Der türkische Volksgruppenführer Talat über die
Wiedervereinigungsbemühungen auf Zypern
Seit der Wahl von
Dimitris Christofias zum Präsidenten Zyperns keimt auf der geteilten Insel Hoffnung.
Heute soll ein wichtiger Grenzübergang in der Hauptstadt Nikosia geöffnet
werden, mit dem türkisch-zyprischen Volksgruppenchef Mehmet Ali Talat sind
Wiedervereinigungsgespräche geplant. Auch er verbreitet gegenüber Gerd Höhler
Optimismus.
Herr Talat, bisher sind alle
Vereinigungsversuche gescheitert. Was bringt Sie zur Annahme, dass es diesmal
klappen könnte?
Die griechischen
Zyprer haben mit Dimitris Christofias einen Politiker gewählt, der sich
ausdrücklich für eine Lösung der Zypernfrage ausgesprochen hat. Sein Vorgänger,
Herr Papadopoulos, hat sich sogar geweigert, mich auf einen Kaffee zu treffen.
Christofias' Wahl ist ein wichtiger Wandel. Ich glaube, er will wirklich eine
Lösung.
Woran ist eine solche Verständigung in der
Vergangenheit gescheitert? Weiche Fehler wollen Sie nun vermeiden?
Die größte
Gefahr ist, dass die Politiker beider Seiten nur an ihr Image denken - dass sie
darauf aus sind, ein möglichst gefälliges Bild abzugeben. Was wir brauchen,
sind Nüchternheit, Ehrlichkeit und Vertrauen.
Bis wann könnte es eine Lösung geben?
Guten Willen und
Vertrauen vorausgesetzt, bis Ende dieses Jahres.
Das klingt sehr optimistisch.
Ich bin kein
Optimist, sondern Realist, Alle Aspekte der Zypernfrage sind in den vergangenen
Jahrzehnten eingehend diskutiert worden. Die Probleme sind identifiziert, die
Positionen. Wir fangen also nicht bei null an.
Zieht die Regierung in Ankara mit?
Natürlich.
Ministerpräsident Tayyip Erdogan war schon immer für eine Lösung. Wir ziehen am
selben Strang.
Und die türkischen Militärs?
Die mischen sich
nicht in die Politik ein.
Wie bitte? In Nordzypern stehen
Zehntausende türkischer Soldaten. Ohne die Militärs kann es doch gar keine
Lösung der Zypernfrage geben.
Darüber wird zu
verhandeln sein. Wir werden die Militärs und die Politiker in Ankara während
der Verhandlungen natürlich konsultieren. Wir gehen Hand in Hand.
Und was soll werden, wenn auch dieser
Einigungsversuch scheitert? Arbeiten Sie dann auf internationale Anerkennung
Ihrer türkischen Republik Nordzypern" hin?
Ich möchte diese
Frage an die internationale Gemeinschaft weitergeben: was soll geschehen, wenn
die Lösung erneut, wie schon 2004, an den griechischen Zyprern scheitert? Will
man uns dann weiter politisch und wirtschaftlich isolieren? Ich habe bisher
keine Antwort auf diese Frage bekommen. Aber ich werde nicht aufhören, sie zu
stellen.
ZUR PERSON
Mehmet Ali Talat
Der 55-jährige
Mehmet Ali Talat ist als türkisch-zyprischer Volksgruppenführer Nachfolger des
Hardliners Rauf Denktasch, der lange eine Annäherung mit den Griechen
verhinderte. Sein Kurs wird von einer breiten Mehrheit in der nicht anerkannten
"Türkischen Republik Nordzypern" mitgetragen, deren Präsident Talat
seit 2005 ist.
Stz
Stuttgarter Zeitung, 2. April 2008, S. 4