MARSILIUS FICINUS: DE VITA TRIPLICI

 

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Cap. XXI: De medicina liquida. Kapitel 21: Flüssige Arznei
1 Meminisse vero oportet, ubi maximum in exsiccatione periculum imminet, purgare tamen necessitas cogit, operae pretium esse pilulas intermittere, atque in ipso syrupo vel simili quadam decoctione facta, in aqua buglossae, quando purgandum est, interdum infundere diasenae vel diacatholiconis vel tripherae Persicae unciam unam aut saltem dimidiam. 2 Quod si vel corpus robustius sit vel astrictior et durior alvus, addere electuarii hamech drachmam unam aut duas. 
3 Utilis quoque hic est confecta cassia, utilior manna. 4 Haec omni melancholiae speciei conveniunt, sed illi maxime, quae adustione creatur. 
5 Sin autem melancholia naturalis sit, conveniunt quidem, verum praecipue si in syrupo addatur, polypodii portio dupla vel tripla similiter liquiritiae crocique et passularum; 6 item medicinae addantur mellis rosacei liquidi unciae duae. 
7 Quotiens vero syrupus sumendus sit, in superioribus diximus, sed medicina cum ipso ter viginti diebus sumenda erit. 
1 Wenn zwar größte Gefahr der Austrocknung droht, man aber trotzdem zum Purgieren gezwungen ist, muss man aber daran denken, dass es sinnvoll ist, die Pillen abzusetzen und gerade in den Sirup oder ein ähnlich hergestelltes Dekokt, in Ochsenzungenwasser, manchmal eine oder wenigstens eine halbe Unze Diasena oder Diakatholikon oder persische Triphera hineinzugießen, wenn man purgieren muss. 2 Wenn nun der Körper robuster ist oder der Leib straffer und härter, dann gib eine oder zwei Drachmen der Latwerge Hamech hinzu.
3 Nützlich ist hier auch eine Zubereitung aus Cassia, noch nützlicher ist Manna. 4 Diese nützen bei jeder Art schwarzer Galle, aber vor allem bei jener, die durch Verbrennung entsteht. 
5 Wenn es sich aber um die natürliche schwarze Galle handelt, nützen nun, vor allem in Sirup gegeben, eine doppelte oder dreifache Portion Engelsüß, ebenso Lakritze, Safran und Rosinen. 6 Ebenso soll man der Medizin zwei Unzen flüssigen Rosenhonigs hinzufügen. 
7 Wie oft man Sirup einnehmen soll, habe ich oben gesagt, aber die Medizin muss man mit ihm dreimal täglich über 20 Tage nehmen.
8 Verum si melancholicus nullus humor appareat, tantum vero complexio melancholica, scilicet frigida membrorum qualitas atque sicca, memento ducere alvum vel mittere sanguinem minime expedire, sed reliqua duntaxat facere, quae vel diximus vel dicemus, praesertim quaecunque ad corpus pertinent mediocriter calefaciendum atque magnopere humectandum, spiritusque, quoad fieri potest, illuminandos fovendaque membra. 
9 Ubi vero ipse atrae bilis humor exundat, non madefacimus tantum corpus atque humorem, sed etiam solvimus alvum ea cautione, qua diximus, nunquam vero vehementer. 
10 Siquidem Plato in Timaeo nos monet diuturnum morbum, qualis est melancholicus, non esse nimis valentibus medicamentis atque molestis pharmacis irritandum. 
8 Wenn sich nun keinerlei Schwarz-Gallen-Saft zeigt, sondern nur die melancholische Befindlichkeit, d. h. eine kalte und trockene Beschaffenheit der Glieder, dann denke daran, dass es überhaupt nichts bringt, den Leib zu purgieren oder zur Ader zu lassen, sondern alles andere, was wir gesagt haben oder sagen werden, in richtiger Weise zu machen, vor allem was dazu beiträgt, den Körper mäßig zu erwärmen und stark zu befeuchten, den Seelenatem soweit möglich zu erhellen und die Glieder zu wärmen. 
9 Ist aber zu viel schwarzer Gallensaft vorhanden, werden wir den Körper und den Saft nicht nur befeuchten, sondern auch den Leib mit der oben genannten Vorsicht lösen, aber niemals heftig. 
10 Denn Plato ermahnt uns im Timaios, dass eine lange dauernde Krankheit, wie sie die Melancholie ist, weder durch allzu heftige Medikamente noch durch lästige Arzneien gereizt werden darf.

 

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