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Das
Hoffen auf einen Schneeball-Effekt USA unterstützen Vereinte Nationen in Zypern
Bei
der bevorstehenden Einigung in der Zypernfrage spielt Washington
hinter den Kulissen eine Hauptrolle.
Aus strategischer Sicht sind die USA stark an einer erfolgreichen
Vermittlung interessiert. Von
Matthias B. Krause, New York Bei
der zweiten Nachfrage wurde Alvaro de Soto dann doch ärgerlich.
"Wir haben auch nicht geschlafen", beschied er dem Reporter
knapp, der wissen wollte, warum der US-amerikanische Koordinator der
Zypernfrage, Thomas Weston, in den vergangenen Nächten so aktiv auf den Fluren
des UN-Hauptgebäudes in New York war. Soto,
Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen für Zypern, war peinlichst darauf
bedacht, dass der Ruhm für die sich abzeichnende Lösung in dem Konflikt nur
einem zukommt: seinem Chef, UN-Generalsekretär Kofi Annan. In
der Tat wäre eine Wiedervereinigung des sowohl von Griechenland als auch von
der Türkei beanspruchten und seit 1974 gesplitteten Eilandes einer der
größten Erfolge in Annans Amtszeit. Zypern
gehört zu den längsten Friedensmissionen in der Geschichte der Vereinten
Nationen, drei UN-Chefs haben sich daran die Zähne ausgebissen.
Dass nun er kurz vor dem Erfolg steht, hat sicherlich mit Annans
herausragenden diplomatischen Fähigkeiten und dem Vertrauen zu tun, das er in
der Welt genießt. Doch hinter den
Kulissen hat Washington ganz erheblich die Finger im Spiel gehabt. Schon
dass Annan zu Beginn des Monats noch einmal einen Vorstoß in der Zypernfrage
unternahm, obwohl er mit seinen Plänen vor einem Jahr auf Granit gestoßen
war, ging wesentlich auf einen Wunsch aus Washington zurück.
Präsident George W. Bush und US-Außenminister Colin Powell sicherten
dem UN-Chef volle Unterstützung zu. Als
die zypriotischen Delegationen dann in der vergangenen Woche nach New York
kamen, um mit Annan und Soto zu verhandeln, griff Powell mehrfach zum Telefon,
um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen. Das
massive Interesse der US-Regierung erklärt sich aus dem Wunsch, zwei Fliegen
mit einer Klappe zu schlagen. Die
Türkei ist für Washington ein Partner von immenser Bedeutung als muslimischer
Vorposten im Nahen und Mittleren Osten. Um
die Integration des Landes in die westliche Wertegemeinschaft sicherzustellen,
wünschen sich die USA einen baldigen Beitritt der Türkei zur Europäischen
Union. Genau diesem Schritt aber
stand bisher die ungelöste Zypernfrage im Wege.
Zweiter Vorteil einer von Washington im Stillen beförderten Einigung:
Man verhilft dem zunehmend US-kritischen Annan zu einem Prestigegewinn und
stimmte ihn wohlgesonnener. Denn
dass die USA ohne die Vereinten Nationen im Irak kaum weiterkommen, haben
inzwischen sogar die Hardliner im Pentagon erkannt. So
erklärt sich auch, warum der türkische Volksgruppenführer auf Zypern Rauf
Denktasch - bis zuletzt ein notorischer Neinsager - dem in Washington
erzeugten, über Ankara nach Nikosia umgeleiteten Druck nicht mehr standhielt.
Nun sollen sich die Streitparteien noch im März einigen, sonst erhält
Annan das alleinige Recht, die fehlenden Stellen im Vertrag auszufüllen. So oder so wird danach in einem Referendum über die Zukunft
abgestimmt. Und wenn alles nach
Plan läuft, nimmt die EU Zypern am 1. Mai auf. "Natürlich
haben uns andere interessierte Seiten aus aller Welt gedrängt, nicht diese
einmalige Gelegenheit zu verpassen", sagt UN-Chef Kofi Annan.
Doch wer immer am Ende das meiste Lorbeer einheimst, wichtig ist das
Ergebnis. Und das kann laut Soto
weit reichende Folgen haben: "Ob eine Einigung in der Zypernfrage bei
anderen einen Schneeball-Effekt auslösen kann?
Das hoffe ich doch ganz stark."
Stuttgarter
Zeitung, Montag, der 16. Februar 2004, Seite 5
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