Nimmt man die
von Christian Müller gelegt Spur auf, so findet man bei
Hans Sachs interessante Texte - nicht nur die beiden von Müller
herangezogenen. Ein in diesem Zusammenhang interessantes
Detail möchte ich nur erwähnen, dann die beiden bei Müller genannten
Texte ("Die eytel freud ..."
und "Die starck
gewonheyt") vollständig anführen und noch zwei
weitere vorstellen, deren einer ("Gesprech
der Philosophia") Sachsens Melancholie-Bild
erschließen kann, deren anderer ("Die siben alter
...") das Planetenkinder-Problem aus etwas anderer Sicht
zeigt.
Das Detail betrifft den Namen
"Jeck" ("Los,
Ieck, Greta Lend hat 13 baczen verspilt") auf dem
Schriftband im Gerung-Bild.
Der Eingangs-Text des unten nachgewiesenen Sachs-Bandes
heißt: "Comedia oder kampff-gesprech zwischen Juppiter
und Juno, ob weiber oder mender zum regimentn tüglicher seyn;
hat v person" - also ein recht aktuelles Thema. Eine
Person dieses Stücks ist der Narr "Jeckle/Jecklein",
er spricht auch den Prolog. Bevor Teiresias, den die beiden
Streitgegner als Richter zugelassen haben, weil er in seinem
Leben Mann und Frau war, sein Urteil verkündet, werden die
beiden anderen Personen, also Merkur und eben Jeckle, um ihre
Meinung befragt. Jeckle plädiert dafür, Mann und Frau
jeweils abwechselnd eine Woche regieren zu lassen! Der Narr
Jeck(le) ist also nicht der Trottel, sondern der, der die
Folgen seiner an sich berechtigten Meinung nicht ganz bedenkt.
Die
eytel vergencklich
freud unnd wollust dieser welt.
Eins mals lag ich nach mitternacht,
Unnd mein gantz leben hindter-dacht
Wie offt mein glück sich het verkert
Und mir kein freud nye wer beschert,
Als manchem man in dieser zeyt,
Sonder inn aller trawrigkeyt
Mein zeyt verzehret het biß-her.
Des
sich mein hertz erhub inn schwer,
Mein
aygne hartsel zu verfluchen.
Gedacht:
O das ich möcht versuchen
Freud
unnd wollust inn meynen tagen,
Das
ich doch auch darvon künd sagen!
Inn den gedancken ich entnucket
Unnd ward inn süssem traum entzucket.
Inn dem selben gedauchte mich,
Wie zu mir eintret sichtigklich
Ein adelich gekröndtes weyb.
Geschmucket ward ir gantzer leyb,
Recht als ein keyserin gezieret,
Gantz engelisch geliedmasiret
Unnd het zwen flügel inn dem rück.
Die tratt mir zu und wünscht mir glück
Unnd sprach: Wollauff, ich bin genandt
Fraw Voluptas, zu dir gesand,
Dein traurigs hertze zu erquicken.
Mein schetz will ich dich laßn
anblicken.
Vor freuden sprang ich auff entpor.
Ich folgt ir nach, sie gieng mir vor
Für eynen walt und füret mich
An eynen berg gar wunsamlich
Zu
dreyen wol erpawten pforten.
Darob da stund mit diesen worten:
Alle ding die seind gottes werck,
Darumb bin ich der freuden perck.
Durch diese pforten gieng wir ein,
Auffwertz gehn perg, da mir erschein
Ein wolgezierte starcke vesten,
Viereckicht hoch gantz nach dem besten,
Auß quader-stein mit schönen zinnen,
Erpaut nach maysterlichen sinnen,
Gar scheinbarlich, der berg war rund,
Den ich kaum ubersehen kund,
Mit eynem hag umb-zogen schon.
Ringsweiß fürt sie mich umb den plon
Durch welsch weinstöck, zipper-weinreben,
Rosin unnd mandel auch darneben,
Margronat-öpfel,
dattel, feygen,
Pomerantzen;
auff grünen zweygen
Hört
ich der vogel süß gedön.
Der berg war allenthalben grön,
Von wurtzen, lilgen unnd von blumen.
O wer möcht all zier uber-summen!
Darinn erglentzt die liechte sunnen.
Viel sach ich der quellenden prunnen
Mit frischem wasser uber-wallen.
Zu reden kürtzlich von dem allen,
Daucht mich der perg inn aller weiß
Sein das schön irrdisch paradeiß,
Weil all frücht so volkummen was.
Fraw Wollust sprach: Wie gfelt dir das?
Ich sprach: Wol. O möcht ich auch sehen
Die bürg! Sie sprach: Das sol geschehen.
Unnd füret mich auffwertz darfür,
Hin-nein durch ein eyßrene thür,
Mit rigel, schlossen wol verwart.
Die burg war nach der Römer art
Gewölbt, vor fewer zu befrieden,
Mit sewlen artlich undterschieden,
Gemachsam, gwaltig, starck und fest,
Das ich nit anderst mich verwest,
Dann het sie Luculus erpaut.
Oben herumb ich auch erschaut
Uralt haydnische arma hangen.
Nach dem kam wir auffwertz gegangen
Zu eynem königklichen sal
Vol edler geste uberal,
Geziert zu freudenreicher glori,
Viel döppichen alter histori.
Mitten ein fürstliche credentz,
Alda mit grosser reverentz
Wurden die gest zu tisch gesetzt.
Also mich fraw Wollust zu-letzt
Setzt undter andern auch zu tisch.
Auff-trug man wiltbret unnd gut visch,
Köstlich getranck mit uberschwal,
Als wers Aswerus abendmal.
Zu tisch man dienet und hofiert,
Mit sayten-spiel und gsang quintiert.
Ein tratten auch zwo mummerey
Unnd es spielet die erst parthey
Ein ernsthaft, trawrige tragedi,
Die ander ein fröliche comedi.
Mit dem das mal geendet war.
Auff stund die adeliche schar,
Anfieng ein schönen welschen dantz.
Eins thayls spielten und wurffen schantz.
Ettlich abgiengen inn den garten,
Ich gieng mit fraw Wollust, der zarten,
Auffwertz, zu beschawen die festen,
Da zaygt sie mir die aller-besten
Gemach, darinn harnisch und weer,
Geschmuck zu ritterlicher ehr,
Gewand und kleynat mancherley,
Auch ein trefliche lieberey.
Auff dem gesimbs sach ich viel possen,
Auß
glocken-speiß künstlich gegossen,
Artlich
gemel alter geschicht,
So
mancherley, das ich sie nicht
Erzelen
kan, als sich gebürt.
Fraw Wollust mich noch höher fürt
Inn diesem wol erpauten schloß,
Da ich fand gut gewaltig gschoß,
Mit hand-gschütz zu der weer auch innen.
Erst fürt sie mich nauff an die zinnen,
Zeygt mir herab auff weytem platz
Der freud ein uberflüssing schatz.
Da sach ich inn dem garten nieder
Das volck kurzweylen hin und wider.
Ein par sach ich mit scharpffen
klennen
Wol
gerüst ein ander ab-rennen.
Dort
sach ich wettlauffen, da springen,
Hie
fechten, steinstossen und ringen.
Auch
sach ich unden umb den berg
Etlich
nach-hengen dem weydwerg.
Fischen
sach wir unnd vögel fahen.
Hertz-lieb
bey hertzen-lieb wir sahen
Inn
rosen-püschen sich ermeyen.
Eins thails die tratten singend reyen.
Inn summa alle freud auff erd
War da, was menschlich hertz begerdt.
Darnach fraw Wollust mit der hand
Zaigt mir biß inn fünff fürsten-landt.
Do sach ich berg, dort finster welder,
Hie paumgerten und dort pawfelder,
Neben ein blumen-reiche wiesen,
Daran ein fischreich wasser fliesen.
Gehm niedergang sach ich mit rat
Erpaut ein kayserliche stat.
Diß als erzel ich auff das kürtzt.
Mein
hertz inn freuden uber-stürtzt.
Inn
diesem jubel und frolocken
Sach
ich die kayserlichen docken
Sich
vonn mir schwingen inn die lüfft,
Der
ich gar hertzigklich nach-rüfft.
Inn
dem schrecken ich aufferwacht.
Da
war die finster forchtsam nacht
Ob
mir und war der freuden traum
Verschwunden,
als ein wasser-schaum.
Do dacht ich mir, wie gar vergencklich
Sin irrdisch wollüst uberschwengklich,
Recht wie ein schatt an eyner wend,
Wie könig Salomon bekendt.
Nach dem er zelt all wollüst her,
Heist er sie eyttel unnd gantz ler,
Unbestendig unnd unersetlich,
Menschlichs gemüts, auß den auch etlich
Philossophi trieben den spot.
Darumb, o mensch, wend dich zu Got,
Von
diesen zergencklich irdischen
Wollüsten
auf zu den himlischen,
Da
ewig freud dir blü und wachs!
Wünscht
dir von Nürnberg Hans Sachs.
Anno
salutis 1534, am 8 tag Aprilis. |
Quelle:
HANS SACHS, herausgegeben von Adelbert von Keller,
Vierter Band, 1964, Georg Olms Verlagsbuchhandlung,
Hildesheim
Reprografischer Nachdruck der Ausgabe Stuttgart 1870
S. 165 - 169
Fettdruck:
Textzitat bei Christian Müller |
Einst
lag ich nach Mitternacht
und
in Betrachtung meines ganzen Lebens überlegte ich,
wie
oft sich mein Glück veränderte
und
dass mir nie Freude beschert war,
wie
es eben manchem Menschen heutzutage geschieht,
sondern
dass ich nur in Traurigkeit
meine
bisherige Lebenszeit aufgebraucht habe.
Daran
trug ich schwer und begann,
meine
eigene Mühsal zu verfluchen.
Ich
dachte: 'Wenn ich doch eine Kostprobe
von
Vergnügen und Freude in meinem Leben bekäme,
damit
ich darüber mitreden könnte!'
In
den Gedanken versank ich
und
träumte einen beglückenden Traum.
Im
Traum kam es mir vor,
dass
zu mir hereinkäme eine offensichtlich
adlige,
gekrönte Frau.
Ihr
ganzer Körper war schmuckbehangen,
sie
trug den Ornat gerade wie eine Kaiserin,
ihre
Gestalt war engelsgleich,
denn
sie hatte auf dem Rücken zwei Flügel.
Die
trat zu mir, beglückwünschte mich
und
sprach: "Vernimm, ich heiße
Frau
VOLUPTAS und bin zu dir gesandt,
um
dein trauriges Herz zu erquicken.
Ich
werde dir meine Schätze zeigen!"
Voll
Freude sprang ich empor.
Sie
ging voraus, ich hinterher
bis
vor einen Wald, dann führte sie mich
an
einen eigenartigen Berg,
zu
dem drei schön gebaute Tore hinführten,
über
denen folgende Inschrift stand:
"Alle
Dinge sind Gottes Werk,
deshalb
bin ich der Berg der Freuden."
Wir
traten durch diese Tore ein,
und
oben auf dem Berg, da erschien mir
eine
schön geschmückte, starke Burg,
sie
war vollkommen quadratisch,
war
aus Quadersteinen mit schönen Zinnen
architektonisch
meisterhaft errichtet;
der
Berg war offensichtlich rund,
auch
wenn ich ihn nicht ganz überblicken konnte,
und
mit einer schönen Einfriedung umgeben.
Im
Kreis führte sie mich um den Platz
durch
welsche Weinstöcke, Zipper-Reben,
Rosinen
und Mandeln, die daneben standen,
durch
Granat-Äpfel, Datteln, Feigen und
Pomeranzen;
auf grünen Zweigen
hörte
ich süßes Vogellied.
Der
ganze Berg war grün
von
Pflanzen, Lilien und Blumen.
O,
wer könnte die Fülle dieser Pracht ausrechnen!
Innen
strahlte die helle Sonne.
Ich
sah viele Quellen
übersprudeln
von frischem Wasser.
Um
mich kurz zu fassen,
der
Berg kam mir jedenfalls vor,
als
wäre er das irdische Paradies,
da
er jede Art von Früchten aufwies.
Frau
WOLLUST sprach: "Wie gefällt dir das?"
Ich
antwortete: "Sehr gut! O könnte ich doch auch
die
Burg besichtigen!" - Sie sprach: "Das soll
geschehen!"
Sie
führte mich in die Höhe zur Burg und
ins
Innere durch eine eiserne Tür,
die
mit Schloss und Riegel gut gesichert war.
Die
Burg hatte ein romanischen Gewölbe,
um
vor Feuer sicher zu sein,
besaß
Säulen verschiedener Ordnung,
war
geräumig, gewaltig, stark und fest,
dass
es mir gerade so vorkam,
als
hätte sie Lukullus erbaut.
Oben
herum sah ich auch
uralte
Römerwaffen hängen.
Beim
Hinaufsteigen kamen wir
an
einen königlichen Saal,
der
ganz mit edlen Gästen gefüllt
und
geschmückt war zum Ruhm voller Freude,
mit
vielen Wandteppichen mit Bildern der Geschichte.
In
der Mitte stand eine fürstlich Kredenz,
wo
mit großer Ehrerbietung
die
Gäste zu Tisch gesetzt wurden.
Hier
ließ mich Frau Wollust zuletzt
bei
den anderen Gästen Platz nehmen.
Man
servierte Wildbret und guten Fisch,
köstlichen
Wein in großer Auswahl
als
wäre es Ahasvers Abendmahl.
Bei
Tisch wird man bedient und umsorgt
mit
Saitenspiel und quintiertem Gesang.
Es
traten auch zwei Schauspieltruppen auf,
deren
erste
eine
ernsthafte, traurige Tragödie spielte,
deren
andere eine fröhliche Komödie.
Nach
Beendigung des Mahls
stand
die adlige Schar auf
und
begann einen schönen welschen Tanz.
Manche
begannen, mit Würfeln zu spielen,
andere
gingen in den Garten hinab,
ich
stieg mit Frau Wollust, der Zarten,
hinauf,
um die Burg weiter zu besichtigen,
da
zeigte sie mir die allerbesten Gemächer,
in
denen sich Rüstungen und Waffen,
Schmuck
zur ritterlichen Repräsentation,
Gewänder
und allerlei Juwelen befanden,
übrigens
auch eine wohl ausgestattete Bibliothek!
Auf
dem Gesims sah ich viele kleine Figuren,
die
aus Glocken-Speise kunstvoll gegossen waren,
auch
kunstvolle Gemälde mit historischen Darstellungen,
so
viel, dass ich sie gar nicht beschreiben kann,
wie
es sich eigentlich gehörte.
Frau
Wollust führte mich noch höher hinauf
in
diesem wohl erbauten Schloss.
Da
fand ich starke Geschütze auch innen,
außerdem
Handfeuerwaffen zur Verteidigung.
Dann
erst führte sie mich hinauf auf die Zinnen
und
zeigte mir unten auf weitem Platz
eine
überreiche Ansammlung von Freuden.
Ich
sah, wie unten im Garten
das
Volk seinen Vergnügungen nachging.
Ein
paar sah ich, wie sie gut gerüstet einander
mit
scharfen Stangen im Rennen niederwarfen.
Dort
sah ich welche wettlaufen, da springen,
hier
fechten, Stein stoßen und ringen.
Auch
sah ich unten, wie sich etliche unten am Berg
der
Jagd widmeten.
Wir
sahen welche fischen und Vögel fangen.
Geliebte
sahen wir bei Geliebten
in
Rosenbüschen, wie im Mai üblich, sich erfreuen.
Manche
sangen beim Tanz.
Kurz
und gut: Es gab hier alle Freud auf Erden,
wonach
eben Menschenherz verlangt.
Danach
zeigte mir Frau Wollust mit der Hand
die
Gegend bis zum Fünf-Fürsten-Land.
Da
sah ich Berge, dort finstere Wälder,
hier
Baumgärten, dort bestelltes Land,
daneben
eine blumenreiche Wiese,
an
der fischreiches Wasser floss.
Nach
Westen hin sah ich eine planvoll
erbaute
kaiserliche Stadt.
All
das erzähle ich ja nur in äußerster Kürze,
mein
Herz ist nämlich von Freuden überschüttet.
In
diesem Jubel und Frohlocken
sah
ich das kaiserliche Mädchen
sich
von mir weg in die Lüfte schwingen.
Ich
rief ihr herzlich nach,
und
im Schrecken wachte ich auf.
Da
war um mich finstere, beängstigende Nacht,
und
der Traum von den Freuden war
verschwunden
wie Schaum auf dem Wasser.
Da
dachte ich mir, wie vergänglich sind doch
auch
noch so überreichliche irdische Freuden,
genau
so, wie Schatten an einer Wand,
wie
es König Salomon beschreibt.
Nachdem
er alle Freuden aufgezählt hat,
nennt
er sie eitel und völlig leer,
unbeständig
und unersättlich,
Gegenstand
des menschlichen Fühlens, über die
auch
etliche Philosophen schon spotteten.
Deshalb,
Mensch, wende dich Gott zu,
wende
dich weg von den vergänglichen, irdischen
hin
zu den himmlischen Freuden,
aus
denen dir die ewige Freude erblühe und wachse.
Das
wünscht dir Hans Sachs aus Nürnberg.
Im
Jahre des Heils 1534, am 8. April.
|
Was wird hier dargestellt? Mit welcher
Intention?
Das lyrische Ich sehnt sich nach Glückserfahrung und wird dann in einem
Traum von der Göttin der Freude "Frau Voluptas" - die hier im
Unterschied etwa zur stoischen Sicht durchweg positiv als die Herrin der
irdischen Glücksmöglichkeiten gezeigt wird - durch einen
repräsentativen Garten geführt. Schon die Inschrift über den Toren
zeigt, dass es sich um etwas Positives handelt. In der Burg darf das
lyrische Ich an einem Hoffest teilnehmen, er darf den Reichtum der
Ausstattung der Burg bewundern und am Schluss von den Zinnen ins Land
blicken, wo er wieder nur schöner Dinge gewahr wird: sportlicher
Aktivitäten, der Jagd und der Liebe. Und als er aus dem Traum erwacht und
wieder seine bedrückende Realität empfindet, wird ihm eine Sache klar:
Diese wunderschönen Freuden werden noch von den himmlischen übertroffen, weshalb er
sich diesen zuwenden soll. - Es geht also in Form einer Überbietung um
den Preis der "ewigen Freude".
Wenn also Christian Müller Gerungs Bild als "Aufforderung zur
Enthaltsamkeit" auffasst, so lässt sich das gerade aus dem Vergleich
mit diesem Sachs-Text nicht herausholen.
Die
starck gewonheyt.
Fru inn des mayen wun,
Eh wann auff-gieng die sunn
Mit ihren streymen hayß,
Nam ich mir für ein rayß
Inn ein blüendtreiche aw.
Es het der küle taw
Das gantze land befeuchtet.
Auß grünem graß her leuchtet
Manch rößlein rot unnd weiß.
Also kam ich gar leiß
Zu eynem brünlein kül
Bey eyner öden mül.
Zu dem ich nieder saß
Inn das lang grüne graß,
Mit blümblein gemosiret,
Allerley farb gezieret,
Das wunsamlichen schmecket.
Mein haubet ich bedecket
Unnd
mich gar nieder neyget.
Inn
freud ward ich geschweyget.
Ich
hört die windlein wehen,
Auß
dem wald in der nehen
Her
durch die baumen rauschen.
Inn
solchem stillen lauschen
Wurden
mein sinn entzucket,
Deß
ich mit schlaff entnucket.
Inn
dem traum mir erschin
Klerlich,
wie ich wer inn
Eyner klar reichen wyesen,
Darumb ring-weiß war fliesen
Ein gantz zynlauter pach.
Auff diesem platz ich sach
Viel auffgeschlagner zelt,
Als ob die gantze welt
Alda zu felde leg.
Ich schaut umb, war nit treg,
Allerley volcks auff erdt
Sambt allerley geperdt,
Was doch menschlicher wandel
Yebt inn all seynem handel.
Ich sach lauffen unnd
ringen,
Fechten, kempffen unnd
springen,
Stechen, rennen unnd thurnieren
Hetzen,
jagen, spacieren,
Vögel
fahen unnd vischen.
Auch
sach ich an vil tischen
Essen
unnd panckatieren,
Singen,
sprechen, hofiren.
Auch hertz-lieb bey hertz-lieben
Ir viel groß eyfer trieben.
Ich sach reyen unnd
dantzen,
Auch spielen und
umbschantzen,
Rechnen, kauffen,
verkauffen,
Arbeytn
ein grossen hauffen.
Ich
sach dichten unnd schreyben,
Groß
pracht gar fürstlich treyben,
Kriegen,
brennen unnd mörn,
Sehr
pawen unnd zerstörn.
Ich sach schetzen unnd
rauben,
Steln, meyneyd unnd
unglauben,
Sach weybisch sein unnd
mendlich,
Sah faul sein,
rösch und endlich,
Sach günstig sein unnd
neyden,
Wol reden unnd
ehr abschneyden.
Ich hört warheyt unnd
liegen,
Trew halten unnd
betriegen.
Ich hört still sein und
dadern,
Friedlich sein unnd auch
hadern,
Zornig sein unnd
senfftmütig,
Hoffertig und
demütig.
Ich hört loben unnd
schenden,
Sach sparen unnd
verschwenden,
Sach
samlen unnd zerstrewen,
Sach
trawren unnd sich
frewen,
Sach
billich unnd unbillich,
Wider-spenstig
unnd willig.
Auch
sach ich ernst unnd schimpff,
Ich sach schimpff unnd
unglimpff,
Feindschafft unnd freundschafft machen,
Ich sach weynen unnd
lachen,
Sach frölich unnd
betrübet.
Also ein yedes übet
Sein
thun für sich besunder.
Inn
dem sach ich gar wunder
Ein
uberstarckes weyb,
Vierschrötig,
groß von leyb,
Die
war umbhenget gantzer
Mit
eynem stehelen pantzer.
Verhület
war ir angesicht,
Das
mans mocht kennen nicht.
Trug
inn der eynen handt
Wol
tausenterley bandt.
Diß
weyb gar haymelich
Ring-weiß
herumber schlich
Zu
ob-gemelter schar.
Eh
ir eins innen war,
So
wurd es uberwunden,
Von
ihr gfangen unnd bunden
On
sein gedanck und wissen.
War
darnach erst geflissen
Inn
seynem thun und handel,
Gut
oder bösen wandel,
Samb wer es dran gebunden,
So krefftig uberwunden
Mit der melancoley,
Samb kombs von zauberey.
Also die grosse menig
Dem
weib ward undterthenig,
On
ein uralter man,
Der
thet ihr frey entgan,
Der
thet ir kein genad.
Dem
eylt ich zu gerad
Unnd
bath ihn fast unnd hoch,
Mir
an zu zeygen doch,
Wer
dieses weib doch wer,
Die
also mit gefehr
Alda
umb-schleichen ist,
Gleich
samb durch zauber-list
Die
leut fieng an ihr wissen.
Er
antwort mir geflissen:
Das
weib mit ihrem band,
Consuetudo
genandt,
Das
ist die gewonheyt,
Welche
still mit der zeyt
Die
menschen hindter-schleicht
Unnd
listig hindter-kreucht,
Sie
also uberwindt,
Mit
eyßren banden bind.
Eh
ir der mensch wirt innen,
Brüfft
oder thut entpfinnen,
So
ist er schon gefangen,
Das
er dem ob muß hangen,
Dem
gscheffte oder handel,
Gut
oder bösem wandel,
Das
er gewonet hat.
Gantz
und gar nichts verstat,
Obs
ubel oder wol steh,
Obs
wol thu oder weh,
Obs
schad sey oder nutz,
Obs
böß bring oder guts,
Obs
ehr sey oder schandt.
Auch
fragt er nach nyemandt.
Was
man denn ziech oder straff.
Er
geht hin wie im schlaff,
Wie
man spricht: Ein saumroß,
Das
macht sein gwonheyt groß,
Die maystert sein vernunfft.
Willn und gedechtnuß-zunfft
Unnd im bind also starck
Sein gmüt, fleisch, bein und marck,
Wann man spricht: Gwonheyt pur
Ist die ander natur.
Auch spricht man: Gwonheyt frembd
Ist ein steheles hembd,
Als ob die gwonheyt dreng,
Den menschen trieb und zweng,
Des, wes er gwonet hab,
Das er davon nicht ab
Kan lassen, wenn er will.
Schaw! darob hebt sich viel
Unrathes inn der welt,
Wie vor nach leng gemelt,
Das sich offt klein anspinnet,
Biß er ein anfang gwinnet,
Das böß gwonheyt eintringet,
Ein laster sander bringet,
Die sich mit hauffen mehren,
Den ist nicht mehr zu wehren,
Es ist gehart zu lang.
Derhalben im anfang,
Wer unglück will entgehn,
Soll krefftig wieder-stehn,
Weyßlich an allen orten,
All gedancken, werck und worten,
Darvon laster entspringen,
Ein-wurtzln unnd durch-dringen,
Starck werden durch gwonheyt;
Sunder inn aller monheyt
Der edlen zarten tugend
Soll sich alter unnd jugend
Gewehnen im anfang
Wenn man die bringt inn schwang
Unnd ir gewonen thut,
Dem gibt sie alles gut,
Ein inwendig wol-leben,
Thut auch dem menschen geben
Ein wandel so holdselig,
Gott und menschen gefellig,
Macht in scheinbar und herrlich,
Gantz lob-wirdig unnd ehrlich,
Sinn, gedechtnuß unsterblich,
Inn unglück unverderblich.
All ihr diener sie krönet
Unnd sie reichlich belönet
Beyde inn todt unnd leben,
Spricht Seneca, darneben
Die tugend jagt mit schmertzen
Die laster auß dem hertzen,
Wo sie durch gwonheyt wachs,
Wünscht
von Nürmberg Hans Sachs.
Anno
salutis 1544 am 4 tag Junii. |
Quelle:
HANS SACHS, herausgegeben von Adelbert von Keller,
Vierter Band, 1964, Georg Olms Verlagsbuchhandlung,
Hildesheim
Reprografischer Nachdruck der Ausgabe Stuttgart 1870
S. 170 - 175
Fettdruck:
Textzitat bei Christian Müller |
An
einem Morgen im Wonnemonat Mai
entschloss
ich mich vor Sonnenaufgang
und
dem Beginn der Hitze
zu
einer Wanderung
in
eine Wiesenlandschaft voller Blumen.
Der
kühle Tau
hatte
das ganze Land befeuchtet.
Aus
grünem Gras leuchtete
manches
rote und weiße Röslein.
Also
kam ich geräuschlos
an
einen kühlen Brunnen
bei
einer verlassenen Mühle.
Bei
ihm setzte ich mich nieder
ins
lange, grüne Gras,
das
mit Blümchen durchmasert,
und
vielen Farben geschmückt war:
Es
war für die Augen eine große Freude.
Meinen
Kopf hatte ich bedeckt
und
mich ganz hingelegt.
Vor
Freude schwieg ich still;
die
leichten Winde hört ich wehen
und
aus dem nahen Wald
durch
die Bäume hierher rauschen.
In
solch stillem Lauschen
geriet
ich in Begeisterung
und
versank in Schlaf.
Im
Traum sah ich ganz deutlich,
wie
ich mich
auf
einer hellen, reichen Wiese befand.
Rings
um die Wiese floss
ein
ganz lauter Bach.
Auf
diesem Platz sah ich
viele
aufgeschlagene Zelte,
als
ob da die ganze Welt
zu
Felde läg.
Ich
schaute herum, war nicht untätig,
sah
viel Volk auf Erden
bei
allerlei Beschäftigungen,
was
doch der Mensch in seinem Lebenswandel
alles
an Handlungen hervorbringt!
Ich
sah Laufen und Ringen,
Fechten,
Kämpfen und Springen,
Stechen,
Rennen und Turnierkämpfe,
Hetzjagden,
andere Jagden und Spaziergänge,
Vogel-
und Fischfang.
Auch
sah ich an vielen Tischen
Leute
essen und Bankette abhalten,
sah
Singen, Unterhaltungen, den Hof Machen.
Auch
Geliebte mit Geliebten
kümmerten
sich umeinander mit großem Eifer.
Ich
sah Reigen- und andere Tänze,
auch
Spiel und Würfelspiel,
Rechnen,
Kaufen und Verkaufen,
viele
sah ich beim Arbeiten.
Ich
sah Dichten und Schreiben,
mancher
Leute prächtiges, fürstliches Treiben,
Krieg
Führen, Brennen und Trauern,
viel
Aufbauen, aber auch Zerstören.
Ich
sah Brandschatzen und Rauben,
Stehlen,
Meineid und Unglauben,
sah
weibisches und männliches Verhalten,
sah
Faulheit, Schnelligkeit und Beharrlichkeit,
sah
Wohlwollen und Neid,
hörte
gutes Reden und Ehrabschneidung,
hörte
Wahrheit und Lüge,
sah
Leute einander Treue halten, auch einander betrügen,
hörte
welche stille sein oder plappern,
friedlich
sein oder streiten,
zornig
sein oder sanftmütig,
arrogant
oder demütig.
Ich
hörte Loben und Diffamieren,
sah
Sparen und Verschwenden,
sah
Sammlung und Zerstreuung,
Trauer
und Freude,
sah,
was recht war oder auch nicht,
sah
widerspenstiges und willfähriges Verhalten.
Auch
sah ich Ernst und Spott,
sah
Spott und Verunglimpfung,
sah
Feindschaft und Freundschaft machen,
sah
Weinen und Lachen,
sah
Fröhlichkeit und Trübsal.
Also
jeder Mensch übte
sein
besonderes Verhalten aus.
Währenddessen
sah ich voller Verwunderung
eine
außergewöhnlich kräftige Frau,
vierschrötig,
groß gewachsen,
die
war am ganzen Körper eingeschlossen
von
einem stählernen Panzer.
Ihr
Gesicht war verhüllt,
so
dass man es nicht erkennen konnte.
In
der einen Hand hielt sie
wohl
tausenderlei Fesseln.
Diese
Frau schlich heimlich
in
Kreisbahnen herum
zu
der oben beschriebenen Schar.
Bevor
jemand sie wahrnahm,
wurde
er von ihr überwältigt,
gefangen
und gefesselt,
ohne
dass derjenige daran dachte oder es gar wusste.
Danach
gab sich die Person in ihrem Tun oder Handeln
Mühe,
in
gutem oder bösem Verhalten,
als
ob es an dieses gefesselt wäre;
so
kraftvoll war sie überwältigt
von
der Melancholie,
als
wäre sie verzaubert.
Auf
diese Weise war die große Menge
der
Frau untertan geworden,
außer
einem uralten Mann,
der
entging ihr und blieb frei,
der
entsprach nicht ihrem Willen.
Auf
den eilte ich geradewegs zu
und
bat ihn inständig,
mir
doch zu verraten,
wer
diese Frau sei,
die
so gefährlich
da
herumgeschlichen war
und
gleichsam durch Zauberlist
die
Leute einfing, ohne dass sie es merkten.
Er
antwortete mir mit innerer Beteiligung:
"Die
Frau mit ihrem Band,
CONSUETUDO
genannt,
ist
die Gewohnheit,
welche
unauffällig mit der Zeit
hinter
die Menschen schleicht,
sich
listig bei ihnen einnistet
und
sie so überwältigt
und
mit eisernen Fesseln kettet.
Eh
der Mensch sie wahrnimmt,
sie
anspricht oder gar aufnimmt,
so
ist er schon gefangen,
so
dass er dem Geschäft oder Handel
anhängen
muss,
sei
es gutes oder böses Verhalten,
das
er sich angewöhnt hat.
Dabei
versteht er überhaupt nicht,
ob
es gut oder schlecht steht,
ob's
ihm wohl tut oder weh,
ob's
Schaden bringt oder Nutzen,
ob's
für ihn böse oder gute Folgen hat,
ob's
ihm Ehre bringt oder Schande.
Auch
kümmert er sich nicht darum,
was
man so treibt oder bestraft.
Er
benimmt sich wie ein Schlafwandler,
wie
man eben sagt: 'Ein Saumross
wird
durch seine Gewohnheit groß,
die
bringt sein Denken in ihre Gewalt,
seinen
Willen und sein ordentliches Gedächtnis
und
fesselt ihm in gleichem Maß
sein
Gemüt, sein Fleisch, sein Gebein und sein Mark',
denn
man sagt: Pure Gewohnheit
ist
die andere Natur.
Auch
sagt man: Fremde Gewohnheit
ist
ein Hemd aus Stahl,
als
ob die Gewohnheit den Menschen
bedrängte,
ihn triebe oder zwingen würde
zu
dem, was er gewohnt ist,
so
dass er davon nicht mehr wegkommen kann,
auch
wenn er will.
Schau!
Daraus ist viel Schlechtes
in
der Welt entstanden,
wie
oben ausführlich dargestellt,
das
oft klein beginnt,
bis
es so weit gediehen ist,
dass
böse Gewohnheit eindringt;
ein
Laster zieht das andere nach sich,
die
sich haufenweise vermehren
und
denen man nicht mehr begegnen kann:
Die
Haare sind zum Schneiden zu lang.
Deshalb
muss der,
der
dem Unglück entgehen will,
am
Anfang kräftig, bewusst, überall
Widerstand
leisten
all
den Gedanken, Werken und Worten,
aus
denen Laster entstehen und
in
einen hineinwachsen und einen durchdringen,
die
stark werden durch Gewohnheit.
Im
Gegenteil soll sich Alter und Jugend
mit
aller Kraft
an
die edle, zarte Tugend
am
Anfang gewöhnen;
wer
die zur Wirkung bringt
und
sich an sie gewöhnt,
dem
verleiht sie alles Gute,
ein
inneres gutes Leben,
sie
gibt dem Menschen auch
einen
so vollkommenen Lebenswandel,
der
Gott und Menschen gefällt,
sie
macht ihn ansehnlich und sogar herrlich,
überaus
lobenswert und ehrlich,
verleiht
Sinn und unzerstörbares Gedächtnis,
lässt
ihn im Unglück siegen.
Alle
ihre Diener krönt sie
und
belohnt sie reichlich
in
diesem und im nächsten Leben,
sagt
Seneca, außerdem
jagt
die Tugend mit Schmerzen
die
Laster aus dem Herzen,
wo
sie mit Gewohnheit wachsen möge.
Das
wünscht Hans Sachs aus Nürnberg.
Im
Jahre des Heils 1544, am 4. Juni. |
Nach einem überaus idyllischen
Natureingang, geradezu einem "locus amoenissimus", folgt der Traum
des lyrischen Ichs: In Form einer aufwendigen Häufung werden menschliche
Tätigkeiten angeführt; vor allem durch die antithetischen Reihen soll
der Eindruck von "alle menschlichen Lebensregungen" erzeugt
werden. Diese Menschen werden bis auf einen weisen Alten, der dann
Gesprächspartner wird, von einer allegorischen Macht beherrscht, der Frau
CONSUETUDO/Gewonheyt. Der weitere Verlauf zeigt dann, worum es Hans Sachs
hier geht: Thema ist das "Principiis obsta!", das "Wehre
den Anfängen!", weil der Mensch in seiner Jugend auf ein Verhalten
hin geprägt wird. Es geht also darum, sich in früher Jugend der Tugend
zuzuwenden, damit diese zur festen Gewohnheit werden kann. Durch
Fettdruck hervorgehoben sind die bei Christian
Müller zitierten Passagen. Ich habe durch Farben kenntlich machen
wollen, was bei Gerung vorhanden (blau) und, vor allem, was nicht
vorhanden (rot) ist. Bei Gerung wird außerdem gezeigt und bei Sachs nicht
angesprochen: die Gaukler rechts unten, der Bereich von Bad und Bordell -
"Hertzelieb bey Hertzelieb" kann man wohl besser im Wäldchen
links oben ausmachen -, der kirchliche Bereich mit der Wallfahrt und vor
allem der Bereich von Hinrichtung und Bestattung. Es besteht also zwischen
diesem Gedicht und Gerungs Bild eine Schnittmenge, die sich aufgrund der
jeweils verfolgten Themen ergibt. Ganz
am Anfang spricht Hans Sachs von den aufgeschlagenen Zelten, die bei ihm
deutlich im militärischen Zusammenhang stehen; was sollen aber die Zelte
bei Gerung, vor allem das im mittleren Vordergrund, in das man aber nicht
hineinsehen kann? Christian
Müller fasst auf S. 20 seinen Ertrag zusammen. Doch ist dieser Ertrag
haltbar, wenn man die beiden Gedichte von Sachs als ganze (!) heranzieht?
"Sachs bezeichnet sein Naturbild einmal selbst als 'Gart des Lebens'.
Es verbildlicht die 'Welt und ihr Treiben'." - Das trifft wohl bei
der "gewonheyt" zu; bei den "eytel freud" kommt ja nur
- logisch! - der positive Teil menschlichen Strebens zur Sprache.
"Hier gehen die Menschen typischen Beschäftigungen nach, die für
einzelne Stände oder Berufe charakteristisch sind." - Diese Aussage
lässt sich auf die "eytel freud" übertragen, da dort die
Freuden des Adels in der Burg stark im Vordergrund stehen; aber das ist
wohl nicht der gemeinte Sinn dieser Aussage, die eher den bäuerlichen
Tanz und das bürgerliche Wettschießen des Gerung-Bildes betrifft.
"Die Vorstellung eines Gartens als begrenztem (sic!), umschlossenen
Bereich (sic!) wird bei Sachs gesprengt. Er erweitert seine Gärten zu
einer Landschaft mit Überschau." - Bei der "eytel freud"
wird das lyrische Ich ausdrücklich durch ein Tor in den umfriedeten
Bereich hineingeführt; und das, was Kontur erfährt, spielt sich
innerhalb des Hags ab. Und bei der "gewonheyt" ist alles auf
einer bachumflossenen Wiese, eben keinem Garten, angesiedelt.
"Es <der Garten> ist kein Ort mehr, der privaten Charakter hat,
sondern die ganze Welt hat Zutritt bekommen." - Was ist hier der
Erkenntnisgewinn, wenn doch bei der "eytel freud" die Welt sich
innerhalb der Umfriedung bewegt?
"Dieser Kontrast verleiht seinen Gärten <d. i. den Gärten des
Hans Sachs> einen paradoxen Charakter." - Diese Aussage ist von
den beiden Texten her nicht nachvollziehbar, sie ist aber wichtig, damit
Müller gleich danach feststellen kann: "die Schilderung von
Tätigkeiten und Gegensätzen findet sich wieder", gemeint ist: im
Werk Gerungs. Was Müller als Beleg anführt, ist wieder - bis auf die
auffallende Winterszene - nicht nachvollziehbar; aber vor allem stimmt der
Kern der Aussage nicht. Wird die "gewonheyt" tatsächlich von
den gehäuften Antithesen bestimmt, so fällt ja bei Gerungs Bild die
weitgehende und einheitliche Friedlichkeit der verschiedenen Szenen auf;
auch die Turniere sind ja nicht als kriegerische Grausamkeit, sondern als
Spiel dargestellt.
So bleibt als letztes noch eine Feststellung von Müller: "Auch bei
ihm <Gerung wie bei Hans Sachs> herrscht eine allegorische Gestalt
inmitten des Welttreibens." - Frau Voluptas in den "eytel freud"
wird zwar einerseits als Herrscherin über das "das schön irrdisch paradeiß"
beschrieben, andererseits dient sie dem lyrischen Ich in fremdem Auftrag
als Fremdenführerin in ihrem Reich. Frau Consuetudo wird wirklich
ausdrücklich als (Zwing-)Herrscherin über die Menschheit dargestellt:
Sie hat die tausenderlei Fesseln in ihren Händen, die sie auch einsetzt.
Und die Melancolia 1558? Bei ihr fällt ja die schon
bei Klibansky-Panofsky-Saxl angesprochene Beziehungslosigkeit zu ihrer
Umwelt auf; in welcher Form sie die Menschen beherrschen soll, wird nicht
klar.
Was bleibt jetzt vom von Müller intendierten Vergleich? Im Grunde nur die
Erkenntnis, dass eine rätselhafte allegorische Gestalt umgeben ist von
Menschen, die weitgehend Tätigkeiten nachgehen, die sie erfreuen. Da
diese Erkenntnis im Grunde das ist, was ein interessierter Betrachter auch
so schon am Bild erkennt, besteht im Vergleich mit Hans Sachs eben nicht
der Schlüssel zum Verständnis des Gerung-Bildes.
Gesprech
der Philosophia mit eynem melancolischen, betrübten
jüngling
Eins
mals lag ich im summer,
Da
mir schwermut und kummer
Mein
hertz so streng besaß,
Ietz
umb diß, denn umb das.
Ich
ward so gar entricht,
Kend
mich gleich selbert nicht.
Daucht
mich derhalb allein
Auff
erd der ellends sein,
Wann
alles, was ich redt,
Gedachte
oder thet,
Das
gfiel mir alles nicht,
Daucht
mich als schnöd, entwicht.
Mein
vernunfft, sinn unnd mut,
Mein
handel, ehr und gut
Das
daucht mich als verdorben,
Gekrencket
unnd erstorben.
Dergleich
wurd mein gewissen
Gemartert
unnd gebissen,
All
hoffnung wer vergebens,
Das
mich verdroß des lebens.
Inn
den schweren gedancken
Und
inwendigem zancken
Ward
all mein freud entzwey.
Mein
hertz gar ellend schrey
Unnd
wünscht mir offt den todt
Zu
endung dieser not.
Offt
ich mich trösten wolt,
Mein hertz wider erholt
Von der schwermütigkeyt.
Inn augenblickes zeyt
Kamen herwider schnell
On zal erschröcklich fell,
Das mir darob ward schewtzen.
Ich thet mich offt bekrewtzen.
Forcht und sorg trieb mich streng.
Dwelt war mir samb zu eng.
Mir war inn dem gefell,
Samb wer ich inn der hell.
Inn solcher meyner nöt
Gleich-samb die morgen-röt
Mein kemat ganz durchleucht.
Inn dem, als mich bedeucht,
Philosophia trat
Ein zu meyner pettstat,
Ein adeliches weyb,
Schön gliedmasiert von leyb,
Die muter aller tugend,
Die ich lieb het von jugend,
Die redt mich also an:
Philosophia:
Was
thust du, junger man?
Wie
ligst du so betrübet?
Der betrübt jüngling.
Ich
sprach: Ich wirdt geübet
Hart
inn schwermütigkeyt.
Hab
mich darinn sehr weyt
Verwickelt
und verwirret,
Wie
im labrindt verirret.
Ich
bitt dich: hilff mir drauß!
Philosophia.
Sie
sprach: Jag auß deym hauß
Den
aller-schnödsten gast,
Der
dir kein rhu noch rast
Die
gantzen nacht hat glassen
Mit
seym falschen ein-blassen,
Das
du kein witz kunst brauchen!
Der
betrübt jüngling.
Inn
dem da hört ich hauchen
Ein
blaß-balg bey mein ohren.
Erst
ersach ich inn zoren
Hindter
mir ein alt weyb,
Dürr
und ghruntzelt von leib.
Ir har, geleich den schlangen,
Thet für ihr antlitz bangen,
Ir angsicht dürr unnd gelb.
Ich sprach: Bist du die selb,
Die mir mein gmüt und hertz
Mit unruhigem schmertz
Hast gmacht mit deym einblasen?
Far immer hin dein strassen,
Du ernstliches merwunder!
Sie aber stund besunder,
Wolt weichen nit von mir,
(Philosophia)
Biß
ernstlich sprach zu ir
Philosophia,
weich!
Inn
dem hauß ist mein reich.
Unnd
trowet ir mit der hand.
Erst
die alt hex verschwand,
Trout
mir mit grossem brummen,
Herwider
bald zu kummen.
Der
betrübet.
Inn dem da dauchte mich,
Ein küler wind durch-schlich
Mir meynes hertzen grund.
Als trawren mir verschwund.
Da sprach ich: Ach sag her,
Philosophia! wer
War das grewlich gespenst?
Nenn
mirs, wen du es kenst!
Wann
mir nye herter plag
Geschach
all meine tag.
Philosophia.
Da sprach Philosophia:
Es ist melancolia,
Die dir so mancherley
Ein-bließ der phantasey,
Darmit die leut sie plagt,
Macht forchtsam, unverzagt.
Klein ding kan sie groß machen,
Das einfeltig vierfachen.
Das kurtz das macht sie langk.
Wo sie nembt uber-schwanck,
Da
wirt der mensch betaubet
Unnd
seiner sinn beraubet,
Auch
etwan an dem endt
An
sich selb legt sein hend.
Derhalb
folg meynem rat!
Gieb fürbaß ihr nicht stat
Unnd fleuch all ihr ein-blasen!
Der betrübt Jüngling.
Ich sprach: Wenn sie dermassen
Widerumb zu mir khem,
Der-gleich gehn mir fürnem,
Wie künd ich mich ir weren?
Philosophia.
Sie sprach: Folg meynen lehren!
Die wurtzel thu abschneyden,
Auß-reutten unnd vermeyden,
Darvon dir kam das ubel,
Unnd im nit mehr nach-grübel!
Schlag auß inwendigs zancken
Mit frölichen gedancken,
Mit gutem starcken hoffen,
Glücks thor das steh noch offen.
Hast widerwertigkeyt,
So denck: Inn dieser zeyt
Ist unglück gar gemein.
Ich
bin sein nit allein.
Thu
es geduldtig tragen,
Darundter
nit verzagen,
Unüberwindlich
bleyben,
Kleinmütigkeyt
außtreyben!
Was nit ist wider ehr,
Des khümmer dich nit sehr!.
Leydst du umb unschuld schmach,
So laß Gott selb die rach!
Auch must die tragheyt fliehen,
Zu ehrling gschefft dich ziehen!
Darzu du suchen must
Manch ehrlichen wollust,
Tröstliche bücher lesen.
Vertrauten gsellen wesen
Unnd
guter freund gesprech
Bhalt
bey dir inn der nech!
Fleuch
die eynsamkeyt öd,
Wann
sie macht dich sunst blöd!
Unnd
thu dich Gott ergeben!
Denck an das ewig leben,
Da du wirst gar entbunden
Aller trübsal hie unden,
Die auff dich mag gefallen!
Schaw, jung man! mit dem allen
Kanst
du frey uberwinden.
Die
lehr bhalt deynen kinden!
Darmit
bods mir die hand,
Im
augenblick verschwand.
Beschluß.
Inn dem ich aufferwacht.
Mit fleiß hertzlich bedacht,
Wie offt melancoley
Mit ihrer phantasey
Manch mensch so hart thut plagen,
Martren, fresen unnd nagen
Offt mit kindischen sachen,
Das er hernach muß lachen,
Wenn er sich hindter-dencket,
Wie
er sich selb hab krencket
Umb
sunst mit viel ungmachs,
Spricht
zu Nürnberg Hans Sachs.
Anno salutis 1547, am 27
tag Octobris. |
Quelle:
HANS SACHS, herausgegeben von Adelbert von Keller,
Vierter Band, 1964, Georg Olms Verlagsbuchhandlung,
Hildesheim
Reprografischer Nachdruck der Ausgabe Stuttgart 1870
S. 141 - 146
Fettdruck: Wesensmerkmale
der Melancholie und des Melancholikers |
Einstmals
lag ich im Sommer da,
Schwermut
und Kummer hatten
mein
Herz fest im Griff,
bald
aus diesem, bald aus jenem Grund.
Ich
war völlig in Unordnung,
kannte
mich selbst nicht mehr,
es
kam mir so vor, als wäre ich allein
der
Erbärmlichste auf Erden,
denn
alles, was ich sprach,
dachte
oder tat,
das
gefiel mir alles nicht,
das
kam mir armselig, nichtig vor.
Meine
Vernunft, mein Sinn und mein Mut,
auch
mein Verhalten, mein Ansehen, mein Besitz
kam
mir verdorben,
krank
und tot vor.
Auf
vergleichbare Weise wurde mein Gewissen
gequält
und gebissen,
alle
Hoffnung sei vergebens:
das
machte mich lebensmüde.
In
den belastenden Gedanken
und
im Streit in meinem Inneren
zerbrach
alle meine Freude.
Mein
Herz schrie im Elend
und
wünschte mir oft den Tod,
um
diese Not zu beenden.
Oft
wollte ich mich trösten,
oft
erholte sich mein Herz wieder
von
der Schwermut.
Im
Nu
kamen
schnell wieder zurück
unzählige
erschreckende Fälle,
dass
es mir deswegen grauste.
Oft
bekreuzigte ich mich,
denn
Furcht und Sorge trieben mich unbarmherzig.
Die
Welt kam mir vor wie zu eng;
Mir
war es in dieser Beklemmung,
als
sei ich in der Hölle.
Als
ich so in drangvoller Not dalag,
da
strahlte gleichsam die Morgenröte
in
meine Kammer,
indem
nämlich, wie es mir vorkam,
Philosophia
hereinkam
und
an mein Bett trat:
eine
adelige Frau,
mit
einer wunderbaren Figur,
die
Mutter aller Tugend,
die
ich von Jugend an lieb hatte.
Die
sprach mich wie folgt an:
Philosophie:
"Was
machst du da, junger Mann?
Warum
liegst du so betrübt herum?"
Der
melancholische Jüngling:
Ich
sprach: "Ich werde schwer geplagt
in
Schwermut.
Ich
habe mich sehr weit in sie
verwickelt
und verwirrt,
wie
in einem Labyrinth verirrt.
Ich
bitte dich: Hilf mir heraus!"
Philosophie:
Sie
sprach: "Jag aus deinem Haus
den
allerarmseligsten Gast,
der
dir die ganze Nacht über
keine
Ruh und Rast gelassen hat
mit
seinen falschen Einflüsterungen,
so
dass du deines Denkens nicht mehr mächtig warst.
Der
melancholische Jüngling:
Währenddessen
hört ich einen Blasebalg
an
meinen Ohren zischen;
dann
erst sah ich im Zorn
hinter
mir ein altes Weib,
dürr,
mit Runzeln am Leib,
ihr
schlangengleiches Haar
jagte
einem Angst vor ihrem Gesicht ein;
dies
Angesicht war ausgemergelt und gelb.
Ich
sprach: "Bist du diese Person,
die
mir mein Gemüt und Herz
mit
unruhigem Schmerz erfüllt hat
mit
deinen Einflüsterungen?
Such
das Weite,
du
wahres Meermonster!"
Sie
aber stand in einigem Abstand von mir
und
wollte sich nicht entfernen.
(Philosophie:)
Bis
in vollem Ernst zu ihr
Philosophie
sagte: "Hau ab!
In
diesem Haus herrsche ich!"
und
ihr mit der Hand drohte.
Da
erst verschwand die alte Hexe,
drohte
mir aber mit lautem Brummen an,
bald
wieder zu kommen.
Der
melancholische Jüngling:
In
diesem Augenblick kam es mir vor,
als
durchströmte ein kühler Wind
den
Grund meines Herzens:
alle
Traurigkeit verschwand.
Da
sagte ich: "Philosophie,
sag
mir doch,
wer
war denn das grauenhafte Gespenst?
Nenne
mir seinen Namen, wenn du es kennst!
Denn
nie in meinem Leben
hat
mich etwas schlimmer geplagt."
Philosophie:
Da
sprach die Philosophie:
"Es
ist die MELANCHOLIE,
die
dir so mancherlei
Wahnbilder
einblies;
damit
plagt sie die Leute,
macht
furchtsam, aber auch furchtlos.
Kleinigkeiten
kann sie aufblasen,
Gegenstände
vervierfachen.
Das
Kurze macht sie lang,
wenn
sie die Oberhand gewinnt.
Dadurch
wird der Mensch betäubt
und
seiner Sinne beraubt.
Möglicherweise
legt er sogar
Hand
an sich selbst.
Deshalb
folge meinem Rat:
Lass
sie in Zukunft nicht mehr an dich heran
und
fliehe vor ihren Einflüsterungen!"
Der
melancholische Jüngling:
Ich
sprach: "Wenn sie wie früher
wieder
zu mir käme
und
gleiche Absichten bei mir verfolgte:
Wie
könnte ich mich gegen sie wehren?"
Philosophia:
Sie
sprach: "Folg meiner Lehre!
Schneide
die Wurzel ab,
reiße
sie aus und vermeide sie,
aus
der dir das Übel entstand!
Und
denk über das Übel nicht mehr nach!
Schlichte
den Streit in deinem Inneren
mit
fröhlichen Gedanken,
mit
der guten, starken Hoffnung,
dass
dein Glücks-Tor noch offen steht.
Stören
dich gewisse Dinge,
dann
denke: 'In dieser Zeit
ist
Unglück weit verbreitet,
ich
bin nicht der einzige Betroffene.'
Trag
es geduldig,
verzage
nicht im Unglück,
lass
dich nicht unterkriegen,
lass
deinen Kleinmut fahren!
Kümmere
dich nur darum,
was
deiner Ehre schaden könnte!
Erleidest
du unschuldig Schmach,
so
lasse Gott die Rache!
Auch
musst du vor Trägheit fliehen
und
dich zu ehrlicher Tätigkeit begeben!
Außerdem
musst du
manche
anständige Freude suchen,
etwa
tröstliche Bücher lesen.
Den
Umgang mit vertrauten Bekannten
und
das Gespräch mit guten Freunden
sollst
du immer zur Verfügung haben.
Flieh
vor der öden Einsamkeit,
denn
die macht dich sonst blöd!
Und
begib dich in Gottes Hand!
Denk
an das ewige Leben,
durch
das du ganz befreit wirst
von
dieser irdischen Trübsal,
die
dich hier betreffen kann!
Schau,
junger Mann, mit allen diesen Empfehlungen
kannst
du frei bleiben und Sieger sein.
Gib
diese Lehre deinen Kindern weiter!"
Damit
bot sie mir ihre Hand
und
verschwand in diesem Augenblick.
Schluss:
Als
ich aufwachte,
bedachte
ich gründlich,
wie
oft Melancholie
mit
ihren Wahnbildern
manchem
Menschen hart zusetzt,
ihn
foltert, zerfrisst und zernagt,
oft
mit kindischen Kleinigkeiten,
so
dass er nach seiner Depression lachen muss,
wenn
er über sich nachdenkt,
wie
sehr er sich selbst krank gemacht hat,
grundlos,
aber mit vielen schlechten Folgen.
So
spricht Hans Sachs aus Nürnberg.
Im
Jahre des Heils 1547, am 27. Oktober.
|
Das lyrische Ich befindet sich in
tiefer Depression: Alles wurde ihm fragwürdig, Lebenssinn und Lebenslust
sind verloren gegangen. Da tritt unvermutet Philosophia an sein Lager und
richtet ihn auf. Die Melancholia startet zwar einen kurzen Angriff, wird
aber von der Philosophie in die Flucht geschlagen. Auf den Wunsch des
Menschen hin erklärt ihm Philosophia das Wesen der Melancholie. Da
letztere ihre Rückkehr androht, gibt ihm die Philosophie Ratschläge, wie
er sich vor der bösen Gestalt schützen könne. Im Schluss hebt das
lyrische Ich noch einmal den wichtigsten Zug der Melancholie hervor, mit
Wahnideen, die bei nüchterner Betrachtung völlig lächerlich erscheinen,
den Menschen zu foltern.
Melancholie ist hier ein durchweg schlechtes Phänomen, das dem Menschen
nur schadet; es wird hier nichts erkennbar, das
irgendwie für den Menschen und seine intellektuelle Leistungsfähigkeit
dienlich wäre. Dieses Gesicht zeigt
auch Dürers Melancholie, über die ja Klibansky
sich so äußert: "Es ist folglich legitim, davon auszugehen, dass
Dürer ... mit diesem Stich, der so viele Symbole einer heidnischen Welt
enthält, letztlich die Ohnmacht des Künstlers zum Ausdruck bringen
wollte, der zwar über alle handwerklichen Mittel verfügt und über die
natürlichen Kräfte Saturns und der astralen Magie Bescheid weiß, dem
aber der Beistand Gottes versagt bleibt." (Saturn und Melancholie, Nachweis
hier, S. 28) - Und genau diesem Bild entspricht Gerungs Melancolia
1558 nicht, diese Frau wird nicht zernagt von Zweifeln, sondern schaut dem
Betrachter prüfend ins Gesicht.
Die
siben alter eins menschen nach art der siben Planeten.
Es beschreibet Ptholomeus,
Der weyt berümbt astronomus,
Inn
seinem viergetheilten buch
(An
dem vierdten capittel such!),
Da
er thaylet das menschlich leben
In
siben thayl, und thaylt das eben
Nach
dem einfluß und firmament
Der siben planeten, genendt
Luna, Venus, Mercurius,
Mars, Sol, Jupiter, Saturnus
Und darinn yedes alters zeit
Einem der planeten zu geyt,
Der das selb alter auff der fart
Regiert nach seyner natur und art.
Luna regiert das erst alter.
Spricht, das erst menschlich alter da
Regiere der planet Luna,
Und ist der undterst, der uns leucht,
Von natur unstet, kalt und feucht.
Dem ist der mensch vergleichet worn.
Bald er ist in die welt geborn,
Ist er auch gantz kalter natur,
Gantz schwach, darff guter wartung nur,
Guter wierm und feuchtes essen,
Ist unstet, wanckel und vergessen,
Ist undterworffen diese zeyt
Viel
mangel und gebrechligkeyt.
Ietz
nembt er ab, bald wider zu
Biß
auff vier jar lang mit unrhu.
Mercurius regiert das
ander alter.
Das ander alter regieren muß
Denn der planet Mercurius.
Der planet ist zu künsten naygen.
Inn dem alter thut sich denn aygen
Inn dem menschen sinn und vernunfft,
Das er ist vehig inn zukunfft,
Lehrt recht reden, die wort verstan,
Eim ding nach fantasieren kan,
Lehrt undterschayden böß und gut,
Das besser außerwelen thut.
Die sein gedechtnuß thut sich stercken.
Er kan ein ding bhalten und mercken.
Als denn er sein verstand thut ziern
Mit schreiben, lesen und studieren,
Und was kunst im denn wirt eingossen,
Das thut in im wurtzeln und sprossen,
Es
sey mit hertzen oder handt.
Auch
mert sich teglich sein verstand
Und
hat lust, das er viel erfar.
Das
wert biß ins vierzehend jar.
Venus
regiert das dritt alter.
Nach
dem das dritt alter angeht,
Das
regiert Venus, der planet.
Der
hat von natur seinen trieb,
Das
er den menschen raitzt zu lieb,
Erwecket
inn im die begier
Und
fecht an, sich zu sehnen schier
Nach
der liebe, und wirt innbrünstig,
Der
bulerey wirt holt und günstig
Einer
bulschafft, und die erwelt,
Der
lieb mit höchstem fleiß nach stelt,
Der
nach gedencket spat und fru
Und
peynigt sich on alle rhu
Und
thut sich kleyden, schmuckn und ziern.
Hat
lust zu dantzen und hofiern.
Ist
freundlich, wolgemut und frey
Und
sehr geneigt zu bulerey.
Inn solcher brunst lebt er fürwar
Biß in das zwey-und-zweintzigst jar.
Mars regiert das viert alter.
Darnach geht an das vierdte alter.
Mars, der planet, ist sein verwalter,
Welcher planet naigt zu dem streyt.
Dem nach lebt auch der mensch die zeyt,
Wann inn im ist hitzig das blut.
Des hat er ein zornigen mut,
Ist kün, verwegen, trutzig, gech,
Unvertreglich,
gar doll und frech
Und
hat lust zu kempffen und fechten,
Zu
balgen, hadern und zu rechten
Mit
nachtbarn und seym haußgesind,
Mit
freunden, feinden, weib und kind.
Auch thut in etwan armut plagen.
Er rind inn schuld, im wirt entragen.
Die dieb und rauber im zusetzen.
Krieg, prunst und schiffbruch thun in letzen,
Und eh ein unglück hat ein end,
Ist
schon ein anders vor der hend.
Inn
solcher widerwertigkeit
Verzeret
dann der mensch sein zeit
Biß
auff das ein-und-viertzigst jar.
Soll regiert das 5 alter.
Denn trit das fünffte alter dar.
Das selb regiert Sol, der planet,
Welcher neygt zu auctoritet,
Thut die begierd im menschen meeren
Zu reichthumb, gewalt, wirrd und ehren.
Der mensch lebt inn des alters zeit
Fein auffrecht mit fürsichtigkeit
Und ziert sich mit der edlen tugend
Und
gibt urlaub der frechen jugend,
Ist
worden gescheid mit erfarung,
Nembt
an gut zu durch zimlich sparung,
Dardurch
er denn wirt faist und flück.
Denn scheind im erst das frölich glück
Und helt sich fein dapffer und ehrlich,
Wirt darvon ansehlich und herrlich.
Gwalt, ehr und gut thut sich da meren.
Man zeucht in auch herfür zu ehren.
Zu emptern in gemeiner stat.
Man braucht in zu gericht und rat,
Das er denn mit vernunfft außricht,
Das yederman im lobes gicht.
Als denn der mensch am höchsten stet,
An krafft und seiner dignitet.
Solches sein alter wert fürwar
Biß in das sechs-und-fünfftzigst jar.
Jupiter
regiert das sechst alter.
Denn
tritt das sechste alter her,
Welliches
regiert Jupiter,
Der
planet, ist friedlich und gütig.
Demnach
wirt auch der mensch sanfftmütig,
Rusam,
kaltsinnig und mietsam,
Geduldtig,
gantz friedlich und sitsam
Und
fürt ein eingezogen leben,
Ist
auch nachlassen und nach-geben,
Er
ubersicht und uberhört,
Inn
feindschafft sich nit mehr entpört,
Entpfind
sich auch, das er nembt ab so
An
all, was im die natur gab.
Denn
reut in die vergangen zeyt,
Die
er unütz inn üppikeit
Verzeret
hat inn seiner jugend
On
alle gottes-forcht und tugend,
Und
Gott hoch umb verzeihung bitt.
Inn
ein bußfertig leben tritt.
Vergibt
all sein feinden darneben,
Auff
das im Gott auch thu vergeben,
Wirt feind der sünd und richt sich fort,
Zu leben nach dem gottes wort.
Ist danckbar Got umb all sein gut-that,
So er im ye bewiesen hat
Alhie
inn seinem gantzen leben.
Inn
solchem alter bleibt er eben
Biß
auff das acht-und-sechzigst jar.
Saturnus
regiert das sibend alter.
Denn kumbt das sibend alter dar,
Regiert Saturnus, der planet,
Ein feind menschlichs geschlechts (versteht !)
Von natur ein ungschlachter, kalter.
Der bringet dem sibenden alter
Dem menschen in der letzten zeyt
On zal mancherley brechligkeit,
Flüß, kopffweh und ein schwindlent hirn
Ein kal haubt, ein geruntzelt stiern,
Dunckle augen, sausende ohren,
Sin und gedechtnuß halb verloren,
Ein blaychen mund, voller zanlucken,
Ein kurtzen athen, pogen rucken,
Husten und reuspern uber massen,
Bayde trieffende augen und nasen.
Zittern, unlust, rawden und kretz
Sind
des sibenden alters schetz
Und
wirt ye lenger schwecher zwar
Biß
auff das acht-und-achtzigst jar.
Beschluß
Und
wo der mensch ist lenger leben,
So
wirt im widerumb zu geben
Luna,
der planet in regiert.
Zu
eynem kind er wider wird,
Wonwitzig,
mat an aller krafft,
Wirt
inn kranckheit gantz ligerhafft
Und
ist kein beßrung mehr zu hoffen
Biß
das sein stündlein ist verloffen,
Das
in fordert sein trewer Got.
Erlöst
in durch den zeitling tod
Auß
diesem gebrechlichen leben,
Ist
im darfür ein himlisch geben,
Da
ewig freud im aufferwachs.
Das
wünschet uns allen Hans Sachs.
Anno
salutis 1554, am 3 tag Novembris.
Quelle:
HANS SACHS, herausgegeben von Adelbert von Keller,
Vierter Band, 1964, Georg Olms Verlagsbuchhandlung,
Hildesheim
Reprografischer Nachdruck der Ausgabe Stuttgart 1870
S. 73 - 78
Fettdruck: Beschreibung
Saturns |
Ptolemaeus,
der weithin berühmte Astronom,
beschreibt
es in seinem
vierteiligen
Buch
(suche
im vierten Kapitel!),
wo
er das Menschenleben
in
sieben Teile einteilt. Er trifft seine Einteilung
nach
dem Einfluss und der Kraft
der
sieben Planeten, namens
Luna,
Venus, Mercurius,
Mars,
Sol, Jupiter, Saturnus;
jedes
Lebensalter spricht er
darin
einem Planeten zu,
der
ebendieses Alter in seiner Entwicklung
nach
seiner eigenen Natur und Art beherrscht.
Luna
herrscht über das erste Alter.
Er
spricht, das erste Lebensalter
regiere
der Planet Luna.
Er
ist der unterste, der uns leuchtet,
von
Natur aus unstet, kalt und feucht.
Dem
wurde der Mensch gleich gesetzt,
denn
sobald er geboren ist,
ist
er auch ganz kalter Natur,
ist
ganz schwach und bedarf guter Versorgung,
guter
Wärme und des feuchten Essens,
er
ist unstet, wankelmütig und vergesslich.
Dieses
Lebensalter ist großem Mangel
und
großer Gefährdung ausgesetzt.
Jetzt
nimmt der Mensch ab, bald zu
in
Unruhe, bis er vier Jahre alt ist.
Mercurius
regiert das zweite Alter.
Das
zweite Alter muss dann
der
Planet Mercurius regieren.
Der
Planet ist den Künsten zugeneigt.
In
diesem Alter eignet sich der Mensch
Sinn
und Vernunft an,
um
zukunftsfähig zu sein,
er
lernt sprechen, die Worte verstehen,
er
kann sich von einzelnen Dingen ein Bild machen,
er
lernt, Gut von Bös zu unterscheiden,
um
das Bessere zu erwählen.
Sein
Gedächtnis entwickelt sich.
Er
kann eine Sache behalten und sich merken.
Wenn
er seinen Verstand geschmückt hat
mit
Schreiben, Lesen und Lernen
und
mit jeder Fähigkeit, die ihm vermittelt wird,
so
wird all das in ihm Wurzeln schlagen und gedeihen,
ob
das nun handwerkliche oder geistige Künste sind.
Auch
sein Verstand nimmt täglich zu,
und
er hat Lust, viel zu erfahren.
Das
dauert bis ins vierzehnte Jahr.
Venus
regiert das dritte Alter.
Danach
beginnt das dritte Alter
unter
der Herrschaft des Planeten Venus.
Der
drängt von Natur aus danach,
den
Menschen zur Liebe zu reizen.
Venus
erweckt im Menschen das Verlangen,
und
der Mensch fängt an, sich heftig nach Liebe
zu
sehnen, er wird leidenschaftlich,
fängt
gerne an, sich zu verlieben, und ist
auf
eine Freundin aus, und der Liebe
seiner
Erwählten jagt er mit heißem Bemühen nach,
an
sie denkt er früh und spät
und
peinigt sich ohne Unterlass.
Er
kleidet sich, schmückt sich mit Zier.
Er
hat Lust zu tanzen und Komplimente zu machen,
ist
freundlich, guter Stimmung und frei
und
immer wieder geneigt zu Liebelei.
Mit
solch innerem Feuer lebt er wirklich
bis
zu seinem zweiundzwanzigsten Jahr.
Mars
regiert das vierte Alter.
Danach
beginnt das vierte Alter,
es
steht unter Mars' Führung.
Dieser
Planet neigt zum Streit.
Nach
diesem Motto lebt auch der Mensch in diesem Alter,
denn
sein Blut ist heiß.
Dadurch
hat er einen zornigen Mut,
ist
kühn, verwegen, trotzig, jäh,
unverträglich,
ja sogar toll und frech,
und
er hat Lust zu kämpfen und zu fechten,
zu
raufen, zu streiten und vor Gericht zu ziehen
mit
Nachbarn und seinen Mitbewohnern,
mit
Freunden, Feinden, mit Frau und Kind.
Auch
leidet er manchmal Armut,
er
rennt in seine Schulden, man geht ihm aus dem Weg.
Diebe
und Räuber setzen ihm zu.
Krieg,
Brand und Schiffbruch verletzen ihn,
und
ehe ein Unglück überstanden ist,
steht
ihm schon das nächste ins Haus.
In
solchen lästigen Situationen
verzehrt
der Mensch seine Zeit
bis
zum einundvierzigsten Jahr.
Sol
regiert das fünfte Alter.
Dann
kommt das fünfte Alter.
Dieses
regiert der Planet Sol,
der
der Autorität zuneigt.
Er
fördert im Menschen das Verlangen
nach
Reichtum, Macht, Würde und Ehren.
Der
Mensch lebt in diesem Lebensalter
in
schöner aufrechter Haltung mit Klugheit,
er
schmückt sich mit der edlen Tugend
und
verabschiedet sich von der frechen Jugend,
denn
er ist aus Erfahrung klug geworden,
sein
Vermögen wächst, weil er ziemlich spart,
dadurch
wird er fett und flügge.
Dann
zeigt sich ihm erst das fröhliche Glück,
er
hält sich tapfer und ehrlich,
davon
bekommt er herrschaftliches Ansehen.
Macht,
Ehre und Vermögen vermehrt sich,
er
wird auch für Ehrungen ausersehen,
auch
für Ämter in seinem Gemeinwesen.
Man
braucht ihn im Gericht und im Rat,
wo
er vernünftig wirken soll,
weswegen
ihn jedermann lobt.
Wenn
der Mensch den Höhepunkt
an
Kraft und Würde erklommen hat,
dann
dauert dieser Zustand
bis
in sein sechsundfünfzigstes Jahr.
Jupiter
regiert das sechste Alter.
Es
folgt das sechste Alter,
welches
Jupiter regiert,
welcher
ein friedlicher und gütiger Planet ist.
Dementsprechend
wird auch der Mensch sanftmütig,
gemütlich,
gelassen und freigebig,
geduldig,
ganz friedlich und moralisch
und
führt ein zurückgezogenes Leben,
er
kann auch verzeihen und nachgeben,
er
kann Dinge übersehen und überhören,
in
Feindschaften empört er sich nicht mehr,
merkt
auch selbst, dass er so
an
allem, was die Natur ihm gegeben hatte, abnimmt.
Dann
bereut er die Vergangenheit,
die
er sinnlos in Saus und Braus
in
seiner Jugend vergeudet hat
ohne
jegliche Gottesfurcht und Tugend,
und
er bittet Gott zutiefst um Verzeihung.
Im
weiteren Leben ist er bereit zur Buße,
vergibt
auch allen seinen Feinden,
um
auch selbst bei Gott Vergebung zu finden,
er
wird ein Feind der Sünden und richtet sich danach aus,
nach
Gottes Wort zu leben.
Er
ist Gott für alle seine Wohltaten dankbar,
die
er jemals von ihm erfahren hat
hier
in seinem ganzen Leben.
In
einem solchen Lebensalter bleibt er eben
bis
zum achtundsechzigsten Jahr.
Saturnus
regiert das siebte Alter.
Dann
kommt das siebte Alter,
das
der Planet Saturnus regiert.
Er
ist ein Feind des Menschengeschlechts (versteht das!),
von
Natur aus böse geartet und kalt.
Der
bringt dem siebten Alter,
d.
h. dem Menschen im letzten Lebensalter,
unzählig
viele Gebrechen,
Ausflüsse,
Kopfschmerzen und ein schwindliges Hirn,
einen
kahlen Kopf, Runzel auf der Stirn,
dunkle
Augen, sausende Ohren,
halb
verlorene Sinne und Gedächtnis,
einen
bleichen Mund voller Zahnlücken,
Kurzatmigkeit
und gebogenen Rücken,
übermäßiges
Husten und Räuspern,
sowohl
triefende Augen als auch triefende Nasen.
Zittrigkeit,
Unlust, Räude und Krätze
sind
die Schätze des siebten Alters.
Und
je länger es dauert, desto schwächer wird er
bis
ins achtundachtzigste Jahr.
Schluss
Und
bleibt der Mensch länger am Leben,
wird
ihm wieder zugeteilt
Luna,
der Planet, der ihn regiert.
Er
wird wieder zu einem Kind,
geistig
verwirrt, matt an allen Kräften,
wird
er krank und ganz bettlägerig,
und
man kann auf keine Besserung hoffen,
bis
sein Stündlein abgelaufen ist,
so
dass
ihn sein treuer Gott zu sich fordert.
Er
erlöst ihn durch den zeitlichen Tod
aus
diesem gebrechlichen Leben,
es
ist ihm dafür ein himmlisches geschenkt,
in
dem die ewige Freude in ihm wachse.
Das
wünscht uns allen Hans Sachs.
Im
Jahre des Heils 1554, am 3. November.
|
Das Denkschema dieser Betrachtung
erschließt sich gleichsam von selbst: Einer sehr stark typisierten
Darstellung eines Menschenlebens werden die meist mythologischen
Vorstellungen der Planetengötter unterlegt. Der "Mensch" dieser
Vorstellung ist ein Mann, gehört dem Stadtpatriziat an, genießt sein
Leben in der Jugend und wird im Alter gläubig, d. h. religiös und moralisch.
Für unseren Zusammenhang ("Saturn und Melancholie - auch bei
Gerung") ist die Darstellung des Saturn aufschlussreich, der völlig
dem traditionell schlechten Bild entspricht; da findet sich wieder
keinerlei Hinweis auf Saturn als Schutzpatron der geistig Tätigen. Was
bringt nun der Blick auf Hans Sachs tatsächlich?
Eines ist ganz sicher nicht der Fall, dass man nämlich durch Hans Sachs
Gerungs "Melancolia 1558" versteht. Seine Gedichte wirken eher
wie Wegweiser, wo man mit seinen Überlegungen nicht weitergehen sollte.
Die menschlichen Tätigkeiten des Bildes weisen Ähnlichkeiten zu den
"eytel freud" auf; aber warum benennt dann Gerung die
allegorische Gestalt nicht "VOLUPTAS"? Die Melancholie ist nicht
die von Zweifel und Wahnbildern zerfressene Gestalt wie bei Dürer oder
hier bei Hans Sachs, aber für eine "MELENCOLIA II" im Sinne von
Marsilius Ficinus (wobei man sich über I und II noch einig werden
müsste) fehlt auf dem Gerung-Bild das intellektuelle Beiwerk. Und sollte
es sich beim ruhenden Mann im Vordergrund wirklich um Saturn handeln, dann
hätte sich Gerung radikal vom traditionellen Saturn-Bild, wie es oben von
Hans Sachs ja noch geboten wird, abgewandt. Aber auch dieser Mann ist
nicht der versunkene Gelehrte der Campagnola-Vorlage, sondern er scheint
zu beobachten, was von vorne rechts aus der Gegend der angeschnittenen
Zelte auf ihn zukommt. |