MARSILIUS FICINUS: DE VITA TRIPLICI

 

ii, 2

 

Cap. II: Vitalis calor nutritur humore, quo deficiente fit resolutio, quo excedente fit suffocatio. Kapitel 2: Die Lebenswärme wird von einem Saft genährt, bei dessen Mangel es zu Auflösung, bei dessen Übermaß es zu Erstickung kommt.
1 Vita quidem tanquam lumen in naturali calore consistit, caloris vero pabulum est humor aerius atque pinguis quasi oleum. 2 Sive igitur humor eiusmodi forte deficiat sive prorsus excedat vel inquinetur, calor statim debilitatur et tandem debilitatus extinguitur. 
3 Si humoris defectu calor debilitatur et perditur, mors resolutione contingit; 4 si potius obruitur humoris excessu vel vitio, vita suffocatione perit. 
5 Suffocatio vero humoris cuiuslibet exundantia vel putrefactione contingit, praesertim pituita vel excrescente vel quomodolibet putrefacta, ut non immerito pituita petens vitam fuerit nominata.  		1 Das Leben besteht wie das Licht in natürlicher Wärme, Nahrung der Wärme aber ist ein Saft, luftig und fett wie Öl. 2 Wenn also der genannte Saft zufällig schwindet oder wenn er andererseits völlig das Maß übersteigt oder verunreinigt wird, wird die Wärme sofort geschwächt und erlischt schließlich vor Schwäche. 
3 Wenn die Wärme durch Saftschwund geschwächt wird und verloren geht, tritt der Tod durch Auflösung ein; 4 wenn sie aber zugeschüttet wird durch das Übermaß des Saftes oder infolge eines Fehlers, dann geht das Leben durch Erstickung zugrunde. 
5 Erstickung entsteht aber durch Überhandnehmen oder Faulwerden eines beliebigen Saftes, besonders durch zunehmenden oder irgendwie faul gewordenen feuchten Schleim, so dass man mit vollem Recht sagt, Schleim trachte nach dem Leben.
6 Praecepta igitur ad producendam vitam maxime necessaria hinc quidem resolutionem, inde vero suffocationem putrefactionemque aeque devitant - aeque, inquam, ratione communi. 
7 Nam si calidiorem siccioremve hominem forte curant, et cui meatus quidem aperti sunt, humores autem spiritusque subtiles resolutioni magis occurrunt. 8 Sin autem contraria ratione corpus affectum tractant, potius suffocationi subveniunt. 9 Maxime vero in alterutro student, si ad alterutrum locus tempusve declinet. 
10 At ubi ingeniosis studiosisque consulit, utrunque praeceptum ferme est pariter necessarium, in utroque similiter laboratur. 
11 His enim acutum quidem calidumque ingenium et imaginationis motus assiduus resolutionem, otium vero corporis atque cruditas suffocationem minitari videtur. 
12 Nusquam igitur medici vehementius quam in eiusmodi hominum curatione laborant. 
13 Etsi tota libri superioris disputatio ad prorogandam vitam maxime confert, propriam tamen quandam res tanta curam, qualem deinceps, quoad potero, paucis comprehendam, postulare videtur. 		6 Also vermeiden die äußerst notwendigen Rezepte zur Lebensverlängerung  einerseits die Auflösung, andererseits aber die Erstickung und das Verfaulen in gleicher Weise - in gleicher Weise, sage ich, auf gemeinsame Weise. 
7 Denn wenn sie einen recht warmen und trockenen Menschen versorgen, dessen Poren offen sind, begegnen die Säfte aber und die feinen Formen von Seelenatem der Auflösung recht gut. 8 Wenn sie aber im gegensätzlichen Fall einen angeschlagenen Körper behandeln, kommen sie eher der Erstickung zu Hilfe. 9 Am meisten aber mühen sie sich in einem von beiden, wenn zu ihm Ort oder Zeit sich hinneigen. 
10 Aber wenn man für die Begabten und Bemühten sorgt, sind beide Rezepte etwa gleich notwendig, in beidem leidet man vergleichbar. 
11 Diesen geistig Tätigen nämlich drohen ein scharfer und heißer Geist und beständige Bewegung der Einbildungskraft die Auflösung, die Untätigkeit des Körpers aber und Übersättigung die Erstickung an. 
12 Nirgends also mühen sich die Ärzte stärker als bei der Fürsorge für solche Menschen. 
13 Auch wenn die ganze Darlegung meines vorausgegangenen Buchs besonders viel zur Lebensverlängerung beiträgt, scheint ein so großes Problem doch eine besondere Fürsorge zu verlangen, wie ich sie im Folgenden, soweit es mir möglich ist, in kurze Worte fassen möchte.
 

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