Öffentliche Sicherheit
Das Magazin des Innenministeriums  Nr. 11-12/2004 November-Dezember

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40 JAHRE UN-POLIZEIMISSION AUF ZYPERN
 

Kein Friede auf der Insel

Im April 1964 landeten österreichische Gendarmeriebeamte mit dem 1. UNO-Zivilpolizeikontingent auf Zypern, um die Vereinten Nationen bei ihrem Bemühen zu unterstützen, Frieden zu erhalten.

Mit 9.251 Quadratkilometern ist Zypern etwa so groß wie Kärnten, nach Sizilien und Sardinien die drittgrößte Insel im Mittelmeer. 635.000 Menschen leben auf der Insel, drei Viertel werden der griechisch-zypriotischen und ein Viertel der türkisch-zypriotischen Bevölkerungsgruppe zugerechnet. Die Hauptstadt Nikosia hat einschließlich der Vororte 95.000 Bewohner. Offizielle Landessprachen sind Griechisch und Türkisch. In allen Ämtern spricht man auch Englisch.

Die wechselvolle Geschichte Zyperns wird durch seine geografische Lage bestimmt. Hier bekriegten sich Phönizier, Ägypter, Assyrer, Perser, Hellenen, Römer, Byzantiner, Genuesen, Venezianer, Türken und Briten. Die orthodoxe Kirche Zyperns wurde 45 nach Christi von den Aposteln Paulus und Barnabas gegründet.
Von 1489 bis 1571 herrschten die Venezianer auf der Insel; 1570 kreuzte die türkische Flotte unter Lala Mustapha vor der Insel und besetzte nach einem Jahr wechselvoller Kämpfe mit Hilfe der von den Venezianern unterdrückten Zyprioten die Insel. Obwohl die Türken 1571 von einer vereinigten Flotte der Spanier, Venezianer und Genuesen geschlagen wurden, gelang es nicht mehr, sie von der Insel zu vertreiben. Pascha Lala Mustapha hatte 30.000 seiner Soldaten auf der Insel angesiedelt.

Im Kongress von Berlin 1878, bei dem die Interessen der Mächte Deutschland, England, Österreich und Russ-land ausgeglichen wurden, begann der Stern der Sultane von Konstantinopel zu sinken. Die Insel wurde während dieser Verhandlungen britisch. England bezahlte eine jährliche Pacht von 90.000 Pfund Sterling an die Türkei. Die hohen Abgaben, die die Inselbewohner tragen mussten, ließ bei den griechischen Zyprioten den Ruf nach der "Enosis" wach werden – den Anschluss an das griechische Mutterland. Die türkischen Zyprioten beschwerten sich nicht, denn ihnen waren die Engländer als Pächter der Insel freundlicher gesinnt. Das Angebot Englands an Griechenland, im Ersten Weltkrieg Zypern zu nehmen und dafür in den Krieg gegen die Mittelmeermächte einzutreten, lehnten die Griechen ab. So wurde die Insel im Jahr 1925 britische Kronkolonie. Mehrere Aufstände der griechischen Zyprioten wurden von den Truppen des britischen Gouverneurs niedergeschlagen.
Im Jahr 1950 wurde der griechisch-orthodoxe Mönch Michael Muskous zum Erzbischof gewählt und nahm den Namen Makarios II. an. Er war sich der noch von Kaiser Zeno verliehenen (weltlichen) Rechte bewusst und übernahm die politische Führung der griechischen Zyprioten. Makarios hatte einen Weggefährten gefunden in General Grivas, der sein militärisches Handwerk in Athen und Paris erlernt hatte. Er hatte das Ziel die Inselbewohner vom Joch der britischen Krone zu befreien.
Von den Briten 1956 von der Insel verbannt, kehrte Makarios 1959 im Triumph zurück und unterschrieb am 6. April 1960 in London eine Verfassung, mit der Zypern zur selbstständigen Republik wurde. Die Engländer, den Türken freundlicher gesinnt, rangen Makarios bedeutende Privilegien für die türkische Minderheit auf der Insel ab. Von nun an lebten griechische und türkische Zyprioten in einer freien Republik friedlich nebeneinander.
Bald aber machte sich zwischen den Führern der beiden Volksgruppen Misstrauen breit. Der türkisch-zypriotische Arzt Dr. Fazil Kuchuck, Vizepräsident der jungen Republik, schenkte Gerüchten Glauben, wonach Präsident Erzbischof Makarios die Absicht habe, die Türken aus ihrer Inselheimat zu vertreiben. Beide Bevölkerungsgruppen begannen sich auf eine Auseinandersetzung vorzubereiten.
Am 23. Dezember 1963 begann in Omorphita, einem Vorort der Hauptstadt Nikosia, ein Kampf zwischen griechischen und türkischen Zyprioten. 150 Menschen (unter ihnen Kinder) wurden umgebracht.
Viele Menschen wurden vermisst und fast 900 Häuser zerstört oder schwer beschädigt. Als zum Schutz der türkischen Minderheit auf der Insel die Luftwaffe aus dem türkischen Mutterland eingriff, schien ein Eingreifen Griechenlands unvermeidlich. Es kann angenommen werden, dass die USA im Interesse der Einheit Griechenlands und der Türkei die beiden NATO-Länder zur Vernunft mahnten.

Friedenstruppe
Über Ersuchen von Erzbischof Makarios fasste der UN-Sicherheitsrat den Beschluss, eine Friedenstruppe auf die Insel zu entsenden. Dem Aufruf der UNO auf Entsendung von Militär- und Zivilpolizeikontigenten leisteten Australien, Dänemark, Finnland, Kanada (mit einem Berufsheer), Neuseeland, Österreich und Schweden Folge.
Als erstes Zivilpolizeikontingent traf im Jahr 1964 das österreichische unter dem Kommando des stellvertretenden Landesgendarmeriekommandanten i.R von Salzburg, Oberst Fritz Mosser, auf der Insel ein. Das österreichische Bundesheer betrieb ein Feldlazarett.
Im Jahr 1972 folgte dem österreichischen Sanitätskontingent eine reguläre militärische Einheit, das AUSCON (Austrian Contingent). Die Gesamtstärke der UN-Friedenstruppe (Militär und Zivilpolizei) betrug ursprünglich 6.500 Mann und wurde vom indischen General Thimaya befehligt. Dem Inder, der einen Herztod auf der Insel erlitt, folgte der finnische General Martola, dann der Pakistani Prem Chand (späterer Chef der UN-Friedens-truppe in Namibia) und schließlich der österreichische Generalmajor Günter Greindl.
Inzwischen ist die UN-Friedensstreitmacht, die die Waffenstillstandslinie zwischen griechischen und türkischen Zyprioten überwacht, auf 1.200 Mann reduziert worden, darunter sind etwa 300 Österreicher. Dem österreichischen UNO-Zivilpolizeikontingent standen als Kommandanten Fritz Mosser, die Polizei-Rittmeister Hoffmann und Hörmann, Polizeimajor Bier, Sektionsrat Dr. Wagner, Ministerialsekretär Dr. Heckl und Ministerialrat Mag. Herbert Fuchs vor.

Zwischenfall in Nikosia.
Am 10. Jänner 1972 ereignete sich in Nikosia zwischen der griechischen und der türkischen Bevölkerungsgruppe ein Zwischenfall, in dessen Verlauf der griechisch-zypriotische Nationalgardist Soterios Michaelides erschossen wurde. Das österreichische UNO-Zivilpolizeikontingent wurde vom UN-Hauptquartier beauftragt, den Sachverhalt zu erheben. Kontingentskommandant Dr. Wagner bestimmte Erhard Jaros, Walter Smolle und Alois Jezek zum Untersuchungs-Team. Wagner wurde später Chief Superintendent, war als Police Adviser tätig und ist erst kürzlich als Magistratsdirektor von Wiener Neustadt in den Ruhestand getreten.
Als Ergebnis der umfangreichen Recherchen wurde dem UN-Hauptquartier ein ausführlicher Bericht samt Skizzen und Tatortfotos vorgelegt. Der Direktor des Büros von UN-Generalsekretär Dr. Kurt Waldheim, Brian Urquhart, bezeichnete diesen Bericht als "ausgezeichnete Arbeit" und gab diese Feststellung an den Vertreter des UN-Generalsekretärs auf Zypern, Osorio Tafall und an den Force Commander Prem Chand, schriftlich weiter.
Erzbischof Makarios wurde im Jahr 1973 erneut zum Präsidenten gewählt. Drei Bischöfe der griechisch-orthodoxen Kirche, die sich die Feststellung erlaubt hatten, dass die Stellung eines Erzbischofs mit jener des Staatsoberhauptes nicht vereinbar sei, ließ Makarios kurzerhand absetzen. Der Erzbischof entging nur knapp drei Anschlägen. Er starb wenig später an Herzversagen.
Nach dem Tod des Kirchenfürsten wurde die politische Landschaft der Insel durch den griechischen Zyprioten George Vassiliou geprägt, der in Wien Medizin studiert hatte, sowie durch den Führer der Inseltürken Rauf Denktasch. Beide Politiker wollten eine neue Republik Zypern schaffen, bestehend aus zwei Bundesstaaten; nicht einig waren sie sich in der entscheidenden Frage, wie weit die Föderalismusrechte beider Volksgruppen gehen sollten.
Das Bemühen von Verantwortlichen der Vereinten Nationen seit 40 Jahren, eine Aussöhnung der beiden Volksgruppen zu erreichen, brachte keine wesentlichen Fortschritte. Wann es auf der Insel Frieden geben wird, wissen wohl nur die (alten griechischen) Götter.
Walter Smolle
 

 

 

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