DIE VEREINIGUNG ZYPERNS RÜCKT IN GREIFBARE NÄHE

 

Die Probleme einer Insel, Flagge zu zeigen

In Zypern wird auch um Identität und Symbole verhandelt

 

Bei einer neuen Verfassung Zyperns wird auch um Symbole gerungen.  Vorschläge, welche Hymne und Flagge die Insel künftig haben soll, gibt es reichlich.

 

Von Gerd Höhler, Athen

 

"Die eigentliche Arbeit beginnt jetzt erst", sagt der türkische Außenminister Abdullah Gül mit Blick auf die heute in Nikosia beginnenden Zypernverhandlungen.  Auch wenn der Rahmen mit Kofi Annans UN-Einigungsplan vorgegeben ist, gilt es noch zahlreiche Details auszuhandeln.  Dazu gehört auch die Frage: Welche Flagge soll die neue Republik Zypern zeigen?  Und welche Nationalhymne soll erklingen, wenn der neue Staat aus der Taufe gehoben wird?

Ein Mangel an Flaggen und Hymnen herrscht im geteilten Zypern nicht.  Im griechischen Süden flattert die Fahne der 1960 ausgerufenen Republik.  Ihr Entwurf stammt von einem griechisch-zyprischen Lehrer aus Nikosia.  Die Fahne zeigt den Inselgrundriss in Gold und zwei grüne Olivenzweige auf weißem Grund.  Die Zweige sollten den Frieden zwischen Griechen und Türken symbolisieren.  Das konnte bekanntlich die Teilung nicht verhindern.  Neben der Fahne Zyperns wird im Süden an allen öffentlichen Gebäuden auch die weißblaue Flagge Griechenlands aufgezogen, obwohl das nach der Verfassung der Insel nur an nationalen Feiertagen erlaubt ist.  Im türkisch besetzten Norden trifft man die zyprische Fahne gar nicht mehr an.  Hier wehen nebeneinander das Banner der Türkei und die Fahne der Türkischen Republik Nordzypern.  Sie ist eine Paraphrase der türkischen Flagge und zeigt einen roten Halbmond und Stern auf weißem Grund, eingerahmt von zwei horizontalen roten Streifen.

Auch mit ihrer Nationalhymne hatten die Zyprer wenig Glück.  Der Einfachheit halber übernahmen die Inselgriechen einfach die Hymne Griechenlands.  Doch der Text des griechischen Dichters Dionysios Solomos kam den Inseltürken nie leicht über die Lippen.  Sie sangen deshalb lieber die türkische Nationalhymne.

Nun beginnt die Suche nach neuen Noten und Versen.  Schon vor einem Jahr schrieben die Vereinten Nationen einen Ideenwettbewerb aus.  "Die Resonanz war sehr gut", berichtet UN-Sprecher Brian Kelly.  Rund 200 Vorschläge sind aus fünfzehn Ländern eingegangen, sogar aus dem fernen Neuseeland und Japan.  "Einige der Hymnen sind in beiden Sprachen abgefasst - griechisch und türkisch", sagt der UN-Zypernbeauftragte Alvaro de Soto, "das ist sehr beeindruckend." Kommissionen beider Volksgruppen sollen jetzt die Vorschläge sichten.

Für die künftige Flagge des geeinten Zypern liegen sogar bereits über 2000 Entwürfe vor.  Manche Vorschläge stammen von Schulkindern, andere sind grafisch hochprofessionell.  Einzelheiten der Entwürfe will man bei den UN noch nicht verraten.  Derzeit wird ein Vorschlag diskutiert, nach dem auf der neuen Flagge der islamische Halbmond und das christliche Kreuz vereint dargestellt wird.  Andere raten dazu, nach dem Vorbild von Bosnien-Herzegowina in Flagge und Hymne auf religiöse oder ethnische Anspielungen ganz zu verzichten.  Wenn sich nicht alle Zyperngriechen und Zyperntürken mit dem neuen Tuch identifizieren können, wäre das allerdings kein Beinbruch.  Schließlich soll jede der beiden Volksgruppen zusätzlich ihre eigenen Symbole haben: eine Insel, drei Flaggen, drei Hymnen.

 

Stuttgarter Zeitung, Donnerstag, 19. Februar 2004, S. 4