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Erdogan will
Zypernlösung suchen
Ankara braucht einen Erfolg ‑ Die Inselgriechen verharren in ihrer
Verweigerungshaltung
Der
türkische Premier Tayyip Erdogan verspricht "mutige Schritte" zur
Überwindung der Zypernteilung. Doch der griechische Inselpräsident
Papadopoulos scheint nicht an einer Lösung interessiert.
Von Gerd Höhler, Athen
"Wir
können die türkischen Interessen auf Zypern nicht wahrnehmen, wenn wir
passiv bleiben", sagte Erdogan jetzt vor dem Parlament in Ankara.
"Wir müssen deshalb die Initiative ergreifen und mutige Schritte
tun", meinte der Premier. Tatsächlich droht die Türkei in der
Zypernfrage in die Defensive zu geraten. Vor dem Beginn der
EU-Beitrittsverhandlungen muss Ankara die griechische Republik Zypern, die
seit dem 1. Mai der EU angehört, zumindest faktisch anerkennen. Bisher
unterhält die Türkei nur Beziehungen zum türkisch kontrollierten
Nordzypern, dessen Regierung jedoch völkerrechtlich von keinem anderen Staat
anerkannt wird. Für Erdogan wäre die Anerkennung des griechisch-zvprischen
Staates und seines Alleinvertretungsanspruchs seinen Landsleuten und den
türkischen Zyprern nur schwer zu vermitteln. Deshalb setzt er jetzt alles
daran, die Wiedervereinigungsbemühungen erneut in Gang zu bringen. Sie waren
gescheitert, als die griechischen Zyprioten Ende April den Einigungsplan von
UN‑Generalsekretär Kofi Annan in einer Volksabstimmung mit großer
Mehrheit ablehnten. Die Türkei und die türkischen Zyprer hatten dem Plan
zugestimmt. Der griechische
Inselpräsident Tassos Papadopoulos, der im Frühjahr alles daransetzte,
Annans Vorschlag scheitern zu lassen, zeigt auch jetzt wenig Neigung, an einer
Lösung mitzuarbeiten. Zwar erklärt sich Papadopoulos verhandlungsbereit; er
stellt aber Bedingungen, die eine Wiederaufnahme der Gespräche praktisch
unmöglich machen. So lehnt er eine Vermittlung der UN und jede Beteiligung
Kofi Annans an den Verhandlungen ab. Von wem, wenn nicht von Annan, eine neue
Zyperninitiative ausgehen könnte und welches Format die Gespräche haben
sollen, lässt Papadopoulos aber offen. Einerseits bezeichnet der Inselgrieche
den Annanplan als "Basis" für eine Lösung, andererseits verlangt
er nun "fundamentale" Änderungen des Einigungsvorschlags ‑
ohne zu sagen, welche. Vom bisher verfolgten Konzept einer bizonalen
Föderation scheint sich Papadopoulos verabschiedet zu haben: Er werde keiner
Lösung zustimmen, die auf eine "Auflösung" der Republik Zypern
hinauslaufe, erklärt der Präsident. Papadopoulos schwebt offenbar vor, dass
die Inseltürken ihre "Türkische Republik Nordzypern" abschaffen
und sich einfach dem Süden anschließen. Der griechisch‑zypriotische
Präsident glaubt sich in einer stärkeren Position als je zuvor. Er habe es
geschafft, Zypern in die EU zu führen, ohne dem Annanplan zustimmen zu
müssen, brüstete sich der Präsident in einem Interview mit der Zeitung
"Charavgi". Erdogan werde nichts anderes übrig bleiben, als die
Republik Zypern 2005 anzuerkennen, frohlockt man in zyprischen
Regierungskreisen. Für den türkischen Premier wäre das allerdings eine
schwere Demütigung ‑ und politisch hoch riskant: Der türkisch‑zyprische
Vizepremier Serdar Denktasch droht bereits mit einer "lntifada",
wenn die Türkei Nordzypern "im Stich lassen sollte".
Stuttgarter
Zeitung, 30. Dezember 2004 |