EU baut auf Führer der Volksgruppen

 

BRÜSSEL (AP).  EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen hat nach dem Scheitern der Verhandlungen gestern an die Verantwortung der Inselführer appelliert.  Sie sollen vor den Referenden auf Zypern für eine Zustimmung zum UN-Plan werben.

 

Die Politiker der Republik Zypern und des türkischen Nordteils der Insel müssten nun ihre jeweilige Bevölkerungsgruppe überzeugen, bei den Volksabstimmungen am 24.  April doch noch für die Wiedervereinigung der Insel zu stimmen, sagte EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen am Donnerstag.  Geht eines der beiden Referenden negativ aus, so kann am 1. Mai nur der griechische Teil Zyperns der EU beitreten.  Zur Abstimmung steht ein Plan der Vereinten Nationen, der eine Föderation aus zwei Teilstaaten unter einer relativ schwachen Bundesregierung vorsieht.  Die politischen Verhandlungen über den Plan waren am Mittwochabend im Schweizer Verhandlungsort Bürgenstock gescheitert.  Das letzte Wort haben nun die Einwohner Zyperns.

Es gebe keine Alternative zu dem von UN-Generalsekretär Kofi Annan vorgelegten Plan, warnte Verheugen am Donnerstag vor dem EU-Parlament in Straßburg.  "Die Alternativen sind dieser Plan oder nichts, gar keine Lösung." Bei den Verhandlungen in der Schweiz seien erhebliche Fortschritte erzielt worden.  Der vorliegende Plan stelle die "beste und ausgeglichenste Lösung" dar. Änderungen schloss Verheugen aus.  Auch US-Außenminister Colin Powell bezeichnete den UN-Plan am Rande der Afghanistan-Konferenz in Berlin als gerecht und forderte die zyprische Bevölkerung auf, für das Abkommen zu stimmen.  Günter Verheugen betonte, für die EU wäre auch der Vorschlag akzeptabel gewesen, die Niederlassung griechischer Zyprer im türkischen Norden zumindest vorläufig zu begrenzen.  Der Streit um diese Frage war einer der Hauptgründe für das Scheitern der Verhandlungen.

Nach dem Einmarsch türkischer Truppen im Jahr 1974 waren zahlreiche griechische Zyprer aus dem Norden der Insel geflohen.  Diese auf rund 180 000 Personen geschätzte Gruppe pocht auf das Recht, nach einer Wiedervereinigung in ihre Heimat zurückkehren zu dürfen.  Dort leben inzwischen aber türkische Zyprer.

 

Stuttgarter Zeitung, Samstag, 2. April 2004, S. 4