MARSILIUS FICINUS: DE VITA TRIPLICI

 

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Cap. XXII: De sanguinis missione. Kapitel 22: Aderlass
1 Sunt nonnulli in sanguine mittendo audaciores, quos medici sapientes admodum detestantur, nam sanguis est atrae bilis temperamentum, spiritus fomes, vitae thesaurus. 
2 Solum vero ubi abundantiam sanguinis indicat vel profusior risus audaciaque et confidentia multa vel color rubens venarumque tumor, mittere sanguinem litteratis, quando res postulat, debemus e vena lienis sinistri bracchii lata quadam incisione, quattuor uncias mane, vespere totidem. 
3 Deinde paucos post dies, saltem septem, ad summum quattuordecim, tum frictione quadam asperiore, tum admotis hirudinibus, quas sanguisugas nominant, mariscas irritare, ut sanguinis unciae tres aut quattuor inde destillent. 
4 Haec ambo robustioribus tantum facienda videntur; 5 debilioribus vero, si necessitas postulat, mariscas solum, sicut docuimus, irritare. 
6 Sed neque ventrem medicinis solvere, neque mittere sanguinem licet, nisi prius clysteribus pinguibus mollibusque lenieris. 7 Atque hoc sit in melancholica natura commune praeceptum, dandam esse operam, ut, si oportuerit, eiusmodi clysteribus frequentatis venter inferior lubricus semper sit atque purgatus.
1 Manche sind beim Aderlass allzu kühn, werden aber von weisen Ärzten ganz verabscheut, denn Blut mäßigt die schwarze Galle, ist Zunder für den Seelenatem und ist Schatz des Lebens. 
2 Aber nur, wenn allzu ausgelassenes Lachen und Frechheit und ausgeprägte Selbstüberheblichkeit oder rote Farbe oder Schwellung der Venen ein Übermaß an Blut anzeigen, dann müssen wir, wenn es die Lage erfordert, die geistig Tätigen zur Ader lassen aus der Vene des linken Arms hin zur Milz, und zwar mit einem breiten Schnitt, morgens und abends jeweils vier Unzen. 
3 Dann müssen wir einige Tage später, mindestens sieben, höchstens vierzehn, bald mit einer recht rauen Massage, bald durch Ansetzen von Blutegeln, die man "Blutsauger" nennt, die Marisken reizen, damit drei oder vier Unzen Blut heraustropfen. 
4 Diese beiden Verfahren dürfen wir offensichtlich nur bei Kräftigeren anwenden; 5 den Schwächeren dürfen wir nur, wenn dringend nötig, die Marisken reizen, wie ich erklärt habe. 
6 Aber man darf weder den Bauch mit Medikamenten lösen noch zur Ader lassen, wenn man ihn nicht vorher mit fetten, weichen Klistieren weich gemacht hat. 7 Und das soll bei einer melancholischen Natur die allgemeine Vorschrift sein, dass man sich bemühen muss, dass der Unterbauch, bei Bedarf mit den genannten Klistieren häufig versorgt, immer unverstopft und purgiert sei.

 

 

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