EU: Kompromiss für Türkei
Ankara muss Zypern während Verhandlungen anerkennen
BRÜSSEL
(dpa). Die 25 EU-Mitgliedstaaten haben sich am Montagabend in Brüssel auf eine
Zusatzerklärung geeinigt. Darin heißt es, dass die Türkei Zypern während der
Beitrittsverhandlungen anerkennen müsse, wie aus in <sic!> diplomatischen
Kreisen verlautete.
Die 25 EU‑Staaten verlangen die völkerrechtliche
Anerkennung Zyperns durch die Türkei noch während der in zwei Wochen
beginnenden Verhandlungen über einen türkischen Beitritt zur EU. Die
Botschafter der 25 EU-Staaten einigten sich am Montagabend in Brüssel auf eine
entsprechende Erklärung. Damit reagierten sie auf Ankaras Weigerung, das
EU-Mitglied Zypern anzuerkennen. Diplomaten sagten, eine Sondersitzung der
EU-Außenminister vor Verhandlungsbeginn am 3. Oktober sei nun unwahrscheinlich.
Die Einigung im Kreise der EU-Botschafter nach wochenlangem
Tauziehen wurde durch eine Verschärfung des ursprünglich geplanten Textes durch
die britische Ratspräsidentschaft erreicht. Nun heißt es, die Anerkennung aller
Mitgliedstaaten sei "eine notwendige Komponente des
Beitrittsprozesses". Damit soll klar gestellt werden, dass die Türkei
nicht erst am Ende des auf zehn Jahre angelegten Verhandlungsprozesses Zypern
anerkennen muss, dessen nördlicher Inselteil seit 1974 von türkischen Soldaten
besetzt ist. Vielmehr müsse die völkerrechtliche Anerkennung bereits während
der Verhandlungen erfolgen. Zypern hat gefordert, der Türkei eine Frist für die
Anerkennung der Regierung in Nikosia zu setzen.
EU-Diplomaten sagten, Zypern habe am Abend zunächst noch
einen Vorbehalt gegen die geplante EU-Erklärung geltend gemacht. Doch werde
erwartet, dass er nach Konsultationen mit der Regierung in Nikosia aufgehoben
werde. In der Erklärung der EU heißt es auch, die "vollständige, nicht
diskriminierende Umsetzung der Vereinbarung über die Zollunion" werde
überwacht. Die EU dringt darauf, dass die von der Türkei akzeptierte
Erweiterung der Zollunion auf die 2004 beigetretenen zehn neuen EU-Mitglieder
auch für Zypern gilt. Ankara ist bisher nicht bereit, zyprische Schiffe und
Flugzeuge ins Land zu lassen. Die EU kündigt an, sie werde noch 2006 prüfen, ob
die Türkei sich an die Vereinbarungen halte. Sei dies nicht der Fall, "so
wird dies Auswirkungen auf den gesamten Prozess der Beitrittsverhandlungen
haben".
Die Türkei hatte nach der Unterzeichnung des Protokolls
über die Erweiterung der Zollunion erklärt, die Unterschrift bedeute keine
völkerrechtliche Anerkennung Zyperns. Später hatte Ankara erklärt, trotz Zollunion
bleibe die Sperre für Schiffe und Flugzeuge aus Zypern bestehen. Die
Beitrittsverhandlungen sollen am 3. Oktober beginnen.
Stuttgarter Zeitung, 20. September 2005, S. 7