In Zyperns Etat klafft ein riesiges Loch

 

Die Schuldenvorgaben der EU werden deutlich überschritten

 

Die Staatsschulden in Zypern laufen aus dem Ruder. Jetzt soll ein massives Sparprogramm Abhilfe schaffen. Doch der Beitritt zur europäischen Währungsunion rückt wohl in weite Ferne.

 

Von Gerd Höhler, Nikosia

 

Die griechischen Zyprer haben keinen guten Start in der EU. Wenige Tage vor dem Beitritt ließen sie die Bemühungen um eine Wiedervereinigung der geteilten Insel in einer Volksabstimmung scheitern, und jetzt sorgen wachsende Haushaltsdefizite für Kritik in Brüssel. Ihre Hoffnung auf einen baldigen Beitritt zur Eurozone müssen die Zyperngriechen wohl vorerst begraben.

2007, so verkündete noch vergangenes Jahr der damalige zyprische Finanzminister Markos Kyprianou, werde die Inselrepublik der Wirtschafts- und Währungsunion beitreten. Dass dies keine realistische Annahme war, hätte der inzwischen als EU-Kommissar nach Brüssel gewechselte Kyprianou eigentlich schon damals wissen müssen. Denn bereits 2003 begannen die Staatsfinanzen aus dem Ruder zu laufen. Statt eines Defizits von 1,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, wie im Haushaltsentwurf angesetzt, klaffte im Budget eine Lücke von 6,3 Prozent. Auch im laufenden Jahr muss Kyprianous Nachfolger als Finanzminister, Makis Keravnos, mit einem hohen Fehlbetrag rechnen. Statt 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, wie ursprünglich veranschlagt, könnte das Defizit nach aktuellen Hochrechnungen 7,3 Prozent erreichen. Zypern liegt damit weit über der Vorgabe des Stabilitätspaktes, der eine Obergrenze von maximal drei Prozent vorsieht.

Die Finanzmisere geht hauptsächlich auf das Konto der Anfang 2003 abgelösten Vorgängerregierung. Sie hatte 2002 massive Senkungen der Unternehmenssteuern beschlossen, um ausländische Investitionen anzulocken. Die dadurch entstehenden Einnahmeausfälle wurden weit unterschätzt. Die schlappe Konjunktur ließ das Steueraufkommen zusätzlich einbrechen.

"Wir müssen unsere öffentlichen Finanzen in Ordnung bringen, wenn wir in die Eurozone wollen", mahnt nun Zentralbankgouverneur Christodoulos Christodoulou. Seit Monaten drängt der Notenbanker die Regierung, endlich auf Sparkurs zu gehen. Christodoulou empfiehlt Stellenstreichungen im aufgeblähten öffentlichen Dienst und eine Erhöhung des Pensionsalters für Staatsdiener. Ende Mai legte Finanzminister Keravnos in Brüssel ein Sanierungskonzept vor. Es sieht vor, das Haushaltsdefizit bereits im kommenden Jahr unter drei Prozent und bis 2007 unter zwei Prozent zu drücken. Erreichen will Keravnos dieses Ziel mit einem Bündel von Maßnahmen. Für den öffentlichen Dienst plant der Finanzminister einen vierjährigen Einstellungs- und Lohnstopp. Außerdem soll das Rentenalter von jetzt 60 auf 63 Jahre angehoben werden. Für zusätzliche Einnahmen sollen unter anderem Sondersteuern auf Handy-Gespräche und höhere Abgaben auf Immobilien sorgen.

Die EU bewertete das Sparprogramm als "plausibel", warnte aber auch, einige Zielvorgaben seien "ambitioniert". Da das Konzept eine Vielzahl von Maßnahmen vorsehe, könne es Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung geben, fürchtet die EU. Das wohl größte Risiko aber ist die Konjunktur. Ungewiss ist, ob sie so brummen wird, wie Finanzminister Keravnos sich das vorstellt. Er setzt in seinem Sanierungsplan für die kommenden drei Jahre ein Wirtschaftswachstum von jeweils rund 4,5, Prozent an - eine reichlich optimistische Annahme.

 

Stuttgarter Zeitung, 3. Juli 2004