PAGINA CARIONIS
JOHANNES CARION AN HERZOG ALBRECHT VON
PREUSSEN,
23. April 1533
1,1 Durchleuchtigster hochgeborner furst, gnedigster herr, 2 mitt erbiethung aller meyner gantz willigen diensten zu allen zeytten eurer fürstlichen gnade zuvorn. |
1,1 Durchlauchtester, hochgeborener Fürst, gnädigster Herr! 2 Ich erbiete Eurer fürstlichen Gnade allezeit alle meine ganz willigen Dienste wie immer. |
2,1 Gnedigster herr. 2 Nach dem vnd ich mehrmals Brieff von eurer fürstlichen gnade empfangen mit sampt einem zugerichten Aurhorn, welchs ich meinem gnedigen hern Markgraff Joachim, wie wyr eure fürstliche gnade befolhen, vberantwort hab, der es auch zu einem lieben hohen geschenck angenomen, vnd mir befolhen, eurer fürstlichen gnade hoch zu dancken, wie seine gnade eurer fürstlichen gnade dem ouch angezeugt. |
2,1 Gnädigster Herr! 2 Nachdem ich mehrmals von Eurer fürstlichen Gnade Briefe samt einem bearbeiteten Auerhorn erhalten habe, das ich meinem gnädigen Herrn, dem Markgrafen Joachim, wie Eure fürstliche Gnade es befohlen, übergeben habe; er hat es auch als liebes, hohes Geschenk angenommen, trägt mir auch auf, Eurer fürstlichen Gnade sehr zu danken, wie seine Gnade Eurer fürstlichen Gnade das auch angezeigt hat. |
3,1 Zum andern laß ich eure fürstliche gnade wissen, wie wyr vergangne marter wochen vnd osterwochen zu hall gewesen bey meinem gnedigen hern, dem Cardinal. 2 Namlich mein gnediger her mit den zweyhen sonen, hertzog Heinrich von Braunschweig, auch hertzog Heinrichs von meyssen son Mauritius etc., 3 wa dann etwas in der eestifftung zwischen vnserm jungen hern Markgraff Hansen vnd dem froihin von praunschweig, hertzog Heinrichs dochter, gehandelt, ist aber noch nicht gar beschlossenn. 4 Hoff aber, die sach werd nicht mangel tragen. |
3,1 Zweitens lasse ich Eure fürstliche Gnade wissen, wie wir die vergangene Marter- und Osterwoche zu Halle bei meinem gnädigen Herrn, dem Kardinal, erlebt haben. 2 "Wir" heißt mein gnädiger Herr mit seinen zwei Söhnen, Herzog Heinrich von Braunschweig, außerdem Moritz, Herzog Heinrichs von Meissen Sohn, usw. 3 Es wurde dort über die beabsichtigte Heirat unseres jungen Herrn, des Markgrafen Johann, und des Fräuleins von Braunschweig, Herzog Heinrichs Tochter, verhandelt, sie ist aber noch nicht endgültig beschlossen. 4 Ich hoffe aber, die Sache wird gelingen. |
4,1 Do haben wyr grosen pracht vnd Ceremonien gesehen. 2 Hat der Cardinal all empter als palmen weyhen, letanei singen, messhalten, tauffsegnen als selb personlich gethan, auch allen menschen selb personlich das Sacrament gegeben, wer es begert hatt. |
4,1 Da haben wir große Pracht und Zeremonien gesehen! 2 Der Kardinal hat alle Ämter wie Palmenweihe, Litaneisingen, Messehalten, Taufspenden, alles höchstpersönlich verrichtet, hat auch allen Menschen, die es haben wollten, persönlich das Sakrament überreicht. |
5,1 Alle gemach waren ouch mit gulden tuechern vmbhangen, guldin bankpfül vnd der gleichen. 2 Die ornaten, so da gesehen, waren styhenn (?) vber all maß. 3 Des gleichen das heyltumb, Infel vnd ander guldine Kreutzbilder vnd ouch silberin. 4 Ein Kreutz was dar, kostet 80000 tausent fl, kam aller erst am oster abent hin mit 2 großen brustpilden, 1 moritz vnd 1 Steffan. |
5,1 Alle Räume waren auch mit goldenen Tüchern ausgekleidet, mit goldenen Bankkissen und dergleichen. 2 Die Ornate, die man da sah, waren außergewöhnlich styhen [1]. 3 Ebenso das Heiltum, Infeln und andere goldene Kreuzbilder und auch silberne. 4 Es gab da ein Kreuz im Wert von 80000 Gulden, es kam aber erst am Osterabend an, zusammen mit zwei großen Büsten, einem Mauritius und einem Stephanus. [1] Voigt liest – etwas gewaltsam - "seiden". |
6,1 Die fursten worden erlich beschenckt, mein gnediger alter her mit einem kostlichen silberin stuck, Markgraff Joachim mit einem kostbarlichen guldin stuck als ein Ritter, vnd Markgraff Hanß ouch mit einem silberin stuck, 2 und daruber noch mit etlichen stuck einhorn vnd andern Kleinoten worden sie ouch vereeret, 3 vnd ich (sagt der hundt) mit einem seyden Kleid vnd 40 fl. 4 In suma, kostlichern Schatz mit sampt einer credentz in dem gemach hab ich nie gesehen. |
6,1 Die Fürsten wurden reich beschenkt: mein gnädiger alter Herr mit einem kostbaren silbernen Stück, Markgraf Joachim als ein Ritter mit einem wertvollen goldenen Stück und Markgraf Johann auch mit einem silbernen Stück, 2 dazu gab es einige Stücke Einhorn und andere Kleinodien, mit denen sie geehrt wurden. 3 Und ich (sagt der Hund) bekam ein seidenes Gewand und 40 Gulden. 4 Kurz, einen kostbareren Schatz samt einer Anrichte in dem Raum habe ich nie gesehen. |
7,1 Die credentz banck waß 22 staffel oder graden hoch, 2 vnd stunden in einer staffel in die breyd ongefar vnderweil 24 geschir, ouch 22, ouch in etlichen 26, aber in keiner vnder 20. 3 Also das der stuck ongefar auff dem credentz bey 550 waren, eytel hohe grose stauffkanden vnd gulde schenen (?) von getribnen Conterfetten. 4 Darneben stunden 2 Einhorn wie 2 Kertzen, yeklichs ongefar 3 ellen lang oder lenngerer. 5 Der Reliquien auff dem hohen altar waren ouch wol sovil stuck, aber seer groß vnd kostlich, one den moritz, welcher in einen silberin Kyriß 1 ½ spann lenger ist dan ich, vnd einen salvator klar silberin, als lang als ich. |
7,1 Die Anrichtebank war 22 Stufen oder Grade hoch. 2 Es standen auf einer Stufe nebeneinander manchmal ungefähr 24 Gefäße, auch 22, auf manchen auch 26, aber auf keiner weniger als 20. 3 Also befanden sich auf der Anrichte etwa 550 Gefäße, lauter hohe, große Becherkannen und goldene Schenen [2] aus getriebenem Falschgold. 4 Daneben standen zwei Einhörner wie zwei Kerzen, jedes ungefähr drei Ellen lang oder länger. 5 Auf dem Hochaltar gab es ebenso viele Reliquien, aber sehr groß und kostbar, ungerechnet den Mauritius, der in einem silbernen Behältnis 1 ½ Spannen länger ist als ich, und einen Heiland, hell silbern, so lang wie ich. [2] Voigt liest "Scheuen". |
8,1 Vnd warenn alle stuell in der Kurchenn beforder im Khor mit guldin thuchern Kostlich behenckt, vnd in den stueln vnd auff dem gelenter guldine Küssin. 2 In summa, kein samat was hie geacht. 3 Ich hab mangen Kostlichen Prang gesehen, aber keyner disem gleich. 4 Es war mit der Kronung des Keysers vnd seinen gemachen Kynder spill gegen disem, sag ich bey glauben. |
8,1 Alle Kirchenstühle, besonders im Chor, waren mit goldenen Tüchern kostbar behängt, und auf den Stühlen und dem Geländer lagen goldene Kissen. 2 Kurz, man achtete hier keinen Samt. 3 Ich habe manchen kostbaren Aufwand gesehen, aber keinen wie diesen. 4 Die Kaiserkrönung und deren Räumlichkeiten waren dagegen Kleinigkeiten, das versichere ich glaubhaft. |
9,1 An essen vnd Trincken mangerley speys war vber den gantzen hoff die fülle: Musateller, Malvasier, penol. Claret Reinfhal, Reinisch vnd francken Wein, alten vnd newen gnug, ja ouch den stalbuben. |
9,1 An Essen und Trinken, an mancherlei Speisen gab es am ganzen Hof jede Menge: Muskateller, Malvasier, Penol, Claret, Reinfall, Rhein- und Frankenwein, genug alten und neuen, auch für die Stallknechte! |
10,1 Aber wyr waren nicht alzu starck da, dann mein gnediger her hatte nicht mehr dann 120 pferd mit Reysigen vnd Wagengeulen. 2 Solchs hab ich vnderthoniger meynung eurer fürstlichen gnade nicht wissen zu bergen. etc. |
10,1 Aber wir waren nicht allzu zahlreich da, denn mein gnädiger Herr hatte nicht mehr als 120 Pferde mit Bewaffneten und Wagenpferden. 2 Das wollte ich nach untertäniger Meinung Eurer fürstlichen Gnade nicht verheimlichen. |
11,1 Doctor Martinum vnd philippum hab ich in forma meliori gegrüst, die sich in aller vnderthonigkeyt bedancken. 2 Will eurer fürstlichen gnade in Kurtzem von inen brieff schicken. |
11,1 Doktor Martinus und Philippus habe ich besondere Grüße ausgerichtet; sie bedanken sich auch in aller Untertänigkeit. 2 Ich werde Eurer fürstlichen Gnade demnächst einen Brief von ihnen schicken. |
12,1 Von Walther von Kronberg ist kein groß geschrey, 2 man treibt mehr das gespott auß im, dann das man in hoch feyr; 3 summa, wie ich verstehe, vor einen Edelmann hett ehr gnug. 4 Aber zu einem herrn felet ime vil. 5 Stickt ouch in morglichen schuldenn. 6 Also sagt mir der alt her von Küngstein ytz zu hall, des gleichen ouch philips Meysenbach, etwa vnser Marschalck. |
12,1 Von Walther von Kronberg spricht man kaum. 2 Man treibt mehr sein Gespött mit ihm, als ihn hoch zu feiern. 3 Kurz, wie ich es verstehe: Für einen Edelmann hätte er genug, 4 aber zu einem Herrn fehlt ihm viel. 5 Er steckt auch offensichtlich in Schulden. 6 Das sagte mir der alte Herr von Königstein jetzt in Halle, das bestätigt Philipp Meysenbach, ehemals unser Marschall. |
13,1 Zum dritten will ich eurer fürstlichen gnade nicht bergen, das hertzog Hanß, der jung Churfurst von Sachßen, der landtgraff von hessen, pfalzgraff vnd die von beyhern, ouch hertzog Vlrich von Wirtemberg mit seiner gnaden son, hertzog Christoff, ein tag zu Nürnberg halten vnd handlen vmb sein eynkomen. 2 So seyhn die von beyrn mit ferdinando der Wal halben noch nicht eins, schreiben im nicht Römischen Kong etc. 3 Vnd so der hertzog von würtemperg das einkommen von seiner gemahel leibgeding in das landt zu beyhern will volgen lassen, wollen sie still sitzen. |
13,1 Drittens will ich Eurer fürstlichen Gnade nicht verheimlichen, dass Herzog Johann, der junge Kurfürst von Sachsen, der Landgraf von Hessen, der Pfalzgraf und die von Bayern, außerdem Herzog Ulrich von Württemberg mit seiner Gnaden Sohn, Herzog Christoph, zu Nürnberg tagen und über sein Einkommen verhandeln. 2 Dabei sind die von Bayern mit Ferdinand über die Wahl noch nicht einig, sie erkennen ihn nicht als Römischen König an. 3 Und falls der Herzog von Württemberg die Erträge des Leibgedings seiner Gemahlin nach Bayern übertragen will, wollen sie ruhig bleiben. |
14,1 Der schwebisch pundt hat sich getrennt, dann ferdinandus ist in schuldig noch an besoldung 170.000 fl. 2 So seyhen die stett des pundes müed, der adel acht sein nicht groß vnd die fursten verdreust der vergeblich vnkost. |
14,1 Der Schwäbische Bund ist auseinander gegangen, denn Ferdinand schuldet ihnen noch 170.000 Gulden an Sold. 2 Deshalb sind die Städte des Bundes müde, der Adel beachtet ihn nicht sehr und die Fürsten sind über die vergeblichen Unkosten ungehalten. |
15,1 Dann mein gnediger her, der Cardinal von Mentz, do seiner gnade wider die pauren leut schickt, vnd kamen nur 2 tag zu langsam, musten seiner fürstlichen gnade zweyvnddreyssig tausent guldin zur straff geben. 2 Solchs haben mir seine chur fürstliche gnade selb gesagt, 3 vnd nochmals, als der landtgraff seine chur fürstliche gnade vberziehen wolt, da waren weder fursten, stet, noch Edeleut, die einen roskopff geschickt hetten. 4 Der halben hat es kein bestandt meehr, es werde dann ein new ordnung gemacht, das ich doch nicht glaube. 5 So sollen die würtenpergischen pauren wider auffgestanden sein vnd begernn iren alten herrn von herzten. 6 Was darauß werden will, weyß gott. |
15,1 Als mein gnädiger Herr, der Kardinal von Mainz, seiner Gnade gegen die Bauern Leute schickte, die aber 2 Tage zu spät kamen, musste er seiner fürstlichen Gnade 32.000 Gulden Strafe zahlen. 2 Das hat mir seine kurfürstliche Gnade selbst gesagt. 3 Und als später der Landgraf seine kurfürstliche Gnade angreifen wollte, da haben weder Fürsten noch Städte noch Edelleute einen Rosskopf geschickt. 4 Deshalb hat es keinen Bestand mehr, es sei denn, man macht eine neue Ordnung, was ich aber nicht glaube. 5 Die württembergischen Bauern sollen sich wieder erhoben haben und fordern ihren alten Herrn mit ganzem Herzen zurück. 6 Was daraus wird, weiß Gott. |
16,1 Ich bin noch willens, wa es sich schicken wolte. 2 Ich woll hinein ziehen vnd also, was eurer fürstlichen gnade gehort, mit nemen. |
16,1 Ich bin immer noch bereit, falls sich etwas ergibt. 2 Ich will hineinziehen und so das, was Eurer fürstlichen Gnade gehört, mitnehmen. |
17,1 Das jhenig, so ich gemacht, bit, eure gnade wollen mein vnutz geschwetz nicht vor vbel nemen. 2 Dann was ich erfar von warhafften zeytungen, kan ich eurer fürstlichen gnade vbel bergen, als meinem geliebten gnedigsten herrn. |
17,1 Bezüglich dessen, was ich gemacht habe, bitte ich, Eure Gnade wolle mir mein nutzloses Geschwätz nicht verübeln. 2 Denn was ich an wahren Neuigkeiten erfahre, kann ich Eurer fürstlichen Gnade als meinem geliebten gnädigsten Herrn nicht verheimlichen. |
18,1 Keyserlich Majestet ist wieder in hispanien. 2 Was ehr ausgericht hat in teutsch landt, weyß das Reich vnd die fucker wol. |
18,1 Die kaiserliche Majestät ist wieder in Spanien. 2 Was er in Deutschland ausgerichtet hat, wissen Reich und Fugger wohl. |
19,1 Will mich also eurer fürstlichen gnade
befeln als iren gantz
willigen vnd gehorsamen diener zu allen zeytten. |
19,1 Ich will mich also Eurer
fürstlichen Gnade als ihren ganz willigen und gehorsamen Diener zu allen
Zeiten empfehlen. |
20,1 Datum Berlin, Mitwochs nach quasi modo, Anno etc xxxiii 2 Eurer Fürstlichen Gnade gehorsamer vnd gantz williger diener Johannes Carion |
20,1 Gegeben zu Berlin am Mittwoch nach Quasimodo im Jahr usw. 33. 2 Eurer fürstlichen Gnade gehorsamer und ganz williger Diener Johannes Carion |
Zeilen- und buchstabengerechte Transkription auf der Grundlage der Lesung von Stefan Benning
98. vnd die fûcker wol, will mich also e f g befeln 99. Als Jrenn gantz willig[en] vnd gehorsame[n] diener zû all[e]n 100. zeÿtt[en]. got d[er] almechtig erhalt e f g in gesûntheÿt, 101. seel vnd leibs, oûch glûcklichem regiment. mit sampt 102. d[er] selb[en] gemahel vnd Jûng[en] herschafft[en], Dat[um] Berlin 103. Mitwochs nach quasi modo. Anno etc xxxiii 104. E. F. G 105. gehorsamer vnd ganntz 106. willig[er] diener 107. Johannes Carion Anmerkungen: 1.)
folgt gestrichen "wider" (Rot: Änderungen Hirth) |