Gandhi,
Mohandas Karamchand, genannt "Mahatma" (Sanskrit: "dessen Seele groß ist"),
Führer der indischen Unabhängigkeitsbewegung, * Porbandar
2. 10. 1869, ermordet in
Neu-Delhi 30. 1. 1948; entstammte der Hindukaste
der »Vaishyas« (Kaufleute). Sein Vater Karamchand Gandhi war Chefminister
des unter britischer Oberherrschaft stehenden Fürstentums Porbandar. Nach
einem Studium der Rechte in London (1888 bis 91)
ließ er sich in Rajkot und Bombay als Rechtsanwalt nieder.1893 ging Gandhi
aus beruflichen Gründen nach Südafrika in die britische Kronkolonie Natal.
Mit der Gründung des »Natal Indian Congress« (1894) organisierte er
erstmals den Widerstand der indischen Einwanderer gegen diskriminierende
Gesetze (z. B. Aberkennung des Stimmrechts). Er
stieg seitdem zum politischen Führer der indischen Bevölkerung in
Südafrika auf. 1906 bis 13 lenkte er in Transvaal
eine Kampagne für die Anerkennung der bürgerlichen Rechte seiner
Landsleute.
Seit seiner Kindheit von hoher Religiosität und asketischer Lebensweise
bestimmt, entwickelte Gandhi unter dem Einfluss der altindischen Lehre des
Ahimsa, der christlichen Bergpredigt und der Ideen L. N.
Tolstojs Formen des gewaltlosen Kampfes, die er erstmals in Südafrika
anwendete. Er forderte seine Anhänger auf, im Zeichen des »Satyagraha«
(Hingabe an die Wahrheit) an dem als wahr Erkannten festzuhalten und sich aus
diesem Wissen heraus gewaltlos dem Unrecht und der Gewalt entgegenzustellen.
1914 kehrte Gandhi nach Indien zurück. Unter dem Eindruck der blutig
verlaufenen Auflösung einer indischen Protestversammlung in Amritsar durch
britische Truppen (1919) löste er 1920 die erste Kampagne des zivilen
Ungehorsams aus, in deren Verlauf (bis 1922) er zum herausragenden Führer
der indischen Nationalbewegung wurde. Gestützt auf den Indischen
Nationalkongress (Indian National Congress, INC), den er zu einem weit
verzweigten und in allen Bevölkerungsschichten anerkannten Instrument des
indischen Unabhängigkeitskampfes machte, setzte Gandhi eine Massenbewegung
in Gang, die durch »Asahayoga« (Nichtbeteiligung) an den Institutionen der
britisch-indischen Regierung (z. B. in
Verwaltung, Gerichts-, Schul- und Bildungswesen) die britische Regierung zu
Zugeständnissen in der Unabhängigkeitsfrage zu zwingen suchte.
Eingeschlossen in diese Aktionen war der Boykott britischer Firmen und ihrer
Produkte. In Ergänzung dazu regte Gandhi 1921 die Aktivierung der in der
handwerklichen Tradition Indiens wurzelnden häuslichen Handspinnerei an, um
sein Land von der britischen Textilindustrie unabhängig zu machen. Im März
1922 wurde er verhaftet und zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, aber im
Dezember 1924 wegen Krankheit begnadigt. Er hielt sich nun mehrere Jahre von
politischer Agitation fern und widmete sich der Aufgabe, der im
hinduistischen Denken verankerten gesellschaftlichen Ächtung der »Parias«
(Unberührbaren), das heißt derer, die keiner Kaste angehörten,
entgegenzuwirken.
Nachdem sich die britische Regierung geweigert hatte, der auf eine
Initiative Gandhis zurückgehenden Forderung des INC zu entsprechen, Indien
den Dominionstatus zu gewähren, löste Gandhi 1930 die zweite Kampagne des
zivilen Ungehorsams aus. Im Sinne seiner Strategie der gewaltlosen
Überschreitung ungerechter Gesetze führte er Hunderttausende von Menschen
in einem Demonstrationsmarsch zum Meer, um auf diese Weise gegen das
Salzmonopol-Gesetz der britisch-indischen Regierung zu protestieren
(»Salzmarsch«, 12. 3. bis 6. 4.
1930). Danach erneut verhaftet, nahm Gandhi 1931 nach seiner Haftentlassung
an einer Verfassungskonferenz in London teil, drang dabei jedoch nicht mit
seinen Forderungen durch. Nach 1932 war er wiederholt im Gefängnis. Er
führte dort mehrfach ein langes Fasten durch, um gegen die von ihm als
unzulänglich betrachteten britischen Verfassungspläne für Indien zu
protestieren; gleichermaßen wandte er sich mit solchen Aktionen auch gegen
Tendenzen, den »Parias« die volle staatsbürgerliche Gleichstellung
vorzuenthalten. 1934 legte er die Führung des INC nieder und trat aus ihm
aus, da er glaubte, dass dessen maßgebliche Mitglieder das Prinzip der
Gewaltlosigkeit nur als ein politisches Mittel, nicht als ein umfassendes
gesellschaftliches Grundbekenntnis verstanden.
Im Zweiten Weltkrieg forderte Gandhi die sofortige Entlassung Indiens in
die Unabhängigkeit (»Quit India«) und brachte die auf Verzögerung
angelegten Pläne der britischen Regierung (Mission von S. Cripps
1942) zum Scheitern. Nach Kriegsende suchte er vergeblich, die Einheit
Indiens zu bewahren und die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Hindus und
Muslimen bei der Teilung des Subkontinents zu verhindern. Mit einer
Fastenaktion konnte Gandhi 1947 blutige Ausschreitungen in Kalkutta beenden.
1948 fiel er dem Attentat eines jungen Hindufanatikers zum Opfer. -
Werke: The story of my experiments with truth, 2 Bände
(1927 bis 29; deutsch Eine Autobiographie oder die
Geschichte meiner Experimente mit der Wahrheit); Satyagraha in South Africa
(1928).
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