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CARIONIS
PHILIPP
MELANCHTHON AN ANTONIUS CORVINUS, 1532
(mense Ian.) Antonio Corvino, Pastori
Ecclesiae Wicenhusianae, S. D. |
Januar An Anton Corvinus, Pastor der Kirche von Wickenhausen Ich
grüße Dich. |
1,1 Valde me delectarunt literae tuae,
mi Corvine, non tantum hoc nomine, quod significas, te iam olim meae
amicitiae cupidum esse, sed etiam propter genus orationis liberale et
perspicuum, quod, quantum amem, nullis verbis consequi possum. 2 Et cum ex oratione soleam de
ingeniis coniecturam facere, non possum te non amare, etsi esses
alienissimus, propter hanc orationis atque ingenii suavitatem. 3 Quare velim, ita tibi persuadeas,
me tui amantissimum esse. 4 Idque
summo studio ac fide, si qua in re potero, declarabo. |
1,1 Über Deinen Brief habe ich mich
sehr gefreut, mein lieber Corvinus, nicht nur deshalb, weil Du zeigst, dass
Du schon lange mit mir befreundet sein wolltest, sondern auch wegen Deiner
offenen und deutlichen Art zu reden. Wie sehr ich die mag, kann ich gar nicht
sagen. 2 Da ich normalerweise von
der Rede auf den Geist einer Person schließe, muss ich Dich lieben, auch wenn
Du ganz fremd wärst, wegen dieses Charmes Deiner Rede und Deines Geistes. 3 Sei deshalb davon überzeugt, dass
ich Dein innigster Freund bin. 4
Wenn irgend möglich, so versichere ich Dir das mit größtem Eifer und aus
ganzem Herzen. <[1] M. bekundet seine Freude über den [ersten] Brief des C. an ihn und versichert C. seiner Freundschaft.> |
2,1 Viduae mulieris causam
commendavimus Lutherus et ego Pastori nostro Pomerano. 2 Audio, Legatum pertenuem fuisse,
habet tamen mulier a nostris viaticum, et a me et Pomerano hospitaliter
tractata est. |
2,1 Die Angelegenheit der Witwe haben
wir, Luther und ich, unserem Pastor Pomeranus übergeben. 2 Ich höre, das Vermächtnis sei äußerst schmal gewesen; die Frau
hat trotzdem von unseren Leuten ein Weggeld erhalten, und sie ist von mir und
Pomeranus freundlich behandelt worden. <[2] Die Sache der Witwe [NN], die von M. und Bugenhagen gastfreundlich aufgenommen wurde, haben Luther und M. Bugenhagen anvertraut.> |
3,1 Mitto tibi cronikon , in quo etsi sunt mei quidam loci, tamen ipsa operis sylva non est mea. 2 Misit enim Carion ad me farraginem quandam negligentius coacervatam, quae a me disposita est, quantum quidem in compendio fieri potuit. 3 In fine adieci tabellam annorum mundi utilem et veram, quam spero tibi et aliis doctis placituram esse. 4 Et si recudent opus nostri calkografoi, addam ex Ptolemaeo testimonia. |
3,1 Ich schicke Dir das Chronikon;
auch wenn manche Hauptstellen von mir stammen, so stammt doch die Substanz
des Werkes nicht von mir. 2 Carion hat mir nämlich eine Art Stoffsammlung
geschickt, recht schlampig zusammengesammelt, die ich geordnet habe, soweit
sich das bei einem Handbuch machen ließ. 3 Am Ende habe ich eine nützliche
und stimmende Tabelle der Weltjahre angefügt, die Dir und anderen Fachleuten
hoffentlich gefallen wird. 4 Und wenn unsere Drucker das Werk neu auflegen, füge
ich noch Zeugnisse aus Ptolemäus hinzu. <[3] M. schickt die Chronik des [Johannes] Carion [Wittenberg, Georg Rhau, 1532], die er selbst geordnet und mit einem Anhang versehen hat und bei einem möglichen Neudruck aus Ptolemaios ergänzen will.> |
4,1 Nunc expono ep. ad Rom., in
quibus controversiam de iustificatione spero me sic illustraturum esse, ut
nihil desiderari in ea causa dilucidius possit. 2 Alia enim ratione utar, quam qua in Apologia usus sum. |
4,1 Gerade eben lege ich den
Römerbrief aus; dabei hoffe ich die Streitfrage über die Rechtfertigung so
klar darzustellen, dass man dabei keine größere Klarheit verlangen kann. 2 Ich will nämlich eine andere
Methode als bei meiner Apologie verwenden. <[4] Gegenwärtig erklärt M. den Römerbrief; er hofft, die Rechtfertigungsfrage — anders als in der Apologie — völlig klären zu können.> |
5,1 Te oro propter Christum, ut, quod facis, pergas in docendo Evangelio ea, quae ad aedificationem et communem tranquillitatem faciunt, tradere. 2 Lutherus iussit, ut te amanter resalutem. 3 Nam ipse, etsi meliuscule valet, tamen scribere multa non potest. 4 Iustum Winter meis et Lutheri verbis salutabis. 5 Bene vale. 6 Ignosce tacista kai kakwV grafonti FilippoV. |
5,1 Dich bitte ich um Christi willen, weiterhin bei der Lehre des Evangeliums das, was zur Erbauung und zum allgemeinen Frieden dient, zu vermitteln. 2 Luther hat mir aufgetragen, Dich voller Liebe wieder zu grüßen. 3 Denn er kann selbst, auch wenn es ihm ein wenig besser geht, doch nicht viel schreiben. 4 Grüße den Justus Winter von mir und Luther. 5 Leb wohl! 6 Verzeih dem ganz schnell und schlecht Schreibenden! Philipp [5] Ermahnung zu konstruktiver Predigt.
Grüße von Luther, dem es etwas besser geht, auch an Justus Winter. |
Corpus Reformatorum II, Sp. 567f., "No. 1032" <Dickdruck von mir.> |