Zypern-Verhandlungen gescheitert

Türkische Volksgruppe auf der Insel lehnt UN-Wiedervereinigungsplan ab

 

KOPENHAGEN (AFP/dpa/ket).  Die unter UN-Vermittlung geführten Verhandlungen über die Zypern-Frage am Rande des EU-Erweiterungsgipfels sind gescheitert.  Nun wird wohl nur der griechische Teil der Insel in die Europäische Union aufgenommen.

"Die Gespräche sind ohne Ergebnis zu Ende gegangen", sagte ein Sprecher der griechischen Zyprer, Dimitris Komodromos, am Freitag in Kopenhagen.  An den Verhandlungen waren neben Vertretern der griechischen und der türkischen Volksgruppen sowie der UN auch Vertreter der USA, Großbritanniens und der Türkei beteiligt.

Mit einem Durchbruch war bereits vor Abschluss der Zypern-Gespräche nicht mehr gerechnet worden.  Der türkisch-zyprische Volksgruppenführer Rauf Denktasch hat abgelehnt, in Kopenhagen das von den Vereinten Nationen vorbereitete Zypern-Papier zu unterschreiben.  Stattdessen forderte er neue Verhandlungen.  "Niemand darf und sollte Druck auf uns ausüben, um ein Dokument zu unterzeichnen, über das nicht verhandelt worden ist", sagte Denktasch am Freitag in Ankara.  Die EU forderte er auf, die geplante Aufnahme Zyperns zu verschieben.

Der Sondergesandte von UN-Generalsekretär Kofi Annan für Zypern, Alvaro de Soto, hatte seit vergangenen Donnerstag versucht, die Delegationen der Republik Zypern unter Präsident Glafkos Klerides und die des türkisch besetzten Nordens zu einer Einigung zu bewegen.  Vor fünf Wochen hatte Annan einen Lösungsvorschlag vorgelegt, der die Errichtung eines gemeinsamen Bundesstaats der beiden Volksgruppen nach schweizerischem Modell vorsieht.

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union wollen Zypern auch ohne eine Verständigung des griechischen und des türkischen Bevölkerungsteils auf eine Wiedervereinigung in die EU aufnehmen.  Das unterstrich der griechische Ministerpräsident Kostas Sirnitis am Freitag im griechischen Fernsehen.  Die dänische Ratspräsidentschaft habe zwei Dokumente vorbereitet: eines für die Aufnahme Zyperns mit Perspektive für die Wiedervereinigung und eines ohne eine solche Verständigung.  Im jetzigen Fall werde nur der als unabhängig anerkannte griechisch-zyprische Teil der Insel der EU beitreten können.  Der Nordteil der Insel wird seit 1974 von der Türkei kontrolliert und wird international nicht als Staat anerkannt.  In Kopenhagen hatte die EU auf eine Lösung des Konflikts als Teil umfassender Verhandlungen mit der Türkei gehofft.

In der Türkei wird nun diskutiert, ob die Entscheidung der Inseltürken kontraproduktiv war.  Im Massenblatt "Sabah" kritisierte der Autor Erdal Safak vor allem den Führer der türkischen Volksgruppe, Rauf Denktasch.  Denktasch, der sich am Donnerstag zu einem eintägigen Krankenhausaufenthalt in Ankara aufhielt, hatte von dort aus die Weisung ausgegeben, den revidierten UN-Plan für Zypern in Kopenhagen nicht zu unterschreiben und seinem Vertreter keine Verhandlungsvollmacht gegeben.  Nach Safaks Meinung war es diese fehlende Konzession in der Zypernfrage, die ein besseres Verhandlungsergebnis verhinderte.  Daher warf er Denktasch vor, er verhalte sich nach der Devise: "Nach mir die Sintflut".

Denktasch hat am Abend auch Angaben dementiert, nach denen die türkischen Zyprer eine Absichtserklärung zur Fortsetzung der Gespräche zur Zypern-Frage unter UN-Vermittlung unterzeichnen wollen.  Dies berichtete die Nachrichtenagentur Anadolu am Freitag.  Zuvor hatte ein Vertreter der international nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern mitgeteilt, die Volksgruppe wolle die Verhandlungen fortsetzen.

 

Stuttgarter Zeitung, Samstag, 14. Dezember 2002, Seite 4