MARSILIUS FICINUS: DE VITA TRIPLICI

 

iii, 14

 

Cap. XIV: Ordines rerum a stellis pendentium, ut Solarium atque similium; et quomodo spiritus fiat Solaris. Kap. 14: Hierarchie der Dinge, die von den Sternen abhängen, z. B. der sonnenmäßigen oder ähnlicher, und wie der Seelenatem sonnenmäßig wird.
1 Dixi equidem alibi desuper ab unaquaque stella (ut Platonice loquar) seriem rerum illi propriam usque ad extrema pendere.  1 An anderer Stelle habe ich gesagt, dass von oben herab von einem jeden Stern, platonisch gesprochen, eine für jenen charakteristische Reihe von Dingen bis zu den letzten Dingen abhängt.
2 Sub ipso Scorpionis Corde post eiusmodi daemonas atque homines scorpiumque animal collocare possumus etiam herbam asterion, id est stellarem, figura stellae similem, nocte fulgentem, quam medici tradunt qualitatem habere rosae vimque contra morbos genitalium mirabilem possidere. 
3 Sub Serpente vel Serpentario coelesti Saturnum ponunt et quodammodo Iovem, postea daemonas, qui saepe serpentum formas induunt, similes insuper homines, serpentes animantes, serpentariam herbam, lapidem draconitem capite draconis natum, item communi nomine serpentinum, et praeterea, quae in sequentibus afferam. 
2 Unter den Antares können wir hinter die entsprechenden Dämonen und Menschen und das Tier Skorpion auch das Kraut Asterion, d. h. das Sternenkraut, stellen, an Gestalt einem Stern ähnlich, bei Nacht leuchtend, über das die Ärzte überliefern, es habe Rosenqualität und besitze wunderbare Kraft gegen Krankheiten der Geschlechtsorgane.
3 Unter die "Schlange" und den himmlischen "Schlangenträger" setzen sie Saturn und irgendwie Jupiter, dahinter Dämonen, die oft die Formen von Schlangen annehmen, obendrein ähnliche Menschen, lebende Schlangen, das Schlangenkraut, den Drachenstein, der dem Kopf eines Drachen entstammt, ebenso den, der gemeinhin "Serpentin" heißt, und außerdem das, was ich im folgenden beibringen werde.
4 Sub stella Solari, id est Sirio, Solem primo, deinde daemonas quoque Phoebeos, quos aliquando sub leonum vel gallorum forma hominibus occurrisse testis est Proculus, homines subinde persimiles bestiasque Solares, Phoebeas inde plantas, metalla similiter et lapillos et vaporem aeremque ferventem.  4 Unter den Sonnenstern, das ist den Sirius, setzen sie zunächst die Sonne, dann auch phöbeische Dämonen, die nach dem Zeugnis des Proklos unter der Gestalt von Löwen oder Hähnen den Menschen begegnet sind, dann ganz ähnliche Menschen und sonnenmäßige Tiere, dann phöbeische Pflanzen, ebenfalls Erze und Steine und brodelnden Dampf und Luft.
5 Simili ratione a qualibet firmamenti stella per aliquem planetam existimant contextum rerum gradatim sub illius proprietate descendere. 
6 Si igitur, ut dicebam, Solaria omnia per gradum eius ordinis quemlibet opportune comprehenderis - homines videlicet tales vel talis hominis aliquid, item bruta, plantas, metalla, lapillos et quae ad haec attinent -, virtutem Solis usquequaque combibes et quodammodo naturalem Solarium daemonum facultatem. 
7 Similiterque de aliis dictum puta.
5 In gleicher Weise, glauben sie, steigt von jedem beliebigen Stern des Firmaments durch einen bestimmten Planeten das Gewebe der Dinge stufenweise, geprägt von seiner Eigenschaft herab. 
6 Wenn du also, wie gesagt, alles Sonnenmäßige auf jeder Stufe seiner Ordnung zeitrichtig ergreifst - d. h. solche Menschen und etwas eines solchen Menschen, ebenso das nicht Denkfähige: Pflanzen, Erze, Steine und was zum Sonnenmäßigen gehört -, dann wirst du allenthalben die Kraft der Sonne in dich aufnehmen und irgendwie die natürliche Wirkkraft der Sonnendämonen. 
7 Glaube, dass von den anderen dasselbe gesagt sei.
8 Solares quidem homines sunt, quales antea dixi, et qui ascendente Leone Soleque hunc vel tenente vel aspiciente nascuntur et qui sub Ariete similiter. 
9 Solaris est et sanguis e sinistro eorum bene valentium bracchio missus. 
10 Phoebeus crocodillus, astur, leo, gallus et cygnus et corvus. 
11 Nec alia ratione leo veretur gallum, nisi quoniam in ordine Phoebeo gallus est leone superior. 
12 Eadem ratione inquit Proculus Apollineum daemonem, qui nonnunquam apparuit sub figura leonis, statim obiecto gallo disparuisse. 13 Maxime vero in his animalibus cor est Solare.
8 Sol-Menschen sind also die, die ich oben genannt habe und die beim Aufgang des Leo und bei dessen Konjunktion oder Aspekt mit Sol geboren werden und in gleicher Weise im Aries. 
9 Sonnenmäßig ist auch das Blut, das man aus dem linken Arm gesunder Sol-Menschen herauslässt. 
10 Phöbeisch sind Krokodil, Sperber, Löwe, Hahn, Schwan und Rabe. 
11 Und nur aus dem Grund fürchtet der Löwe den Hahn, weil in der phöbeischen Rangordnung der Hahn über dem Löwen steht. 
12 Aus demselben Grund, sagt Proklos, sei ein Sol-Dämon, der manchmal in Gestalt eines Löwen erschien, als man ihm einen Hahn vorgehalten habe, sofort verschwunden. 13 Bei diesen Tieren ist aber das Herz am meisten sonnenmäßig. 
14 Arbitror etiam marinum vitulum coelestis Leonis Cordi subesse, et hac ipsa ratione corium eius, quem cingit nudum fibula eiusdem osse confecta, a renum dolore redimere. 15 Nam contra dolorem eiusmodi solent astrologi sideris illius influxibus uti. 16 Eadem forte ratione fertur haec pellis a fulgure nos tueri.  14 Ich glaube, auch die Robbe ist dem Herzen des himmlischen Löwen unterworfen und aus diesem Grund erlöse ihr Fell den, den eine Fibel aus Robbenknochen ohne weiteren Schmuck umschließt, von Nierenschmerz. 15 Denn gegen einen derartigen Schmerz gebrauchen die Astrologen gewöhnlich den Einfluss jenes Sterns. 16 Aus vielleicht demselben Grund soll uns dieses Fell gegen Blitzschlag schützen. 
17 Inter plantas palma Phoebea est et imprimis laurus, qua virtute venenosa repellit et fulgur. 
18 Fraxinus quoque simili facultate venenosa longius arcet. 
19 Loton esse Phoebeam rotunda tum folia, tum poma testantur et explicatio foliorum eius die, replicatio nocte. 
20 Paeoniam Phoebeam esse non solum virtus indicat, sed et nomen.  
21 Ad idem attinent flores et herbae, quae restringuntur abeunte Sole, redeunte protinus explicantur et ad Solem continue vergunt. 22 Aurum praeterea et lapis elitis radiis aureis Solem imitans; 23 lapis item, qui Solis oculus appellatur figuram habens pupillae, ex qua lumen emicat; 24 rursum carbunculus nocte rutilans vel pantaura omnes in se lapidum vires continens, ut aurum metallorum et Sol stellarum. 
25 Multa denique in superioribus nobis significata. 
17 Unter den Pflanzen gehört die Palme und besonders der Lorbeer dem Phöbus; mit dieser Kraft ist der ein Mittel gegen Giftiges und gegen Blitzschlag. 
18 Mit ähnlichem Vermögen hält auch die Esche Giftiges recht weit ab. 
19 Dass Lotus phöbeisch ist, bezeugen zum einen die runden Blätter, dann die runden Früchte und die Tatsache, dass sich seine Blätter bei Tag auf- und bei Nacht einrollen. 
20 Dass die Pfingstrose phöbeisch ist, das zeigt nicht nur ihre Kraft, sondern auch ihr Name. 
21 Hierher gehören auch Blumen und Pflanzen, die sich beim Weggang der Sonne schließen, bei ihrer Rückkehr sich sofort entfalten und sich immer nach der Sonne richten. 22 Außerdem Gold und der Stein "Helitis", der mit goldenen Strahlen die Sonne nachahmt; 23 ebenso der Stein namens "Sonnenauge", der die Form einer Pupille hat, aus der das Licht funkelt; 24 wiederum der Rubin, der bei Nacht rötlich schimmert, und der Pantherstein, der die Kräfte aller Steine so enthält wie Gold die der Metalle und Sol die der Sterne. 25 Schließlich habe ich vieles an früheren Stellen angesprochen.
26 Unde si modo liceat, sub imperio Solis ex illo sanguine et animalium illorum cordibus et foliis fructibusque arborum praedictarum, item floribus atque herbis et auri foliis, necnon pulveribus lapillorum electuarium vel unguentum conficere poteris, addito croco, balsamo, calamo aromatico, thure, musco, ambra, ligno aloes, zinzibere, mastice, spica nardi, cinnamomo, doronico, citri cortice, zedoaria, nuce muscata, mace, gariophylis cum melle flavo vel oleo balsamino, masticeo, laurino, nardino; 27 ad cor et stomachum et caput intus aut extra fovendum, ut spiritus inde Solaris evadat. 
28 Ex his omnibus inquam aut saltem ex pluribus componendum dominante Sole aliquid. 
29 Quo etiam sub eiusdem dominatu incipias uti, dummodo et Solaria induas, habites, conspicias, audias, olfacias, imagineris, cogites, cupias. 30 Item imiteris et vita dignitatem et munera Solis. 31 Inter Solares homines plantasque verseris laurumque assidue tangas. 
26 Deshalb kannst du, wenn es nur erlaubt ist, unter Sols Herrschaft aus jenem Blut und den Herzen jener Tiere und den Blättern und Früchten der obgenannten Bäume, außerdem aus den Blumen und Kräutern und Goldblättern und besonders aus dem Pulver der Steine eine Latwerge oder eine Salbe bereiten, wobei du Safran, Balsam, Kalmus, Weihrauch, Bisam, Ambra, Aloeholz, Ingwer, Mastix, Narde, Zimt, Gemswurz, Zitronenrinde, Zittwer, Muskatnuss und Nelke mit blondem Honig oder Balsam-, Mastix-, Lorbeer- oder Nardenöl zugeben sollst; 27 um Herz, Magen und Kopf inwendig oder äußerlich zu wärmen, damit dadurch ein sonnenmäßiger Seelenatem entsteht. 
28 Das Präparat muss man, sage ich, aus diesen allen oder wenigstens aus den meisten während Sols Herrschaft zusammenmischen. 
29 Fange auch an, das während der Herrschaft desselben zu verwenden, und ziehe, wenn möglich, Sonnenmäßiges an, wohne dort, betrachte, höre, rieche Sonnenmäßiges, stelle dir solches vor, denke an es, wünsche es. 30 Ahme ebenso mit deinem Leben die Würde und die Geschenke Sols nach. 31 Halte dich bei Sol-Menschen und unter Sol-Pflanzen auf und berühre ständig Lorbeer.
32 Tutius autem ad valetudinem fuerit Solaribus admiscere Iovialia simul atque Venerea – Veneream maxime humiditatem, Solaris caloris moderatricem, qualis est aqua succusque rosarum atque violarum. 
33 Sed medicinas eiusmodi in libro De curandis litteratis primum, deinde in libro De vita longa partim equidem composui, partim ab aliis compositas enarravi, partim etiam temperavi. 
34 Item quales herbae a Sole Ioveque miras contra epidemiam et venenum vires habeant, diximus in libro Contra pestem, inter quas perforata fuga daemonon appellata est. 35 Nec alia facultate quam coelestium Gratiarum noxios malorum daemonum vapores a nobis arcere putatur. 36 Et si qua inter herbas alia vel lapillus ut corallus, idem videatur efficere. 
37 Herba profecto Lunaris
a Mercurio tradita foliis caeruleis atque rotundis, crescente Luna unum quotidie producens folium, decrescente deponens, annos utenti promittit Lunares. 
32 Für die Gesundheit wird es aber wohl sicherer sein, in die Sonnenstoffe zugleich Jupitermäßiges und Venusmäßiges hineinzumischen - vor allem die Feuchtigkeit der Venus, da sie ja die Sonnenhitze mildert, wozu Wasser und Saft von Rosen und Veilchen gehören. 
33 Aber derartige Arzneien habe ich zuerst in meinem Buch "Über die Sorge für die geistig Tätigen", dann im Buch "Vom langen Leben" teils selbst zusammengestellt, teils welche aufgezählt, die andere zubereitet haben, teils habe ich sie auch gemildert. 
34 Außerdem habe ich in meinem Buch "Gegen Seuchen" dargelegt, welche Kräuter von Sol und Jupiter wunderbare Kräfte gegen Epidemie und Gift erhalten haben, unter denen das Johanniskraut "Dämonenflucht" genannt wird. 35 Denn man glaubt, es könne nur mit der Macht der himmlischen Grazien die schädlichen Dämpfe der bösen Dämonen von uns abhalten. 36 Und wenn irgendein anderes Kraut oder ein Stein wie der Korall (abwehren kann), dann scheint dieselbe Kraft zu wirken. 
37 In der Tat verspricht ein Luna-Kraut, von Hermes überliefert, mit runden, blauen Blättern, das bei zunehmendem Mond täglich ein Blatt hervorbringt, bei abnehmendem es wieder ablegt, dem, der es verwendet, mondmäßige Jahre.
38 Sed iam ad imagines altero quodam exordio redeamus. 38 Aber lasst uns nun in einem zweiten Anfang zu den Amuletten zurückkehren.

 

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