Möglicher Durchbruch in der Zypernfrage

Niederlassungsfreiheit soll eingeschränkt bleiben

 

ATHEN.  Zwei Staaten und eine Zentralregierung, so soll nach dem Plan Kofi Annans Zypern befriedet werden.  Das Präsidentenamt soll drei Jahre mit einer Doppelspitze geführt werden.

 

Von Gerd Höhler

 

"Ein Volk, ein Land" - mit diesem Sprechchor demonstrieren junge griechische und türkische Zyprer seit Monaten für eine Wiedervereinigung ihrer geteilten Insel.  Doch eine Vereinigung im echten Sinne des Wortes wird es mit dem Einigungsplan des UN-Generalsekretärs Kofi Annan nicht geben.  Sein Verfassungsentwurf sieht zwei "Komponentenstaaten" für die beiden Volksgruppen unter dem Dach einer gemeinsamen Zentralregierung vor. Deren Kompetenzen werden allerdings sehr begrenzt sein.  Die beiden Volksgruppen sollen weit gehende Selbstverwaltungsrechte bekommen. Jeder der beiden Teilstaaten soll seine eigene Verfassung, sein eigenes Parlament und seine eigene Regierung haben.  Auf der Ebene des Gesamtstaates sind ein Unterhaus, in dem die ethnischen Türken ein Drittel der Sitze innehaben, und ein Oberhaus vorgesehen, das jeweils zur Hälfte aus Vertretern beider Volksgruppen besteht.  Als Regierung des Zentralstaates soll ein sechsköpfiges Gremium fungieren, dem vier Griechen und zwei Türken angehören.  Aus der Mitte dieses Rates wird das Staatsoberhaupt gewählt.  In diesem Amt sollen sich die beiden Volksgruppen alle zehn Monate ablösen.  Für eine Übergangszeit von drei Jahren sollen ein griechischer und einer türkischer Zyprer als Doppelspitze das Präsidentenamt gemeinsam ausüben.

Auf den 137 Seiten des Annan-Plans findet sich noch manche andere Kuriosität.  So sollen die Inselbewohner neben der gemeinsamen gesamtzyprischen Staatsangehörigkeit auch die Staatsangehörigkeit ihres jeweiligen Teilstaates besitzen.  Und auf der kleinen Insel sollen gleich drei Staatsflaggen flattern und drei Nationalhymnen erklingen.

Die türkischen Zyprer, die etwa 18 Prozent der Inselbevölkerung stellen, sollen 28,5 Prozent, die Zyperngriechen 71,5 Prozent des Inselterritoriums kontrollieren.  Derzeit hält die Türkei noch 36 Prozent der Insel besetzt.  Dank der neuen Aufteilung könnte etwa die Hälfte der rund 180 000 Zyperngriechen, die 1974 aus dem Inselnorden vertrieben wurden, in ihre Heimatorte zurückkehren.

Darüber hinaus bleibt aber die Niederlassungsfreiheit Angehöriger beider Volksgruppen im jeweils anderen Teil der Insel stark eingeschränkt.  Zvpern soll weit gehend demilitarisiert, die Zahl der türkischen Truppen von jetzt 38 000 schrittweise auf 6000 reduziert werden.  Griechenland darf 4000 Soldaten auf der Insel stationieren.

 

Stuttgarter Zeitung, Montag, der 16. Februar 2004, Seite 5