Grenzöffnung auf Zypern

Der letzte Dino

 

Von Knut Krohn

 

Eigentlich war die größte Chance längst verpasst.  Vor Wochen hatten die UN-Vermittler ihre hektischen Bemühungen eingestellt, endlich eine Lösung im Zypernkonflikt zu finden.  Und die Diplomaten der Europäischen Union schienen sich nach der feierlichen Aufnahme des griechischen Inselteiles in die Union mit der Teilung irgendwie arrangiert zu haben.  Doch nun hat ausgerechnet ein Mann wieder Bewegung in die Sache gebracht, der zuvor jegliche Annäherung mit aller Macht blockiert hat: Rauf Denktasch, der Führer des türkischen Teiles der Insel.  Denn seit gestern dürfen alle Menschen auf Zypern in den jeweils anderen Teil der Insel reisen.

Ganz freiwillig hat Denktasch die Schlagbäume allerdings nicht geöffnet.  Er hofft, auf diese Weise den innenpolitischen Druck auf seine Regierung zu senken, denn sein eigenes Volk hat sich gegen ihn gestellt.  Seit Monaten gehen die türkischen Zvprer zu zehntausenden auf die Straße um für die Wiedervereinigung der seit 1974 geteilten Insel zu demonstrieren.  Sie wollen gemeinsam mit den griechischen Zyprioten der EU beitreten und erhoffen sich davon das Ende der chronischen Wirtschaftsmisere.  Im Norden der Insel liegt das Pro-Kopf-Einkommen bei weniger als einem Drittel dessen, was im wirtschaftlich starken griechischen Süden verdient wird.  Außerdem ist die große Schutzmacht Türkei inzwischen auf Distanz zu Denktasch gegangen.  Die Regierenden in Ankara haben offenbar eingesehen, dass die Blockadehaltung im Streit um Zypern den eigenen EU-Ambitionen nur schaden kann.  Es scheint, dass Rauf Denktasch, einer der letzten Dinosaurier in der internationalen Politik, nun ein Opfer seiner eigenen, ewig auf gestern gerichteten Politik wird.

 

Stuttgarter Zeitung, Donnerstag, 24. April 2003, S. 3