Gedanken zum Gloria 

 

oder: Die Suche nach dem Vokativ

 

Kulturwissen im abendländischen Raum, vor allem dank der Musik, sind die beiden folgenden Texte des "Gloria" und des "Agnus Dei":

Gloria in excelsis Deo et in terra pax hominibus bonae voluntatis
Laudamus te, benedicimus te, adoramus te, glorificamus te, gratias agimus tibi propter magnam gloriam tuam, 
Domine Deus, 
Rex caelestis 
Deus Pater omnipotens, 
Domine Fili unigenite, 
Iesu Christe, 
Domine Deus, 
Agnus Dei

Filius Patris, qui tollis peccata mundi, miserere nobis; 
qui tollis peccata mundi, suscipe deprecationem nostram. 
Qui sedes ad dexteram Patris, miserere nobis. 
Quoniam tu solus Sanctus, tu solus Dominus, tu solus Altissimus, Iesu Christe, cum Sancto Spiritu: in gloria Dei Patris.
 Amen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Gloria

Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis.
Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis.
Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, dona nobis pacem.
http://de.wikipedia.org/wiki/Agnus_Dei

Zwei Fragen stellen sich (mir):

  1. Was soll dieses schwer verständliche "bonae voluntatis"?
  2. Wie hängt die Nennung des Lammes "Agnus Dei" mit dem eigentlichen "Agnus Dei" zusammen, bei dem doch aller Sprachlogik nach ein Vokativ stehen müsste?

Auf der Suche nach Antworten stieß ich auf zwei (etwas ältere) Textstellen aus: Josef Andreas Jungmann S. J.: Missarum Sollemnia. Eine genetische Erklärung der römischen Messe, Wien (Herder) 1948; zum Gloria auf den Seiten des Ersten Bands S. 429 – 445, zum Agnus Dei im Zweiten Band, S. 403 bis 413.

Um sich ein Bild von Jungmann machen zu können, sind die beiden Auszüge hier angefügt. Beim Einscannen habe ich die Originalanmerkungen von Jungmann weggelassen, dafür eigene angebracht. Zum Öffnen auf den jeweiligen Titel klicken!
Jungmann über das Gloria
Jungmann über das Agnus Dei

Als Ergebnis der Beschäftigung mit Jungmann ergaben sich drei Tabellen:
Gloria - Synopse
Gloria - Synopse der griechischen Texte
Gloria - Synopse der lateinischen Texte

(Vorläufiges) Ergebnis meiner Überlegungen
zum Gloria:
Aus unerfindlichen Gründen hat jemand das wunderschöne Trikolon des Engelshymnus zerstört.
Die Textentwicklung zeigt, wie vom Lob des unergründlichen Vaters ein gemeinsames Loblied auf den Vater und den Sohn geworden ist.
Innerhalb des Textes entwickelt sich der Anruf "agne" zur Prädikation "agnus", also: "weil du Lamm bist", auch wenn die Konstruktion des "qui tollis" dadurch schwierig wird.

zum Agnus Dei:
Offensichtlich war die Formel vom älteren Gloria her schon festgelegt, so dass man nicht mehr grammatikalisch richtig formulierte; Jungmanns Rede vom "grammatischen Gesetz" könnte denselben Sinn haben.

Mein besonderer Dank gilt Frau Dr. M. M. aus Kleve für die Denk-Hilfen!

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