MATTHIAS GERUNG: MELANCOLIA 1558

Linien

grün: Bäume, blau: Rasenstücke

blau: Bauten (Zelte und Häuser), grün: Umfriedungen

Personengruppen in gelb (und rosa), isolierte Personen in rot, blau: Überschneidung

rot: Zuschauer, blau: Narr als Zuschauer, grün: Narr in Aktion

FRAGEN AN DAS BILD:
  1. Blickrichtung der Personen: Wenn man die einzelnen Personen im Detail betrachtet, zeigt sich, dass Gerung die Menschen wirklich dahin blicken lässt, wohin sie in der jeweiligen Situation auch schauen müssen, z. B. die Bauern beim Tanz oder die Personen an der Kegelbahn. Deshalb fällt es auf, wohin die großen Gestalten blicken: Die Melancholie schaut dem Betrachter ins Auge, sie nimmt deutlich Blickkontakt mit ihm auf. Der Mann im Vordergrund schaut aber deutlich zur Seite; sein Blick gilt also einer bestimmten Erscheinung, nur: welcher? Betrachtet man ihn im Zusammenhang, so kann er wegen der fehlenden Kopfdrehung nicht, wie Anja Eichler meint, zum Invaliden hinsehen, er scheint zu den beiden angeschnittenen Zelten ganz rechts unten im Bild zu schauen.
  2. Damit ergibt sich gleich die nächste Frage: Was sollen diese beiden angeschnittenen Zelte? Und - ebenso problematisch - was soll das Zelt hinter dem Mann? Auch auf anderen Bildern Gerungs stehen Zelte im Bild, sie sind dort aber als Militärzelte motiviert; außerdem kann man dort in manche Zelte hineinblicken, hier nicht.
  3. Warum gibt es nur einen verbalen Bestandteil auf dem Bild außer dem Titelband "Melancolia 1558"? Kann die bisherige Deutung stimmen? Ich denke, auch im Jahre 1558 konnte man einen Bauern mit der Aufforderung: "Los, du Trottel ..." nicht zur Teilnahme an einem Glücksspiel auffordern. Im Süddeutschen bedeutet "losen" "hören"; "Jeck" gibt es auch als Koseform von Jakob. Der Sinn des Spruchbandes könnte also auch sein: "Höre, Jockel, Greta Lend hat 13 Batzen verspielt!" Unklar bleibt auch mit dieser Übersetzung, worauf die Amtsperson hinweisen will: "Der Jackpot lohnt sich." ? Die Person weist auf ihre linke Seite, also nicht in Richtung des Mädchens, das zum Tanz geführt wird; wenn das Mädchen zur Aussage der Amtsperson gehören sollte, dann würden zwei Personen wegstreben, der Mann mit erhobenem Schwert und dieses in Weiß gekleidete Mädchen mit der großen roten Geldtasche.
  4. Vom Betrachter aus gesehen befinden sich neben der Melancholie zwei Gruppen; die obere spricht Christian Müller als "Almosenverteilung", Anja Eichler wegen der guten Gewänder der Empfangenden als "Brotverteilung" an. Was bezweckt die linke Frau mit ihrer Geste? Sie scheint mit der Frau dahinter zu sprechen und auf den Weg zu deuten.
  5. Warum ist das "Meer" oben links so deutlich geteilt? Und trifft der Feuerstrahl des Himmels wirklich die Burg? Er setzt doch auf dem Land jenseits des Gewässers auf.

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