MARSILIUS FICINUS: DE VITA TRIPLICI

 

ii, 15

 

Cap. XV: Mercurius alloquitur senes et consulit eis circa voluptatem, odores, cantus, medicinas. Kapitel 15: Merkur spricht die Alten an und berät sie bezüglich Vergnügen, Düften, Gesängen und Arzneien
1 Interea dum inter senes ipsa quasi Venus confabularetur, forte quidem hactenus satis belle, deinceps vero prolixius forsan fabulatura foret. 
2 Sermonem hunc his Mercurius vocibus, sermonum auctor, interpellat
3 "Quidnam vobis est cum Venere istac semper puella, senes? 4 Quid rursum Veneri cum sermonibus? 5 Nonne mei simul atque vestri sunt sermones? 6 Mea ratio pariter atque vestra? 
7 Audite me igitur eadem nunc attentione qua illam, et multo maiore insuper attentione quam Venerem. 
8 Quinque scitis esse sensus: 9 visum, auditum, olfactum, gustum, tactum. 10 Esse rursum quinque (ut ita dixerim) discite rationes. 11 Dum enim per quinque sensus quotidie imbuitur vobis animus rationesque inde rerum ipse concipit, interea notiones habitusque ad res iudicandas quinque, tanquam rationes quinque resultant. 
1 Während nun unter den Alten Venus sich gleichsam persönlich unterhielt, sprach sie zwar bis hierher vielleicht nett genug, hätte danach aber vielleicht allzu weitschweifig weiter erzählt.
2 Merkur, der Urheber von Vorträgen,  unterbricht den vorigen Vortrag mit folgender Rede: 
3 "Was habt ihr, alte Männer, denn mit dieser Venus da, dem ewigen Mädchen, zu schaffen? 4 Was andererseits Venus mit Vorträgen? 5 Sind Vorträge nicht meine und eure Angelegenheit? 6 Die Vernunft meine Sache ebenso wie eure?
7 Hört mir also mit derselben Aufmerksamkeit zu, wie ihr dieser gelauscht habt, nein, mit noch viel größerer Aufmerksamkeit!
8 Ihr wisst, es gibt fünf Sinne: 9 Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten. 10 Lernt wiederum, dass es sozusagen fünf Arten von Vernunft gibt. 11 Denn wenn durch die fünf Sinne euer Geist täglich benetzt wird und er durch sie die Gründe der Welt erfasst, ergeben sich inzwischen fünf Wahrnehmensweisen und Verhaltensweisen, um die Welt zu beurteilen, gleichsam fünf Arten von Vernunft.
12 Praeterea sicut quinque hinc quidem sunt sensus, inde vero quodammodo rationes, ita vitae tenor quinque gradibus circa sensum rationemque disponitur. 13 Unde quinque numerantur aetates
14 prima quidem sensu tantum trahitur, 
secunda sensu magis admodum allicitur quam ratione ducatur, tertia post haec alternis pariter rationis et sensus persuasionibus agitur, 
quarta ratione potius quam sensu ducitur, 
quinta tandem ratione tantum regi debet. 
15 Prima igitur aetas atque secunda, tanquam subiecta Veneri, Venerem, si placet, loquentem audiat, reliquae vero Mercurium. 16 Ego igitur reliquos vos omnes alloquor non pro me quidem tantum, sed pro Diana etiam hac, quam ad sinistram meam cernitis.
17 Nempe cum haec elinguis sit, ego vero bilinguis, iure pro hac ipsa, cuius ego linguam habeo, loquor. 
12 Wie es außerdem hier fünf Sinne und dort aber irgendwie fünf Arten von Vernunft gibt, so ist der Lebensgang in fünf Stufen, auf Sinnen und Vernunft bezogen, angelegt. 13 Deswegen zählt man fünf Lebensalter: 
14 das erste lässt sich nur von den Sinnen leiten, 
das zweite wird mehr von den Sinnen ganz verlockt als von Vernunft geführt, 
das dritte wird nach diesen von abwechselnder Überzeugungskraft der Vernunft und der Sinne gleichmäßig getrieben, 
das vierte lässt sich lieber von Vernunft als von den Sinnen leiten, und das fünfte endlich darf nur von Vernunft gelenkt werden. 
15 Das erste und zweite Alter soll also, wenn's recht ist, als Untertanen der Venus deren Worten lauschen, die übrigen aber dem Merkur. 16 Ich also spreche euch alle an, die ihr übrig seid, nicht nur für mich, sondern auch für diese Diana, die ihr zu meiner Linken seht.
17 Da diese freilich zungenlos ist, ich aber doppelzüngig bin, spreche ich zu Recht für gerade diese, deren Zunge ich habe.
18 Unam profecto noxiamque Venus vobis indidit voluptatem, qua noceret quidem vobis, prodesset vero futuris, exhauriens paulatim vos per latentem quandam quasi fistulam, aliudque vestris liquoribus implens atque procreans, vos tandem quasi vetustum quoddam spolium cicadarum iam exhaustum humi relinquens, cicadae interim teneriori prospiciens. 
19 Nonne videtis, quod Venus de materia vestra generat, esse recens quiddam et vivum sensuque praeditum? 20 Surripit ergo vobis iuventutem et vitam atque sensum ex toto, inquam, corpore per totius voluptatem, ut efficiat inde totum. 
21 Ego interim materiae illius, quae quartae digestioni superest, qualitate monitus, vos commoneo alimenta similiter quarta digestione cocta plurimum vitae vestrae succurrere: 22 ovum recens videlicet, integrum et sorbile una cum saccharo exiguoque croco, lac humanum vel suillum vel caprinum cum pauculo melle sumptum. 
23 Atque haec duo tunc salubriora sunt, quando nativo adhuc calore flagrant. 24 Et si ovum aliam mox cocturam desiderare videtur, praesertim in stomacho minus valido, sed leviter est coquendum.
18 In der Tat hat euch Venus eine Art Freude, und zwar eine schädliche eingegeben, um mit ihr euch zu schaden, der Nachwelt aber zu nützen, indem sie euch allmählich aussaugt mittels eines verborgenen, um es so zu sagen, Röhrchens und anderes mit euren Säften füllt und es hervorbringt, euch endlich als gleichsam alte abgezogene Zikadenhaut schon erschöpft am Boden liegen lässt und dabei für eine zartere Zikade sorgt. 
19 Seht ihr nicht, dass das, was Venus aus eurer Materie hervorbringt, etwas Frisches, Lebendiges, mit Sinnen Begabtes ist? 20 Sie stiehlt euch also Jugend, Leben und Sinne aus eurem - ich betone es - ganzen Körper durch die Freude des ganzen Körpers, um damit ein Ganzes zu schaffen. 
21 Aufgefordert durch die Beschaffenheit jener Materie, die von der vierten Verdauung übrig bleibt, erinnere ich euch, dass die Nahrung, die ähnlich bei der vierten Verdauung verdaut wurde, eurem Leben hilft: 22 natürlich ein frisches, unversehrtes, weiches Ei, zusammen mit Zucker und ein wenig Safran, Menschen-, Schweine- oder Ziegenmilch, mit ein wenig Honig eingenommen.
23 Und diese zwei sind dann gesünder, wenn sie noch die Wärme, wie sie entstanden sind, haben. 24 Und wenn das Ei bald eine andere Verdauung zu wünschen scheint, vor allem in einem allzu schwachen Magen, muss es gekocht, aber leicht gekocht werden.
25 Verum ut parumper ad Venerem redeamus, si quando vidistis Venerem, iuvenilem admodum vidistis et quasi meretriciis fucis et ornatibus expolitam. 
26 Haec ergo, quae nova semper est, nova semper affectat, odit vetera. 27 Facta destruit, unde construat facienda. 28 Haec rursum, si dictu fas est, quasi meretrix non uno quovis est contenta viro, vulgus amat et, ut dialectice loquar, speciei passim potius quam individuo suffragatur. 29 Iam vero neque tactu tantum vos praecipitat, sed etiam gustu, fallit quotidie perditque deceptos. 
30 Quos enim vos in rebus sapores percipitis, mediocri quadam temperie gratos, hos Diana haec Apollinis Iovisque munere tradidit. 31 Illecebras vero saporum miras, quibus quotidie velut hamo capti clam miseri vitam perditis, Venus insidiosa fabricat. 
25 Um aber kurz auf Venus zurückzukommen, so habt ihr sie, wenn ihr sie einmal gesehen habt, ganz jung und gleichsam mit Hurenschminke und -schmuck herausgeputzt gesehen. 
26 Also hasst diese, die immer neu ist, die immer auf Neues aus ist, das Alte. 27 Geschehenes macht sie zunichte, um dann aufzubauen, was geschehen soll. 28 Außerdem ist diese, wenn man so sagen darf, gleichsam als Hure nicht mit einem beliebigen Manne zufrieden, sie liebt die Volksmasse und, um es dialektisch zu sagen, begünstigt überall eher die Gattung als die einzelne Person. 29 Aber nicht nur durch den Tastsinn stürzt sie euch hinab, sondern auch durch den Geschmack; sie täuscht täglich und richtet die Getäuschten zugrunde. 
30 Denn die Gerüche, die ihr an den Dingen wahrnehmt und die durch ihre ausgewogene Mischung angenehm sind, die hat euch diese Diana mit Apolls und Jupiters Geschenk überreicht. 31 Aber die seltsamen Verlockungen der Gerüche, durch die ihr täglich, wie am Angelhaken gefangen, ohne es zu merken und elend euer Leben verliert, die erzeugt die hinterhältige Venus. 
32 Quid igitur Martem incusatis? 33 Quid Saturnum? 34 Mars quidem raro admodum vobis palamque nocet. 35 Saturnus quoque saepius vultu se profitetur hostem, nocet tardius, tempusque remediis nulli negat. 
36 Sola Venus palam ut amica venit, clam inimica venit. 37 Hanc igitur incusate potius, si quem inter superos incusare licet. 38 Ad multiplices huius insidias tum oculis Argivos ipsos instruite, tum Palladis clipeo vos munite. 39 Aures autem ad blandas pollicitationes eius tanquam ad letales Syrenum cantus obstruite. 40 Hunc denique providentiae florem a me accipite, quo Circes huius veneficia devitetis. 
32 Warum klagt ihr also Mars an? 33 Warum Saturn? 34 Mars schadet euch ganz selten und so, dass ihr es merkt. 35 Auch Saturn bekennt sich öfters durch seinen Gesichtsausdruck als Feind, schadet aber nur langsam, verweigert keinem die Zeit, ein Gegenmittel zu besorgen. 
36 Nur die Venus kommt nach außen hin als Freundin, kommt aber im Verborgenen als Feindin. 37 Klagt also lieber diese an, wenn man einen von den Göttern anklagen darf. 38 Stellt gegen deren vielfältige Fallen bald mit euren Augen die Argiver selbst auf, wappnet euch bald mit dem Schild der Pallas. 39 Verstopft aber eure Ohren gegen deren schmeichelnde Versprechungen wie gegen die tödlichen Sirenengesänge. 40 Empfangt schließlich diese Blume der Vorsicht von mir, mit der ihr das Gift dieser Kirke vermeiden könnt. 
41 Haec vobis duas vix tandem et has quidem letiferas pollicetur voluptates potius quam largitur; 42 ego vero beneficio patris atque fratris quinque promitto vobis, quinque praesto puras, perpetuas, salutares, quarum infima est in olfactu, superior in auditu, sublimior in aspectu, eminentior in imaginatione, in ratione excelsior atque divinior. 
43 Quo maior delectatio in tangendo percipitur atque gustando, eo vitae gravius frequenter accidit detrimentum. 44 Contra vero quanto maiorem in olfactu voluptatem et auditu atque visu, item imaginatione et saepe ratione quotidie reportatis, tanto fila vitae longiora producitis.
41 Diese verspricht euch endlich eher kaum diese zwei - und zwar tödliche - Freuden, als sie sie euch tatsächlich schenkt; 42 ich dagegen verspreche euch mit der wohltuenden Hilfe meines Vaters und Bruders fünf; fünf reine, dauernde, heilbringende Freuden garantiere ich euch, deren unterste im Geruch, die höhere im Gehör, die wieder höhere im Sehen, die nächste bei der Vorstellung und die höchste und göttlichste in der Vernunft liegt. 
43 Je größere Freude man beim Tasten und Schmecken empfindet, zu desto schwerer wiegendem Schaden kommt es danach. 44 Im Gegenteil aber spinnt ihr desto längere Lebensfäden, je größere Freude ihr beim Riechen, Hören und Sehen, ebenso durch die Vorstellungsgabe und oft durch die Vernunft täglich erhaltet.
45 Verum sicut in blandimentis tangendi atque gustandi cavendam vobis subdolam admonui Venerem, sic in ipsa secretiore nimisque assidua contemplativae mentis delectatione cavete Saturnum; 46 illic enim frequenter filios ipse suos devorat. 47 Nam quos sublimiorum contemplationum suarum rapit illecebris et illic agnoscit ut suos, hos interim, si modo diutius gradum ibi sistant, falce quadam e terris amputat terrenamque incautis vitam saepe surripit.  45 Aber ebenso wie ich euch ermahnt habe, euch bei den Verlockungen des Tastens und Schmeckens vor der hinterlistigen Venus zu hüten, hütet euch so bei der verborgeneren und allzu beständigen Freude eines kontemplativen Geistes vor Saturn; 46 dort nämlich verschlingt er häufig seine eigenen Kinder. 47 Denn die Leute, die er mit den Verlockungen seiner höheren Betrachtungen dahinreißt und dort als seine Kinder gleichsam anerkennt, diese schneidet er, wenn sie nur allzu lange dort verharren, mit einer gewissen Sichel von der Erde weg und nimmt ihnen oft, wenn sie nicht aufpassen, das irdische Leben weg.
48 Hoc saltem Venere interim indulgentior, quod Venus quidem vitam, quam tibi detrahit, donat alteri, nihil tibi pro detrimento restituens; 49 Saturnus autem pro vita terrena, a qua separatus ipse te denique separat, coelestem vitam reddit atque sempiternam. 
50 Hoc ipso similes esse videntur inter se Venus atque Saturnus, qui sane quam Aquario gaudet tam regnat in Libra, quod homines et hic et illa generandi libidine vexat, nocetque vexatis, ut inde posteritati prosit. 51 Sed haec quidem fecundat corpus stimulatque fecundum; 52 ille mentem suo semine gravidam urget ad partum. 53 Vos igitur proverbii memores, ne quid nimis, assiduis prudentiae frenis parturientis utriusque libidinem cohibete. 
54 Tametsi multo citius graviusque ille laedit, quos taedio, torpore, maerore, curis, superstitione premit, quam quos supra vires corporis moresque mortalium elevat ad excelsa.
48 In diesem Punkt ist er aber manchmal gnädiger als Venus, weil Venus das Leben, das sie dir nimmt, einem anderen schenkt und dir für den Schaden keinen Ersatz leistet; 49 Saturn aber gibt für das irdische Leben, von dem er getrennt ist und von dem er dich schließlich trennt, ewiges, himmlisches Leben zurück. 
50 Gerade in folgendem Punkt scheinen sich Venus und Saturn zu ähneln - der freilich so in der Libra regiert, wie er sich über Aquarius freut -, dass sowohl dieser als auch jene die Menschen durch das Verlangen zu zeugen peinigen und den Gepeinigten schaden, um dann der Nachwelt zu nützen. 51 Aber diese befruchtet den Körper und stachelt den schwangeren an; 52 jener aber drängt den von seinem Samen schwangeren Geist zur Geburt. 53 Seid also ihr des Sprichworts "Nichts im Übermaß!" eingedenk und zügelt mit den beständigen Zügeln der Klugheit das Verlangen der beiden "Schwangeren". 
54 Trotzdem verletzt jener viel schneller und schwerer diejenigen, die er mit Lebensekel, Apathie, Trauer, Sorgen und Wahn bedrängt, als diejenigen, die er über die normalen Körperkräfte und das menschliche Normalverhalten hinaus zum Hohen erhebt.
55 Omnino vero servate, moneo, quod aequus Iuppiter Pythagoram docuit et Platonem: 56 humanam vitam in quadam aequali animae ipsius cum corpore proportione servari, utrunque suis quibusdam alimentis et exercitationibus ali ac similiter augeri. 57 Si quis alterutrum educatione praecipue sua multo robustius altero tandem efficit, non mediocrem facit vitae iacturam. 58 Propterea quicunque inter res medicorum arte laudatas potissimum eas eligit, quae corpori simul et ingenio prosunt, maximum vitae sibi vendicat adiumentum. 
59 In earum vero numero vinum, mentam, myrobalanum, muscum, ambram, zinziber recens, thus, aloem, hyacinthum similesque lapillos herbasve consimiles esse putate, et quae ad utriusque utilitatem a medicis pariter componuntur.
55 Bewahrt aber insgesamt, so ermahne ich euch, das, was der in seinem Verhalten ausgeglichene Jupiter den Pythagoras und den Platon gelehrt hat: 56 das Menschenleben in einer gewissen Ausgewogenheit zwischen Körper und Seele zu halten und beide mit ihrer jeweiligen Nahrung und dem jeweiligen Training zu nähren und in ähnlicher Weise zu fördern. 57 Wenn jemand den einen von beiden schließlich mit einer besonders eigenen Erziehung viel stärker macht als den anderen, bewirkt er keinen geringen Lebensverlust. 58 Deshalb nimmt jeder, der unter den von der Heilkunst gelobten Dingen vor allem die auswählt, die dem Körper und dem Geist zugleich nützen, für sich die größte Lebenshilfe in Anspruch. 
59 Glaubt aber, dass sich darunter Wein, Minze, Myrobalanen, Bisam, Amber, frischer Ingwer, Weihrauch, Aloe, Hyazinth und ähnliche Steine oder ganz ähnliche Kräuter befinden und die Dinge, die in gleicher Weise von den Ärzten zu beider Nutzen zusammengesetzt werden.
60 Sed longioribus his quandoque interceptis ambagibus, ego quoque medicus huc accessi. 
61 Si sapores ex rebus accepti non ultra viventibus, item odores ex aromatis iam siccis vitaque vacuis multum ad vitam conferre censentur, quidnam dubitatis odores ex plantis radicibus adhuc suis haerentibus viventibusque mirum in modum vitae vires accumulaturos? 62 Denique si vapores exhalantes ex vita duntaxat vegetali magnopere vitae vestrae prosunt, quantum profuturos existimatis cantus aerios quidem spiritui prorsus aerio, harmonicos harmonico, calentes adhuc vivosque vivo, sensu praeditos sensuali, ratione conceptos rationali. 
63 Hanc ergo vobis a me fabricatam trado lyram cantumque cum ipsa Phoebeum, solamen laborum, diuturnae vitae pignus. 64 Sicut enim res qualitate temperatissimae simulque aromaticae tum humores inter se, tum spiritum naturalem secum ipso contemperant, sic odores eiusmodi vitalem spiritum, sic rursum similes quoque concentus spiritum animalem. 65 Dum igitur fides in lyra sonosque, dum tonos temperatis in voce, similiter spiritum vestrum intus contemperari putate.
60 Aber ich unterbreche jetzt die allzu langen Abschweifungen: ich bin auch als Arzt hierher gekommen. 
61 Wenn man meint, dass Wohlgerüche von nicht mehr lebenden Dingen, ebenso Düfte von schon trockenen und leblosen Gewürzen viel zum Leben beitragen, warum bezweifelt ihr dann, dass Düfte aus Pflanzen, die noch an ihren Wurzeln hängen und leben, auf wunderbare Weise die Lebenskräfte anhäufen? 62 Wenn schließlich Dämpfe, die lebensspendendem Leben entströmen, eurem Leben sehr nützen, wie viel, glaubt ihr dann, werden Gesänge aus Luft dem geradewegs luftigen Seelenatem, harmonische dem harmonischen, noch warme und lebendige dem lebenden, mit Sinnen begabte dem Sinnesreize empfangenden, vernünftig empfangene dem vernunftbegabten nützen? 
63 Also übergebe ich euch die von mir hergestellte Leier und mit ihr den phöbusgemäßen Gesang, Trost in Mühsal, Pfand für langes Leben. 64 Denn so, wie Dinge, die ihrer Beschaffenheit nach ganz gemäßigt und zugleich würzig sind, bald die Säfte untereinander, bald den natürlichen Atem mit sich selbst ausgleichen, so gleichen derartige Düfte den lebenswichtigen Atem, so wiederum ähnliche harmonische Klänge den Seelenatem. 65
Glaubt also, dass sich, während ihr auf der Leier die Saiten und die Töne, während ihr die Töne in der Stimme vermischt, ebenso euer Seelenatem im Inneren damit vermischt.
66 Ac ne ipse Venere sim avarior, quae sine Baccho friget, ab hoc ipso Libero patre per me nectar hoc accipite. 
67 Qui praecipue inter vos frigent, temporibus similibus bis septimo quoque die uncias vernacei vel malvatici dulcis meri duas sumant cum una panis uncia tribus ante mensam horis; 68 semel autem drachmam unam sublimis aquae destillantis ex vino cum iuleb rosacei semuncia. 69 Quo quidem liquore illinire etiam cutem et ad olfactum uti commodissime possunt. 
70 Atque ut post eiusmodi nectar ambrosiam quoque vobis afferam, hanc insuper acceptam ab Iove largior medicinam: 71 quattuor myrobalanorum uncias accipite chebularum, tres rosacei sacchari, conditi zinziberis hieme quidem unciam, aestate vero semunciam. 72 Tria haec cum emblicarum melle concoquite suaviter septemque auri foliis exornate. 
73 Ieiuni bolum ante prandium quattuor horis accipite. 74 Anno saltem integro quotidie id assumite, ut inde 'velut aquilae renovetur vestra iuventus.' " 
75 Hactenus quasi Mercurium locutum existimemus. 
66 Und um nicht geiziger zu sein als Venus, die ohne Bacchus friert, nehmt von diesem Vater Liber selbst durch mich diesen Nektar an.
67 Die von euch, die besonders frieren, sollen in ähnlichen Zeiten zweimal jeden siebten Tag zwei Unzen Vernaccio oder süßen Malvasier-Wein mit einer Unze Brot drei Stunden vor dem Essen einnehmen; 68 einmal aber eine Drachme von aus Wein destilliertem Wasser zusammen mit einer halben Unze Rosenjulepp. 69 Mit dieser Flüssigkeit können sie auch sehr gut die Haut bestreichen und inhalieren. 
70 Und um nach derartigem Nektar euch auch Ambrosia zu reichen, spende ich euch obendrein diese von Jupiter erhaltene Arznei: 71 Nehmt vier Unzen Chebula-Myrobalanen, drei Unzen Rosenzucker, vom gewürzten Ingwer im Winter eine ganze Unze, im Sommer aber eine halbe. 72 Kocht diese drei Zutaten mit Emblika-Honig leicht auf und schmückt das mit sieben Goldblättern.
73 Nehmt nüchtern den Bissen vier Stunden vor dem Frühstück. 74 Nehmt das wenigstens ein ganzes Jahr täglich, damit dadurch 'eure Jugend wie die eines Adlers erneuert werde'. " 
75 Wir wollen glauben, dass bis hierher gleichsam Merkur gesprochen habe.

 

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