Die UN versuchen einen
neuen Anlauf
Der griechisch‑zypriotische
Präsident Papadopoulos bleibt auf Konfrontationskurs
UN-Generalsekretär Kofi Annan hofft wieder auf eine
Zypernlösung: "Wenn beide Seiten bereit sind voranzugehen, stelle ich
meine Dienste zur Verfügung , sagte Annan vergangenen Freitag auf dem
EU-Gipfel. Aber die Chancen für eine Einigung sind gering.
Von Gerd Höhler, Athen
Ende April war Kofi Annan mit einem Wiedervereinigungsplan
für die seit 30 Jahren geteilte Insel am Nein der Zyperngriechen gescheitert.
Die türkische Volksgruppe und die Regierung in Ankara dagegen hatten dem
Vorschlag zugestimmt. Nachdem die Türkei nun die Zusage für
Beitrittsverhandlungen in der Tasche hat, erwarten viele EU-Diplomaten neue
Bewegung in der Zypernfrage. Vor allem die Türkei muss ein Interesse daran
haben, die Zypernteilung möglichst rasch zu überwinden. Denn wie ein
Damoklesschwert hängt der Zypernkonflikt über der türkischen EU-Kandidatur.
Bleibt es bei der Teilung, muss die Türkei nicht nur bis zum nächsten Oktober
die (griechische) Republik Zypern anerkennen. Deren Präsident Tassos
Papadopoulos droht bereits, er könne die Beitrittsverhandlungen jederzeit mit
seinem Veto blockieren. Der türkische Außenminister Abdullah Gül versicherte
deshalb gleich nach seiner Rückkehr vom EU-Gipfel, Ankara bleibe
"entschlossen, eine Lösung der Zypernfrage zu finden".
Die Initiative zu neuen Verhandlungen müsste wohl von der
griechisch-zyprischen Regierung ausgehen. Schließlich war sie es, die den
Annanplan scheitern ließ. Doch Papadopoulos zeigt bis jetzt keinerlei
Bereitschaft zu neuen Wiedervereinigungsbemühungen. Er ist ohnehin in einer
schwierigen Lage.
Während sich der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan
in Ankara mit Konfetti und Feuerwerk als "Eroberer Europas" feiern
lässt, herrscht im griechischen Süden Zyperns Katerstimmung. Niemand jubelte
Papadopoulos zu, als er aus Brüssel heimkehrte. "Zypern ist der große
Verlierer", bilanzierte die Zeitung "Phileleftheros". Papadopoulos
habe vor Erdogan "kapituliert", meinte das nationalistische Blatt
"Simerini". Von einem "Debakel" schrieb die "Cyprus
Mail", eine "Katastrophe" konstatierte der griechisch-zyprische
Europaabgeordnete Marios Matsakis.
Als starker Mann war Papadopoulos nach Brüssel gereist.
Fünf "unverzichtbare" Forderungen hatte er im Gepäck. Neben der
völkerrechtlichen Anerkennung seiner Republik verlangte er von Erdogan auch
Zusagen über einen Abzug ihrer Besatzungstruppen aus Nordzypern, die
Repatriierung der dort angesiedelten Festlandstürken und Entschädigungen.
Nichts davon hat er in Brüssel durchsetzen können. Auf das Veto, mit dem er
seit Monaten immer wieder gedroht hatte, verzichtete Papadopoulos kleinlaut.
"Wir haben alles aus der Hand gegeben, ohne etwas zu bekommen",
kritisiert sein Amtsvorgänger, der frühere Staatspräsident Glafkos Klerides.
Das ist nicht gerade die geeignete Atmosphäre, um die
Zypernfrage wieder in Bewegung zu bringen. Man solle "nicht träumen",
meinte jetzt Serdar Denktasch, Außenminister der nur von Ankara anerkannten
"Türkischen Republik Nordzypern", "die griechischen Zyprioten
sind nicht bereit, in den kommenden zehn Monaten eine Lösung zu finden".
Auch die griechisch-zyprische Zeitung "Cyprus Mail" glaubt: "Es
wäre naiv, an eine Zypernlösung zu glauben, solange Präsident Papadopoulos
regiert - das Einzige, was ihn interessiert, ist die Macht."
UN-Chef Annan scheint dennoch Hoffnung zu hegen. In seinen
Haushaltsplan für das Jahr 2005 hat er Geld zur Wiedereröffnung des Büros
seines im Frühjahr von der Insel abberufenen Zypern-Sonderbeauftragten
eingestellt. Im Mai 2005, so heißt es in diplomatischen Kreisen, werde Annan
einen neuen Anlauf zur Lösung der Zypernfrage nehmen. Die Initiative soll
allerdings strikt auf drei Monate befristet bleiben.
Stuttgarter Zeitung, Dienstag, 21. Dezember 2004, S. 4