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CARIONIS
PHILIPP MELANCHTHON AN KURPRINZ JOACHIM, 23. April 1532
Illustri
Principi ac Domino Domino Ioachimo
Marchioni Brandenburgensi Principi Pomeraniae, Burggravio Noribergensi
etc. Domino suo clementissimo. S.
D. Illustrissime Princeps. |
Dem
erlauchten Fürsten und Herrn, Herrn
Joachim, Markgraf von Brandenburg, dem Fürsten von Pommern, Burggrafen
von Nürnberg usw., seinem gnädigsten Herrn. Ich grüße Dich, erlauchtester
Fürst! |
1,1 De usu coenae domini sic sentio, idque Augustae in
conventu ego et alii publice diximus et scripsimus. 2 Cum certum sit, Christum instituisse usum utriusque speciei pro
tota Ecclesia, non recte faciunt Pontifices, qui prohibent sacramenti partem. |
1,1 Über den Gebrauch des Abendmahls habe ich folgende
Meinung, und das haben wir in Augsburg auf dem Reichstag, ich und andere,
öffentlich gesagt und geschrieben. 2
Da es gewiss ist, dass Christus den Gebrauch beider Gestalten für die ganze
Kirche eingesetzt hat, handeln die Päpste nicht recht, die einen Teil des
Sakraments verwehren. |
2,1 Sed cum in Caeremoniis excuset necessitas, populus
utens parte tantum, neque tamen approbans prohibitionem, excusatus est: 2 cogitur enim uti sacramentis quem
ad modum porriguntur, non habet administrationem Sacramentorum. 3 Sic Iudaeos excusabat necessitas,
qui habebant praeceptum de mactandis hostiis in templo. 4 At in exilio Babylonico non poterant servare hanc legem. 5 Excusabat igitur eos necessitas. 6 Vir et uxor iure divino ita iuncti
sunt, ne separari debeant. 7 Si quis
autem rapiat alicuius uxorem, vir excusatus est, quod separatur ab uxore. 8 Aut si magistratus cogat virum
militare, necessitas excusat eum quod ab uxore longo tempore abest. 9 Nec maior est obligatio ad
ceremoniam, quam obligatio ad fidem coniugalem. |
2,1 Aber da im Kult die Notlage entschuldigt, ist das
Volk, wenn es nur einen Teil gebraucht, aber doch nicht die Hinderung
billigt, entschuldigt. 2 Es muss
nämlich die Sakramente gebrauchen, wie sie gereicht werden, es hat keine
Verfügungsgewalt über die Sakramente. 3
So entschuldigte die Notlage die Juden, die eine Vorschrift hatten,
Opfertiere im Tempel zu schlachten. 4 Aber
im Babylonischen Exil konnten sie dieses Gesetz nicht befolgen. 5 Es entschuldigte sie also die
Notlage. 6 Mann und Frau sind
durch göttliches Recht so verbunden, dass sie nicht getrennt werden dürfen. 7 Wenn aber einer die Ehefrau eines
Mannes raubt, ist der entschuldigt, weil er von der Frau getrennt wird. 8 Oder wenn eine Obrigkeit einen Mann
in den Krieg zwingt, entschuldigt ihn die Notlage, weil er lange Zeit von der
Frau weg ist. 9 Nicht größer ist
die Verpflichtung zum Kult als die Verpflichtung zu ehelicher Treue. <[1]
Über den Empfang des Abendmahls rät M. wie schon auf dem Reichstag in
Augsburg: Der Kelchentzug ist gegen die Einsetzung, doch ist das Volk bei
Zwang entschuldigt.> |
3,1 Cum autem Cels[itudo] V[estra] non habeat
administrationem Sacramentorum, nec hos qui Sacramenta administrant cogere
debeat aut possit, meum consilium est, ut Cels[itudo] V[estra] una specie
utatur. 2 Nec dubitet quin ita
recte faciat, propter has duas causas: necessitatem et libertatem
christianam. 3 Necessitatem enim
excusat libertas christiana, quae docet, quae res simpliciter necessariae
sint, quae res impediri, aut aliquando in necessitate omitti possint. 4 Fiducia misericordiae propter
Christum promissae simpliciter necessaria est. 5 Et propter hanc ceremonia instituta est. 6 Usus ceremoniae non est ita necessarius, quin aliquando
impeditus omitti possit. 7 Cum
autem Paulus vetet, aliquid facere dubitante conscientia, ideo Cels[itudo]
V[estra] bene muniat et confirmet conscientiam hac doctrina libertatis. 8 Nos prohibitionem damnamus. 9 Et libertas christiana non concedit
prohiberi institutum Christi. 10
Sed de usu dispensat haec libertas. 11
Et interim requirit alia longe maiora, scilicet verum timorem dei in animo,
veram fiduciam misericordiae Christi. 12
In his spiritualibus rebus exerceat se Cels[itudo] V[estra] et interim aequo
animo patiatur hanc necessitatem tanquam in carcere, et sciat libertatem
christianam in tali casu dispensare de usu; sicut David dispensabat de
panibus sacris, non tollebat legem. 13
Sed de usu tempore necessitatis dispensabat. 14 Nec existimet Cels[itudo] V[estra] libertatem christianam rem
levem aut vilem esse, sed sciat longe alium cultum, scilicet timoris et
fidei, a nobis requiri, quam ceremonias. 15
Haec iudico esse recta, pia et certa. 16
Et ad hunc modum aliis multis viris bonis consului. 17 Et cum offerremus nos Augustae, sic excusaturos esse
Ecclesiam, theologi contendebant, ut etiam prohibitionem approbaremus, quod
facere non potuimus. 18 Res
periculosissima est conscientia dubitans. 19 Ideo non sinat Cels[itudo] V[estra] conscientiam contra has
rationes perturbari. 20 Ceterum si
haec non satisfacient Cels[itudini] V[estrae], scribam hac de re plura, si
Cels[itudo] V[estra] voluerit. 21
Haec scripsi ad ea mandata, quae Cels[itudo] V[estra] dedit Carioni,
nobis exponenda. 22 Cetera sunt
dissimulanda Cels[itudini] V[estrae] et toleranda. 23 Et sine peccato Cels[itudo] V[estra] tolerare potest. 24 Commendo me Cels[itudini] Vestrae et
rogo, ut Cels[itudo] V[estra] si quo modo potuerit, horum comitiorum tempore
pacis consilia adiuvare dignetur. 25
Bene ac feliciter valeat Cels[itudo] V[estra]. 26 Dinstags post Iubilate. Cels[itudini] V[estrae] |
3,1 Da aber Eure Hoheit keine Verfügungsgewalt über die
Sakramente hat und die, die über die Sakramente verfügen, weder zwingen darf
noch kann, ist mein Rat, Eure Hoheit möge eine Gestalt gebrauchen. 2 Und Ihr mögt nicht daran zweifeln,
recht zu handeln, aus diesen zwei Gründen: wegen der Notlage und der
christlichen Freiheit. 3 Die
Notlage wird nämlich von der christlichen Freiheit entschuldigt, die lehrt,
welche Dinge einfach notwendig sind, welche Dinge verhindert oder einmal in
einer Notlage unterbleiben können. 4
Das Vertrauen auf das Christi wegen versprochene Erbarmen ist einfach
notwendig. 5 Und seinetwegen ist
der Kult eingerichtet. 6 Der
Gebrauch des Kultes ist nicht so notwendig, um nicht manchmal, weil
verhindert, unterbleiben zu können. 7
Da aber Paulus verbietet, irgend etwas mit zweifelndem Gewissen zu machen,
deshalb soll Eure Hoheit mit dieser Lehre der Freiheit ihr Gewissen gut
rüsten und stärken. 8 Wir
verurteilen die Verhinderung. 9
Und die christliche Freiheit erlaubt nicht, dass eine Einrichtung Christi
verhindert wird. 10 Aber vom
Gebrauch befreit diese Freiheit. 11
Und bisweilen sucht sie anderes, weit Größeres, nämlich wahre Gottesfurcht im
Herzen, wahres Vertrauen auf Christi Erbarmen. 12 In diesen geistlichen Dingen übe sich Eure Hoheit und ertrage
diese Notlage manchmal gleichmütig wie im Gefängnis und wisse, dass die
christliche Freiheit in solchem Falle vom Gebrauch dispensiert, so wie David
zwar von den Heiligen Broten dispensierte, aber nicht das Gesetz aufhob. 13 Aber vom Gebrauch dispensierte er
durch die Zeit der Notlage. 14 Und
Eure Hoheit möge nicht glauben, dass die christliche Freiheit eine leichte
oder wohlfeile Angelegenheit sei, sondern sie wisse, dass von uns eine völlig
andere Verehrung, nämlich die der Furcht und des Glaubens, und nicht die des
Kultes verlangt wird. 15 Das halte
ich für richtig, fromm und verlässlich. 16
Und auf diese Weise habe ich schon viele andere tüchtige Männer beraten. 17 Und während wir uns in Augsburg
antrugen, so die Kirche zu entschuldigen, stritten die Theologen dafür, dass
wir auch die Verhinderung billigten, was wir nicht tun konnten. 18 Ein zweifelndes Gewissen ist eine
ganz gefährliche Sache. 19 Deshalb
lasse Eure Hoheit das Gewissen nicht gegen diese Gründe gestört werden. 20 Falls übrigens Eurer Hoheit das
nicht ausreicht, werde ich darüber mehr schreiben, falls es Eure Hoheit
wünscht. 21 Das habe ich
geschrieben auf die Aufträge hin, die Eure Hoheit Carion gab, damit wir sie
bearbeiteten. 22 Den Rest muss
Eure Hoheit verschweigen und ertragen. 23
Und Eure Hoheit kann das ohne Sünde ertragen. 24 Ich empfehle mich Eurer Hoheit und bitte, Eure Hoheit möge,
wenn irgendwie möglich, in der Zeit dieses Reichstages die Hilfe für die Friedenspläne
für würdig erachten. 25 Eure
Hoheit möge sich guter und glücklicher Gesundheit
erfreuen. 26 Am Dienstag nach
Jubilate. Eurer
Hoheit ganz ergebener Philipp
Melanchthon <[2]
Da J. keinen Einfluß auf die Spender nehmen kann, soll er das Sakrament kraft
christlicher Freiheit guten Gewissens unter einer Gestalt empfangen und sich
in Gottesfurcht und Vertrauen geistlich üben. |
Corpus Reformatorum II, Sp. 575ff., "No. 1041" <Dickdruck
von mir.> |
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