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Zypern geht auf die Türkei zu
NIKOSIA. Zypern
hat am Wochenende grünes Licht für EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei
gegeben. Gleichzeitig soll es eine neue Initiative zur Wiedervereinigung
geben.
Von Gerd Höhler
Die Regierung
Zyperns wird sich der Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei
nicht in den Weg stellen. Das ist das Ergebnis der Gespräche, die
Griechenlands Ministerpräsident Kostas Karamanlis am Wochenende in Nikosia
führte. Zypern befürworte die EU-Kandidatur der Türkei, weil eine
"wirklich europäische Türkei ein Faktor der Stabilität und ein
sicheres Bindeglied zwischen Europa und dem Nahen Osten" sei, sagte der
griechisch-zyprische Staatspräsident Tassos Papadopoulos nach den Gesprächen
mit Karamanlis. Die in den
vergangenen Monaten immer wieder ins Spiel gebrachte Überlegung, die Aufnahme
von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auf dem EU-Gipfel im Dezember mit
einem Veto zu blockieren, hat Papadopoulos offenbar aufgegeben.
"Prinzipiell unterstützen wir eine Entscheidung des Europäischen Rates
zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei", sagte
Papadopoulos. Sprach der zyprische Präsident bisher von
"Voraussetzungen", die Ankara vor dem Beginn der Beitrittsgespräche
erfüllen müsse, so ist nun von "Verpflichtungen" die Rede, denen
die Türkei "im Verlauf der Verhandlungen" nachkommen könne. Dazu gehören
nach den Worten des zyprischen Staatschefs die völkerrechtliche Anerkennung
der Republik Zypern, mit der die Türkei bisher keine diplomatischen
Beziehungen unterhält, der Rückzug der türkischen Besatzungssoldaten aus
Nordzypern und die Repatriierung der Siedler, die während der vergangenen
Jahre vom türkischen Festland nach Nordzypern kamen. Papadopoulos sagte,
seine Regierung habe der Türkei die Bereitschaft Zyperns übermittelt, in
einen Dialog über die bilateralen Beziehungen einzutreten. "Es ist nun
an der Türkei, diese Einladung anzunehmen", sagte der Präsident. Papadopoulos
kündigte auch eine neue Initiative zur Wiedervereinigung Zyperns an. Nachdem
die griechischen Zyprer erst Ende April auf Empfehlung ihres Präsidenten den
Einigungsplan von UN-Generalsekretär Kofi Annan mit großer Mehrheit
ablehnten, schlägt Papadopoulos nun neue Verhandlungen vor. Aus der Türkei
und seitens der türkischen Zyprer gab es zunächst keine Reaktionen auf die
Verhandlungsangebote. In Kreisen der griechischen Delegation hieß es aber,
Papadopoulos habe "bedeutende Schritte" getan. EU-Diplomaten in
Nikosia führen den Sinneswandel des griechisch-zyprischen Präsidenten auf
wachsenden Druck der Athener Regierung zurück. Papadopoulos habe aber auch
erkannt, dass er mit einem Veto gegen Türkei‑Beitrittsverhandlungen
sein Land international nur noch mehr isoliert hätte, als es nach dem Nein
der Zyperngriechen zum Annan-Plan ohnehin schon ist.
Stuttgarter
Zeitung, 15. November 2004 |