menschen unter solcher Leitung zur Maschine werden, deren Triebfedern die Sterne sind, und wirklich gelangten sie auch dahin; denn man nahm nun an, daß jeder Mensch unter dem Einflusse eines gewissen Gestirns stände, eben so die übrigen Körper, Thiere, Pflanzen etc.; ja man nahm sogar an, daß ganze Länder und einzelne Häuser ein jedes sein eigenes Gestirn habe, von dem es regiert werde, und besonders wollte man zwischen den Planeten und Metallen einen genauen Zusammenhang bemerkt haben. 

Kurz man war ängstlich bei Allem, was man that, ob man auch genau dasjenige befolge, was die Constellation verlange, um nicht irgend ein Mißgeschick davon zu tragen. Wußte man z. B. von welchen Gestirnen das Unglück und die Krankheiten eines Menschen herrührte, so war nur nöthig, daß sich derselbe solcher Speisen, Getränke und Wohnungen bediente, die von den entgegengesetzten Gestirnen oder Planeten beherrscht wurden. Zeigte sich nun ein Tag, der durch seine besonders unglückliche Constellation eine schwere Krankheit, oder sonst ein Unglück befürchten ließ, so begab man sich an einen Ort, der unter einem guten Gestirne stand, oder man nahm solche Nahrungsmittel und Arzeneyen zu sich, die unter dem Einflusse eines guten Gestirns standen, und dadurch den Einfluß des bösen vernichteten. 

Der im funfzehnten Jahrhunderte zu Florenz lebende Arzt Marsilius Ficinus ermahnte in einer Abhandlung über Verlängerung des Lebens alle vorsichtige Leute, alle sieben Jahre einen Sterndeuter um Rath zu fragen, um über die etwa in den folgenden sieben Jahren drohenden Gefahren Nachricht zu erhalten, und vorzüglich die Mittel der heiligen drei Könige: Gold, Weihrauch und Myrrhen zu respektiren, und gehörig zu gebrauchen. 

Auch M. Pansa eignete dem Rathe zu Leipzig im Jahre 1470 ein Buch: de propaganda vita; Aureus libellus, zu, worin er den Herren dieses Collegiums sehr angelegentlich räth, sich vor allen Dingen mit ihren günstigen und ungünstigen Aspekten bekannt zu machen, und alle sieben Jahre auf der Hut zu seyn, weil dann Saturn, ein böser feindseliger Planet, herrsche. 

Man legte den Planeten und ausgezeichneten Sternbildern diejenigen Eigenschaften bei, die man den Göttern oder andern Gegenständen beilegte, deren Namen sie führen. So bekam die Venus einen Einfluß in die Angelegenheiten der Liebe; Mars einen Einfluß auf den Krieg und auf alle Staatsbegebenheiten, die darauf Bezug hatten; Merkur einen Einfluß auf den Handel, und auf alle Geschäfte, wozu Verschlagenheit und List gehört; kurz man legte den Planeten nach ihren Namen diejenigen Eigenschaften bei, welche ihnen in der Mythologie gegeben worden. 

Nach einigen Sterndeutern regierte die Sonne über das Haupt, der Mond über das Gehirn, Jupiter über die Leber, Venus über die Nieren, Mars über die Faust, Saturn über die Milz, Merkur über die Lunge etc. So sollte der Widder zur Ausschweifung und Verschwendung, der Stier zur Herzhaftigkeit, die Zwillinge zur Liederlichkeit, der Krebs zur Unbeständigkeit, der Löwe zum Zorn und Streit, die Jungfrau zur Keuschheit, die Wage zur Gerechtigkeit, der Skorpion zur Untreue und Falschheit, der Schütz zum Hochmuth, der Steinbock zur Verwegenheit, Tollkühnheit, der Wassermann zur Mäßigkeit, und die Fische zum gewaltsamen Tode führen. 

Nach der Nativität, die Einem gestellt worden, trug man nun auch die schon oben erwähnten Talismane und Amuleten mit einem der Himmelszeichen an oder bei sich, und am liebsten von Metall, weil man zwischen den Gestirnen und Metallen eine größere Sympathie vermuthete, als bei andern Körpern. Auch geschah die Schmelzung und das Gießen dieser Metalle zu dergleichen Schutzmitteln unter einer dieser Constellationen, weil man dadurch eine sichere Einwirkung vermuthete. War z. B. Mars im Zeichen des Skorpions darauf geprägt, und sie in dieser Constellation gegossen, so machten diese Talismane siegreich und unverwundbar im Kriege. Besonders fand man dergleichen Amulete bei den Deutschen Kriegern, welche sie am Halse hängend trugen. Die darauf geprägten Planetengottheiten durften aber keine antike Form haben, wenn sie wirksam seyn oder Einfluß haben sollten, sondern eine mystische abentheuerliche. Durch ein solches Amulet glaubte man sich die ganze Kraft und den Schutz des damit verbundenen Planeten eigen zu machen. Talismane und Amulete dienten unbesiegbar und unverwundbar zu machen, zu Ehrenstellen zu gelangen, in Handels= und Heirathsgeschäften glücklich zu seyn, vor Krankheiten bewahrt zu werden, und überhaupt den ganzen Einfluß einer unglücklichen Geburtsstunde aufzuheben. 

Was nun den Aspekt oder die Configuration der Planeten betrifft, welcher in der Astrologie eine so große Rolle spielte, so versteht man darunter den Winkel, den die von den Orten zweier Planeten in der Ekliptik in das Auge eines Zuschauers auf der Erde gezogenen geraden Linien mit einander machen, und der eine pars aliquota, oder deren einige von vier rechten ist; die Planeten mögen also in der Ekliptik selbst stehen, oder nicht. Im letzten Falle schneidet doch ein gewisser Kreisbogen, der von einem Pole der Ekliptik durch den Planeten zum andern läuft, solche in einem gewissen Punkte, welcher der Ort desselben in der Ekliptik heißt, und die beiden geraden Linien, die aus unserm Auge in diese beiden Orte der Planeten laufen, machen den Aspekt derselben gegen einander aus. 

Man prophezeyete nun hieraus nicht allein die Witterung, sondern auch die Schicksale, sowohl einzelner Menschen, als ganzer Völker, und richtete sich im Säen, Pflanzen, Aderlassen, ja in allen Verrichtungen darnach, wie man noch aus einigen alten Kalendern sehen kann, die sich noch bis auf die neueste Zeit in mehreren Gegenden erhalten haben, indem man nur dasjenige daraus entfernt hat, was dem Landmanne nachtheilig ist, wenn er es nach dieser Angabe verrichtet, wie Schröpfen, Aderlassen etc. 

Bei den ältesten Sterndeutern findet man nun fünf verschiedene Aspekten: 1) die Zusammenkunft oder Verknüpfung, Conjunktion Zeichen für conjunction, da die beiden Planeten einen Ort in der Ekliptik haben, z. B. Mars und Saturn, beide im zwölften Grade der Zwillinge stehen; 2) den Gegenschein, Opposition Zeichen für opposition, da die Orte der Planeten 180 Grade von einander liegen, z. B. Mars im zwölften Grade der Zwillinge, und Saturn im zwölften Grade des Schützen steht; 3) den dreifachen Schein oder das Dreieck, Trinum, Trigonum Zeichen für trigon, da die Planeten den dritten Theil des Himmels, also 120 Grade von einander, z. B. der eine im zwölften Grade der Zwillinge, der andere im zwölften Grade der Wage, stehn; 4) den vierfachen Schein, Quadratschein, Quadratum, Tetragonum q, da die Planeten um den vierten Theil des Himmels, also 90 Grade von einander sind, z. B. der eine im zwölften Grade der Zwillinge, der andere im zwölften Grade der Jungfrau steht, und 5) den sechsfachen Schein oder das Sechseck, Sextilem, Hexagonum *, da die Planeten um den sechsten Theil des Himmels, also 60 Grade von einander abstehen, z. B. der eine im zwölften Grade der Zwillinge, der andere im zwölften Grade des Löwen. 

Wenn der Aspekt mit Zeichen vorgestellt werden sollte, so setzte man gemeiniglich zuerst das Zeichen des Aspekts, hernach die Zeichen der beiden Planeten, z. B. das Dreieck des Mars mit Saturn wird auf folgende Weise ausgedruckt Zeichen für trigon Zeichen für mars Zeichen für saturn. Macht der Mond einen Aspekt mit einem andern Planeten, so ließ man das Zeichen des Mondes weg, und schrieb demnach z. B. den sechsfachen Schein des Mondes mit der Venus * Zeichen für pallas

Als die Einbildungskraft der Sterndeuter fruchtbarer wurde, oder sich vielmehr die Kultur mehr erhob, wurden zu den oben angeführten fünf Aspekten noch andere hinzugefügt. Man fügte nämlich hinzu: 6) den fünffachen Schein oder das Fünfeck, Quintilem, da die Planeten den fünften Theil des Himmels, also 72 Grade von einander abstehen; 7) den zehnfachen Schein oder den Zehntheil, Decilem, da die Planeten den zehnten Theil des Himmels, also 36 Grade von einander abstehen; 8) den dreizehnfachen Schein oder das Dreizehntheil, Tridecilem, da sie drei Zehntheile des Himmels oder 108 Grade; 9) dann zwei Fünftheile, Biquintilem, oder 144 Grade; 10) den zwölften Theil, Semisextum, oder 30 Grade; 11) fünf Zwölftheile, Quincuncem, oder 150 Grade; 12) den achten Theil, Octilem, oder 45 Grade, und endlich 13) drei Achttheile Trioctilem oder Sesquadrum, oder 135 Grade von einander abstehen.

Die beiden Letztern verdankt man den Aerzten, die ehemals große Geheimnisse ihrer Kunst in den Aspekten suchten; die neunte und zehnte Art aber dem großen Kepler, der dadurch bewies, daß auch große Männer mit erleuchtetem Verstande nicht von Vorurtheilen frei sind, ja sie oft am wenigsten. 

Unter den Aspekten nennt man die Zusammenkunft und den Gegenschein die äußersten, alle übrigen mittlere Aspekten. Man theilt sie sonst auch in eigentliche oder wahre Aspekten, wenn an dem angegebenen Maaße nicht das geringste fehlt, und in diesen nur nahekommende Aspekten, an welchen einige Minuten, ja wohl Grade fehlen, oder zu viel da sind. 

Dann nennt man einige Aspekten gute, andere schlimme; jene sind der dreifache und sechsfache Schein, diese der Quadrat= und der Gegenschein; die Zusammenkunft hält man weder für gut, noch für böse. 

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Man wird hieraus leicht ersehen, daß die Sterndeuterey, so wie sie betrieben wurde, nur ein Trugspiel seyn konnte oder mußte; denn schon dieses war der Sterndeuterey entgegen, und dem Sterndeuter verdrießlich, daß man bei der einmal, gleichsam abgeschlossenen Eintheilung des Himmels und der Bestimmung der Planeten und übrigen Sternbilder, die Astronomen oder Sternkundigen immer noch neue Entdeckungen am Himmel machten. Wer wußte vor dem Galiläus wohl etwas von den Trabanten des Jupiters und von den Trabanten und dem Ringe des Saturns; und dennoch müssen diese Trabanten, die zu den Planeten gehören, einen Einfluß in das System der Sterndeuter haben, und kommt man nun vollends auf die neueste Zeit, wo im Jahre 1781 der Uranus, und vom Jahre 1801 bis 1807 noch vier neue Planeten (Ceres, Pallas, Juno und Vesta) entdeckt wurden, die doch gewiß einen großen Einfluß auf die Astrologie haben müssen, so gewahrt man, wie luftig es mit dieser Wissenschaft stehen muß, da immer wieder neu erscheinende Himmelskörper das einmal aufgestellte System verrücken. 

Hierzu kommt nun noch, daß diesen Körpern (Planeten und Sternen) von den Astronomen willkührliche Namen ertheilt werden, man also darin nicht nach der Wirkung des Planeten etc. geht und auch nicht gehen kann, weil man dessen Wirken nicht kennt, so sind auch die Eigenschaften, die man aus den Namen der Planeten und Sternbilder zieht, um sie auf die Menschen anzuwenden, ohne Beziehung; denn auch die Namen oder Bezeichnungen der ältesten Planeten und Sternbilder sind denselben von Menschen gegeben worden, mithin eben so trüglich, um sie auf die Menschen zu deuten. Nur, wie schon bemerkt, die Eigenschaften der Sterne selbst, wenn der Mensch im Stande wäre mit seinem Verstande in ihr Wesen zu dringen, könnten zu passenden Bezeichnungen derselben dienen, und hieraus ließe sich eher eine passende Beziehung auf den Menschen entnehmen, jedoch immer noch ohne Einfluß, ohne Wirkung; denn dazu wäre eine göttliche Offenbarung nöthig.

Quelle: http://www.kruenitz1.uni-trier.de/ - Stichwort: Sterndeuterey (Auszug)

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