MATTHIAS GERUNG: MELANCOLIA 1558

Bei der Suche nach der Bedeutung der "Melancolia 1558" könnte - dachte ich - hilfreich sein, zu sehen, was Gerung in diesem Jahr noch geschaffen hat, um vielleicht zu erkennen, was ihn in dieser Zeit umgetrieben hat.

Petra Roettig hat in den "Vestigia Bibliae" von 1989/90 sich mit Gerungs Holzschnittfolge auseinandergesetzt: Petra Roettig: Reformation als Apokalypse, Die Holzschnitte von Matthias Gerung im Codex germanicus 6592 der Bayerischen Staatsbibliothek in München, (Peter Lang) Bern etc., 1989/90. Diese Arbeit ist die Quelle für meine Überlegungen.

1539 wurde der Apokalypsenkommentar des Berner Reformators Sebastian Meyer gedruckt, 1544 beauftragte Ottheinrich Laurentius Agricola mit der Übersetzung ins Deutsche; nach eigener Bekundung hat Agricola die Übersetzung am 29. September 1544 abgeschlossen. Im gleichen Jahr beginnt Gerung mit Holzschnitten zur Apokalypse, an denen er mindestens bis 1558, dem letztdatierten Jahr der Holzschnittfolge, arbeitet. Vermutlich von ihm selbst werden die Holzschnitte in den Codex germanicus 6592 einsortiert; die handschriftlichen Zusätze, deren einen man auf der linken Seite sehen kann, weisen die Blätter dem entsprechenden Kapitel der Apokalypse zu. Nach Petra Roettig soll das jeweils rechts stehende Blatt die allegorische Entsprechung sein, die von Gerung nach dem Kommentar von Meyer zur Bibelstelle passend gestaltet worden sei.

Hier das Bildpaar, deren eines Bild, das linke, der letztdatierte Holzschnitt der Folge ist, Abbildungen 10 a und b aus P. Roettigs Bildanhang:

Der Holzschnitt von 1558 ist die Darstellung der "zweiten Posaune", entsprechend Vers 8f. des 8. Kapitels der Apokalypse; er zeigt den Aufprall des brennenden Bergs im Meer.
Das allegorische Blatt rechts birgt, angefangen von der Datierungsfrage, eine Fülle von neuen Problemen, so dass nach meiner
Meinung durch Bildvergleich zum Verständnis der "Melancolia 1558" nichts zu gewinnen ist. Der einzige Ertrag der Beschäftigung mit der Holzschnittfolge fürs Verständnis der "Melancolia 1558" scheint zu sein, dass Gerung auch zu dieser Zeit noch für Ottheinrich arbeitet und dass deshalb die Frage des Auftraggebers sich nicht einfach mit einem Hinweis auf die angebliche Nähe Gerungs zu Hans Sachs eingrenzen lässt.

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