Planetenkinder

Tübinger Handschrift Md 2 (nach Hauber)

SATURN - OBEN

In einem Kreisrund ein nach links gekehrter Mann mit schwarzem, krausem Haar und lächelndem Gesicht; er scheint orientalischer Art zu sein. Unbekleidet bis auf ein leichtes, vorne offenes und an den Seiten geschlitztes, kaum bis auf die Knie reichendes Hemd, ist er im Begriff, mit dem in einem rechten Winkel in die Höhe gezogenen rechten Bein eine Schore niederzutreten. Auf seine Tätigkeit als Erd- und Landbebauer weisen noch weitere landwirtschaftliche Geräte hin: eine Hacke, zu seinen Füßen eine Art Sichel; mehr im Hintergrund ein schwer zu beschreibendes Stück: an den Enden einer quer abgeschnittenen Ellipse ist je eine Zwinge mit langem Nagel, und ungefähr von der Mitte des einen Armes aus geht ein langer, sich verjüngender Stiel; man kann dabei an eine missverstandene Schlange denken, zumal Saturn und Chronos (die Zeit) einander gleichgesetzt sind.

Rechts kommt unter diesem Rund, kaum halb sichtbar, ein alter Steinbock hervor. Rechts davon auf einem strahlenden Stern steht Christus mit dem Lendentuch und dem kreuzgeteilten Heiligenschein. Er hält mit der Linken unter die Wunde seiner rechten Seite einen breiten, bei ähnlicher Darstellung öfter gebrauchten Kelch, um damit sein Blut aufzufangen; es kann Kepheus sein. Der Heiligenschein mag der Ausdruck für die Bezeichnung inflammatus, Almultahib, sein. Auf der anderen Seite ist vom Wassermann nur ein kleiner Teil zu sehen. Er gießt aus einem einhenkeligen Krug Wasser in den Kübel des auf der Erde arbeitenden Bäckers und hält mit der Linken drei Würfel an sich. Diese Würfel erinnern an die Saturnalien und den Monat Dezember, sie kommen auch in der oben beschriebenen Karlsruher Handschrift vor. Links davon schwimmen zwei Fische, zwei Hechte, von einander weg. Links im Eck sitzt vor einer großen, verschließbaren, mit groben Goldstücken bestreuten Kiste ein König mit Kleeblattkrone, mit einem roten Leibrock angetan und darüber einen Hermelinkragen, mit dem rechten Ellbogen das Szepter haltend, mit der Linken einen großen, fünfmal ausgebauchten, goldenen Kelch hinausstreckend; es ist jedenfalls der Sonans canonem. Von seinem Kopf steigt auf den des Wassermanns in Flammenlinie ein leeres Spruchband abwärts. Die Gestalt und dieses sonderbare, auffallende Band berechtigen zur Anschauung, daß sie beide ein missverstandenes Bild sind, der Joculator (= Eridanus oder Sonans canonem), und zwar alles durcheinander geworfen. Der Mann hinter der Kiste entspricht dem Lautenspieler, wie er bei Boll, Sphära 274, abgebildet ist; der große Becher mag die Urna sein, und das Spruchband der sich daraus ergießende Wasserstrom; oder wohl noch eher sind die vom Aquarius und vom Eridanus ausgehenden Ströme vereinigt gedacht.

Darunter beginnt das Leben auf der Erde: zu oberst eine dreiköpfige Bäckersfamilie, links unter den Fischen der rauchende Backofen. Der Bäcker schießt eben mit seinem langen Schießer Brot ein; er trägt wegen der Hitze seines flammenspeienden Ofens nur ein geschlitztes Hemd, ähnlich wie Saturn, und ein Mützchen auf dem Kopf. Daneben steht der Kübel, in den der Wassermann sein Gefäß ausgießt und so die Verbindung zwischen Himmel und Erde herstellt. der Teigbereitung obliegen die Bäckersfrau – ordentlich dick angezogen und den Mund mit ihrem großen Kopftuch zugebunden, formt sie mit den Händen Teig (links dahinter auf dem Schragen eine größere Anzahl zum Einschießen fertiger Brote) – und der Bäckergeselle; er bearbeitet mit beiden Armen den Teig in der Mulde; seine Kleidung besteht wahrscheinlich auch bloß aus dem Hemd und einer roten Mütze.

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