PLANETENKINDER

 

UND "MELANCOLIA 1558"

 

Mit dieser Seite möchte ich einen Beitrag leisten zur Beantwortung der Frage, ob in Matthias Gerungs Bild "Melancolia 1558" primär Planetenkinder dargestellt sind.

 

Um klarer zu sehen, welche Beziehung zwischen Gerungs "Melancolia 1558" und den Planetenkinderbildern besteht, ist es hilfreich, beide nebeneinander zu stellen, hier also ein Vergleich mit der Bildreihe von Harmen Jansz Muller (nach Maarten van Heemskerck).

Alle Bilder sind jeweils mit den größeren Bildern meiner Seite verlinkt, so dass man sich dort Details besser anschauen kann.

Teilt man Gerungs Bild in Viertel ein, lassen sich drei der Viertel - sehr oberflächlich - einem Planetenkinderbild zuweisen. Das linke untere Viertel zeigt vor allem Kampf- und Glückspiele, das wäre der Bereich des Sol. Diese Spiele ziehen sich so, dass sie dort fast die Hälfte ausmachen, ins rechte untere Viertel, das des Freudenhauses wegen von der Venus bestimmt erscheint. Auch ins linke obere Viertel ragen die Spiele mit dem Gewehrschießen noch hinein; ansonsten wirkt dieses Viertel auffallend düster und scheint auch im Zeichen von Mars zu stehen; allerdings kommt die Grausamkeit des Krieges, die auf den Planetenkinderbildern immer wieder thematisiert wird (vgl. u. a. die Tübinger Handschrift oder Muller im Detail), hier nicht zum Ausdruck. Die größten Schwierigkeiten entstehen beim rechten oberen Viertel, hier versuchsweise mit Saturn gefüllt, weil hier die Hinrichtung gezeigt wird, weil eine ferne Verbindung bei der Armenspeisung des Planetenbildes mit der Brotverteilung bei Gerung besteht und weil anderswo (z. B. bei de Passe) Saturn mit dem Bergwerk deutlich verbunden wird. Und diese Bemühung zeigt schon, in welche Richtung der Vergleich geht: Es bestehen natürlich thematische Verbindungen zwischen dem Gerung-Bild und den Planetenkinderbildern, das Gerung-Bild ist aber kein solches.


MARS

SATURNUS

SOL

VENUS

IUPPITER

MERCURIUS

LUNA

Interessant ist ja auch, was bei Gerung nicht erscheint: Es fehlt völlig die Darstellung von Herrschaft, die bei Mullers Jupiter-Bild zentral ist, lediglich die Hirschjagd, das Motiv seines Durchblicks, erscheint bei Gerung; auch Wissenschaft und Kunst, Thema des Mercurius-Bildes, fehlen bei den Menschenszenen Gerungs. Es wird im rechten oberen Viertel der "Melancolia 1558" auch geangelt, aber so bestimmend wie auf dem Luna-Bild tritt das Wasser nicht in Erscheinung; die Badeszene des rechten unteren Viertels wird mehr von den Körpern der Frauen als vom Blick aufs Wasser bestimmt.

Was ergibt nun dieser Vergleich?
Für die beiden herausgehobenen Gestalten (Melancolia und ruhender Mann) ergibt sich inhaltlich wohl nichts, man kann nur erkennen, dass diese beiden dem Geschehen irgendwie wegen ihrer Größe übergeordnet sein müssen. 
Wenn - wie auf der anderen Seite gezeigt - in den Planetenkinderbildern die Tendenz liegt, das gesamte Menschenleben zu umfassen, ist es nur natürlich, dass bei einem Bild, das deutlich bestimmte Lebensaspekte darstellt, Überschneidungen vorkommen. Dass Gerung in seinem Werk auf Bildvorlagen zurückgriff, hat Christian Müller in seiner Beschreibung deutlich gemacht. Es bringt also wenig, auf Übernahmen zu verweisen, etwa dass die Angler des rechten Bildhintergrundes der Luna zuzuweisen wären oder dass Krüppel dem Bereich des Saturn angehören. Gerade das letzte Beispiel lässt die völlig andere Intention Gerungs erkennen; wie das Detail aus Mullers Saturnbild zeigt, gehören die Invaliden oder Krüppel dort zum Kontext "Armut", die Krüppel/Invaliden des Gerung-Bildes sind aber ins dortige Spielgeschehen integriert. Gerungs Intention lässt sich also an Gemeinsamkeiten mit Planetenkinderbildern nicht erkennen.

Zurück zur Startseite der Planetenkinder:     ... und hier geht's zu meiner Homepage: