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Antike Inselschönheit mit einem hässlichen Makel StZ-Serie zur EU-Erweiterung: Jahrelang ist Zypern wegen der Teilung der
Insel von der Europäischen Union ignoriert worden
Die
Republik Zypern hat eine starke Wirtschaft und ein stabiles politisches System. Das
sollte eigentlich reichen, um zum Musterknaben
der EU-Beitrittsländer zu werden.
Die Insel hat aber ein großes Problem:
Sie ist seit Jahrzehnten geteilt.
Von
Knut Krohn
Rauf Denktasch war sich ganz
sicher: Wenn das geteilte Zypern in die Union aufgenommen werde, gebe es Krieg,
verkündete der Präsident des türkischen Nordzyperns noch vor zwei Jahren in
einem Interview. Und heute?
Der griechische Teil der Insel wird bald ein Teil der EU sein, und die
Waffen werden schweigen. Generationen von Diplomaten haben auf eine friedliche Lösung
des Zypernproblems hingearbeitet. Das
Meisterstück der Verhandlungskunst wurde im Dezember 1999 in Helsinki
abgeliefert. Dort entschlossen
sich die Regierungs- und Staatschefs der Union zu einem Deal. Das Junktim - Beitritt Zyperns erst nach Lösung des
Zypernproblems - wurde formal aufgehoben.
Im Gegenzug stimmte damals Griechenland zu, der Türkei den lange
verwehrten Status eines EU-Kandidaten einzuräumen. Nun scheint sogar die
Vereinigung in greifbare Nähe gerückt. Seit
UN-Generalsekretär Kofi Annan am 11. November die Schaffung eines
Bundesstaates Zypern nach Schweizer Vorbild vorgeschlagen hat, drängen UN, EU
und USA darauf, diese Chance nicht ungenutzt zu lassen.
Eigentlich kann es nur Gewinner geben, sollten sich der zyprische
Präsident Glafkos Klerides und Rauf Denktasch durchringen, vor dem EU-Gipfel
in Kopenhagen am 12. Dezember
zuzustimmen. Einer Aussöhnung der früheren Erzfeinde Griechenland und Türkei
stünde nichts mehr im Wege, und das türkische Nordzypern, das bislang am
finanziellen Tropf der Regierung in Ankara hängt, würde als Teilstaat des
neuen Zypern dem "Mutterland" Türkei auf dem Wege nach Europa
vorauseilen. Aber: Denktasch
pokert weiter, und die Türkei will Nordzypern nicht hergeben, ehe die
Perspektive für den eigenen EU-Beitritt nicht klar ist. Je länger die
türkische Seite zögert, desto stärker treten auch bei den Griechen die
Bedenken wieder in den Vordergrund. Eigentlich hatte sich Brüssel
die ganze Sache völlig anders vorgestellt.
Schon 1990 bewarb sich die Zypernrepublik im Süden um die Aufnahme in
die EU. Wettbewerbsfähigkeit,
Demokratie und Menschenrechte stellten im Fall des wohlhabenden Landes keine
Probleme dar - Wenn da nicht die 180 Kilometer lange Grenze zwischen dem Norden
und dem Süden wäre. Aus diesem
Grund blieb der Antrag jahrelang unbeachtet liegen.
Die Vorgabe aus Brüssel lautete: Zunächst sollten sich die etwa 670
000 griechischen und 210000 türkischen Zyprioten untereinander einigen
und danach gemeinsam der Union beitreten.
Keiner in Europa wollte sich den ethnischen Konflikt ins Haus holen.
Doch Griechenland, Schutzmacht der Südzyprioten, drohte glaubhaft: Wenn
Zypern nicht in der ersten Beitrittsrunde dabei ist, stoppen wir die ganze
Osterweiterung der EU. Die anderen
Unionsstaaten und auch der Verhandlungspartner Türkei lenkten ein und so kam
es zu der Einigung in Helsinki. Der Streit zwischen den
Volksgruppen war 1963 explodiert, drei Jahre nach der Unabhängigkeit von
Großbritannien. Damals drängten
die Griechen die Türken aus der gemeinsamen Regierung, und es folgten Jahre
der ethnischen Spannungen. Höhepunkt
war 1974, als griechische Putschisten versuchten, die Insel an Griechenland
anzugliedern. Ankara befahl seinen
Truppen die Invasion. In wenigen Tagen eroberten die Türken 37 Prozent der
Insel. Die UN erreichten
schließlich einen Waffenstillstand. Das
Ergebnis aber war, dass die Insel durch eine 180 Kilometer lange Pufferzone
geteilt wurde. Wegen des Problems der Teilung
der lnsel wird der hohe wirtschaftliche und politische Standard des Landes in
den Berichten oft unterschlagen. Brüssel
hat Zypern schon mehrfach bescheinigt, dass es die politischen Kriterien von
Kopenhagen erfüllt. Auch im
Bereich der öffentlichen Verwaltung sei das Land auf EU-Niveau. Gelobt werden auch regelmäßig die Pläne zur
Liberalisierung in den Bereichen der Telekommunikation, Energie, Luftverkehr
und Postdienst. Auch ist kaum ein
Land so weit bei der Angleichung seines Rechtswesens an die Union.
Bisher
erschienen: Lettland (24. 10.), Malta (25. 10.), Slowenien (8. 11.), Estland
(14. 11.), Litauen (16. 11.) und Polen (26.11.), Ungarn (5. 12), Tschechien (6.
12)
Stuttgarter Zeitung, Montag,
9. Dezember 2002, S. 5 |