MARSILIUS FICINUS: DE VITA TRIPLICI

 

iii, 25

 

Cap. XXV: Astronomica diligentia in liberis procreandis, in praeparandis epulis, in aedificiis et habitatione atque vestibus; et quantum curare talia liceat. Kap. 25: Astronomische Sorgfalt beim Kinderzeugen, bei der Vorbereitung von Festmählern, beim Bauen, Wohnen und der Kleidung; und wieweit man dafür sorgen darf.
1 Sed iuvat etiam parumper alloqui severum religionis antistitem. 
2 Dic age, quidnam in astrorum usu damnas, antistes? 3 Quicquid, inquies, arbitrio nostro detrahit; 4 quicquid unius Dei cultui derogat. 
5 Eadem ego tecum non damno solum, sed etiam valde detestor. 
1 Es macht aber auch ein wenig Spaß, mit einem strengen Oberpriester das Gespräch aufzunehmen. 
2 Sag also, Oberpriester, was verdammst du beim Gebrauch der Sterne? 3 Alles, wirst du sagen, was unserem freien Willen abträglich ist; 4 alles, was die Verehrung des einen Gottes mindert.
5 Eben dieses verdamme ich mit dir nicht nur, sondern verfluche es auch gewaltig.
6 Exsecraris quinetiam, scio atque ego insuper perhorresco, nonnullos, qui, cum Deum exoratum volunt, ad Iovem in medio coelo vastum illud Draconis Caput subeuntem tam miseri quam stulti confugiunt, ab ipso videlicet Dracone, qui quondam a coelo corruit, tertiam stellarum partem secum trahens, denique devorandi.  6 Du verfluchst ja sogar, ich weiß es und ich erschaudere obendrein davor, manche, die sich, wenn sie Gott mit ihren Bitten erweichen wollen, zu Jupiter ebenso unglücklich wie dumm ihre Zuflucht nehmen, der sich mitten am Himmel unter jenes entsetzliche Drachenhaupt begibt, weil sie ja schließlich gerade von diesem Drachen, der einst vom Himmel stürzte und dabei ein Drittel der Sterne mit sich riss, verschlungen werden müssen. 
7 Verum concedesne contractibus, matrimoniis, colloquiis, itineribus, similibusque operibus peragendis horas opportunas eligere? 
8 Non facile te his assensurum video, nescio quid arbitrio metuentem. 
9 Ego igitur, etsi theologus ille magnus Albertus ista dabit et ratio quaedam forte dictabit, per electionem ipsam ad arbitrium pertinentem coelestia ita prudentiae nostrae usui subici, quemadmodum herbae medico subministrant, tibi tamen potius impraesentia credam. 10 Et quam tu difficile nunc ea permittis, tam facile ipse dimittam.  
7 Gibst du aber dein Einverständnis, die richtigen Stunden auszuwählen, um Verträge, Ehen, Unterredungen, Reisen und ähnliche Tätigkeiten durchzuführen? 
8 Ich sehe, dass du diesem nur schwer zustimmst, weil du irgendetwas für den freien Willen befürchtest. 
9 Im Moment also will ich trotzdem lieber dir Glauben schenken, auch wenn jener große Theologe Albert dies da zugeben und eine Art Vernunft vielleicht immer sagen wird, dass das Himmlische gerade durch die Wahl, die zum Willen gehört, so dem Gebrauch unserer Vernunft unterworfen wird, wie Kräuter dem Arzt helfen. 10 Und so schwer du das jetzt zugibst, so leicht verzichte ich darauf. 
11 Observationes vero Lunae ideoque aliarum stellarum ad morbos curandos et idcirco ad remedia praeparanda iamdiu (ut arbitror) permisisti. 12 Concessum quoque abs te et insuper approbatum, crescente Luna eademque aucta lumine nec aliunde infortunata, seminibus agros spargere, vites oleasque serere. 
13 Cur non igitur ad plantandum (ut cynice loquar) hominem utamur beneficio Lunae Iovisque et Phoebi? 14 Nam Veneris quidem ad haec officio semper utimur - sed rectius modo dixissem: semper utuntur, nam ipsa mihi Venus est Diana. 
11 Die Beobachtungen der Luna und deshalb die der anderen Sterne zum Heilen von Krankheiten und deswegen, um Arzneien herzustellen, hast du - wie ich glaube - schon lange genehmigt. 12 Erlaubt worden ist von dir auch und obendrein bestätigt worden ist, bei zunehmendem Mond, wenn er an Licht wächst und nicht aus anderem Grunde Unglück bringt, die Felder mit Samen zu bestreuen und Weinstöcke und Olivenbäume zu pflanzen. 
13 Warum sollen wir also nicht zum Pflanzen eines Menschen - um es zynisch zu sagen - die Wohltat von Luna, Jupiter und Phöbus gebrauchen? 14 Denn den Dienst der Venus gebrauchen wir dabei ja schon immer - ich hätte aber eben besser gesagt: gebrauchen sie immer, denn für mich ist Venus Diana.
15 Quid item de victu dicemus? 
16 Nonne licebit et proderit sub felici sidere tum autumno vinum, tum indies panem epulasque conficere? 
17 Ac si nequeamus in his praeparandis aspectus siderum expectare, expediet saltem ascendentes accipere, vel aliter angulares Solem, Iovem, Venerem atque Lunam. 
18 Sic enim omnia, quibus utimur, feliciter affecta coelitus feliciter nos afficient. 
19 Hactenus te video absque controversia concessurum, nisi forte dicas ita vitam nostram nihil fore aliud quam perpetuam servitutem.
15 Was werden wir ebenso über die Nahrung sagen? 
16 Ist es nicht erlaubt und nützlich, unter einem glücklichen Stern einerseits im Herbst den Wein, andererseits Tag für Tag Brot und Mahlzeiten zu verfertigen? 
17 Und wenn wir bei deren Vorbereitung die Gestirnsaspekte nicht abwarten können, wird es hilfreich sein, wenigstens die Aszendenten oder sonst Eckpunkte von Sol, Jupiter, Venus und Luna zu akzeptieren. 
18 Denn so wird alles, was wir gebrauchen, wenn es vom Himmel her glücklich beeinflusst ist, uns glücklich beeinflussen.
19 Ich sehe, dass du so weit und ohne Widerspruch zustimmen wirst, es sei denn du wärst der Meinung, dass unter diesen Umständen unser Leben eine ewige Sklaverei sein wird.
20 Ad haec ego subiciam frustra mortales cumulandis pecuniis et honoribus servituros, quibus sunt perpetuo mancipati, nisi interim diligentia physica dies vitae sibi plures accumulent. 
21 Aut igitur soli Deo serviant, quod quidem est potissimum, aut si cui praeterea servituri sunt, vitae tum validae, tum longae potius quam pecuniis honoribusque vanis indulgeant
22 Concordes ergo sumus. 
20 Dazu will ich hinzufügen, dass die Menschen vergeblich der Anhäufung von Geld oder der Ämterhäufung dienen werden, deren andauernder Besitz sie ja sind, wenn sie nicht gleichzeitig durch ärztliche Sorgfalt sich mehr Lebenstage anhäufen. 
21 Sie sollen also entweder, was das Beste ist, Gott allein dienen, oder, wenn sie außerdem jemandem dienen wollen, sich lieber einem bald gesunden, bald langen Leben als Geld und bedeutungslosen Ehren hingeben. 
22 Wir sind also gleicher Meinung. 
23 Sed numquid vel domos fundabunt temere, vel infaustas habitabunt? 24 Ubi contagiosa quaedam calamitas aedificii ferme sic inficit habitantem, ut venenosus pestilentiae vapor etiam ad biennium in pariete servatus, qualis etiam ex epidemia latens in veste, diu postea utentem inficit incautum atque perdit.  23 Aber werden sie etwa nicht Häuser unbedacht gründen oder Unglück bringende bewohnen? 24 Wo doch ein ansteckender Schaden des Hauses den Bewohner normalerweise so befällt, wie giftiger Dampf einer Seuche, auch wenn er etwa zwei Jahre lang in der Wand aufbewahrt wurde, wie auch der Dampf aus einer Epidemie, versteckt in der Kleidung, lange Zeit danach den unvorsichtigen Träger befällt und zugrunde richtet.
25 At postquam hic in vestium incidimus mentionem, prohibebisne, pie pater, in veste conficienda vel primum induenda spiraculum Veneris diligenter aucupari, quo quasi Venerea facta vestis similiter prospera quadam corpus et spiritum afficiat qualitate? 
26 Nonne medici vetant vulpium pelles, agninas probant? 27 Non aliter forte sidus indies quasi nascentes vestes afficit quam semel ab initio natas. 28 Vestes quidem et cetera artis opera certam a sidere qualitatem accipere, Thomas Aquinas in libro De fato confirmat. 
29 Tu igitur affirmabis. 30 Infectas vero vestes utentem inficere etiam, testis est scabies atque lepra. 
25 Nachdem wir aber hier zum Thema "Kleidung" gekommen sind: wirst du, frommer Vater, bei der Herstellung eines Gewandes oder beim ersten Tragen daran hindern, den Ort des Venusatems sorgfältig zu beobachten, durch den das Gewand gleichsam venusmäßig wird und in gleicher Weise Körper und Seelenatem mit einer günstigen Qualität versieht? 
26 Verbieten nicht die Ärzte Fuchspelze, billigen aber Lammfelle? 27 Vielleicht beeinflusst ein Gestirn von Tag zu Tag die entstehenden Gewänder in derselben Weise wie einmal am Anfang die entstandenen. 28 Dass Kleider und andere künstlich hergestellte Dinge eine bestimmte Qualität von einem Gestirn erhalten, das versichert Thomas von Aquin im Buch "Über das Schicksal". 
29 Du wirst also zustimmen. 30 Dass infizierte Kleider auch den Träger infizieren, das bezeugen Juckreiz und Lepra. 
31 Denique si populi vitae consulis (ut opinor), ista permittes; 32 atque ego permissione tua consulam observanda. 
33 Sin autem eiusmodi moribundae vitae curam non improbas quidem, sed negligendam mones, ego quidem negligo melioris vitae fiducia fretus, ceterisque similiter consulo faciendum. 
34 Vale.
31 Wenn du schließlich, wie ich vermute, für das Leben des Volkes sorgst, dann wirst du diese Dinge zulassen; 32 und mit deiner Erlaubnis will ich dafür sorgen, dass man diese Dinge beachtet. 
33 Wenn du aber die Sorge für ein derartiges hinfälliges Leben nicht nur nicht billigst, sondern sogar mahnst, man müsse es vernachlässigen, dann vernachlässige ich es im Vertrauen auf die Verlässlichkeit eines besseren Lebens und rate den anderen, dasselbe zu tun. 
34 Leb wohl!

 

Zum Weiterlesen:      zurück zum Inhaltsverzeichnis!