MARSILIUS FICINUS: DE VITA TRIPLICI

 

iii, 11

 

Cap. XI: Quibus modis spiritus noster haurire plurimum potest de spiritu vitaque mundi; et qui planetae spiritum procreant atque recreant; et qualia ad unumquemque planetam pertinent. Kap. 11: Auf welche Weisen unser Seelenatem am meisten vom Weltatem und der Weltseele schöpfen kann; und welche Planeten den Seelenatem hervorbringen und erneuern; und was zu jedem einzelnen Planeten gehört.
1 Huc vero tendunt haec omnia, ut spiritus noster rite per naturalia praeparatus atque purgatus accipiat ab ipso vitae mundanae spiritu plurimum per radios stellarum opportune susceptos. 
2 Vita quidem mundi omnibus insita propagatur evidenter in herbas et arbores, quasi pilos sui corporis atque capillos. 3 Tumet insuper in lapides et metalla, velut dentes et ossa. 4 Pullulat quoque in viventes conchas terrae et lapidibus adhaerentes. 
5 Haec enim non tam propria quam ipsa communi totius vita vivunt. 6 Quae sane communis vita multo etiam magis super terram in corporibus viget subtilioribus tanquam propinquioribus animae. 
7 Per cuius vigorem intimum aqua, aer, ignis viventia sua possident atque moventur. 8 Vita haec aerem ignemque etiam magis quam terram et aquam fovet agitatque perpetuo motu. 9 Et denique coelestia corpora quasi mundi caput vel cor vel oculos quam maxime vegetat. 
1 Auf das folgende Ziel aber ist all das gerichtet, dass nämlich unser Seelenatem richtig durch die natürlichen Dinge vorbereitet und gereinigt ist und dann gerade vom Atem der Weltseele durch die Sternenstrahlen, die er zeitrichtig aufnimmt, sehr viel erhält. 
2 Das Leben der Welt, das in alles eingepflanzt ist, verbreitet sich augenscheinlich in Pflanzen und Bäume, gleichsam in seine Körper- und Kopfhaare. 3 Es schwillt obendrein in Steine und Erze wie in Zähne und Knochen. 4 Es bildet auch Triebe in die lebenden Muscheln, die an der Erde und an Steinen hängen. 
5 Denn das Genannte lebt weniger vom eigenen als vom gemeinsamen Leben des Ganzen. 6 Dieses gemeinsame Leben freilich lebt noch viel intensiver über der Erde in feineren, der Seele gleichsam näheren Körpern. 
7 Durch die innere Lebenskraft der Weltseele besitzen Wasser, Luft und Feuer ihre Lebewesen und werden sie selbst bewegt. 8 Dieses Weltleben hegt Luft und Feuer noch mehr als Erde und Wasser und treibt sie durch seine eigene ständige Bewegung an. 9 Und schließlich belebt es die himmlischen Körper als gleichsam Kopf, Herz oder Augen der Welt sehr stark. 
10 Unde per stellas velut oculos radios non visibiles solum, sed etiam visuales usquequaque diffundit. 11 Quibus more struthi, ut diximus alibi, inferiora conspicit fovetque vivendo, immo etiam ita tangendo generat et format omnifariam atque movet. 
12 Igitur ad motum nitentis aquae, sereni quoque aeris ignisque moderate distantis atque coeli motum mundanae vitae suscipies, si ipse quoque leniter et ferme similiter movearis, quosdam pro viribus gyros agens, vertigine devitata, coelestia lustrans oculis, mente versans.
10 Deshalb verbreitet es überall durch die Sterne wie durch Augen nicht nur sichtbare, sondern auch zum Sehen geschaffene Strahlen. 11 Durch diese Strahlen erblickt es nach Art des Sperlings, wie wir an anderer Stelle gesagt haben, das, was unter ihm ist, und hegt es zum Leben, ja, es bringt es so durch seine Berührung hervor, formt es allüberall und bewegt es. 
12 Entsprechend der Bewegung des glänzenden Wassers also, auch der der heiteren Luft und des maßvoll entfernten Feuers und des Himmels wirst du die Bewegung des Weltlebens empfangen, wenn du dich auch selbst leicht und etwa ähnlich bewegst, deinen Kräften entsprechend gewisse Kreise ziehst, Schwindel vermeidest, Himmlisches mit deinen Augen durchwanderst und mit deinem Geist hin und her bewegst.
13 Item frequenti quodam usu plantarum similiterque viventium potes e mundi spiritu plurimum haurire, praesertim si adhuc viventibus recentibusque et matri terrae quasi adhuc haerentibus nutriaris atque fovearis. 
14 Inter plantas suaviter redolentes vel saltem non male olentes verseris quam frequentissime. 15 Omnes enim herbae, flores, arbores, poma redolent, quamvis saepe minus animadvertas. 16 Quo quidem odore quasi flatu spirituque vitae mundanae te undique recreant atque vegetant. 
17 Spiritum inquam tuum odoribus eiusmodi natura simillimum perque spiritum medium inter corpus et animam facile corpus quoque reficiunt et animae mirifice prosunt. 
18 Inter haec diutissime diurno tempore sub divo versaberis, quatenus tuto vel commode fieri potest, in regionibus altis et serenis atque temperatis. 19 Sic enim Solis stellarumque radii expeditius puriusque undique te contingunt, spiritumque tuum complent mundi spiritu per radios uberius emicante. 
13 Ebenso kannst du durch eine Art häufigen Umgang mit Pflanzen und ähnlichen Lebewesen sehr viel von der Weltseele schöpfen, zumal wenn du dich von Lebendem und Frischem und gleichsam noch an Mutter Erde Hängendem nährst und von ihm hegen lässt.
14 Halte dich unter süß duftenden oder wenigstens nicht übel riechenden Pflanzen möglichst oft auf. 15 Denn alle Pflanzen, Blumen, Bäume und Obst riechen, auch wenn du das oft zu wenig bemerkst. 16  Durch diesen Geruch, gleichsam durch das Wehen und Atmen des Weltlebens, erquicken und beleben sie dich überall.
17 Deinen Seelenatem, sage ich, der derartigen Düften von Natur aus sehr ähnlich ist, rekreieren sie, und durch deinen Seelenatem, der die Zwischenstellung einnimmt zwischen Körper und Seele, stellen sie leicht den Körper wieder her und nützen der Seele auf wunderbare Weise. 
18 Unter diesen Gegebenheiten wirst du sehr lange zur Tageszeit unter freiem Himmel wandeln, solange das ungestört und bequem geschehen kann, in hoch gelegenen, heiteren und gemäßigten Gegenden. 19 So treffen dich die Sonnen- und Sternenstrahlen nämlich überall leichter und reiner und erfüllen deinen Seelenatem mit dem Atem der Welt, der recht üppig durch die Strahlen funkelt. 
20 Praeterea naturalis ipse motus aeris, qui perpetuus est in orbem, quamvis ob lenitatem suam consuetudinemque diuturnam vix percipiatur ab ullo, te die sub divo deambulantem habitantemque in patentibus editisque locis libere lambit penetratque pure; 21 ac motum vigoremque spiritui tuo mundanum mirifice praestat. 
22 Dixi equidem die, compertum enim habemus nocturnum aerem esse spiritibus inimicum. 23 Conferet autem diurni usus, praesertim si plurimum in aperto deambulans devites primo quidem nimiam aeris intemperiem. 24 Deinde frequentius movearis in eo, quando praeter temperiem et serenitatem eius stellarum positio magis est hominibus salutaris
20 Außerdem beleckt dich in Freiheit die natürliche Luftbewegung, die sich ständig im Kreis dreht, obwohl sie von kaum jemandem wahrgenommen wird wegen ihrer Sanftheit und der langen Gewohnheit, wenn du am Tag unter freiem Himmel spazieren gehst und an offenen und herausgehobenen Orten wohnst, und sie durchdringt dich in Reinheit; 21 und sie verleiht deinem Seelenatem wunderbar die Bewegung und die Kraft der Welt. 
22 Ich habe gesagt: "am Tag", denn wir haben erfahren, dass die Nachtluft den verschiedenen Formen von Atem feindlich ist. 23 Die Anwendung der Tagluft aber wird nützen, vor allem wenn du sehr viel im Freien spazieren gehst und zu allererst ein Übermaß an Luft vermeidest. 24 Dann magst du dich häufiger in ihr bewegen, wenn außer ihrem richtigen Maß und ihrer Heiterkeit die Stellung der Sterne für Menschen heilbringender ist. 
25 Item si loca eligas prae ceteris odorifera, per quae situm quotidie mutes et ipse quasi continue et leniter movearis. 26 Mutare locum quamvis semper cum delectu praecepi, quoniam bona coelestium et universae naturae apud nos sunt rebus locisque aliis passim atque aliis distributa, quibus denique omnibus est fruendum. 
27 Mitto, quod varietas taedium prohibet spiritibus inimicum propriumque Saturno. 28 Voluptatem vero affert, per quam (ut ita dixerim) Venus ipsa, voluptatis amica, venit in spiritum atque, quod eius officium est, hunc statim ingressa propagat. 
29 Summatim vero, si quis consideret paradisum et pomi vitae usum apud Mosem, item similem victum a Platone positum in Phaedone et quae Plinius de populis ait odore viventibus, intelliget esse vera, quae dicimus. 
25 Ebenso, wenn du Orte auswählst, die duftreicher sind als alle anderen, durch die du täglich deinen Aufenthaltsort verändern und dich selbst gleichsam beständig und leicht bewegen kannst. 26 Den Ort zu wechseln, wenn auch immer mit Augenmaß, habe ich vorgeschrieben, weil die Güter des Himmels und der gesamten Natur bei uns nach Umständen und Orten überall bald hier, bald da verteilt sind, die wir schließlich alle genießen sollen. 
27 Ich rede nicht davon, dass Abwechslung den Überdruss verhindert, der dem Atem schädlich und ein Wesenzug Saturns ist. 28 Vergnügen aber bringt sie, durch das sozusagen Venus persönlich, die Freundin des Vergnügens, in den Seelenatem kommt und, was ja ihre Aufgabe ist, ihn sofort nach dem Eintritt fördert. 
29 Kurz und gut, wenn jemand das Paradies und den Gebrauch des Lebensapfels bei Moses bedenkt, ebenso die gleiche Lebensweise, die von Platon im Phaidon behandelt wird, und das, was Plinius von den Völkern sagt, die von Duft leben, dann wird er einsehen, dass das wahr ist, was wir sagen.
30 Sed ad naturam spiritus descendamus. 
31 Spiritus quidem qualitas est proculdubio Iovia, cuius tempore nobis infunditur. 32 Est et Solaris, Iuppiter enim hunc infundit, quatenus ingentem Solis in se temperat potestatem. 33 Item alia quoque ratione Iovia est, quoniam calida est et humida et calore abundat potius quam humore nasciturque sanguine et vapor quidam sanguineus appellatur. 34 Rursus quoniam fervet et subtilis est admodum atque lucens oriturque corde, Solaris proculdubio iudicatur. 
35 Habet et quodammodo Veneream in se virtutem, nam motu Venereo prorsus exundat, profluit, transfertur prolemque propagat, ad voluptatem cuiuslibet sensus se dilatat refugitque dolorem. 
36 Summatim vero spiritus, quatenus corpori ad vitam et motum propagationemque conducit, Iovius, Venereus, Solaris existimatur. 
37 Quatenus animo ad sensum imaginationemque ministrat, Solaris Mercurialisque censetur, et ubique Mercurialis existit, quando quidem adeo mobilis est et tam facile convertibilis atque formabilis.
30 Wir wollen aber zur Wesensbestimmung des Seelenatems kommen. 
31 Der Seelenatem hat zweifelsohne Jupiter-Qualität, zu dessen Zeit er auch in uns einströmt. 32 Er hat auch Sol-Qualität, denn Jupiter lässt ihn einströmen, soweit er in sich die gewaltige Sonnenmacht mäßigt. 33 Auch aus einem anderen Grund hat er Jupiter-Qualität, da sein Wesen ja warm und feucht ist und er eher Überfluss an Wärme als an Feuchtigkeit hat und er aus dem Blut entsteht und er eine Art Blutdampf genannt wird. 34 Weil er wiederum brodelt und ganz fein ist und leuchtet und aus dem Herzen entsteht, hält man ihn für sonnenmäßig. 
35 Irgendwie hat er auch Venus-Kraft in sich, denn von Venus-Bewegung schäumt er geradezu über, hat daran Überfluss, geht auf andere über und zeugt Nachkommenschaft, zur jeder beliebigen Sinnesfreude dehnt er sich aus und flieht vor Schmerz.
36 Kurz und gut, soweit der Seelenatem dem Körper bei seinem Leben, seiner Bewegung und seiner Zunahme an Lebensqualität hilft, gilt er als jupiter-, venus- und solbestimmt.
37 Soweit er dem Geist bei Sinneswahrnehmung und Einbildungskraft dient, hält man ihn für sol- und merkurbestimmt, und er ist immer merkurbestimmt, wenn er so sehr beweglich, so leicht veränderlich und formbar ist.
38 Saturni, Martis, Lunae sanus communiter spiritus non multum habet, alioquin ex illo saepe stupidus, ex hoc furiosus, ex hac obtusus quodammodo foret. 
39 Quamobrem Lunaria quidem velut crassiora simulque humidiora a subtili et volatili natura spiritus sunt admodum aliena. 
40 Quae vero Saturnalia multum atque nimium Martialia sunt, quasi venena sunt spiritui naturaliter inimica: 41 illa quidem ob extremam frigiditatem atque siccitatem, haec autem ob siccitatem caloremque edacem. 
42 Iovia igitur et Solaris imprimis, deinde Mercurialis et quodammodo Venerea spiritus natura censetur.
38 Von Saturn, Mars und Luna hat ein gesunder Seelenatem normalerweise nicht viel, sonst wäre er Saturns wegen oft blöd, Mars wegen rasend und der Luna wegen irgendwie stumpf. 
39 Deshalb sind die Luna-Qualitäten, wie größere Dicke und zugleich größere Feuchtigkeit, dem feinen und schnellen Wesen des Seelenatems ganz fremd. 
40 Was aber sehr saturnmäßig und allzu marsmäßig ist, das ist dem Seelenatem gleichsam als Gift naturgemäß verhasst: 41 die Saturn-Qualität wegen ihrer extremen Kälte und Trockenheit, die Mars-Qualität aber wegen ihrer Trockenheit und gefräßigen Hitze.
42 Für besonders jupiter- und solmäßig also, dann für merkurmäßig und irgendwie venusmäßig gilt die Natur des Seelenatems.
43 Distinctione vero praecipua spiritus quidem naturalis Iovi proprie dedicatur, vitalis autem Soli, animalis vero Mercurio
44 Quando igitur res postulat aliquem e tribus spiritum adiuvare, patrono tunc suo infortunato vel debili, non facile clientulo succurrere poteris. 
45 Difficillime vero spiritui animali, dum Mercurius infeliciter est affectus, qui tantam in animali spiritu auctoritatem habet, ut caduceo quodam suo animos tum consopire tum suscitare dicatur, id est, suo quodam aspectu sic aut aliter se habente obtundere ingenium vel acuere, debilitare sive corroborare, vexare vel sedare mirifice possit. 
46 Tu igitur, quotiens spiritum aliquem studes excolere, non modo patronum suum observabis fortunatum atque potentem, sed etiam Lunam eliges ad hunc opportune directam. 
47 Non creatur autem neque recreatur aliquando proprie per influxum Saturni solum substantia spiritus, sed semper ab externis ad intima et saepe ab imis revocatur ad summa. 48 Unde ad secretiora et altiora contemplanda conducit. 
49 Potest tamen, etsi raro, vis Martis atque Saturni spiritui tanquam medicina prodesse vel calefaciendo, cum opus fuerit, et excitando atque dilatando, vel vicissim nimis volatilem coercendo. 
43 Nach einer grundsätzlichen Unterscheidung aber wird der natürliche Atem besonders Jupiter, der vitale aber dem Sol, der Seelenatem aber dem Merkur zugeschrieben. 
44 Wenn es also erforderlich ist, einer der drei Atemformen zu helfen, dann wirst du, wenn sein Patron verunglückt ist oder schwach ist, nur schwer deinem Klienten zu Hilfe kommen können.
45 Sehr schwer wirst du aber dem Seelenatem zu Hilfe kommen können, wenn Merkur im Unglück ist, der ja so große Macht beim Seelenatem hat, dass er mit seinem Heroldsstab den Geist bald einschläfern, bald aufwecken soll, d. h. dass er durch seinen so oder anders stehenden Aspekt den Geist stumpf oder scharf machen, schwächen oder stärken, beunruhigen oder beruhigen kann. 
46 Sooft du also eine der Atemformen veredeln willst, beobachte nicht nur ihren beglückten und mächtigen Schutzherrn, sondern wähle auch die zu diesem günstig stehende Luna. 
47 Durch den besonderen Einfluss des Saturn wird also nicht nur die Substanz des Seelenatems nicht geschaffen oder wiederhergestellt, sondern wird er immer von ganz außen nach ganz innen und oft von ganz unten nach ganz oben gerufen. 48 Deshalb ist er zur Betrachtung des Geheimeren und Tieferen förderlich. 
49 Dennoch kann, wenn auch selten, die Kraft des Mars oder des Saturn dem Seelenatem gleichsam als Medizin nützen, entweder, wenn nötig, durch Wärmen und Anfeuern und Erweitern des Seelenatems oder umgekehrt durch Bändigen des allzu ungestümen. 
50 Per ea vero potissimum, quae quattuor illis planetis consentanea sunt, creatur natura spiritus atque recreatur. 
51 Verum si ad Solaria quaelibet valde et absque delectu declines, exacues illum et exsiccabis tandem atque dissolves. 

52 Si similiter ad Venerea, liquefacies paulatim vel obtundes. 
53 Si confidas tantum Mercurialibus, parum admodum inde proficies. 
54 Erit igitur operae pretium Iovialibus uti quam plurimum eisque reliqua mediocriter admiscere ac frequentius uti rebus, quae vel his omnibus aeque sint communes vel propriae Iovi. 55 Nam hae quoque omnibus quodammodo sunt communes. 
50 Vor allem aber durch die Eigenschaften, die jenen vier Planeten entsprechen, wird die Natur des Seelenatems geschaffen und wiederhergestellt.
51 Wenn du aber zu beliebigen Sol-Qualitäten sehr und ohne Augenmaß abgleitest, wirst du jenen zu sehr schärfen, endlich austrocknen und auflösen.
52 Im Falle der Venus, wirst du ihn allmählich verflüssigen und abstumpfen.
53 Wenn du nur auf Merkur-Qualitäten setzt, hast du dort ganz sicher zu wenig Erfolg.
54 Es wird sich also lohnen, vor allem Jupitermäßiges zu verwenden und diesem das andere in Maßen zuzumischen und häufiger die Dinge zu verwenden, die entweder allen in gleicher Weise gemeinsam sind oder besonders Jupiter gehören. 55 Denn auch diese gehören allen irgendwie gemeinsam. 
56 Communiter autem ad hos omnes attinent, quae substantiam habent nec igneam nimis nec prorsus terream nec simpliciter aqueam, nec acutissimam nec obtusissimam qualitatem, sed mediocrem et tactu lenem et quodammodo mollem vel saltem non duram sive asperam, item gustu quodammodo dulcem, olfactu suavem, visu gratam, auditu blandam atque iucundam, cogitatu laetam.  56 Zu allen diesen Planeten gehört aber im allgemeinen das, was weder eine allzu feurige noch eine ganz erdige oder einfach wässrige Substanz hat, was weder ganz scharfe noch ganz stumpfe Qualität hat, sondern was die Mitte bewahrt, sanft zu berühren und irgendwie weich ist oder wenigstens nicht hart oder schroff, ebenso was irgendwie süß schmeckt, angenehm duftet, schön zu sehen ist, das Ohr schmeichelt und zu hören angenehm ist, zum Denken aber Spaß macht.
57 Dulcedo igitur quaedam saporis et gratia his omnibus est communis. 
58 Si dulcedo quasi aquea est et simul pinguis, ad Venerem magis attinet. 59 Si quasi insipida vel aliquantum austera, potius ad Mercurium. 60 Atque haec spiritui non multum prosunt, necessaria tamen sunt interdum ad hebetandum nimium eius acumen. 
61 Si dulcedo manifesta sit atque subtilis et paulum habeat styptici acutique saporis, Iovialis proprie iudicatur. 
62 Cui congruit substantia dulcis amygdalae, pinei nuclei, avellanae, pistacii, amidi, glycyrrhizae, passularum, vitelli ovi, carnium gallinacei pulli, phasianarum, pavonum, perdicum similiumque, item radicum been atque inulae, rursum vini odoriferi, clari, aliquantum dulcis et styptici, sacchari candidissimi, tritici albissimi. 

63 Ad Iovem pertinet etiam manna, si modo myrobalani infusa virtute firmetur; 64 alioquin non minus ad Venerem attinet quam ad Iovem. 65 Haec est utique substantia dulcedoque Iovis propria, quae sane spiritui creando et recreando ante omnia confert. 66 Iovia vero plurimum sunt omnia, quae in libro De longa vita diximus et servare iuventutem et senibus salubria fore. 
67 Sin autem dulcedo admodum pauca sit multumque acuti stypticique habeat vel etiam nonnihil amari, Solaris esse censetur.
57 Eine gewisse Süßheit und Willkommenheit ist also allen diesen gemeinsam. 
58 Wenn die Süßheit gleichsam wässrig ist und zugleich fett, gehört sie mehr zu Venus. 59 Ist sie gleichsam unschmackhaft oder ein wenig herb, dann eher zu Merkur. 60 Und diese beiden Formen helfen dem Seelenatem nicht viel, trotzdem sind sie manchmal nötig, um seine allzu große Schärfe etwas zu mildern. 
61 Ist die Süßheit deutlich und fein und schmeckt etwas säuerlich und scharf, dann hält man sie für jupiter-typisch. 
62 Zu ihr passt die Substanz von Süßmandel, Pinienkern, Haselnuss, Pistazie, Stärke, Süßholz, Rosinen, Eidotter, Kükenfleisch, Fasanen, Pfauen, Rebhühnern und ähnlichem, ebenso von Been- und Alantwurzeln, außerdem duftendem, hellem, süßem und ein wenig säuerlichem Wein, ganz weißem Zucker, ganz weißem Weizen. 63 Zu Jupiter gehört auch Manna, wenn sie nur von der eingeflößten Kraft der Myrobalanen gestärkt wird; 64 sonst gehört sie ebenso zu Venus wie zu Jupiter. 65 Das ist jedenfalls die für Jupiter typische Substanz und Süßheit, die freilich vor allem zur Schaffung und Erholung des Seelenatems dient. 66 Jupitermäßig sind vor allem alle die Dinge, von denen ich in meinem Buch "Vom langen Leben" gesagt habe, dass sie die Jugendzeit bewahren und den Alten Heil bringen würden. 
67 Wenn aber nur ganz wenig Süßheit da ist und sie viel Scharfes und Saures hat oder auch ein wenig Bitteres, dann, meint man, sei sie sol-typisch.
68 Similis quaedam ratio est et distinctio de odoribus, hi enim saporum germani sunt. 69 Similis etiam de coloribus
70 Colores sane aquei, albi, virides, aliquantum crocei, similes violarum, rosarum, liliorum coloribus, necnon odores eiusmodi Venerem referunt et Lunam atque Mercurium. 
71 Colores vero sapphyrii, qui etiam dicuntur aerii, item purpurei pleniores aureique argento mixti et perpetuo virides Iovem. 
72 Ardentes autem crocei, aurei puri, purpurei clariores Solem. 
73 Quilibet vero colores, si vivi sint vel saltem sericii, magis stellares existunt. 74 In metallis quoque et lapidibus atque vitris propter coelestem similitudinem sunt potentes. 
68 Eine praktisch gleiche Einteilung und Unterscheidung gilt bei den Gerüchen, denn diese sind Brüder der Geschmacksempfindungen. 69 Entsprechendes gilt von den Farben. 
70 Wässrige, weiße, grüne, ein bisschen gelbe Farben, solche ähnlich denen von Veilchen, Rosen und Lilien und ebenso derartige Gerüche gehören zu Venus, Luna und Merkur. 
71 Farben des Saphir, die man auch die luftigen nennt, ebenso die dunkelpurpurnen und die mit Silber gemischten goldenen und die beständig grünen gehören zu Jupiter. 
72 Feuriges Gelb, volles Gold und helleres Purpur gehört zu Sol. 
73 Beliebige Farben aber, wenn sie lebendig sind oder wenigstens seidig, sind eher Fixsternfarben. 74 Auch in Erzen und Steinen und Gläsern sind sie wegen der himmlischen Ähnlichkeit mächtig.
75 Sed ut redeamus ad Iovem, sapor et odor eius quasi est qualis in aureo pomo Persico similique pyro vel aranceo et vino malvatico leviore levique vernaceo; 76 qualis in viridi zinzibere vel cinnamomo vel dulci marathro vel doronico, si haec plurimo saccharo condita gustentur. 
77 Nam quattuor haec et nux muscata recens, sola si sunt, potius Solaria sunt. 78 Solaris et gariophylus et muscus, sed odoratu, non gustu, non aspectu. 79 Ambra Solaris plurimum atque Iovia. 80 Crocus in omnibus est Solaris, tametsi color eius et odor apud astrologos omnibus Gratiis dedicatur; 81 sapor autem ad Solem proprie pertinet.
82 Denique omnia odorifera et aromatica, quatenus odorem gratum ferunt, ita ad Iovem Veneremque et Mercurium pertinent ut ad Solem; 83 quamvis inter haec acutiora magis ad Solem, obtusiora ad Venerem Mercuriumque potius, ad Iovem proprie temperata olfactu, gustu, auditu, visu, tactu. 
84 Soni quinetiam cantusque grati blandique ad Gratias omnes spectant atque Mercurium; 85 minaces autem admodum atque flebiles Martem praeferunt et Saturnum. 
75 Um aber zu Jupiter zurückzukehren, sein Geschmack und Geruch ist gleichsam wie der in einem Goldpfirsich, einer ähnlichen Birne oder Orange und im leichteren Malvasier und im leichten Vernaccio; 76 wie der in grünem Ingwer oder Zimt oder süßem Fenchel oder Gemswurz, wenn man diese mit sehr viel Zucker gewürzt kostet.
77 Denn diese vier Gewürze und frische Muskatnuss sind, wenn sie ungemischt bleiben, eher sol-typisch. 78 Sol-typisch nach Geruch, aber nicht nach Geschmack und Aussehen sind Gewürznelke und Bisam. 79 Ambra ist vor allem sol- , aber auch jupiter-typisch. 80 Safran ist in jeder Hinsicht sol-typisch, auch wenn seine Farbe und sein Geruch bei den Astrologen allen Grazien zugewiesen wird; 81 sein Geschmack aber gehört besonders zu Sol.
82 Schließlich gehört alles Duftende und Würzige, soweit es einen angenehmen Geruch bietet, ebenso zu Jupiter, Venus und Merkur wie zu Sol; 83 doch von diesen Stoffen gehören die schärferen eher zu Sol, die stumpferen zu Venus oder eher zu Merkur, zu Jupiter gehört alles hinsichtlich Geruch, Geschmack, Gehör, Gesicht und Tastsinn Gemäßigte. 
84 Ja, auch angenehme und eingängige Töne und Gesänge gehören zu allen Grazien und zu Merkur; 85 ganz bedrohliche aber und solche zum Weinen bevorzugen den Mars und den Saturn.
86 Neque vero mireris nos multum coloribus, odoribus, vocibus attribuere. 
87 Nam sapores quidem ad spiritum praecipue pertinent naturalem, odores autem potius ad vitalem animalemque, colores, figurae, voces ad animalem. 
88 Motus quoque animi vel laetus vel maestus vel constans spiritum ad similitudinem suam agitat vehementer: 89 animalem primo, per hunc vitalem, per hunc insuper naturalem. 90 Spiritus tandem omnis, quia ob naturam quodammodo igneam aeriamque omnino et lucidam atque mobilem similis est luminibus ideoque coloribus et vocibus aeriis et odoribus motibusque animi, ideo per haec subito in utramque partem movetur atque formatur. 
91 Et qualis evadit ipse, talem vicissim efficit quodammodo affectum animi et omnino corporis qualitatem. 92 Denique cum primum per illa, quae Gratiarum propria sunt, opportune Gratiis est expositus, utpote qui et naturaliter illis consentaneus erat, statim per illarum radios tum ubique vigentes, tum ipsi germanos mirifica reportat munera Gratiarum.
86 Wundere dich aber nicht, dass wir großen Wert auf Farben, Gerüche und Töne legen. 
87 Geschmack nämlich gehört vor allem zum natürlichen Atem, Gerüche aber zum vitalen und zum Seelenatem, Farben, Formen und Töne zum Seelenatem. 
88 Fröhliche, traurige oder beständige Geistesbewegung treibt den Seelenatem heftig zu einer vergleichbaren bei ihm: 89 zunächst den Seelenatem, durch diesen den vitalen und durch diesen obendrein den natürlichen. 90 Endlich wird jede Form von Atem, weil sie durch ihre irgendwie feurige, ganz luftige, leuchtende und bewegliche Natur den Lichtern und deswegen den Farben und luftigen Tönen, den Gerüchen und den Bewegungen des Geistes ähnlich ist, deswegen durch diese Phänomene nach beiden Seiten bewegt und geformt. 
91 Und so wie er selbst wird, solche Gestimmtheit des Geistes  bewirkt er irgendwie und insgesamt so eine Beschaffenheit des Körpers. 92 Sobald er schließlich durch jene Dinge, die den Grazien eigentümlich sind, zeitrichtig den Grazien ausgesetzt ist, da er ja naturgemäß mit ihnen im Einklang stand, zeitigt er sofort durch die Strahlen von jenen, die einerseits überall Kraft haben, andererseits mit ihm blutsverwandt sind, wunderbare Gaben der Grazien.

 

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