MARSILIUS FICINUS: DE VITA TRIPLICI

 

iii, 21

 

Cap. XXI: De virtute verborum atque cantus ad beneficium coeleste captandum, ac de septem gradibus perducentibus ad coelestia. Kap. 21: Über die Kraft von Wörtern und Gesängen, um himmlische Wohltat zu erreichen, und von den sieben Stufen zum Himmlischen.
1 Verba praeterea quaedam acriore quodam affectu pronuntiata vim circa imagines magnam habere censent ad effectum earum illuc proprie dirigendum, quorsum affectus intenduntur et verba. 
2 Itaque ad duos ardentissimo quodam amore conciliandos imaginem sub Luna coeunte cum Venere in Piscibus vel Tauro fabricabant, multis interim circa stellas verbaque curiosius observatis, quae referre non est consilium; 3 non enim philtra docemus, sed medicinas. 
4 Probabilius autem est effectus eiusmodi vel per Venereos daemonas confici his operibus verbisque gaudentes, vel per daemonas simpliciter seductores
5 Nam et Apollonium Theaneum saepe lamias deprehendisse et prodidisse ferunt, daemonas scilicet quosdam salaces Venereosque, qui formosas puellas simulent pelliciantque formosos, quos, ut serpens elephantem ore, sic illi illos ore, vulva pariter, exsugant ac prorsus exhauriant. 6 Sed haec Apollonius ipse viderit. 
1 Sie meinen außerdem, dass gewisse Wörter, mit etwas größerer Leidenschaft ausgesprochen, bezüglich der Amulette eine große Kraft haben, deren Wirkung auf besondere Weise dorthin zu lenken, wohin die Leidenschaft und die Worte gerichtet sind. 
2 Deshalb stellten sie, um zwei Menschen in brennendster Liebe zu vereinigen, ein Amulett während einer Konjunktion von Luna und Venus in den Pisces oder im Taurus her, wobei sie vieles, was zu Sternen und Wörtern gehört, recht genau beachteten, was zu referieren aber nicht meine Absicht ist; 3 wir lehren ja Medizin, nicht Liebestränke.
4 Wahrscheinlicher ist es aber, dass derartige Wirkungen entweder von Venus-Dämonen hervorgerufen werden, die ihre Freude an diesen Beschäftigungen und Wörtern haben, oder einfach von Verführungsdämonen. 
5 Sie erzählen nämlich, auch Apollonius von Tyana habe oft "Unholdinnen" erwischt und ans Tageslicht gebracht, d. h. gewisse geile Venus-Dämonen, die sich als schöne Mädchen ausgeben und schöne Knaben verlocken, die die Dämonen, wie eine Schlange einen Elephanten mit dem Maul, so mit dem Mund und zugleich ihrer Scheide aussaugen und geradezu erschöpfen. 6 Aber da soll Apollonius selbst zusehen.
7 In verbis autem certis vim esse certam atque magnam Origenes asserit Contra Celsum, et Synesius atque Alchindus de magia disputantes; 8 item Zoroaster vetans barbara verba mutari; 9 Iamblichus quoque similiter. 
10 Item Pythagorici verbis et cantibus atque sonis mirabilia quaedam Phoebi et Orphei more facere consueti. 11 Quod Hebraeorum antiqui doctores prae ceteris observarunt; 12 omnesque poetae miranda canunt carminibus effici. 
13 Et gravissimus ille Cato in Re rustica in curandis bestiarum morbis aliquando barbaris cantionibus utitur. 14 Sed praestat dimittere cantiones. 
15 Concentum vero illum, quo adolescens David Saulem ab insania redimebat, nisi mysterium iusserit ad divinitatem referri, referet forte aliquis ad naturam. 
7 Dass bestimmte Wörter aber eine bestimmte große Kraft enthalten, das bestätigt Origenes im Werk "Gegen Celsus" und Synesius und Al Kindi, wo sie über Magie sprechen; 8 ebenso Zarathustra, wenn er verbietet, fremde Wörter zu verändern; 9 ähnlich auch Jamblichus. 
10 Ebenso waren es die Pythagoräer gewohnt, mit Worten, Gesängen und Tönen gewisse wunderbare Dinge zu tun nach Art des Phöbus und Orpheus. 11 Die genannte Tatsache haben die alten Lehrer der Hebräer vor allem anderen beachtet; 12 und alle Dichter singen, dass Wunderbares durch Gesang bewirkt werde. 
13 Auch jener ganz sittenstrenge Cato gebraucht in seiner Schrift "De re rustica" bei der Behandlung von Tierkrankheiten manchmal fremde Zaubersprüche. 14 Aber es ist besser, mit den Zaubergesängen aufzuhören. 
15 Jenen harmonischen Klang aber, mit dem der junge David Saul vom Wahnsinn erlöste, wird vielleicht jemand auf natürliche Ursache beziehen, wenn die Heilige Schrift nicht befehlen würde, es auf die Gottheit zu beziehen. 
16 Cum vero pro septem planetarum numero septem quoque sint gradus, per quos a superioribus ad inferiora fit attractus, voces medium gradum obtinent et Apollini dedicantur. 
17 Infimum quidem tenent gradum materiae duriores, lapides atque metalla, ac Lunam referre videntur. 
18 Secundum in ascensu locum habent, quae ex herbis, arborum fructibus, gummis, membris animalium componuntur; 19 respondentque Mercurio, si ordinem in coelo sequimur Chaldaeorum
20 Tertium pulveres subtilissimi eorumque vapores ex praedictis electi odoresque simpliciter herbarum et florum et unguentorum ad Venerem pertinentes. 
21 Quartum verba, cantus, soni, quae omnia rite dedicantur Apollini, musicae prae ceteris auctori. 
22 Quintum vehementes imaginationis conceptus, formae, motus, affectus vim Martiam referentes. 
23 Sextum rationis humanae discursiones deliberationesque consulte pertinentes ad Iovem. 
24 Septimum secretiores simplicioresque intelligentiae quasi iam a motu seiunctae, coniunctae divinis, destinatae Saturno, quem merito Sabath Hebraei nomine quietis appellant. 
16 Da es aber entsprechend der Zahl der sieben Planeten auch sieben Stufen gibt, durch die Kontakt zwischen dem Oberen und dem Unteren hergestellt wird, besetzen die Töne die mittlere Stufe und sind dem Apoll geweiht.
17 Die unterste Stufe nehmen die härteren Stoffe, Steine und Metalle, ein und scheinen auf Luna zu verweisen. 
18 Den zweiten Platz in der Reihenfolge nach oben nehmen die Dinge ein, die aus Kräutern, Baumfrüchten, Gummi und Tiergliedern bestehen; 19 sie stehen mit Merkur in Beziehung, wenn wir der chaldäischen Ordnung folgen. 
20 Den dritten Platz nehmen die ganz feinen Pulver und deren Dämpfe, aus den oben genannten ausgelesen, und unvermischte Düfte von Kräutern, Blumen und Salben ein und sie gehören zu Venus. 
21 Den vierten: Wörter, Gesänge, Töne, was insgesamt zu Recht dem Apoll geweiht ist, dem maßgeblichen Urheber von Musik. 
22 Den fünften: starke Eindrücke der Vorstellungskraft, Formen, Bewegungen und Leidenschaften, und sie verweisen auf Mars. 
23 Den sechsten: Prozesse der menschlichen Vernunft und Überlegungen, sie gehören, reiflich erwogen, zu Jupiter. 
24 Den siebten: geheimere und einfachere Tätigkeiten der Intelligenz, die gleichsam schon ohne Bewegung ablaufen und dem Göttlichen verbunden sind; sie sind dem Saturn zugewiesen, den die Hebräer zu Recht "Sabath" mit dem Wort für "Ruhe" nennen.
25 Quorsum haec? 
26 Ut intelligas, quemadmodum ex certa herbarum vaporumque compositione confecta per artem tum medicam, tum astronomicam resultat communis quaedam forma, velut harmonia quaedam siderum dotata muneribus, sic ex tonis primo quidem ad stellarum normam electis, deinde ad earundem congruitatem inter se compositis, communem quasi formam fieri, atque in ea coelestem aliquam suboriri virtutem. 
27 Difficillimum quidem est iudicatu, quales potissimum toni qualibus conveniant stellis, quales item tonorum compositiones qualibus praecipue sideribus aspectibusque consentiant. 28 Sed partim diligentia nostra, partim divina quadam sorte non aliter id assequi possumus, quam Andromachus in theriaca componenda diutissime fatigatus ac tandem post diligentiam divina sorte consecutus theriacae virtutem. 29 Quod quidem contigisse divinitus Galienus et Avicenna confirmant. 
30 Immo vero totam medicinam exordium a vaticiniis habuisse testis est Iamblichus atque Apollonius Theaneus. 31 Ideoque Phoebum vatem medicinae praeponunt.
25 Wozu das Ganze? 
26 Damit du erkennst, dass so, wie aus einer bestimmten Zusammensetzung von Kräutern und Dämpfen, die entweder durch medizinische oder astronomische Kunst hergestellt wurde, sozusagen eine gemeinsam Form entsteht, gleichsam eine Harmonie, ausgestattet mit Geschenken der Sterne, dass so aus Tönen, die zuerst nach der Vorschrift der Sterne ausgesucht wurden, dann in Übereinstimmung mit diesen komponiert wurden, gleichsam eine gemeinsame Form entsteht und in ihr nach und nach eine bestimmte himmlische Kraft erwächst. 
27 Allerdings kann man nur sehr schwer beurteilen, welche Töne am besten zu bestimmten Sternen passen, ebenso, welche Tonkompositionen vor allem mit bestimmten Sternen und ihren Aspekten übereinstimmen. 28 Aber wir können das teils durch unsere Sorgfalt, teils durch eine Art göttliche Schickung nur so erreichen wie Andromachus, der zwar beim Zusammenstellen seines Theriaks sehr lange erschöpft war, aber endlich doch einen wirksamen Theriak erreicht hat - durch göttliche Schickung, nachdem er Sorgfalt hatte walten lassen. 29 Dass ihm das durch göttliche Hilfe zuteil wurde, bestätigen Galen und Avicenna. 30 Ja, dass sogar die gesamte Medizin ihren Anfang bei Sehersprüchen genommen hat, dafür sind Jamblichus und Apollonius von Tyana Zeugen. 31 Und deshalb stellen sie Phöbus, den Seher, an die Spitze der Medizin.
32 Tres vero potissimum regulas ad hoc afferemus, si prius admonuerimus, ne putes nos impraesentia de stellis adorandis loqui, sed potius imitandis et imitatione captandis. 
33 Neque rursum de donis agere credas, quae stellae sint electione daturae, sed influxu potius naturali. 34 Ad quem profecto multiplicem et occultum ita nos exquisitis studemus modis accommodare, sicut quotidie ad manifestum Solis lumen caloremque salubriter excipiendum nos ipsos accommodamus. 35 Aptare vero se ipsum ad occultas dotes eius atque mirificas solius sapientis est officium. 
32 Zu diesem Problem führen wir aber vor allem drei Regeln an, doch vorher wollen wir dich ermahnen, nicht zu glauben, wir sprächen im Moment über die Anbetung von Sternen, sondern lieber zu glauben, dass wir über deren Nachahmung und deren Erfassung durch Nachahmung sprechen. 
33 Und meine auch nicht, dass wir von Geschenken handeln, die die Sterne uns aufgrund einer Wahl geben werden, sondern eher aufgrund eines natürlichen Einflusses. 34 Diesem in der Tat vielfältigen und verborgenen Einfluss bemühen wir auf ausgesuchte Weise so zu entsprechen, wie wir uns täglich selbst dafür ausrichten, das sichtbare Licht Sols und seine Wärme auf gesunde Weise aufzunehmen. 35 Sich selbst aber bereit zu machen für
seine verborgenen und wunderbaren Gaben, das ist nur Aufgabe eines Weisen.
36 Sed iam ad regulas cantum sideribus accommodaturas perveniamus. 
37 Prima est exquirere, quas in se vires quosve ex se effectus stella quaelibet et sidus et aspectus habeant, quae auferant, quae ferant; 38 atque verborum nostrorum significationibus haec inserere, detestari, quae auferunt, probare, quae ferunt. 
39 Secunda considerare, quae stella cui loco maxime vel homini dominetur; 40 deinde observare, qualibus communiter hae regiones et personae tonis utantur et cantibus, ut ipse similes quosdam una cum significationibus modo dictis adhibeas verbis, quae sideribus eisdem studes exponere. 
41 Tertia situs aspectusque stellarum quotidianos animadvertere atque sub his explorare, ad quales potissimum sermones, cantus, motus, saltus, mores, actus incitari homines plerique soleant, ut talia quaedam tu pro viribus imiteris in cantibus coelo cuidam simili placituris similemque suscepturis influxum. 
36 Aber nun  wollen wir zu den Regeln kommen, die unseren Gesang den Sternen anpassen. 
37 Die erste ist: herauszufinden, welche Kräfte an sich oder welche eigenen Wirkungen jeder beliebige Stern, jedes Gestirn und jeder Aspekt hat, welche Kräfte etwas bringen oder nehmen; 38 und den Bedeutungen unserer Wörter folgendes einzufügen: diejenigen Kräfte zu verfluchen, die nehmen, die zu billigen, die bringen. 
39 Die zweite Regel: zu bedenken, welcher Stern über welchen Ort oder Menschen am meisten herrscht; 40 dann zu beobachten, welche Töne und Gesänge diese Gegenden und Personen normalerweise verwenden, um dann selbst ähnliche zusammen mit den eben genannten Bedeutungen den Worten hinzuzufügen, die du denselben Gestirnen aussetzen willst. 
41 Die dritte: die täglichen Positionen und Aspekte der Sterne festzustellen und unter diesen zu erforschen, zu welchen Gesprächen, Gesängen, Bewegungen, Tänzen, Verhaltensweisen und Handlungen die meisten Menschen gewöhnlich angefeuert werden, um derartiges nach Kräften nachzuahmen in deinen Gesängen, damit diese einer bestimmten gleichen Himmelskonstellation gefallen und ähnlichen Einfluss aufnehmen.
42 Memento vero cantum esse imitatorem omnium potentissimum. 
43 Hic enim intentiones affectionesque animi imitatur et verba, refert quoque gestus motusque et actus hominum atque mores; 44 tamque vehementer omnia imitatur et agit, ut ad eadem imitanda vel agenda tum cantantem, tum audientes subito provocet. 45 Eadem quoque virtute quando coelestia imitatur, hinc quidem spiritum nostrum ad coelestem influxum, inde vero influxum ad spiritum mirifice provocat. 
42 Sei dir aber bewusst, dass Gesang die allerwirksamste Nachahmung ist. 
43 Dieser ahmt nämlich die Bestrebungen und Leidenschaften des Menschen nach und seine Worte, er bringt auch wahrnehmbar die Gestik, Bewegungen und Handlungen der Menschen und ihre Verhaltensweisen zu Bewusstsein. 44 Und er ahmt alles so stark nach und führt es vor, dass er sowohl den Sänger als auch die Zuhörer sofort auffordert, dasselbe nachzuahmen und zu tun. 45 Wenn er mit derselben Kraft auch Himmlisches nachahmt, dann ruft er deswegen unseren Seelenatem zum himmlischen Einfluss, dann aber den Einfluss zum Seelenatem.
46 Iam vero materia ipsa concentus purior est admodum coeloque similior quam materia medicinae. 
47 Est enim aer et hic quidem calens sive tepens, spirans adhuc et quodammodo vivens, suis quibusdam articulis artubusque compositus sicut animal, nec solum motum ferens affectumque praeferens, verum etiam significatum afferens quasi mentem, ut animal quoddam aerium et rationale quodammodo dici possit. 
48 Concentus igitur spiritu sensuque plenus, si forte tum secundum eius significata, tum secundum eius articulos atque formam ex articulis resultantem, tum etiam secundum imaginationis affectum huic sideri respondeat aut illi, non minorem inde virtutem quam quaelibet alia compositio traicit in cantantem atque ex hoc in proximum auditorem, quousque cantus vigorem servat spiritumque canentis, praesertim si cantor ipse sit natura Phoebeus vehementemque habeat vitalem cordis spiritum atque insuper animalem. 
49 Sicut enim virtus ac spiritus naturalis ubi potentissimus est, mollit statim liquefacitque alimenta durissima atque ex austeris mox dulcia reddit, generat quoque extra se seminalis spiritus productione propaginem, sic vitalis animalisque virtus ubi efficacissima fuerit, ibi intentissima quadam sui spiritus per cantum tum conceptione agitationeque in corpus proprium potenter agit, tum effusione movet subinde propinquum; 50 afficitque cum suum tum alienum siderea quadam proprietate, quam tum ex ipsa sui forma, tum ex electa temporis opportunitate concepit. 
46 Nun aber ist der Stoff des harmonischen Gesangs in hohem Maße reiner und dem Himmel ähnlicher als der Stoff der Arznei. 
47 Es ist nämlich Luft, und zwar warme oder lauwarme, noch atmend und irgendwie lebendig, aus ihren sozusagen Gliedern und Gelenken zusammengesetzt wie ein Lebewesen, und bringt nicht nur Bewegung und vor allem Leidenschaft, sondern bringt auch einen Sinn gleichsam als seinen Geist herbei, so dass man die Harmonie eine Art luftiges und irgendwie vernunftbegabtes Lebewesen nennen kann. 
48 Wenn also ein harmonischer Gesang voller Seelenatem und Sinngehalt erstens entsprechend seiner Bedeutung, zweitens entsprechend seiner Glieder und der Form, die aus den Gliedern sich ergibt, drittens auch entsprechend der Leidenschaft seiner Imagination auf dieses oder jenes Gestirn antwortet, dann überträgt er keine kleinere Kraft als jede beliebige andere Komposition auf den Sänger und von diesem auf den Zuhörer in nächster Nähe, soweit eben der Gesang seine Kraft behält und den Atem des Sängers, zumal wenn der Sänger selbst von Natur aus phöbeisch ist und starken vitalen Atem vom Herzen hat und obendrein auch Seelenatem. 
49 Ebenso nämlich, wie natürliche Kraft und Atem, wenn sie sehr stark sind, sofort die härteste Nahrung erweichen und verflüssigen und Herbes bald süß machen und wie auch außerhalb von sich der besamenden Seelenatem produktiv Nachkommenschaft zeugt, so wirkt dort durch Gesang die vitale und seelische Kraft, wenn sie ganz wirkmächtig ist, entweder durch eine äußerst gespannte Vorstellung und Aktion ihres Seelenatems machtvoll auf den eigenen Körper ein, oder sie bringt dann durch ihr Verströmen einen Nachbarn in Bewegung; 50  sie verleiht dem eigenen und besonders dem fremden Körper gleichsam eine Gestirnsbesonderheit, die sie einerseits von ihrer eigenen Form, andererseits von dem erlesenen günstigen Zeitpunkt erhalten hat. 
51 Hac utique ratione Orientales Meridionalesque multi, praecipue Indi, admirandam feruntur in verbis habere potentiam, utpote qui magna ex parte Solares sunt. 
52 Vimque non naturalem dico, sed vitalem et animalem habent ferme omnium potentissimam, et quicunque in regionibus aliis maxime sunt Phoebei
53 Cantus autem hac virtute, opportunitate, intentione conceptus ferme nihil aliud est quam spiritus alter nuper penes spiritum tuum in te conceptus factusque Solaris et agens tum in te, tum in proximum potestate Solari. 
54 Si enim vapor et spiritus quidam aliquando per radios oculorum vel aliter foras emissus fascinare, inficere, aliterque afficere proximum potest, multo magis id valet spiritus ab imaginatione cordeque simul uberior profluens et ferventior motuque valentior; 55 ut non omnino mirum sit, morbos quosdam animi atque corporis sic auferri posse aliquando vel inferri, praesertim quoniam spiritus eiusmodi musicus proprie tangit agitque in spiritum inter corpus animamque medium et utrunque affectione sua prorsus afficientem. 56 Mirabilem vero in concitato canenteque spiritu vim esse concedes, si Pythagoricis Platonicisque concesseris coelum esse spiritum motibus tonisque suis omnia disponentem. 
51 Aus diesem Grund jedenfalls sollen viele Bewohner des Ostens und des Südens, vor allem Inder, bewundernswerte Kraft in ihren Worten haben, da sie ja zum Großteil solmäßig sind. 
52 Und ich sage, sie haben keine
natürliche Kraft, sondern die allerwirksamste vitale und seelische, sie und alle, die in anderen Gegenden in höchstem Maße phöbeisch sind. 
53 Ein Gesang aber, der mit dieser Kraft, in dieser günstigen Zeit und mit diesem Ziel begonnen wurde, ist praktisch nichts anderes als ein zweiter Sol-Atem, vor kurzem in deinem Seelenatem in dir empfangen und bald auf dich, bald auf deinen Nächsten einwirkend durch Sol-Macht. 
54 Wenn nämlich ein Dampf oder Seelenatem, der irgendwann einmal durch die Strahlen der Augen oder anderswie nach draußen geschickt worden ist, den Nächsten verhexen, befallen oder auf andere Art  beeinflussen kann, dann vermag das noch viel mehr ein Seelenatem, der aus der Vorstellungskraft und zugleich dem Herzen reichlicher und feuriger und bewegungskräftiger
hervorquillt; 55 so dass es überhaupt kein Wunder ist, dass auf diese Weise gewisse Geistes- und Körperkrankheiten einmal beseitigt oder auch verursacht werden können, zumal da ein derartiger musikalischer Seelenatem auf eigenartige Weise berührt und auf den Seelenatem einwirkt, der die Mitte zwischen Körper und Seele einnimmt und beide mit seiner Leidenschaft durchaus beeinflusst. 56 Du wirst aber zugeben, dass im erregten und singenden Seelenatem eine wunderbare Kraft vorhanden ist, wenn du den Pythagoräern und Platonikern zugestehst, der Himmel sei ein Geistwesen, das durch seine Bewegungen und Töne alles ordnet. 
57 Memento vero totam procedere musicam ab Apolline, atque eatenus Iovem esse musicum, quatenus est cum Apolline concors, Venerem insuper et Mercurium musicam vicinitate Apollinis reportare. 
58 Item ad hos quattuor duntaxat attinere concentus, tres vero reliquos voces quidem habere, non cantus. 
59 Iam vero voces tardas, graves, raucas, querulas Saturno tribuimus; 60 Marti vero contrarias, veloces acutasque et asperas et minaces, medias vero Lunae
61 Concentus autem Iovi quidem graves et intentos dulcesque et cum constantia laetos. 62 Contra Veneri cum lascivia et mollitie voluptuosos cantus adscribimus. 63 Inter hos vero medios Soli tribuimus et Mercurio. 64 Si una cum gratia suavitateque sunt venerabiles et simplices et intenti, Apollinei iudicantur. 65 Si una cum iucunditate remissiores quodammodo sunt, strenui tamen atque multiplices, Mercuriales existunt. 
57 Denke aber daran, dass die gesamte Musik von Apoll kommt und dass Jupiter soweit mit Musik zu tun hat, wie er mit Apoll in Eintracht lebt, und dass obendrein Venus und Merkur an Musik Anteil haben durch ihre Nachbarschaft zu Apoll. 
58 Und dass harmonische Gesänge lediglich zu diesen vier gehören, dass die drei anderen aber zwar Töne haben, aber keinen Gesang.
59 Die langsamen, tiefen, rauen und klagenden Töne weisen wir nun aber dem Saturn zu; 60 dem Mars aber die gegensätzlichen, die schnellen, hohen, derben und bedrohlichen, die Töne in der Mitte der Luna. 
61 Dem Jupiter weisen wir aber die tiefen, starken, süßen und beständig frohen harmonischen Gesänge zu. 62 Der Venus schreiben wir im Gegenteil mit ausgelassener Heiterkeit und Zartheit die vergnüglichen Gesänge zu. 63 Die in der Mitte von diesen befindlichen teilen wir Sol und Merkur zu. 64 Wenn sie zusammen mit Grazie und Süßheit ehrwürdig, einfach und stark sind, hält man sie für apollinisch. 65 Wenn sie zusammen mit Lieblichkeit irgendwie ein wenig lässiger sind, aber doch tüchtig und vielfältig, dann gehören sie Merkur.
66 Tu igitur horum quattuor unumquemque cantibus tibi suis conciliabis, praesertim si competentes cantibus sonos adhibeas; 67 adeo ut, cum eorum more opportune canendo et sonando clamaveris, responsuri protinus videantur vel instar echo vel sicut corda quaedam in cithara tremens, quotiens vibratur altera temperata similiter. 
68 Atque, ut vult Plotinus et Iamblichus, ita naturaliter id tibi continget e coelo, quemadmodum vel ex cithara reboatus sive tremor vel ex opposito pariete fit echo. 
69 Profecto quotiens ex frequenti quodam usu harmoniae Ioviae vel Mercurialis vel Venereae factae videlicet his regnantibus spiritus tuus ad hoc ipsum attentissime canens harmoniaeque conformatus evadit Iovius vel Mercurialis vel Venereus, interea Phoebeus evadit, siquidem Phoebi ipsius, musicae ducis, virtus in omni consonantia viget. 70 Atque vicissim ex cantu sonoque Phoebeo ipse Phoebeus evadens virtutem Iovis interim tibi vendicas et Veneris atque Mercurii. 71 Rursusque ex spiritu sic intus affecto similiter afficis animam atque corpus. 
66 Mach du dir also von diesen vier jeden einzelnen mit seiner Sangesart gewogen, zumal wenn du Töne verwendest, die zu ihren Gesängen passen; 67 so sehr, dass sie, wenn du auf ihre Weise zeitrichtig mit Singen und Klingen deine Stimme erhebst, anscheinend sofort antworten wollen entweder wie ein Echo oder wie eine in der Zither schwingende Saite, sooft eine andere, ähnlich gestimmte angeschlagen wird. 
68 Und, wie Plotin und Jamblichus wollen, das wird dir so auf natürliche Weise vom Himmel her zufallen, wie es bei der Zither zur Resonanz oder dem Schwingen oder bei einer gegenüberstehenden Wand zum Echo kommt. 
69 In der Tat wird dein Seelenatem, sooft er infolge häufigen Gebrauchs von Jupiter-, Merkur- oder Venusharmonien, die entstehen, wenn diese herrschen, selbst jupitermäßig, merkurmäßig oder venusmäßig wird, weil er gerade auf diese Klänge ganz aufmerksam lauschend singt und sich der Harmonie anpasst, bisweilen phöbusmäßig, da ja die Kraft gerade von Phöbus, des Führers in der Musik, in jeder Harmonie lebendig ist. 70 Und umgekehrt kannst du, durch den phöbeischen Gesang und Klang selbst phöbeisch geworden, die Kraft Jupiters, der Venus und des Merkur für dich beanspruchen. 71 Und weiterhin wirkst du von deinem Seelenatem her, auf den im Inneren so eingewirkt worden ist, auf Seele und Körper.
72 Memento vero orationem apte et opportune compositam et affectu sensuque plenam atque vehementem similem cantibus vim habere. 
73 Quantam in orando potentiam Damis et Philostratus habere sacerdotes quosdam Indos narrent, referre non expedit, nec etiam, quibus verbis Apollonium evocasse manes Achillis affirment. 74 Non enim loquimur nunc de numinibus adorandis, sed de naturali quadam potestate sermonis et cantus atque verborum. 
72 Denke aber auch daran, dass eine Rede, die man passend und zeitrichtig zusammengestellt hat, die voller Leidenschaft und Gefühl und ausdrucksstark ist, eine dem Gesang ähnliche Kraft hat. 
73 Welch große Macht im Reden nach Damis' und Philostratus' Erzählung gewisse indische Priester haben, das lohnt sich nicht zu berichten, auch nicht, mit welchen Worten Apollonius, wie sie versichern, die Manen des Achill heraufgerufen hat. 74 Denn wir sprechen jetzt ja nicht über die Anbetung von Gottheiten, sondern von einer sozusagen natürlichen Macht der Rede, des Gesangs und der Worte.
75 Esse vero Phoebeam medicamque in sono et eo quidem certo  potentiam ex eo patet, quod, qui in Apulia tacti phalangio sunt, stupent omnes semianimesque iacent, donec certum quisque suumque sonum audiat. 76 Tunc enim saltat ad sonum apte sudatque inde atque convalescit. 77 Ac si post annos decem similem audiverit sonum, subito concitatur ad saltum. 78 Sonum vero illum ex indiciis esse Phoebeum Iovialemque conicio.  75 Dass aber im Ton, und zwar in einem definierten, eine phöbeische und ärztliche Kraft vorhanden ist, wird daran klar, dass alle Leute in Apulien, die von einer Giftspinne berührt worden sind, gelähmt sind und halbtot herumliegen, bis ein jeder seinen definierten Ton hört. 76 Dann nämlich tanzt er passend zum Klang, schwitzt dadurch und gesundet. 77 Und wenn er zehn Jahre später denselben Klang hört, wird er sofort zum Tanz angeregt. 78 Ich vermute aber aus den Anzeichen, dass jener Klang phöbusmäßig und jupitermäßig ist.

 

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