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Keine Lösung auf
Zypern
Griechen
wollen UN-Plan noch einmal überarbeiten
NIKOSIA.
Die Bevölkerung des seit drei Jahrzehnten geteilten Zypern stimmt morgen
über die Wiedervereinigung ihrer Insel ab. Trotz internationalen Drängens
deuten Umfragen auf ein Scheitern des UN-Planes hin.
Von Gerd Höhler
Der Plan, den
UN-Generalsekretär Kofi Annan für Zypern ausgearbeitet hat, sieht einen
lockeren Bund des griechischen und türkischen Teils vor, mit einer weit
gehenden Autonomie für die beiden Gemeinschaften. Während bei der morgen
stattfindenden Volksabstimmung im griechischen Teil der Insel mit einem Nein
gerechnet wird, zeigen die Umfragen im türkischen Norden eine Unterstützung.
Dem Plan müssen aber beide Inselhälften in ihren getrennten Referenden
zustimmen, damit die Vereinigung vollzogen wird und Zypern am 1. Mai als
Ganzes der EU beitreten kann. Ansonsten wird nur der griechische Süden
EU-Mitglied, und der türkische Norden bleibt ausgeschlossen. Ein Nein zum
Annan-Plan in seiner vorliegenden Form bedeute kein Nein zu einer Lösung,
sagte der griechisch-zypriotische Außenminister Jorgos Jakovou gestern in
Nikosia. Die Zustimmung der Inselgriechen zu dem Plan ist noch
unwahrscheinlicher geworden, nachdem Russland am Mittwoch im UN-Sicherheitsrat
eine Resolution blockierte, die den Zyprern Garantien für ihre Sicherheit und
die getreue Umsetzung des Friedensplanes in Aussicht stellen sollte.
Spekulationen, mit seinem Veto sei Russland einem Wunsch der
griechisch-zyprischen Regierung gefolgt, wies Jakovou, der am Dienstag
überraschend nach Moskau gereist war, entschieden zurück. Er kritisierte
aber, der Resolutionsentwurf gehe nicht weit genug. Im Verhältnis zwischen seiner Regierung und der EU sieht Jakovou keinen dauerhaften Schaden. Führende EU-Politiker, unter ihnen auch Kommissar Günter Verheugen, hatten am Mittwoch erklärt, sie fühlten sich von der griechisch‑zyprischen Regierung "getäuscht", weil sie, entgegen früheren Zusagen, dem Annan-Plan nun nicht mehr zustimme. "Ich hätte mir eine andere Sprache gewünscht", kritisierte Jakovou die Brüsseler Äußerungen. Die
Entscheidung über den Annan-Plan liege nun beim zyprischen Volk. Auch bei
einem negativen Ausgang des Referendums hoffe er jedoch, bald einen neuen
Versuch zur Einigung unternehmen zu können: "Ich denke an eine Lösung
auf der Basis des Annan-Plans innerhalb von zwölf Monaten, vorzugsweise bis
zum Dezember." Bis dahin wolle die griechisch-zyprische Seite
"Verbesserungen" des UN‑Vorschlags aushandeln. Im Dezember
will die EU über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei
entscheiden. Jakovou unterstrich, seine Regierung denke zwar nicht daran,
Beitrittsverhandlungen mit der Türkei mit einem Veto zu blockieren. Der
Minister ließ jedoch durchblicken, dass es im Interesse der Türkei liegen
müsse, bis zum Dezember eine Lösung der Zypernfrage zu erreichen.
Stuttgarter Zeitung, Freitag, 23. April 2004, S. 4 |