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Zyperns Teilung bleibt
Alte Feindbilder
Von Gerd Höhler
Die Hoffnung,
die Insel Zypern könnte nach ihrer 30-jährigen Teilung geeint am 1. Mai der
Europäischen Union beitreten, hat sich zerschlagen. Sie ist gescheitert an
der Engstirnigkeit der politischen Führer im griechischen Süden, aber auch
an den Ängsten vieler Zyperngriechen. Das Misstrauen gegenüber den Türken
sitzt offenbar tiefer als gedacht. In einer Wählerbefragung nannten drei
Viertel der Neinsager "Sorge um unsere Sicherheit" als Motiv für
ihre Stimmabgabe. Sie misstrauten offenbar nicht nur den Türken, sondern auch
den Zusagen der EU und der UN, für eine getreue Umsetzung des Einigungsplans
zu sorgen.
Der Präsident
der griechischen Zyprer, Tassos Papadopoulos, schürte diese Ängste. Der
glühende Nationalist kultivierte die alten Feindbilder, um sie für seine
Zwecke zu instrumentalisieren. Die Einigungsgegner auf der Insel haben es
verstanden, die Zyperngriechen im Vorfeld der Volksabstimmung zu verunsichern
und einzuschüchtern. Die Methoden, mit denen die Neinkampagne geführt wurde,
passten dabei eher zu einem totalitären Regime als zu einem Staat, der in
wenigen Tagen EU-Mitglied sein wird. Von einer fairen Abstimmung kann in einem
solchen Klima der Angst und der Polarisierung kaum gesprochen werden.
Nun schlägt
Papadopoulos plötzlich versöhnliche Töne an. Schon vor dem Votum versuchte
er, den Eindruck zu erwecken, sein Nein sei im Grunde ein Ja, es werde die
Tür zu neuen Verhandlungen öffnen, an deren Ende ein verbesserter
Einigungsplan stünde. Doch das wird sich wohl als Illusion erweisen.
UN-Generalsekretär Kofi Annan dürfte wenig Lust verspüren, einen neuen
Vermittlungsversuch zu starten, nur um sich womöglich eine weitere Abfuhr zu
holen. Und mit wem will Papadopoulos denn nun überhaupt verhandeln? Warum
sollte die Türkei neuen Gesprächen zustimmen?
Der türkische
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ist der strahlende Gewinner dieses
Abstimmungsergebnisses. Er hat sich, trotz des Widerstands der Generäle und
der Einwände des kemalistischen Establishments, hinter Annans Zypernplan
gestellt. Erdogan nahm damit eine weitere Hürde auf dem Weg seines Landes in
die EU ‑ ohne letztlich auf Zypern Zugeständnisse machen zu müssen.
Denn das Nein der Inselgriechen sorgt dafür, dass die türkischen
Besatzungssoldaten auf Zypern bleiben. Besser hätte es für Ankara gar nicht
laufen können.
Die
griechischen Zyprer und ihre Politiker dagegen werden für ihr Nein eine hohen
Preis bezahlen müssen. Bisher gehörte ihnen die Solidarität der
internationale Gemeinschaft. Dieses Kapital haben sie nun fürs Erste
verspielt. Niemand wird mehr hören, wenn sie das Unrecht der türkischen
Besatzung und die Teilung ihrer Insel beklagen. Die Sympathien vieler sind
jetzt auf Seiten der türkischen Zyprer. Sie ließen sich weder von den
Hasstiraden ihres Volksgruppenchefs Rauf Denktasch noch vom Terror der aus
Anatolien angereisten Grauen Wölfe einschüchtern und stimmten mehrheitlich
für die Vereinigung des Inselstaates.
Nach dem
Scheitern von Annans Plan droht sich nun die Spaltung zu vertiefen. Der
türkische Außenminister Abdullah Gül spricht bereits von einer
"permanenten Teilung". Auch der Hardliner Denktasch triumphiert. Er
wird hoffen, Nordzypern nun noch enger an die Türkei binden zu können. Das
gilt es zu verhindern, wenn wenigstens die Option auf eine künftige
Zypernlösung gewahrt werden soll. Die EU muss deshalb die politische und
wirtschaftliche Isolation Nordzyperns jetzt beenden. Zwar haben die
Inselgriechen mit ihrem Nein der türkischen Volksgruppe die Tür zur EU
zugeschlagen. Doch de jure sind auch die Zyperntürken vom 1. Mai an Bürger
der Europäischen Union. Sie dürfen deshalb nicht Geiseln des griechischen
Neins bleiben.
Stuttgarter Zeitung, Montag, 26. April 2004, S. 3 |