MARSILIUS FICINUS: DE VITA TRIPLICI
ii, 10
Cap. X: De auro et aureis alimentis et recreatione senum. | Kapitel 10: Gold, goldene Nahrung und Erquickung der Alten |
1 Aurum omnes ante omnia probant, tanquam omnium rerum temperatissimum et a corruptione tutissimum; 2 Soli quidem propter splendorem, Iovi autem propter temperantiam consecratum; 3 ideoque posse calorem naturalem cum humore mirifice temperare, humores a corruptione servare, Solarem et Iovialem spiritibus et membris inferre virtutem. | 1 Gold billigen alle vor allem anderen, gleichsam als das Maßvollste und vor Verderbnis Sicherste von allem. 2 Es ist der Sonne des Glanzes wegen, Jupiter aber wegen seines Maßes geweiht. 3 Und sie meinen, es könne deshalb die natürliche Wärme mit Feuchtigkeit auf wunderbare Weise mischen, die Feuchtigkeit vor dem Verderben bewahren und dem Seelenatem und den Gliedern die Kraft der Sonne und des Jupiter verleihen. |
4 Verumtamen
optant durissimam auri substantiam subtiliorem facere penetratuque
facillimam. 5
Noverunt
enim cordialia tunc maxime latentem cordis recreare
virtutem, quando in
eis attrahendis minime natura laborat. 6 Ut autem minime fatigetur, vel
subtilissima iam effecta vel cum subtilissimis sunt
exhibenda. 7 Optimum fore putant, si absque aliena permixtione aurum potabile fiat; 8 sin minus possit, contusum et in folia redactum accipi volunt. |
4 Trotzdem
wollen sie die sehr harte Goldsubstanz feiner und zum Eindringen sehr
leicht machen. 5
Sie wissen nämlich, dass die Magenmittel dann die verborgene Herzenskraft
am meisten erfrischen, wenn sich die Natur überhaupt nicht anstrengen
muss, um sie zu erhalten. 6 Um sie aber ganz wenig zu ermüden, sind die
Mittel entweder schon ganz fein gemacht oder müssen mit ganz Feinem
verabreicht werden. 7 Für das Beste halten sie, wenn das Gold ohne Beimengung von Fremdem trinkbar wird; 8 geht das nicht, wollen sie es zerstoßen und in Blattform verabreichen. |
9
Aurum
ferme potabile habebis (ut dicam): collige flores boraginis,
buglossae,
melissae, quam citrariam nominamus;
10 et quando Luna Leonem subit vel
Arietem vel Sagittarium aspicitque Solem aut Iovem, coque cum candido
saccharo aqua rosacea liquefacto, et pro qualibet uncia insere diligenter
auri folia tria. 11 Ieiunus cum vino quodam aureo sume. 12 Item aquam ex capone destillantem foco vel aliter consumpto una cum iuleb sume rosaceo, in quo auri folia quaedam ante contuderis. 13 Praeterea in nitidissimam fontis aquam aurum extingues ignitum; 14 cum eadem auri contundito folia. 15 Eadem vinum aureum temperato, et una cum eiusmodi potu comedito recentem ovi vitellum. |
9
Gold erhält man sozusagen fast trinkbar: sammle Borretsch-, Ochsenzungen-
und Zitronenmelissenblüten; 10 und wenn der Mond in den Leo, den Aries oder den
Sagittarius eintritt und Sol oder Jupiter anblickt, koche sie mit
weißem Zucker, der mit Rosenwasser verflüssigt wurde, und füge für
jede Unze sorgfältig drei Goldblätter ein. 11 Nimm es nüchtern mit Goldwein ein. 12 Nimm ebenso Wasser, das von einem Kapaun tropft bei Verwendung von Feuer oder anderem, zusammen mit Rosenjulepp, in dem du vorher einige Goldblätter zerstoßen hast. 13 Gieße außerdem feuerheißes Gold zum Löschen in ganz klares Quellwasser; 14 zerstampfe zusammen mit demselben Goldblätter. 15 Mische mit demselben den Goldwein, und iss zusammen mit dem derartigen Trank ein frisches Eidotter. |
16
Facile
vero in tota corporis arbore servabis humorem, si in radicibus
conservaveris. 17 Accipe igitur gallinarum et pullorum eiusmodi atque caponum cor, iecur, stomachum, testiculos, cerebellum; 18 coque aqua modica, minimo sale. 19 Cocta contunde ex tota carne et toto iure et saccharo, addito recentis ovi vitello; 20 fac placentam modico cinnamomo crocoque conditam et auratam. 21 Hac vesceris esuriens semel saltem quarto quoque die, et tunc quidem sola, claro tamen ad potum addito vino. |
16
Leicht aber wirst du im ganzen Baum deines Körpers die Flüssigkeit bewahren,
wenn du sie in den Wurzeln verwahrst. 17 Nimm also von Hennen, Hühnerküken und Kapaunen Herz, Leber, Magen, Hoden und Hirn; 18 koche das mit mäßig Wasser, mit ganz wenig Salz. 19 Zerstoße das Gekochte mit dem ganzen Fleisch, der ganzen Brühe und dem Zucker und gib Frischeidotter hinzu. 20 Forme einen Kuchen, mit wenig Zimt und Safran gewürzt, außerdem vergoldet. 21 Iss davon nüchtern einmal wenigstens alle drei Tage und zwar ohne Zutaten, doch mit hellem Wein zum Trinken. |