Annan in der Sackgasse

Die Zypern-Verhandlungen der UN sind am Ende

 

Die Gespräche über eine Wiedervereinigung des geteilten Zypern sind gescheitert.  Vor allem für die türkischen Bewohner ist das eine Katastrophe.

 

Von Gerd Höhler, Nikosia

 

Alvaro de Soto muss die Koffer packen.  Vor 18 Monaten hatte der Zypern-Beauftragte des UN-Generalsekretärs sein Büro im Niemandsland zwischen dem griechischen Süden und dem türkisch kontrollierten Norden der geteilten Insel bezogen.  "Eine Lösung ist zum Greifen nahe", glaubte der peruanische Diplomat damals. Jetzt sind die Gespräche über eine Wiedervereinigung Zyperns gescheitert.  Auch Kofi Annan konnte den Schiffbruch nicht abwenden. 16 Stunden lang verhandelte er am Dienstag in Den Haag mit dem griechisch-zyprischen Präsidenten Tassos Papadopoulos und dem türkischen Volksgruppenführer Rauf Denktasch, ohne Erfolg.  "Wir sind am Ende des Weges angelangt", konstatierte Annan.  Für den UN-Generalsekretär ist das Scheitern der Gespräche auch eine persönliche Niederlage.

Mit großem Engagement hatte Annan seit Wochen für seinen Plan geworben.  Er sah die Bildung zweier weit gehend autonomer Teilstaaten für die beiden Volksgruppen und eine nur mit geringen Kompetenzen ausgestattete Zentralregierung vor.  Territoriale Korrekturen sollten etwa 50 000 griechischen Zyprern, die 1974 von türkischen Invasionstruppen aus dem Inselnorden vertrieben wurden, eine Rückkehr in ihre Heimatdörfer ermöglichen.  Von 37 Prozent des Territoriums, das die Türkei seinerzeit eroberte, sollte sich das Gebiet der türkischen Volksgruppe, die knapp 20 Prozent der Bevölkerung stellt, auf 29 Prozent reduzieren.

"Das war für uns nicht akzeptabel", sagte Rauf Denktasch in Den Haag. 100 000 seiner Landsleute, so behauptet der türkische Volksgruppenchef, wären zu Flüchtlingen geworden.  Eine Zahl, die von UN-Diplomaten als maßlos übertrieben bezeichnet wird.  Denktasch wollte nicht über den Plan verhandeln, und vom Vorschlag Annans, seinen Einigungsplan zur Volksabstimmung zu stellen, wollte er nichts wissen.  Dafür hat er gute Gründe.  Zu zehntausenden gehen die türkischen Zyprer seit Monaten wieder und wieder auf die Straße, demonstrieren für die Annahme des Annan-Plans und gegen ihren Volksgruppenchef.  "Unterschreib oder tritt zurück", lautet einer der Sprechchöre.  Viele Demonstranten sehen ihre Zukunft in der EU, der die griechischen Zyprer nun wohl allein beitreten werden.  Mit Denktaschs Weigerung, auf den UN-Plan einzugehen, haben sich die Europaträume der türkischen Zyprer verflüchtigt.

 

"Ich teile mit allen friedliebenden Griechen und Türken ein Gefühl tiefer Traurigkeit", hieß es in einer Erklärung Annans.  Zwar versichert der UN-Generalsekretär, sein Plan liege weiter auf dem Tisch.  Aber dass er seinen Zypern-Beauftragten de Soto nun von der Insel abberuft, spricht Bände.  Auch der griechisch-zyprische Präsident Papadopoulos verspricht, man werde die Bemühungen um eine Lösung fortsetzen. Ähnliche Stellungnahmen sind aus Ankara zu hören.  Doch mehr als verbale Pflichtübungen sind das nicht.

 

Stuttgarter Zeitung, Mittwoch, 12. März 2003, Seite 4