MARSILIUS FICINUS: DE VITA TRIPLICI
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Cap. III: Litterati pituitae et atrae bili obnoxii sunt. |
Kapitel 3: Abhängigkeit der geistig Tätigen von feuchtem Schleim (Phlegma) und schwarzer Galle (Melancholie) |
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Non
solum vero membra illa viresque et spiritus homines litterarum cupidi
curare diligentissime debent, verum etiam pituitam semper et atram
bilem,
non aliter quam navigantes Scyllam atque Charybdim, cautissime devitare
iubentur. 2 Quantum enim reliquo corpore otiosi sunt, tantum cerebro ac
mente negotiosi. 3 Inde pituitam, quod Graeci phlegma, hinc atram bilem, quam iidem melancholiam vocant, gignere compelluntur. 4 Illa quidem ingenium saepe obtundit et suffocat, haec vero, si nimium abundaverit flagraveritque, assidua cura crebrisque deliramentis vexat animum iudiciumque perturbat, ut non immerito dici possit, litteratos fore et praecipue sanos, nisi cum pituita molesta est, et laetissimos sapientissimosque omnium, nisi bilis atrae vitio vel maerere saepe vel interdum desipere compellantur. |
1 Die sich um Wissenschaft bemühen, müssen nicht nur
jene genannten Glieder und Kräfte und die Arten von Seelenatem pflegen, sondern sie sind
auch gehalten, zu jeder Zeit den feuchten Schleim und die schwarze Galle
äußerst vorsichtig zu vermeiden, genau so wie Seeleute Skylla und
Charybdis. 2 In dem Maße, in dem sie mit dem restlichen Körper untätig sind,
sind sie mit Hirn und Geist geschäftig. 3 Mit dem ersten Verhalten müssen sie feuchten Schleim, den die Griechen "Phlegma" nennen, mit dem anderen schwarze Galle, die ebendiese als "Melancholie" bezeichnen, hervorbringen. 4 Der feuchte Schleim nun stumpft den Intellekt oft ab und erstickt ihn, wenn die schwarze Galle aber allzu sehr überhand nimmt und brennt, peinigt sie die Seele mit beständiger Sorge und häufigem Wahn und stört das Urteil, so dass man mit vollem Recht sagen kann, die Gebildeten sind sowohl besonders gesund, außer wenn der feuchte Schleim lästig ist, und die Fröhlichsten und Weisesten von allen, wenn sie nicht durch das Leiden der schwarzen Galle dazu getrieben werden, entweder oft zu trauern oder manchmal den Verstand zu verlieren. |