MARSILIUS FICINUS: DE VITA TRIPLICI

 

ii, 3

 

Cap. III: Quomodo temperandus calor ad humorem atque vicissim quodam Minervae consilio. Kapitel 3: Wie man wechselseitig die Wärme und den Saft ins richtige Verhältnis bringen muss nach einem Rat der Minerva.
1 Ceterum dum oleum istud pingue, igneo huic vigori nostro necessarium, pingui Minerva tractamus, Minerva interim olivifera, olei vitalis origo, almi videlicet Iovis capite nata, ridet, quod sui muneris quantitatem plane cernentes, interea non satis vidimus qualitatem. 2 Ridens ergo, "vobis," inquit, "oleum non modo, quantum sat flammae nutriendae foret, abunde dedi, sed etiam sine amurca sincerum infudi lucernae." 3 Haec illa. 
4 Nos autem inter loquendum errantes offendimus, quoniam "lucerna pedibus nostris" verbum suum nondum nobis auditum. 
5 Ex hac ergo lucerna discamus, oleum iugiter flammae subministrandum ea scilicet diligentia, ut nec repentina quadam lumen obruamus illuvione nec rursum differamus sitibundo potum. 6 Sed haec quidem duo satis in superioribus tractata putamus. 
1 Während wir nun jenes fette Öl, das für unsere feurige Kraft notwendig ist, mit schlichtem Verstand behandeln, lacht die Oliven tragende Minerva, Quelle des lebenswichtigen Öls, dem Haupt des nährenden Jupiter entsprossen, darüber, dass wir zwar die Quantität ihrer Gabe offensichtlich wahrnehmen, aber ihre Qualität nicht genügend gesehen haben. 2 Lachend also sagt sie: "Ich habe euch nicht nur überreichlich Öl gegeben, um eine Flamme ausreichend zu nähren, sondern ich habe reines Öl, ohne Ölschaum, in die Lampe gegossen." 3 So weit jene.
4 Wir aber irren uns beim Reden und machen einen Fehler, da ja "eine Lampe zu unseren Füßen" von uns noch nicht als ihr eigenes Wort gehört wurde. 
5 Von dieser Lampe wollen wir also lernen, dass man der Flamme beständig Öl liefern muss, natürlich mit der Sorgfalt, dass wir weder mit einem plötzlichen starken Guss das Licht auslöschen noch andererseits das dürstende Licht auf den Trunk warten lassen. 6 Aber diese zwei Verhaltenweisen haben wir meines Erachtens oben genügend behandelt.
7 Reliqua nobis duo sunt, quorum alterum leviter tetigisse, alterum vix attigisse videmur, tangentes interim ita Palladem, ut ridere nunquam solita nos rideret. 8 Quid ergo? 
9 Primo quidem considerabimus flammam vel pauculam esse prorsus edacem ideoque lucernam illam lucere diutius, in qua sic flammula est ad ellychnium, id est lucinium, temperata, ut non ebibat oleum, sed pitisset
10 Itaque et nos in omni diaeta cavebimus, ne quando, praesertim in iuventute, nimium invalescat insitus ignis suapte natura vorax. 11 Sat vero fuerit tum humorem inundantem, tum penetrabile frigus hinc arcere.
12 Deinde lucernam cogitabimus frequenter extingui, quando non sincerum oleum instillaverit, sed (ut ita dixerim) amurcosum. 13 Unde paulo post concrescunt ex amurca fungi lumenque extinguunt. 
14 Iam vero nos almum a Pallade suscepimus oleum, scilicet aerium quam plurimum purumque et nativo quodam lentore tenax atque firmum. 15 Quod ergo huic paulatim absumpto subgeritur, non solum huic aequale debet esse, sed simile. 16 Ut vero sit simile, non tantum aerium esse debet et pingue, sed penitus ab amurca secretum, id est a faece quadam ex terra et aqua crassiore congesta. 
17 Hanc ergo congestionem faecemque vitaturi, alimenta eiusmodi fugiamus et otium et cruditatem atque sordes. 
18 Interea vero Minervam ea moderatione colamus, ut caput quidem, de quo nata est ipsa, nobis augeat, nervos autem stomachumque non minuat.
7 Zwei Dinge bleiben uns übrig, deren eines wir ein wenig, deren anderes wir anscheinend kaum berührt haben, wobei wir die Pallas so berührten, dass sie, die gewöhnlich nie lacht, uns auslachte. 8 Was also? 
9 Erstens werden wir erwägen, dass auch eine kleine Flamme ganz gefräßig ist und dass deshalb jene Lampe länger leuchtet, in der das Flämmchen so an den Docht angepasst ist, dass sie das Öl nicht austrinkt, sondern nur ein wenig davon kostet. 
10 Deshalb wollen auch wir uns bei jeglicher Diät davor hüten, dass einmal, vor allem in der Jugend, das angeborene Feuer, das durch seine Natur gefräßig ist, allzu stark wird. 11 Es sollte ausreichen, bald den überreichlichen Saft, bald die eindringende Kälte von hier abzuwehren. 
12 Zweitens wollen wir daran denken, dass die Lampe häufig ausgeht, wenn nicht reines Öl, sondern (sozusagen) Öl voller Schaum hineintropft. 13 Dadurch wachsen bald darauf Lichtschnuppen aus dem Ölschaum zusammen und löschen das Licht aus. 
14 Nun haben wir also von Pallas das nährende Öl erhalten, natürlich das möglichst luftige und reine, das durch gleichsam angeborene Zähigkeit hält und fest ist. 15 Was also diesem, wenn es allmählich verbraucht ist, nachgeschüttet wird, darf diesem nicht nur gleichwertig sein, sondern muss gleich sein. 16 Um aber gleich zu sein, muss es nicht nur luftig und fett sein, sondern muss völlig vom Ölschaum, d. h. von einer Art Abschaum, der aus Erde und fetterem Wasser besteht,  geschieden sein. 
17 Um also diese Mischung und diesen Abschaum zu vermeiden, wollen wir derartigen Nahrungsmitteln, der Untätigkeit, Übersättigung und dem Schmutz aus dem Wege gehen. 
18 In der Zwischenzeit aber wollen wir Minerva mit der Maßgabe verehren, dass sie uns den Kopf, aus dem sie ja selbst geboren ist, vergrößert, die Nerven und den Magen aber nicht verkleinert.

 

 

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