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Michel-Nummer 330

Mohandas Karamchand Gandhi, Ehrenname Mahatma (1869 bis 1948), indischer Staatsmann und Politiker

26. Januar 1970: Internationales Gedenkjahr zum 100. Geburtstag Gandhis

Gandhi,

Mohandas Karamchand, genannt "Mahatma" (Sanskrit: "dessen Seele groß ist"), Führer der indischen Unabhängigkeitsbewegung, * Porbandar 2. 10. 1869, ermordet in Neu-Delhi 30. 1. 1948; entstammte der Hindukaste der »Vaishyas« (Kaufleute). Sein Vater Karamchand Gandhi war Chefminister des unter britischer Oberherrschaft stehenden Fürstentums Porbandar. Nach einem Studium der Rechte in London (1888 bis 91) ließ er sich in Rajkot und Bombay als Rechtsanwalt nieder.1893 ging Gandhi aus beruflichen Gründen nach Südafrika in die britische Kronkolonie Natal. Mit der Gründung des »Natal Indian Congress« (1894) organisierte er erstmals den Widerstand der indischen Einwanderer gegen diskriminierende Gesetze (z. B. Aberkennung des Stimmrechts). Er stieg seitdem zum politischen Führer der indischen Bevölkerung in Südafrika auf. 1906 bis 13 lenkte er in Transvaal eine Kampagne für die Anerkennung der bürgerlichen Rechte seiner Landsleute.

Seit seiner Kindheit von hoher Religiosität und asketischer Lebensweise bestimmt, entwickelte Gandhi unter dem Einfluss der altindischen Lehre des Ahimsa, der christlichen Bergpredigt und der Ideen L. N. Tolstojs Formen des gewaltlosen Kampfes, die er erstmals in Südafrika anwendete. Er forderte seine Anhänger auf, im Zeichen des »Satyagraha« (Hingabe an die Wahrheit) an dem als wahr Erkannten festzuhalten und sich aus diesem Wissen heraus gewaltlos dem Unrecht und der Gewalt entgegenzustellen. 1914 kehrte Gandhi nach Indien zurück. Unter dem Eindruck der blutig verlaufenen Auflösung einer indischen Protestversammlung in Amritsar durch britische Truppen (1919) löste er 1920 die erste Kampagne des zivilen Ungehorsams aus, in deren Verlauf (bis 1922) er zum herausragenden Führer der indischen Nationalbewegung wurde. Gestützt auf den Indischen Nationalkongress (Indian National Congress, INC), den er zu einem weit verzweigten und in allen Bevölkerungsschichten anerkannten Instrument des indischen Unabhängigkeitskampfes machte, setzte Gandhi eine Massenbewegung in Gang, die durch »Asahayoga« (Nichtbeteiligung) an den Institutionen der britisch-indischen Regierung (z. B. in Verwaltung, Gerichts-, Schul- und Bildungswesen) die britische Regierung zu Zugeständnissen in der Unabhängigkeitsfrage zu zwingen suchte. Eingeschlossen in diese Aktionen war der Boykott britischer Firmen und ihrer Produkte. In Ergänzung dazu regte Gandhi 1921 die Aktivierung der in der handwerklichen Tradition Indiens wurzelnden häuslichen Handspinnerei an, um sein Land von der britischen Textilindustrie unabhängig zu machen. Im März 1922 wurde er verhaftet und zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, aber im Dezember 1924 wegen Krankheit begnadigt. Er hielt sich nun mehrere Jahre von politischer Agitation fern und widmete sich der Aufgabe, der im hinduistischen Denken verankerten gesellschaftlichen Ächtung der »Parias« (Unberührbaren), das heißt derer, die keiner Kaste angehörten, entgegenzuwirken.

Nachdem sich die britische Regierung geweigert hatte, der auf eine Initiative Gandhis zurückgehenden Forderung des INC zu entsprechen, Indien den Dominionstatus zu gewähren, löste Gandhi 1930 die zweite Kampagne des zivilen Ungehorsams aus. Im Sinne seiner Strategie der gewaltlosen Überschreitung ungerechter Gesetze führte er Hunderttausende von Menschen in einem Demonstrationsmarsch zum Meer, um auf diese Weise gegen das Salzmonopol-Gesetz der britisch-indischen Regierung zu protestieren (»Salzmarsch«, 12. 3. bis 6. 4. 1930). Danach erneut verhaftet, nahm Gandhi 1931 nach seiner Haftentlassung an einer Verfassungskonferenz in London teil, drang dabei jedoch nicht mit seinen Forderungen durch. Nach 1932 war er wiederholt im Gefängnis. Er führte dort mehrfach ein langes Fasten durch, um gegen die von ihm als unzulänglich betrachteten britischen Verfassungspläne für Indien zu protestieren; gleichermaßen wandte er sich mit solchen Aktionen auch gegen Tendenzen, den »Parias« die volle staatsbürgerliche Gleichstellung vorzuenthalten. 1934 legte er die Führung des INC nieder und trat aus ihm aus, da er glaubte, dass dessen maßgebliche Mitglieder das Prinzip der Gewaltlosigkeit nur als ein politisches Mittel, nicht als ein umfassendes gesellschaftliches Grundbekenntnis verstanden.

Im Zweiten Weltkrieg forderte Gandhi die sofortige Entlassung Indiens in die Unabhängigkeit (»Quit India«) und brachte die auf Verzögerung angelegten Pläne der britischen Regierung (Mission von S. Cripps 1942) zum Scheitern. Nach Kriegsende suchte er vergeblich, die Einheit Indiens zu bewahren und die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Muslimen bei der Teilung des Subkontinents zu verhindern. Mit einer Fastenaktion konnte Gandhi 1947 blutige Ausschreitungen in Kalkutta beenden. 1948 fiel er dem Attentat eines jungen Hindufanatikers zum Opfer. - Werke: The story of my experiments with truth, 2 Bände (1927 bis 29; deutsch Eine Autobiographie oder die Geschichte meiner Experimente mit der Wahrheit); Satyagraha in South Africa (1928).

(c) Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2001