Kein Ende des Zypernstreits

Politische Rivalitäten lähmen die Verhandlungen

 

ATHEN (öhl).  Kommende Woche will der Zypernbeauftragte des UN­Generalsekretärs, Alvaro de Soto, auf Zypern die im vergangenen Oktober unterbrochenen Verhandlungen über eine Wiedervereinigung fortsetzen.  Die Chancen für eine Lösung der Auseinandersetzung stehen aber schlecht.

Knapp zwei Drittel der Zyperntürken, so eine jüngst veröffentlichte Umfrage, sind für die Annahme des Lösungsplans, den UN-Generalsekretär Kofi Annan vor zwei Monaten vorlegte.  Er sieht die Bildung zweier weit gehend autonomer Teilstaaten für die griechische und die türkische Volksgruppe sowie eine gemeinsame Zentralregierung vor.

Aber es sieht nicht danach aus, dass es dazu kommt.  Nicht nur der türkische Volksgruppenchef Rauf Denktasch sträubt sich gegen eine Wiedervereinigung - trotz Massenprotesten und wachsendem Druck aus Ankara. Jetzt gibt es auch im griechischen Inselsüden innenpolitische Turbulenzen.  Vergangene Woche kündigte der griechisch-zyprische Staatschef Glafkos Klerides an, bei der Präsidentenwahl Mitte Februar noch einmal kandidieren zu wollen.  Nach zwei fünfjährigen Amtsperioden wollte sich der 84-Jährige eigentlich ins Privatleben zurückziehen.  Aber angesichts der Wiedervereinigungsverhandlungen fühle er "eine historische Verantwortung", noch einmal anzutreten.

Weitere 16 Monate wollte er das Präsidentenamt ausüben, bis zum Beitritt der Insel zur EU am 1. Mai 2004.  Die Wiederwahl des Politikers galt anfangs als gesichert. Doch dann meldete der Generalstaatsanwalt Alekos Markides, bisher enger Berater und designierter Nachfolger von Klerides, ebenfalls seine Kandidatur an.  Damit steht der Inselsüden vor einem erbitterten Wahlkampf.  Klerides muss sich nicht nur um seine Wiederwahl sorgen, er geht auch politisch geschwächt in die Verhandlungen.

Schon werfen griechisch-zyprische Oppositionspolitiker dem jetzt zu Rivalen gewordenen Duo Klerides-Markides vor, sie seien das eigentliche Hindernis für eine Lösung der Zypernfrage.  Mit dem gleichen Vorwurf sieht sich der türkisch-zyprische Volksgruppenchef Denktasch im Norden konfrontiert.  Es scheint, als werde die Zypernlösung, wie schon so oft in den vergangenen 28 Jahren, auch diesmal an den Machtkämpfen der Politiker auf der geteilten Insel scheitern.

 

Stuttgarter Zeitung, Donnerstag, 9. Januar 2003, Seite 5